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Dienstag, 26. März 2019

Fatima Farheen Mirza / Worauf wir hoffen (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre   

Mir hat diese Lektüre ausgesprochen gut gefallen. Die Thematik, kulturelle und religiöse Unterschiede einer indischen Familie, die in Amerika lebt, hat mich sehr nachdenklich und auch betroffen gestimmt. Ein wichtiges Buch, das in die westliche und in die islamische Gesellschaft gehört. Die Auseinandersetzung damit hilft, die Welt ein bisschen besser zu machen für Menschen, die offen und bereit sind, von ihrem Tellerrand weg zu schauen.

Ich möchte nicht zu viel verraten, aber ich muss Zitate einfügen, weil sie so treffend die Problematik unterstreichen. Wen das stört, die oder der möchte bitte mit dem Cursor diese Textstellen runterscrollen.

Am Ende werde ich einen kleinen Diskurs über diese Thematik halten.

Hier geht es zum Klappentext, zum Autor*inporträt, zu meinen ersten Leseeindrücken und zu den Buchdaten.


Die Handlung
Obwohl die Thematik facettenreich beschrieben ist, ist die Handlung schnell erzählt.

Der Familienvater Rafik Jaan wanderte von Indien nach Amerika aus, da er auch schon sehr früh in seiner Jugend seine Eltern verloren hatte. Seine spätere Ehe mit Leila wurde von Indien aus arrangiert. Leila lebte noch in Indien, und folgte dem Wunsch ihrer Eltern, Rafik nachzureisen, um dort mit ihm einen Lebensbund einzugehen. Aus dieser Ehe gehen drei Kinder hervor …

Das älteste Kind, ein Mädchen, ist Hadia, ein Jahr später folgt die Schwester Huda und nach weiteren drei Jahren kommt endlich der langersehnte Sohn namens Amar auf die Welt. Alle drei Kinder wachsen kulturell und religiös streng traditionell auf. Mit neun Jahren ist die Kindheit der Mädchen abgeschlossen. Sie dürfen zwar frei entscheiden, ob sie ihre Haare bedecken, aber sie stehen unter einem ganz strengen mütterlichen Einfluss, dass sie gar nicht anders können, als ihre Haare unter eine Haube zu legen ... 
Hadia hat es besonders schwer, denn sie wird als die ältere Schwester mit zur Verantwortung herangezogen, wenn vor allem der Bruder Amar Sorgen macht.

Denn Amar ist das Sorgenkind, das schwarze Schaf in der Familie. Schon früh lehnt er sich gegen die Konventionen der Eltern und der islamischen Gemeinde auf. Er weigert sich, Muslim zu werden. Er fühlt sich eher der amerikanischen Kultur zugehörig. Da die Kinder in Amerika geboren wurden, haben sie alle drei die amerikanische Staatsbürgerschaft …

Die beiden Schwestern sind eher dazu geneigt, sich den Erwartungen der Eltern anzupassen. Sie haben keine Schulprobleme, sie halten die muslimische Kleiderordnung ein, und versuchen für sich einen Weg zu finden, der auch mit dem amerikanischen Kulturverständnis konform geht, was ganz schwer ist, da die Eltern nicht einmal amerikanische Freunde im Haus dulden. Auch amerikanisch darf innerhalb der vier Wände nicht gesprochen werden, sie sprechen zu Hause nur Urdu. Leila hat den Anspruch, die Kinder, vor allem die Mädchen, immer im Auge zu behalten, um sie besser formen und lenken zu können. Da auch ihr Leben, ihre Ehe mit Rafik, von ihren Eltern arrangiert wurde, verlangt sie nun dasselbe auch von ihren Mädchen. Sie beeinflusst das Gewissen der Kinder z. B. in der Form, dass jede Sünde im Herzen einen schwarzen Fleck hinterlassen würde. Mehrere Sünden würden das Herz vollkommen schwärzen. Doch was der Mensch als Sünde begreift, kann weltweit unterschiedlich ausgelegt werden.
Ein Fleck, der nicht mehr weggeht. So fett und schwarz, dass das Herz nicht mehr imstande ist, Gut und Böse zu unterscheiden. (2019, 237)

Hadia, die überzeugte Kopftuchträgerin, wünscht sich dennoch hin und wieder mal eine ganz normale Jugendliche zu sein, um auf Partys gehen zu dürfen, um sich mit Gleichaltrigen Jungen und Mädchen auszutauschen. Sie hegt den Wunsch, sich die Haare blau zu färben, wie es ihre beste Freundin Danielle macht. Huda dagegen kann es kaum abwarten, endlich neun Jahre alt zu werden, damit sie ihren Kopf verkleiden kann …

Die Auseinandersetzung mit beiden Kulturen ist bei allen drei Kindern unterschiedlich, doch alle drei stellen sich dieselbe Frage, wieweit sie eigene Wege ausprobieren dürfen, um von den Eltern noch geliebt und nicht verstoßen zu werden …
Hadia kennt ihren Vater. Seinen Stolz, seine Werte, sein striktes Befolgen der religiösen Vorschriften. All dies ist ihm wichtiger als die Liebe zu seinen Kindern. Hadia hat immer gespürt, dass die Liebe ihrer Eltern an Bedingungen geknüpft ist. Für Amar ist das eine Herausforderung, er möchte herausfinden, wie weit er gehen kann, bis sie ihn aufgeben. (230)

