Samstag, 25. Februar 2017

Marcel Proust / Auf der Suche nach der verlorenen Zeit (BD 7)

Die wiedergefundene Zeit

Klappentext
Mit dem siebten und letzten Band von Prousts großem Romanwerk Auf der Suche nach der verlorenen Zeit schließt sich der Kreis: Der Erzähler Marcel findet zu seiner schriftstellerischen Berufung und be­ginnt endlich mit der Arbeit an seinem Werk.


Autorenporträt
Marcel Proust wurde am 10. Juli 1871 in Auteuil geboren und starb am 18. November 1922 in Paris. Sein siebenbändiges Romanwerk Auf der Suche nach der verlorenen Zeit ist zu einem Mythos der Moderne geworden. Eine Asthmaerkrankung beeinträchtigte schon früh Prousts Gesundheit. Noch während des Studiums und einer kurzen Tätigkeit an der Bibliothek Mazarine widmete er sich seinen schriftstellerischen Arbeiten und einem – nur vermeintlich müßigen – Salonleben. Es erschienen Beiträge für Zeitschriften und die Übersetzungen zweier Bücher von John Ruskin. Nach dem Tod der über alles geliebten Mutter 1905, der ihn in eine tiefe Krise stürzte, machte Proust die Arbeit an seinem Roman zum einzigen Inhalt seiner Existenz. Sein hermetisch abgeschlossenes, mit Korkplatten ausgelegtes Arbeits- und Schlafzimmer ist legendär. In Swanns Welt, der erste Band von Prousts opus magnum, erschien 1913 auf Kosten des Autors im Verlag Grasset. Für den zweiten Band, Im Schatten junger Mädchenblüte, wurde Proust 1919 mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet. Die letzten Bände der Suche nach der verlorenen Zeit wurden nach dem Tod des Autors von seinem Bruder herausgegeben.
Mein letztes Buch aus dieser Proust-Serie. Der Titel passt gerade auch zu meiner momentanen Lebenssituation, in der ich mich permanent mit der Frage beschäftige, weshalb wir Menschen nur so wenig Zeit haben? Ich zähle mich nicht zu Proust-Kreisen, die ihre Zeit vertun, indem sie von einer Gesellschaft in die andere ziehen, und viel zu plappern haben über die Charaktere anderer Leute. Nein, so verbringe ich nicht meine Freizeit, und doch bleibt mir so wenig Zeit. Und noch nie hatte der Mensch durch die Entwicklung der modernen Technik so viel Zeit wie heute. Wir sind schnelllebig geworden, und doch schaffen wir nicht mehr als unsere Vorfahren. Wir vergeuden genauso unsere Zeit mit so viel Unnützem, ähnlich wie Prousts Figuren es tun. Auch wenn wir es nicht wahrhaben wollen. 

Nun bin ich doch wirklich gespannt, wie Marcel die verlorene Zeit wiedergefunden hat. Ich habe mich speziell auf diesen Band sehr gefreut. Es dürstet mich regelrecht danach. Ich habe gerade mal 90 Seiten durch, und bis jetzt muss ich sagen, bleibt sich Marcel seinem Schreibstil noch treu. Viele Reflexionen, viele Gedanken über das Leben seiner fiktiven Mitmenschen aus der gehobenen Klasse. 

Was ist hier anders? Wir befinden uns in diesem Band im Ersten Weltkrieg. Hauptsächlich geht es in dem Krieg zwischen Frankreich und Deutschland. Das finde ich spannend. Marcel ist nicht einberufen, weil er kränkelt, macht sich aber viele Gedanken über die Soldaten, die eingezogen werden, und über andere Männer, die nicht eingezogen werden, und diese als zu verweichlichte und feige Männer zählen würden. 

Weitere Informationen zu dem Buch

D: 17,00 € 
A: 17,50 € 
CH: 24,50 sFr
Erschienen: 29.11.2004
suhrkamp taschenbuch 3647, Broschur, 641 Seiten
ISBN: 978-3-518-45647-7

Und hier geht es auf die Verlagsseite von Suhrkamp. 

