Auf der Suche nach der verlorenen Zeit Bd 4
Eine von sieben Buchbesprechungen zur o.g. Lektüre
Ich habe nun die ersten fünfzig Seiten gelesen und schon auf den ersten Seiten wird recht schnell deutlich, welche Themen mich in diesem Band begleiten werden. Doch manche Handlungen sind mir schon bekannt aus den letzten drei Bänden. In der aristokratischen Gesellschaft, besonders die der Damen, finden Plaudereien schon morgens um 10:00 Uhr statt. Die Männer beginnen erst abends zu plaudern, indem sie gewisse Soirees bilden :D. So kann man ein wenig neidisch werden, dass diese Damen morgens nicht aufstehen um arbeiten zu gehen, oder um ihre Familie zu versorgen, denn auch darum kümmern sich die Hausangestellte, nein, eigentlich müssten sie gar nicht aufstehen :D aber sie stehen auf, um Gesellschaften zu geben und zu halten. Diese täglichen Mattinées :D enden gegen 12:00 Uhr Mittag.
Wenn ich nur diese viele Zeit zur Verfügung hätte und das viele Geld, was würde ich da nicht alles mit meiner Zeit nur anstellen?
Das Hauptthema in diesem Buch ist die Homosexualität. Proust versucht anhand von Naturbetrachtungen diese den Figuren in seinem Buch zu begreifen, wobei an vielen Stellen deutlich wird, dass für ihn Homosexualität eher etwas Krankhaftes, als etwas Abnormales, in der Natur spricht man von einer Unart, die nicht überlebenswert ist, da Liebende mit demselben Geschlecht nicht fortpflanzungsfähig sind. Der junge Marcel scheint auf der Suche nach der sexuellen Orientierung zu sein. Es ist bekannt, dass der reale Marcel männerorientiert lebte.
Und getrennt voneinander werden die beiden Geschlechter Zugrunde gehen;
Wobei sich mir die Frage stellt, ob es natürlich ist, wenn alle Menschen der Erde sich fortpflanzen würden? Da ist es doch klug von der Natur geregelt, wenn es auch solche Menschen gibt, die nicht fortpflanzungsfähig sind. Bei sieben Milliarden Erdbewohnern ist der Planet sowieso schon überbevölkert.
Marcel beobachtet allerdings noch, doch manchmal bekomme ich sogar den Eindruck, dass die Homosexualität eher etwas Kriminelles, als ein Verbrechen an die Natur aufgefasst werden könnte. Festgelegt hat sich Marcel noch nicht.
Um näher bei der Natur zu bleiben - und die Vielzahl dieser Vergleiche ist in sich selbst umso natürlicher, als ein und derselbe Mensch, wenn man ihn ein paar Minuten lang beobachtet, sukzessive ein Mensch, ein Vogelmensch, ein Insektenmensch usw. zu sein scheint-, hätte man auch sagen können, es handele sich um zwei Vögel, ein Männchen und ein Weibchen, von denen das Männchen seine Avancen macht, das Weibchen aber (…) mit keinem Zeichen auf dieses Treiben antwortet, sondern ohne Verwunderung sein Freund anschaut, mit einer achtlosen Lässigkeit, dies bestimmt für verführerischer und, nachdem das Männchen den ersten Schritt getan hat, für das einzig zweckmäßige hält, derweil es sich auf das Glätten seiner Flüge beschränkt.
Marcel spricht hier von einer Romanfigur namens Monsieur de Charlus, ein zwittriges Wesen, körperlich eher Mann als Frau, der sich allerdings damenhaft kleidet und sich mit rotem Lippenstift die Lippen färbt.
Proust teilt die Menschen auch in verschiedene Rassen ein. Unter den verschiedenen Rassen fallen Frauen, Männer, Homosexuelle, Zwitter… .
(…) Er sähe aus wie eine Frau: Er war eine! Er gehörte zu der Rasse jener Menschen (…) deren Ideal männlich ist, gerade weil sie von weiblichem Temperament sind, und die im Leben nur scheinbar den anderen Männern gleichen; da, wo jeder in seinen Augen, durch die er alle Dinge der Welt betrachtet, eine bestimmte Silhouette hätte auf seiner Iris eingezeichnet trägt, schwebt diesen nicht eine Nymphe, sondern ein Ephebe vor. (Lt. DUDEN - EPHEBEN ein wehrfähiger junger Mann im alten Griechenland, Anm. d. Verf.)
Wobei er die Homosexuellen als Zwitterwesen bezeichnet. Für mich sind Zwitter eigentlich jene Menschen, die beide Geschlechter besitzen. bei Marcel ist es eher so, dass Monsieur de Charlus wie ein Mann zwar aussehen, sich aber wie eine Frau geben würde. Allerdings ist mir in den letzten drei Bänden gar nicht aufgefallen, dass dieser Monsieur eine Neigung in diese Richtung haben könnte. Ich kann mir vorstellen, dass dieser Anblick für die damalige Zeit recht schockierend war, das ist es ja heute noch, und ganz besonders in den katholischen Ländern.
Die Homosexualität zu begreifen stellt für den Erzähler Marcel eine große Hürde dar. Homosexualität sei schwerer zu verstehen und zu begreifen, und es sei auch schwerer diese zu verzeihen, als es bei Kriminellen der Fall sei:
Eine Rasse, auf der ein Fluch liegt und die im Glück und Meineid leben muss, dass sie weiß, dass ihr Verlangen, das, was für jedes Geschöpf die höchste Befähigung im Dasein ausmacht, für sträflich und schmachvoll (...) ist.
Dieses Zitat zieht sich noch arg in die Länge, da ich aber niemanden erschlagen möchte mit meinen vielen Textpassagen, so habe ich es einfach abgekürzt, aber das Wesentliche kommt auch abgekürzt gut herüber.
Ich freue mich, dass heute der Begriff Rasse überholt und veraltet ist, auch wenn dies noch nicht bei allen Menschen angekommen ist. Aber was bekümmern mich andere Menschen, solange ich mich um meine Entwicklung schere.
Für den Erzähler erweist sich die Homosexualität als nicht heilbar.
Das Buch ist noch seeeeehr dick und bin recht neugierig, was sich diesbezüglich noch tun wird.