Amar kommt mit dem Vater nicht zurecht, da er hohe Maßstäbe setzt, die er nicht erfüllen kann. In der Schule hat er Probleme mit dem Lernstoff, ganz anders die Schwestern, die Musterschülerinnen sind. In der Pubertät weigert er sich, Muslim zu werden, schreit es dem Vater regelrecht ins Gesicht, dass er kein Muslim sei. Amar zweifelt die Religion seiner Eltern vehement an …

Der Junge hat sich allerdings in das Mädchen Amira Ali aus der islamischen Gemeinde verliebt. Sie kennen sich von Kindesbeinen an ...

Amar wird mit den Problemen zu Hause nicht fertig, greift zu Drogen und zu Alkohol. Die ständige Konfrontation mit seinem Vater zermürbt ihn. Auch die islamische Gemeinde lehnt ihn ab. Es folgt ein Zitat, das richtig gut dazu passt.
Nimm dich in Acht mit Schuldzuweisungen. (…) Denk immer daran, dass jedes Mal, wenn du mit dem Finger auf jemand anderen zeigst, drei Finger auf dich selbst zurückweisen.

Probleme hat Amar auch mit der amerikanischen Gesellschaft, die ihn nicht als amerikanischen Staatsbürger aufgrund seines Namens anerkennt. Durch den terroristischen Anschlag vom 11. September 2001 auf das World Trade Center geraten alle Menschen unter einem Generalverdacht, die irgendetwas mit dem Arabischen zu tun haben.

Amar gerät in der Schule in eine Prügelei mit rassistischem Hintergrund. Seine Schulkameraden bezichtigen seinen Vater als Terrorist, weil er Muslim ist und einen Bart trägt. Und auch vor den Anschlägen hatte es Amar schwer, als Amerikaner anerkannt zu werden. Ständig wird er auf die Herkunft seiner Eltern reduziert.
Seit Kurzem hat Amar das Gefühl, in eine fremde Welt hineingeboren zu sein. Welche Rolle spielt es schon, dass seine Geburtsurkunde aus einem Krankenhaus in dieser Stadt stammt und dass das einzige Haus, in dem er je gelebt hat, hier steht. Wo kommst du denn her?, lautet die freundliche Version einer oft gestellten Frage. Als könnte er gar nicht von hier stammen. Als habe er etwas missverstanden, nicht die anderen. Er hat den Versuch aufgegeben, es zu erklären. Indien, murmelt er dann als Antwort. Obwohl er insgesamt höchstens zwei Wochen dort gelebt hat und seine Eltern inzwischen hier ihr halbes Leben verbracht haben. Manchmal stellt diese Antwort die Fragenden zufrieden, manchmal wirken sie verwirrt und haken nach: Aber haben Menschen aus Indien nicht dunklere Haut? (179)

Später, nach mehreren Jahren, setzt sich Rafik, der mittlerweile Großvater zweier Enkel geworden ist, mit sich und seinem Sohn mental auseinander und erkennt seine Fehler, die er bereut. Gedanklich spricht er mit Amar:
Weißt du - darum geht´s doch-, kein Mensch ist nur gut. Jeder versucht, gut zu sein. Und jeder hat manchmal das Gefühl, dass er nicht gut ist, und sogar bei dem Versuch scheitert, gut zu sein. (352)

Warum Rafik nicht persönlich mit dem Sohn spricht, um mit ihm diese Dinge zu klären, möchte ich nicht verraten. Daher sind weitere Details dem Buch zu entnehmen.

Welche Szene hat mir gar nicht gefallen?
Der Grundschüler Amar wünscht sich von den Eltern dieselben roten Schuhe, wie sein Schulfreund sie hat. Die roten Schuhe stehen für ein kindliches amerikanisches Statussymbol. Amar möchte dazu gehören. Der Vater lehnt die Schuhe ab. Das Kind kann sich damit nicht abfinden, und schreibt seinem Daddy eine Petition. Dieser macht daraufhin mit dem Sohn einen Deal. Er bekommt die Schuhe, wenn er im nächsten Diktat null Fehler hat. Der Junge geht auf den Deal ein und paukt die Rechtschreibung. Seine Schwester hilft ihm, gibt ihm Tipps … Er kommt tatsächlich mit der Höchstnote nach Hause, und weil er den Test nicht ehrlich bestanden hat, wie sich dies erst später herausstellt, bekommt er die roten Schuhe nicht. Das fand ich ganz furchtbar für das Kind, denn wieder fühlt es sich als Versager, niemals schafft er es, die hohe Messlatte seines Vaters zu erreichen.

Welche Szene hat mir besonders gut gefallen?
Rafiks Selbstreflexion vor allem seinem Sohn gegenüber auf den letzten Seiten. Und seine Weisheit hat mir gefallen. Eine Wiedergutmachung mithilfe seiner Enkelkinder, die er abgöttisch zu lieben gelernt hat.
Ich habe ihnen gegenüber keine andere Pflicht, als sie zu lieben, und werde deshalb auch von ihnen vorbehaltlos wieder geliebt. 382

Welche Figur war für mich ein Sympathieträger?
Alle drei Kinder. Und die Krankenschwester der Schule.