Mittwoch, 22. Februar 2017

Rudyard Kipling / Das Dschungelbuch (1)

Lesen mit Tina


Eine kurze Buchbesprechung

Mit dem Dschungelbuch bin ich nun durch. Tina hat auch schon ausgelesen, wobei sie viel eiserner war als ich, da ich in dem Buch nicht noch alle zusätzlichen Fabeln gelesen habe, die nicht zu dem Dschungelbuch gehört haben. Ich freue mich nämlich auf Marcel Proust, den ich als nächstes lesen möchte, und hatte gar nicht vor, nach dem Dschungelbuch noch mehr Kindergeschichten zu lesen ... 

Das Dschungelbuch hat mich nicht wirklich umgehauen. Damit möchte ich aber nicht ausdrücken, dass es für Kinder nicht geeignet ist. Nein, das Märchen ist lesenswert, sowieso lesen Kinder anders als Erwachsene. Viele Kinder sind ja ganz hungrig nach solchen Abenteuergeschichten. 

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Nur knapp den Fängen Shir Khans, des Tigers mit den glühenden Augen, entkommen wird Mogli nach den Gesetzen des Dschungels großgezogen. Er lernt zu jagen und die Sprache der Dschungelvölker zu sprechen. Auf seinen zahlkreichen Abenteuern begegnet er so unvergesslichen Charakteren wie dem schwarzen Panther Baghira, dem gutmütigen Braubär Balu und Kaa, der Schlange mit dem hypnotisierenden Blick. Doch Mogli ist ein Mensch und nachdem er herangewachsen ist, muss er zu Seinesgleichen zurückkehren. Im entscheidenen Kampf zwischen ihm und seinem Erzfeind, Shir Khan, erweist sich schließlich, wer der wahre König des Dschungels ist.
Ein wenig tat mir Mogli teid, der nirgends richtig zu Hause war. Weder im Dschungel bei den Tieren, noch bei den Menschen im Dorf. Aber ansonsten hat sich Mogli doch insgesamt gut geschlagen, hat sich Respekt verschafft, indem er fähig war, Gefahren zu bekämpfen. 

Das Dschungelbuch war dann zu Ende, ohne dass wir gemerkt haben, dass es zu Ende war, da wir noch viele ungelesene Seiten vor uns hatten. Das fanden Tina und ich nicht wirklich passend, die so ad hoc mit völlig anderen Geschichten gefüllt waren. Auch wenn der Klappentext auf die Zusatzmärchen hingewiesen hat, war mir das Ende zu abrupt ... 

Mehr möchte ich jetzt nicht schreiben, ich werde mich mit Tina noch telefonisch austauschen, sodass ich später diese Konversation hier nachtragen werde. Nur möchte ich jetzt das bis auf diesen Austausch mit Tina jetzt abschließen, damit ich innerlich frei bin für die neue und die nicht ganz so einfache Proust-Lektüre.

Und hier geht es zu Tinas recht ausführlichen Buchbesprechung, 

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Gelesene Bücher 2017: 08
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86




Montag, 20. Februar 2017

Rudyard Kipling / Das Dschungelbuch

Lesen mit Tina

Klappentext
Nur knapp den Fängen Shir Khans, des Tigers mit den glühenden Augen, entkommen wird Mogli nach den Gesetzen des Dschungels großgezogen. Er lernt zu jagen und die Sprache der Dschungelvölker zu sprechen. Auf seinen zahlkreichen Abenteuern begegnet er so unvergesslichen Charakteren wie dem schwarzen Panther Baghira, dem gutmütigen Braubär Balu und Kaa, der Schlange mit dem hypnotisierenden Blick. Doch Mogli ist ein Mensch und nachdem er herangewachsen ist, muss er zu Seinesgleichen zurückkehren. Im entscheidenen Kampf zwischen ihm und seinem Erzfeind, Shir Khan, erweist sich schließlich, wer der wahre König des Dschungels ist.