Welche Figur war mir antipathisch?
Keine. Jeder Erwachsene war irgendwie in seiner Welt gefangen.

Meine Identifikationsfigur
Amar.

Cover und Buchtitel
Finde ich farblich sehr ansprechend. Über den Buchtitel muss ich noch weiter nachdenken.

Zum Schreibkonzept
Das Buch ist auf 478 Seiten in vier Teilen gegliedert. Und in jedem Teil wird die Anzahl der Kapitel neu nummeriert. Der Schreibstil ist flüssig, aber nicht chronologisch aufgebaut. Es finden jede Menge retro- und prospektivische Zeitsprünge statt. Man kann sich die Details zwar gut behalten, aber am Ende habe ich gemerkt, dass ich nicht mehr wusste, welche Szenen wann zugeordnet waren.
Der dritte Teil hat sich stark gezogen. Vieles wiederholt sich, wo ich nah dran war, Seiten zu überspringen. Man hätte hier den Stoff ein wenig raffen können.
Doch am Ende, als Rafik sein und das Lebens seines Sohnes reflektiert, wird man erneut daran erinnert, wann gewisse Szenen aufgetaucht sind, und so war ich durch diesen Part wieder ausgesöhnt. Leider hat am Ende ein Glossar gefellt, in dem die fremden Begriffe hätten näher erläutert werden können. Dafür viele Seiten zur Danksagung. 

Meine Meinung / Ein kleiner Diskurs
Ich konnte mich gut in Amar hineinversetzen. Auch hier in Deutschland gibt es viele Kinder, die mit mehreren Sprachen und Kulturen aber nicht in dem Land ihrer Eltern aufwachsen oder aufgewachsen sind. Auch sie werden trotz der deutschen Staatsbürgerschaft immer wieder als die nationalen Stellvertreter ihrer Eltern betrachtet und auf deren kulturellen Herkunft reduziert, statt dass man sie wertschätzt mit ihrem Wissen, das sie mitbringen, das ein Kind aus einer Monokultur nicht besitzt. Mittlerweile wächst hier die vierte Migrantengeneration auf, und es hat sich in der Aufnahmegesellschaft vom Bewusstsein her nur sehr wenig verändert. Menschen mit dunkler Hautfarbe und/oder mit einem ausländischen Namen haben es besonders schwer, hier als vollwertige Deutsche anerkannt zu werden. Viele Deutsche sind der Meinung, dass Integration schwierig sei. Meine Frage: Was genau ist daran schwierig? Und wer sind die Schwierigen? Viele sind integriert und werden trotzdem in die Ausländerschublade gesteckt, mit allen Klischees und Vorurteilen beladen. Andere sind sogar assimiliert, und auch das reicht nicht, um zu den Deutschen zu gehören ... Soll tatsächlich das Blut die Zugehörigkeit eines Landes bestimmen, wo es weltweit nur vier Blutgruppen gibt?

Vielleicht wäre es hilfreich, die Fehler nicht immer im Anderen zu suchen und anzufangen, das eigene Weltbild zu hinterfragen, warum man denn Probleme hat, diese Kinder als vollwertige Deutsche anzuerkennen?

Ich bin dankbar für dieses Buch, das exakt die Missstände nicht nur bei dem vertrauten ewigen Fremden sucht, sondern in der Lage ist, diese auch bei der Aufnahmegesellschaft zu finden. Letztendlich sind die meisten Kinder, die hier aufwachsen, nicht integriert, sondern in diese Kultur hineingewachsen, wie dies auch bei deutschen Kindern der Fall ist. Man sagt ja auch nicht, dass deutsche Kinder in Deutschland integriert sind. 

Massive, psychische Probleme entstehen nämlich auch, wenn Menschen besonders in den Medien erfolgreich aus einer Gesellschaft ausgeschlossen werden, obwohl sie das Recht hätten, sich als zugehörige deutsche Menschen zu bezeichnen. Und viele Deutsche lassen sich stark von den Medien leiten und beeiflussen.

Und Kinder, die nicht dazugehören dürfen, flüchten häufig in die Herkunftsidentität der Eltern. Andere stehen drüber, und verteidigen ihre sog. deutsche Identität. 

Und diese Wurzeltheorie macht Hiergeborene, ganz gleich, aus welcher Generation sie kommen, zu ewigen Ausländern. 

Bei anderen, von draußen kommenden Menschen, die später nach Deutschland eingewandert sind, werden hier einem Integrationsprozess ausgesetzt, der leider noch zu sehr einseitig verläuft, der aber beidseitig, zwischen dem Deutschen und dem Migranten, sich abspielen sollte, denn Integration ist immer ein beidseitiger Prozess, wenn er gelingen soll. Aber das ist leider noch nicht in das Bewusstsein vieler Menschen, die deutsche Eltern haben, ganz gleich, aus welchem Bildungsniveau sie kommen, eingedrungen. Hierbei muss noch viel nachgearbeitet und nachgeholt werden. Die deutschen Medien machen über diese Menschen hauptsächlich negative Schlagzeilen, sprechen immer über Ausländer, die kriminell geworden sind, oder von denen, die nicht integriert sind und sie diese als die Integrationsversager bezeichnen. Von anderen, die sich hier zu Hause fühlen, sprechen sie nicht, weil sie nicht zu den Deutschen zählen dürfen.

Ein Prozess zum Verständnis der Integration wäre für mich, nicht über die Migranten zu sprechen, sondern mit ihnen. Nur so kann man erfahren, wie differenziert die Lebensweise dieser Menschen ist. Zu erleben, was sie innerlich fühlen und was sie denken, was sie können und was sie durch den Umgang mit mehreren Sprachen und Kulturen an Ressourcen mitbringen, wäre mal spannend als Außenstehende daran teilhaben zu können …

Mein Ideal wäre, nationale Identitäten abzuschaffen und die Identität als Mensch einzuführen. Das klingt utopisch, aber das geeinte Europa war ein Ideal, von dem der verehrte Friedrich Schiller einmal geträumt hat. Und heute leben wir in einem geeinten Europa, auch wenn wir alle im Prozess stecken, mit den vorhandenen politischen Problemen EU-weit fertig zu werden.

Der Mensch ist das, was er innerlich fühlt und denkt, und nicht das, was der Mensch zu fühlen und zu denken hat.

Mein Fazit
Eine sehr differenzierte, lesenswerte fiktive Familienbiografie, die Mut macht und die ich jedem Menschen ans Herz legen möchte, der bereit ist, sein eigenes Welt- und Menschenbild zu hinterfragen, und der aufhören möchte, integrative Fehler immer im Anderen zu suchen.

Zwölf von zwölf Punkten.
  
Weitere Information zu dem Buch

Hier geht es zur Leserunde von Whatchareadin.

Auch meine Freundin Monerl hat das Buch gelesen, das sie tief berührt hat. Wir hatten uns am letzten Montag im Cafė Extrablatt getroffen und uns rege über diese Lektüre ausgetauscht.

 Hier geht es zu ihrer Buchbesprechung, die auch interessant zu lesen ist. 

Vielen Dank an den dtv Verlag für das Bereitstellen des Leseexemplars.

Vielen Dank auch an die Moderator*Innen von Whatchareadin für ihr Engagement mit den Verlagen.

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Ich spreche zwei Sprachen.
In die eine flüchte ich,
wenn die andere unmenschlich wird.
(Autor unbekannt)

Gelesene Bücher 2019: 13
Gelesene Bücher 2018: 60
Gelesene Bücher 2017: 60
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86




Dienstag, 23. Oktober 2018

Min Jin Lee / Ein einfaches Leben (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre   

Was für ein tolles Buch. In einer einfachen literarischen Sprache hat die Autorin trotzdem Tiefgang in ihren Roman hineingebracht. Wenn nicht die Buchmesse dazwischengekommen wäre, dann wäre ich schon längst durch mit dem Buch, weil es mich gefesselt hat, weil die Neugier nicht abgenommen hat, weil es spannend war bis zur letzten Seite.

Hier geht es zum Klappentext, Autorenporträt und zu den Buchdaten.

Die Handlung
Eine Familiensaga, die zwischen 1883 und 1989 aus vier Generationen besteht. Die Handlung spielt sich in Japan und Korea ab.

Der kleine koreanische Hoonie kommt mit zwei schweren Behinderungen auf die Welt. 1883 wurde er mit einem Klumpfuß und einer Gaumenspalte geboren. Trotzdem wurde er von seinen Eltern geliebt, auch wenn die Gesellschaft weltweit Kinder dieser Art verstößt. Hoonie war der Älteste von drei Brüdern, das schwächste Kind, und hat als Einziger von seinen Geschwistern überlebt. Er stammt aus einer Fischer- und Bauernfamilie. Von der Dorfgemeinschaft wurde er als der Dorfkrüppel bezeichnet. 1910 wurde Korea von Japan annektiert. Die Koreaner verloren ihr Land an Japan. Es begann in Japan die Kaiserzeit und die Koreaner*innen hatten sich ihm anzupassen ... Für die Koreaner*innen entpuppte sich der Kaiser als ein Diktator.

Hoonies Vater schickte seinen Sohn zu einem Privatlehrer, damit er die Sprachen Japanisch und Koreanisch, Lesen und Schreiben und den Umgang mit Zahlen erwerben konnte. Hoonie wuchs zu einem klugen und weisen Mann heran.

1911 wurde Yangjin durch eine Ehevermittlerin mit Hoonie verheiratet ... Auch sie hatte mehrere Fehlgeburten, bis schließlich Sunja geboren wird. Auch Sunja war ein geliebtes Kind ihrer Eltern, doch leider verlor sie mit 13 Jahren ihren Vater an Tuberkulose.

Sunjas Mutter betrieb ein Logierhaus. Sie vermietete in ihrer Wohnung abgetrennte Schlafplätze hauptsächlich an Fischersleute und versorgte sie. Yangjin und Sunja arbeiten hart, um ihren Unterhalt zu bestreiten.