Autorenporträt
Rudyard Kipling (1865-1936), wurde in Bombay geboren, wuchs aber - wie es damals üblich war - in Großbritannien auf. Im Alter von 17 Jahren kehrte er nach Indien zurück und begann als Journalist für anglo-indische Zeitungen zu arbeiten. Seine literarische Karriere begann 1886 mit Kurzgeschichten. Zu der Zeit, als die Dschungelbücher veröffentlicht wurden (1894/95) war er bereits einer der berühmtesten lebenden Schriftsteller Großbritanniens. Er erhielt 1907 im Alter von nur 42 Jahren den Nobelpreis für Literatur.
 Illustrationen von Robert Ingpen.


Weitere Informationen zu dem Buch

19.5 x 23.5 cm, gebunden mit SU, 192 Seiten mit 70 farbigen Abbildungen
24,95 €
Übersetzt von: Reinhard Pietsch
ISBN 978-3-86873-632-8



Sonntag, 19. Februar 2017

Leon de Winter / Geronimo (1)

Eine Buchbesprechung zu o. g. Lektüre

Das Buch hat mir recht gut gefallen, trotzdem musste ich mich fragen, was an der Geschichte real ist und was fiktiv? Vielleicht ein Mix von beidem? Wahrscheinlich hat Leon de Winter seine eigenen Theorien in dem Roman einfließen lassen. Absurd fand ich die Haltung der Amerikaner, zu wieviel Mann sie auf einen einzigen Mann losgestürmt sind, um einen Vergeltungsschlag zu den Terroranschlägen vom 11. September 2001 auszuüben. De Winter glaubt nicht daran, dass bin Laden von den Amerikanern erschossen wurde, wie uns dies die Medien weiszumachen versuchen. Letztendlich werden wir es nicht erfahren, ob Osama bin Laden von den Saudis gekidnappt und anschließend getötet wurde, oder von den Amerikanern. Mit dieser Frage setzt sich der Autor in seinem Buch auseinander und findet darin für sich eine Antwort.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein.
Ehlers»Geronimo« lautete das Codewort, das die Männer vom Seals Team 6 durchgeben sollten, wenn sie Osama bin Laden gefunden hatten. Doch ist die spektakuläre Jagd nach dem meistgesuchten Mann der Welt wirklich so verlaufen, wie man uns glauben macht? Ein atemberaubender Roman über geniale Heldentaten und tragisches Scheitern, über die Vollkommenheit der Musik und die Unvollkommenheit der Welt, über Liebe und Verlust. 
Wie dem auch sei, ich habe das Buch mit Spannung verfolgt. Ich werde mich hier auf ein paar wenige Szenen beschränken.

Usama bin Laden hat mich in diesem Buch etwas an den Charakter von Adolf Hitler erinnern lassen. Der eine Terrorist, der andere ein Diktator, so haben doch beide auch ihre herzliche Seite gezeigt. Adolf Hitler hatte auch starke väterliche Seiten in sich. Er sorgte für das Wohl seiner Frauen, die für ihn arbeiteten. Wenn diese Ängste äußerten, dann fand Hitler warme, wohlwollende Worte, um ihnen die Angst zu nehmen. Bin Laden konnte ebenfalls empathisches Verständnis aufbringen. Es geht hierbei um ein Kind, ein 12-jähriges afghanisches Mädchen, das als Flüchtling in Pakistan lebte. Das Mädchen trägt eine schwere körperliche Behinderung mit sich. Sie hatte keine Hände mehr, und auch deren Ohren waren verstümmelt. Das Kind hieß Apana, als bin Laden sie eines nachts als Bettlerin auf der Straße sitzen sah und sich Gedanken über ihre Behinderung machte. 
Das Mädchen stellte keine Gefahr dar. Eine behinderte Bettlerin. Er war eine größere Gefahr für sie als sie für ihn, denn sie war seinem Mitleid ausgesetzt. Das hatte er, wie er feststellte. Ein guter Muslim kümmert sich um die Schwächeren. Wer beschützt sie, wenn sie nachts von einem Mann belästigt wurde? Oder ließ sie sich missbrauchen, und war das für sie ein Weg der Nahrungsbeschaffung? (2016, 44)
Das Mädchen hatte hellblaue Augen und hielt den Kopf stark verhüllt. Sie hatte keine Familie mehr, ihr Vater wurde von den Taliban ermordet, die Mutter starb, als sie noch ein kleines Kind war.
Bin Laden wundert sich, als er sich ihr nähert:
Er sah keinen Schmutz. Sie stank auch nicht. Irgendjemand musste für sie sorgen. Und dennoch – was für ein grauenvolles Leben, als junge Frau in der Nacht allein, ohne die Geborgenheit der Familie. Warum hatte er, der Scheich, sie all die Male ihrem Schicksal überlassen? Jetzt gab er ihr zum ersten Mal ein Almosen? Der wunderbare USB-Stick, der Auslöser für seinen nächtlichen Ausflug war, hatte ihn zu ihr geführt. War es das, was Allah, der Allbarmherzige, jetzt von ihm verlangte: Mitgefühl für dieses verlorene Geschöpf?  (46)
Bin Laden nimmt das Mädchen mit zu sich in seinen Unterschlupf. Er wollte das Kind erlösen, damit sie nicht mehr zu leiden habe. Sie umbringen. Ob er dies tatsächlich macht, oder ob er sich weiterhin väterlich gibt, lasse ich offen.