Im Alter von 16 Jahren lernt Sunja einen Mann namens Koh Hansu kennen, der doppelt so alt ist wie sie. Von Beruf ist er Fischgroßhändler und dadurch ein wohlhabender Mann.
Als Sunja von japanischen Schuljungen rassistisch angemacht und diskriminiert wird, und sie sexuelle Übergriffe hat über sich ergehen lassen müssen, war es Hansu, der sie vor dem Schlimmsten bewahrt hatte, in dem er die Jungen unter Gewaltandrohung von dem Mädchen riss ... Es war 1920 als Sunja Hansu kennengelernt hat und von ihm schwanger wird. Erst durch die Schwangerschaft erfährt sie, dass Hansu schon verheiratet ist und drei große Töchter hat. Obwohl er Sunja für sie und für das Baby materielle Sicherheit versprochen hat, will Sunja nichts mehr von Hansu wissen und bricht den Kontakt zu ihm radikal ab. Wie geht nun Sunja damit um, schwanger zu sein und welche Perspektiven kann sie sich und dem unehelichen Kind bieten? Selbst die Kirche stellt die minderjährige Sunja mit ihrer Schwangerschaft als große Sünderin dar, ohne den Mann zur Rechenschaft zu ziehen …

Sunja wird mit Isak verheiratet. Isak ist protestantischer Priester und an Tuberkulose erkrankt, die in Schüben immer wieder ausbricht … Beide ziehen sie von Südkorea nach Osaka zu Isaks älteren Bruder Yosep und seiner Frau Kynghee. Osaka ist eine große japanische Hafenstadt auf der Insel Honshu. Yosep und Kynghee fragen nicht, von wem Sunja schwanger ist. Sie freuen sich auf das Baby, weil sie selbst keine Kinder haben können. Isak hat geschworen, dass er das Kind wie sein eigenes Kind lieben werde. 

Koreaner, die im Heimatland von den Japanern gettoisiert und zu Fremden im eigenen Land gemacht werden und Koreaner, die in Japan leben, haben sozial, gesellschaftlich und rechtlich so gut wie keine Rechte. Sie müssen sich heftigste rassistische Umgangsformen gefallen lassen. Sie können sich nicht wehren, und müssen sich den japanischen gesellschaftlichen Normen und Konventionen unterweisen. Sie müssen unauffällig leben und jede kleinste politische Aktion kann eine gesamte Familie existenziell gefährden. Koreaner kommen ins Gefängnis, ohne wirklich etwas getan zu haben und werden erst entlassen, wenn sie kurz vor dem Sterben stehen, das bedeutet nach einer langen Pein der Folter.

Selbst nach vier Generationen kommen Koreaner, die in Japan leben, nicht von ihrem Ausländerstatus los. Mit 14 Jahren müssen sich die Jugendlichen bei der Ausländerbehörde melden und sich mit einem Fingerabdruck als Ausländer registrieren lassen. Sie bekommen eine befristete Aufenthaltsgenehmigung. Alle drei Jahre müssen die Jugendlichen und auch die Erwachsenen den Aufenthaltstitel verlängern lassen. Kleinste Vergehen gefährden den Aufenthaltsstatus. Ich stelle mir einen Jugendlichen vor, für den es selbstverständlich ist, in Japan zu leben, was es mit seiner Identität macht, wenn er ab dem 14. Lebensjahr polizeilich geführt wird... Sunja bekommt zwei Söhne. Noa ist der Erstgeborene und sechs Jahre später kommt sein Halbbruder Mozasu auf die Welt. Noch weiß Noa nicht, dass Mozasu nur sein Halbbruder ist. Er weiß nicht, dass Hansu sein leiblicher Vater ist ... Hansu tritt wieder in Sunjas Leben und in das Leben seines/ihres Sohnes ein ...

Doch nicht nur als „Koreaner“ bekommen es die Menschen mit dem Sozialrassismus politisch und gesellschaftlich schwer gemacht. Wenn man zu dem Koreanischen auch noch eine Frau ist, so müssen sich die Frauen zusätzlich dem Gechlechterrassismus unterwerfen. Und was die äußeren Merkmale betreffen: Immer finden die Japaner ein Kriterium, einfacher gesagt, eine Schublade, in das/der die Menschen, die sie nicht als ihre Landsleute akzeptieren wollen, zu Koreanern macht, zu einer minderbelichteten Art von Menschen.

Besonders Noa macht es zu schaffen, dass er trotz guter Schulbildung keine Chance hat, Japaner zu werden ...

Die erste schwere Krise erleidet er mit seiner Freundin, die er an der Universität kennengelernt hat. Er bricht den Kontakt zu ihr ab, da sie ihn immerzu erinnert, dass er Koreaner ist. Obwohl sie sich als nichtrassistisch ausgibt, konfrontiert sie Noa permanent mit Klischees, Stereotypen und mit Vorurteilen …
Noa starrte sie an. Sie würde immer einen anderen in ihm sehen, nicht den, den er war, sondern eine fantasievolle Version eines Fremden; und sie würde sich immer für etwas Besonderes halten, weil sie sich mit jemandem einließ, der von den anderen verachtet wurde. Wenn Noa mit ihr zusammen war, dachte er nicht daran, dass er Koreaner war. Er wollte einfach er selbst sein, was immer das bedeuten mochte; Manchmal wollte er sich einfach vergessen. Aber das war mit ihr nicht möglich. (356)

Als er durch seine Freundin heraus bekommt, dass Hansu sein wirklicher Vater ist, verliert er ganz die Nerven und reißt von zu Hause aus, um sich woanders eine sichere Existenz aufzubauen, in dem er vorgibt, Japaner zu sein. Er bricht sein Studium ab und alle Familienbanden, denn er gerät immer mehr in eine schwere Identitätskrise, die nicht aufzufangen ist … Eine heftige Auseinandersetzung findet zwischen Noa und seiner Mutter statt, als er erfahren hat, wer sein wirklicher Vater ist:
Ein Leben lang haben mir Japaner gesagt, dass mein Blut koreanisch ist und dass Koreaner zornige, gewalttätige, gerissene und betrügerische Kriminelle sind. Mein ganzes Leben lang musste ich das ertragen. (359f)

Auf den Buchseiten setzen sich diese Zitate fort, die ich nicht alle rausschreiben wollte. Auch wenn man Noa verstehen kann, tut mir auch die Mutter leid, die nun von ihrem eigenen Sohn verstoßen wird ...

Die meisten Menschen, die diesen koreanischen Stempel nicht losbekommen, arbeiten hart und leben nach den vorgegeben gesellschaftlichen Regeln und Mustern in der japanischen Gesellschaft. Selbst wenn sie erfolgreich sind, haben sie keine Chance, akzeptiert zu werden. Junge Menschen können keinen Beruf ausüben, der von den Japanern ausgeführt wird. Sie dürfen nur die Arbeit verrichten, für die sich ein Japaner zu schade ist ...

Mehr möchte ich nicht verraten. Aber wenn jemand Weiteres über das Buch erfahren möchte, so hat man die Möglichkeit, sich in der Leserunde von Whatchareadin einzuklicken, um die Diskussion zu verfolgen.

Das Schreibkonzept
Das Buch besteht aus drei Teilen und ist in verschiedenen Kapiteln gegliedert. Manchmal sind die Sprünge zwischen den Jahren recht groß, trotzdem kann man gut folgen. Der erste Teil Gohjang Zuhause von 1910 bis 1933. Zweiter Teil Mutterland, von 1939 bis 1962. Der dritte Teil, Pachinko von 1962 bis 1989. Man bekommt es hier mit einem flüssigen Schreibstil zu tun.

Cover und Buchtitel?
Der Buchtitel hat mir stark zu denken gegeben. Ein einfaches Leben? Ist  das ironisch gemeint oder ist dies auf die bildungsferne koreanische Gesellschaft gemünzt? Das Leben, das diese diskriminierte Menschen aufgesetzt bekommen, ist alles andere als einfach. Aber das wollte vielleicht der Buchtitel aufzeigen, diese Diskrepanzen von einfachem und schwerem Leben gefangen in einer rassistischen Gesellschaft zu sein, ganz gleich, ob diese Leute in Japan oder in Korea leben. Sie wurden in beiden Ländern zu Fremden gemacht.

Meine Identifikationsfigur
Auch wenn Noa der Verlierer ist, ist er meine Identifikationsfigur gewesen.

Meine Meinung
Diese rassistischen Vorurteile kenne ich als Kind italienischer Eltern nur zu gut. Auch bei uns in Europa sind sie reichlich vertreten, wenn auch ohne diesen politischen Druck. Denn hier darf man eingebürgert werden. Wenn von fünf Italienern einer unanständig ist, dann werden die vier anständigen übersehen, und der unanständige Italiener wird als Maßstab stellvertretend für alle Italiener benutzt. Selbst nach drei Generationen in Deutschland lebend sind sie noch immer nicht als Deutsche anerkannt. 
Der Umgang mit Menschen anderer Nationalitäten verhält es sich ähnlich. Und die äußerlichen Zuschreibungen? Ähnlich wie bei den Koreanern. In deutscher Literatur gibt es keinen blonden Italiener. Und keinen mit einer hellen Haut, obwohl die meisten Italiener, die in Italien leben, sonnengebräunt sind und nicht dunkel oder olivfarben auf die Welt kommen. Hat ein Italiener blonde Haare oder eine helle Haut, dann sind es die dunklen Augen, die ihn zum Südländer machen oder umgekehrt. Stigmatisiert ist man mit einem ausländischen Namen, andere mit einer dunklen Hautfarbe.

In einem Lexikon für Traumsymbole steht, wenn jemand träumt, mit einem Italiener zu sprechen, dann solle man sich vor Dieben hüten. Und wer träumt, italienisch zu sprechen, der habe Sehnsucht nach einem schwarzhaarigen Menschen.