Das Mädchen ist allerdings nicht durch Geburt behindert, sondern es wurde von den Taliban gefoltert, weil sie sich für die westliche Musik interessiert hatte und sie unbedingt Pianistin werden wollte. Man ertappte sie dabei, als sie CDs von Bach hörte, weshalb man ihr auch die Ohren abhackte. Sie schwärmte für Bach, dessen Musik, insbesondere die Goldberg-Variation, sie als göttlich empfand. Mir ist ein Rätsel, wie ein Mensch solche grausamen Verstümmelungen nur überleben konnte.

Wie sie dazu kam, als eine Muslimin Bach-Musik kennenzulernen, möchte ich nicht verraten.

Dann gibt es noch Jabbar, ein 16-jähriger pakistanischer Schüler, der später unbedingt Medizin studieren möchte und als Arzt via einer Greencard nach Amerika einwandern möchte. Sein Traum, Amerikaner zu werden und unbedingt Mitglied bei der US-Army zu werden, kann ihm niemand ausreden. Er ist Christ und heißt eigentlich John, der Name seiner Mutter ist Maria. Doch diese Namen sind in Pakistan nicht erwünscht, weshalb sie noch zusätzlich pakistanische Namen tragen. Jabbar lernt Apana kennen. Er fühlt sich stark zu ihr hingezogen und zwischen ihnen entwickelt sich eine außergewöhnliche Bindung …

De Winter hinterfragt in seinem Roman die amerikanische Aktion der CIA, der auch Tom angehört, der die Bekanntschaft mit Apana und Jabbar macht. Tom möchte Apana adoptieren. Er möchte sie mit nach Amerika nehmen, er weiß nur noch nicht, wie er das Mädchen durch die strengen Einwanderungsbehörden bringen kann. Aber da ist ja noch Jabbar und dessen Mutter, die er auch nicht zurücklassen kann, da sie alle miteinander verbunden sind …

Jabbar begibt sich auf gefährliches Terrain, als er bei bin Laden, dessen Haus von den Saudis gestürmt wurde, einen alten Hocker entwendet. Er weiß noch nicht, dass dieser Hocker sein Leben und das Leben seiner Mutter in Gefahr bringt, denn in dem Hocker befindet sich der mysteriöse USB-Stick, den bin Laden in dem Tischbein versteckt hat. Der Junge ahnt noch nichts von diesem USB-Stick, auf dem geheimnisvolle Informationen von bin Laden festgehalten sind.   

Als bin Laden von den Taliban verschleppt wird, realisiert der Al-Qaida-Chef noch gar nicht, wer seine Entführer sind. Er war sich sicher, dass es die Amerikaner seien. Die Kleider und die Gesichter der Entführer bleiben bedeckt … Bin Laden kann es nicht fassen, dass so viel Wirbel um einen einzigen Mann gemacht wird, wo es doch draußen noch zig andere Mitglieder der Al-Qaida gibt. Die Medien in Amerika verkünden bin Ladens Tod, dessen Leiche in den Ozean entsorgt worden sei. Sie wissen noch nicht, dass bin Laden noch lebt. Nur Vito ahnt, dass er noch am Leben ist, aber niemand möchte ihm glauben. …

Ich mache hier nun Schluss. Es ist ein spannender Roman, wenn auch viele Episoden sehr traurig enden.