Im selben Lexikon unter dem Begriff
Deutsch steht:
Fühlen und handeln: Ehrgefühl besitzen.
(Beides nachzuschlagen im Lexikon der Traumsymbole von Hanns Kurth, damals war es der Goldmann Verlag, derzeit im Heyne Verlag erschienen)

Mein Fazit?
Nach meiner Sicht sind in diesem Buch alle Menschen in einem politischen und sozialen  System gefangen. Die, die glauben, etwas Besseres zu sein, müssen andere klein machen, um ihr Ego aufzuwerten. Ein Mensch, der glücklich und zufrieden ist, ist es auch im Umgang mit anderen Menschen. Er behandelt seinen Mitmenschen gleich. Dieser Mensch hat es nicht nötig, andere abzuwerten. Aber wenn ein politisches System Menschen in gute und in schlechte Menschen einteilt, und die Ressourcen verteilt werden in die Guten bekommen viel, die Bösen bekommen wenig oder auch gar nichts, kann eine Gesellschaft sich nicht gesund weiter entwickeln. Dann sind natürlich Menschen, die vom politischen System auf die gute Seite gestellt werden, froh, zu der besseren Hãlfte zu gehören. Eine große Herausforderung für alle Gruppen von Menschen im hiesigen Buch.

Deshalb sind sie für mich hier alle Opfer und Täter zugleich. Mir fällt dazu die Autorin Nino Haratischwilli ein, die auf der Buchmesse im Interview geäußert hat, dass ein Kriegsverbrecher niemals mit sich selbst Frieden schließen könne. Sie sprach über ihr neues Buch Die Katze und der General. Und so sehe ich es auch mit Menschen, die andere Menschen unterdrücken. Tief in sich drin können die Unterdrücker nicht wirklich glücklich sein ... Vielleicht passt hier der Vergleich zu Japan mit ihrer sogenannten Schamkultur, die hoffentlich nicht nur auf die Umweltkatastrophe Hiroshima gemünzt ist.

Ich wünsche mir ganz feste, dass dieses Buch von Min Jin Lee durch die ganze Welt reist. Rassismus gibt es überall, das soll aber keine Entschuldigung sein. Jeder kann an sich arbeiten, Vorurteile in sich erst bewusst zu machen, um sie später, im nächsten Schritt, bestmöglich abbauen zu können, denn so kann eine Gesellschaft profitieren, die gesund und stabil miteinander wachsen möchte.

Da fällt mir der Spruch wieder aus der Buchmesse ein:
Böse ist das Böse nur, wenn man nichts dagegen tut.

Es ist nicht böse, Vorurteile zu haben, es ist nur böse, wenn man sie weiterverbreitet, weil man sich damit nicht auseinandersetzen möchte, und Menschen damit schadet, weil man sie damit verletzt.

Aber mir würde es schon genügen, wenn das Buch seine Leser*innen in der Auseinandersetzung mit anderen Menschen stärker sensibilisiert. Die Autorin hat eine ruhige Art, über diese unruhige Thematik zu schreiben.

Deshalb erhält das Buch von mir 12 von 12 Punkten.

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Literaturwissenschaftliches, gut recherchiertes Buch
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein

Hier geht es zur Leserunde von Whatchareadin.

Vielen herzlichen Dank an den dtv Verlag für das Leseexemplar.
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Dienstag, 1. Mai 2018

Celeste Ng / Kleine Feuer überall (1)

Lesen in der Leserunde im Bücherforum Watchareadin

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Was für ein gelungenes Buch. Es gibt nichts, was mir inhaltlich nicht gefallen hat. Zudem sehr interessant vom Aufbau her. Eine spannende Familiengeschichte, die über eine breite Diskussionsgrundlage verfügt …

Ein Buch, das Zivilcourage zeigt.

Die Handlung
Familie Richardson
Die Handlung spielt in Shaker Heights, ein Vorort von Cleveland, Bundesstaat Ohio. Shaker Hights ist eine wohlhabende Wohngegend, die zudem über einen recht hohen Verhaltenskodex verfügt. Starke Reglementierung in der auch Alltagsregeln eingebettet sind, und wer gegen diese verstößt, wird es nicht leicht haben, das Leben in Harmonie fortzuführen. Wir lernen hier die sechsköpfige Familie namens Richardson kennen und es ist Mrs Richardson, die über diese Regeln wacht. Man glaubt anfangs, es mit einer gutbürgerlichen Familienidylle zu tun zu bekommen. Und dies nicht nur innerhalb dieser Familie. Mrs Richardson ist von Beruf Journalistin, ihr Mann Jurist. Die Kinder befinden sich alle im jugendlichen Alter. Die Richardson besitzen zwei Häuser.

In dem einen Haus leben die Richardson, während das zweite Haus mit zwei getrennten Wohnungen untervermietet ist. Mrs Richardson ist es wichtig, die Wohnungen an Menschen zu vermieten, die nicht besonders wohlhabend sind.

Mia und Pearl Warren
An Mia Warren wurde eine von den beiden Wohnungen vermietet. Mia Warren ist Fotokünstlerin und zieht mit ihrer fünfzehnjährigen Tochter Pearl in diese Wohnung ein. Sie ist alleinerziehend. Dies ist die erste Wohnung, die Mia seit Pearls Geburt bezogen hat. Als Künstlerin wollte sie immer unterwegs sein, um Eindrücke für ihre Kunst zu sammeln. Sie lebt von ihrer Kunst und von Gelegenheitsjobs.