Mein Fazit?

Es fällt mir schwer, mir zu dem Roman eine Meinung zu bilden, da der Inhalt doch größtenteils fiktiver Art ist, und man das Buch schwer als einen historischen Roman betrachten kann. Aber die Ideen, die der Autor in seinem Buch hat einfließen und die sich wie einen Thriller lesen lassen, fand ich interessant. Irritierend ist halt nur, dass Osama bin Laden wiederum die einzige reale Figur in dem Buch ist. Es wäre leichter, wenn der Autor sich in einem Nachwort ein wenig dazu geäußert hätte, wie er überhaupt zu seinem Stoff gelangt ist.

Aber die Geschichte wirkt literarisch recht anspruchsvoll und authentisch.  

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus

Zehn von zehn Punkten.


Weitere Informationen zu dem Buch

Ich möchte mich recht herzlich beim Diogenes-Verlag für das zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar bedanken.

448 Seiten 
erschienen am 01. September 2016 

978-3-257-06971-6 
€ (D) 24.00 / sFr 32.00* / € (A) 24.70 
* unverb. Preisempfehlung 



Und hier geht es auf die Verlagsseite von Diogenes. 

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Gelesene Bücher 2017: 07
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86



Sonntag, 12. Februar 2017

Leon de Winter / Geronimo

Klappentext
Aus dem Niederländischen von Hanni Ehlers»Geronimo« lautete das Codewort, das die Männer vom Seals Team 6 durchgeben sollten, wenn sie Osama bin Laden gefunden hatten. Doch ist die spektakuläre Jagd nach dem meistgesuchten Mann der Welt wirklich so verlaufen, wie man uns glauben macht? Ein atemberaubender Roman über geniale Heldentaten und tragisches Scheitern, über die Vollkommenheit der Musik und die Unvollkommenheit der Welt, über Liebe und Verlust. 


Autorenporträt

Leon de Winter, geboren 1954 in 's-Hertogenbosch als Sohn niederländischer Juden, begann als Teenager, nach dem Tod seines Vaters, zu schreiben. Er arbeitet seit 1976 als freier Schriftsteller und Filmemacher in Holland und den USA. Seine Romane erzielen nicht nur in den Niederlanden überwältigende Erfolge; einige wurden für Kino und Fernsehen verfilmt, so ›Der Himmel von Hollywood‹ unter der Regie von Sönke Wortmann. Der Roman ›SuperTex‹ wurde verfilmt von Jan Schütte. 2002 erhielt de Winter den Welt-Literaturpreis für sein Gesamtwerk, und 2006 wurde er mit der Buber-Rosenzweig-Medaille ausgezeichnet.

Auszeichnungen

  •  ›Reina Prinsen Geerlings-Preis‹ für De (ver)wording van de jongere Dürer, 1978
  •  WELT-Literaturpreis für sein Gesamtwerk, 2002
  •  ›Welt-Literaturpreis‹ für Leon de Winter: »Die Jury ehrt Leon de Winter für seine so komplex wie spannend angelegten Romane, die am Beispiel meist jüdischer Protagonisten hochkomisch und psychologisch einfühlsam vom Getriebensein des modernen Menschen erzählen. Sein Schreiben zeichnet sich durch einen souveränen Wechsel von Nähe und Distanz im Hinblick auf seine Figuren aus, durch ein meisterliches Gespür für pointierte Dialoge, durch die gekonnte Verknüpfung verschiedener Haupt- und Nebenhandlungen, die seine Bücher so komplex wie spannend machen. Er wird für sein Gesamtwerk geehrt.«, 2002
Dies ist mein viertes Buch aus der Buchmesse von 2016. Ich erinnere mich noch deutlich an das Interview. Mal schauen, ob ich das Buch auch so gut finde wie das Interview.