Pearl sehnt sich nach einem ganz normalen und sesshaften Leben, nach einem dauerhaften Schulbesuch und nach festen FreundInnen. Mia musste der Tochter versprechen, nicht mehr fortzuziehen. Durch die Richardsonkinder lernt Pearl, was es heißt, in einer Familie zu leben und so fragt sie ihre Mutter wiederholt, wer ihr Vater sei? Mia gibt dazu keine Antwort. Wie Pearl muss sich auch die Leserin in Geduld üben, dass irgendwann sicher noch eine Antwort folgen wird. Pearl freundet sich mit den Richardsonkindern an. Sie wünscht sich ein Leben, in Sicherheit und Wohlstand gebettet, wie es die Richardson kennen. Izzy Richardson dagegen, das jüngste Kind, fühlt sich mit den festen Regeln und dem vielen Komfort eher eingeengt. Sie sehnt sich nach einem Leben, wie Mia es mit ihrer Tochter lebt. Einfach und bescheiden. Izzy ist das schwarze Schaf in der Familie und man bekommt als Leserin den Eindruck, Izzy würde ihr Leben in einem goldenen Käfig verbringen …

Auch Pearl fühlt sich zu den Richardson hingezogen, und so durchleben beide Kinder erst mal eine kleine Identitätskrise … Beide Familien weisen Konflikte auf, die besondere Problemlösungsstrategien einfordern. Mrs Richardson missachtet die Lebensweise von Mia Warren und ist blind für die Probleme innerhalb der eigenen Familie.

Bebe Chow
Auch lernt man die Chinesin Bebe Chow kennen, die ein Mädchen geboren hat. Bebe Chow hat ihr Kind ausgesetzt, weil ihr die Mittel fehlten, für das Kind zu sorgen. Der Säugling wurde gefunden und dem kinderlosen Ehepaar Linda und Ehegatte McCullogh zur Adoption übergeben. Das Ehepaar wünscht sich nichts sehnlicher als ein Kind, und alle Versuche sind gescheitert, selbst ein Kind zu bekommen. Bebe Chow bereut ihren Schritt und möchte ihr Kind  zurückhaben, da sie ihre finanziellen Verhältnisse durch einen Job ein wenig aufstocken konnte. Es finden Gerichtsverhandlungen statt. In der Zwischenzeit liegt das Kind in der Obhut des Staates. Es entstehen juristisch und journalistisch zwei Fronten. Jede Seite kämpft um dieses chinesische Kind. Ein interessanter und extrem moralischer Part.

Zum Scheibkonzept
Zu dem Schreibkonzept muss ich mich diesmal ein wenig bedeckt halten. Das Schreibkonzept ist dermaßen gut konstruiert, dass man gerne darüber sprechen möchte, aber nicht kann, weil man anderen LeserInnen die Möglichkeit nimmt, selbst zu entdecken, wie die Geschichte mit welchem Konstrukt aufgebaut ist.
Die Struktur in drei Teilen: Ein paar Zeilen am Anfang: Auf der allerersten Seite gibt es zwei Zeitungsartikel, die Shaker Heights beschreiben. Auf den folgenden Seiten erfährt man, dass das jüngste Kind der Richardson das Haus in Brand gesetzt hat. Im MIttelteil werden Handlungen von drei Familien. bzw. familienähnlichen Lebensweisen beschrieben. Und das Ende? Der Schluss ist vielversprechend.

Schreibstil
Ein wundervoller Schreibstil, der sich flüssig lesen lässt. Auch die Charaktere aller Figuren sind gut getroffen. Man erlebt facettenreiche und authentische Persönlichkeiten. Eine von den Figuren ist mir von Anfang an unsympathisch gewesen, und meine negativen Eindrücke zu dieser Person haben sich am Schluss bestätigt. Bangen musste ich ich auch um Bebe Chow.

Meine Meinung
Mich haben die Handlungen alle sehr überzeugt. Mich wird die Geschichte noch lange beschäftigen. Von der ersten bis zur letzten Seite habe ich die Geschichte mit großer Spannung verfolgt. Aus dem Probelesen wurde anfangs mehr, ich konnte das Buch nicht mehr aus dern Händen legen. Die letzten fünfzig Seiten waren für mich die aufregendsten.

Ungeklärte Fragen
Ich habe mich gefragt, ob die Geschichte autobiografische Züge aufweist? Das verrät mir sicher das Interview auf der dtv Seite. Das werde ich mir später noch vornehmen.

Cover und Buchtitel?
Sehr gut getroffen. Besitzt einen Wiedererkennungswert. 

Meine Identifikationsfiguren
Mia Warren und Izzy Richardson.

Mein Fazit?
Gelungene Familiengeschichten, sodass ich mir den Namen der Autorin merken werde, und ich mir ihre anderen Bücher auch noch anschaffen möchte.

Meine Bewertung?

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein
 Zwölf von zwölf Punkten.

Weitere Informationen zu dem Buch

Vielen Dank an den Verlag für das Leseexemplar.
     
·               Gebundene Ausgabe: 384 Seiten
·         Verlag: dtv Verlagsgesellschaft (20. April 2018)
·         Sprache: Deutsch
·         ISBN-10: 3423281561

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Gelesene Bücher 2018: 19
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