Dies ist mein erstes Buch von dem Autor. 


Weitere Informationen zu dem Buch

Und hier geht es auf die Verlagsseite von Diogenes. 


Aus dem Niederländischen von Hanni Ehlers
eBook
448 Seiten (Printausgabe)
erschienen am 24. August 2016

978-3-257-60716-1
€ (D) 20.99 / sFr 27.00* / € (A) 20.99
* unverb. Preisempfehlung 





Samstag, 11. Februar 2017

Amy & Isabelle (1)

Lesen mit Anne


Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Ich bin seit gestern mit dem Buch durch. Das zweite Buch, das ich von der Autorin gelesen habe, und auch dieses hat mir gut gefallen. Allerdings ist es ein reines Frauenbuch. Ich wusste nie so recht, woran man ein Frauenbuch erkennen konnte, da ich kaum Erfahrung damit habe. Mit diesem Buch weiß ich es nun ... Allerdings ist das kein typisches Frauenbuch, verglichen mit dem, was ich so bisher darüber gehört habe. Frauenbücher, solche, die sich hauptsächlich mit trivialen Themen trivial auseinandersetzen, finden bei mir keinen Anklang. Nein, dieses hier ist eher eines aus der oberen Klasse. Aber mit diesem Frauenbuch habe ich trotzdem erstmal genug, bin ausreichend von den darin enthaltenen Frauenthemen gesättigt.

Eigentlich ist die Geschichte recht schnell erzählt, weshalb ich mich hier kurz halten werde. Annes Klappentext verrät zu viel über den Ausgang des Romans. Dies hat uns beiden die Spannung genommen, als Anne mir ihren Klappentext beschrieben hat, der anders ist als meiner, da sie nicht wissen konnte, dass ich eine andere Ausgabe besitze. Meine Ausgabe ist älter und vom Piperverlag, Annes vom btb-Verlag.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
In jenem furchtbar heißen Sommer, als Mr. Robertson die Stadt verläßt, wird Amy erwachsen. Für sie ist plötzlich nichts mehr so, wie es einmal war – am wenigsten das Verhältnis zu Isabelle, ihrer verhaßten, gleichzeitig geliebten Mutter, die mit ihr zwar unter einem Dach, aber offensichtlich auf einem anderen Stern lebt.
Die Geschichte zwischen Amy und der Mutter Isabelle ist tatsächlich recht abgekühlt. Dadurch wirkt Amy recht schüchtern und distanziert. Auch in der Schule ist sie sehr zurückhaltend und ängstlich. Obwohl sie gute Zensuren hat, hat sie immer Angst zu versagen. Besonders vor ihrem neuen Mathematiklehrer namens Robertson.

Isabelle kommt mir arg spießig vor. Permanent reglementiert sie ihre Tochter. Sie ist alleinerziehend, gibt an, dass der Vater des Kindes gestorben sei, als Isabelle noch ein Säugling war. Sie wohnte damals noch bei ihrer Mutter, die beide das Kind großziehen wollten, da Isabelle noch sehr jung war, und sie auf die Universität wollte, um auf Lehramt zu studieren. Doch dann starb Isabelles Mutter ganz plötzlich, sodass Isabelle mit der Erziehung des Kindes alleine war und sich nicht mehr in der Lage sah, ihren Studien nachzugehen und verließ schließlich die Universität ohne Abschluss. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass Amy dies zu spüren bekommen hat, da Isabelle kaum berufliche Perspektiven hat, und arbeitet schließlich in einem Großraumbüro, in dem nur Frauen sitzen.

Es folgt dazu eine Szene zwischen Mutter und der Tochter:
>>Ich bin deine Mutter<<, sage Isabelle in plötzlicher Verzweiflung, >>und du hast absolut keinen Grund, so mit mir zu sprechen. Ob es dir passt oder nicht, wir wohnen im selben Haus, und ich arbeite den ganzen Tag schwer in einem dämlichen Job, für den ich total überqualifiziert bin, damit du was zu Essen in den Magen kriegst.<< Isabell hasste sich dafür, dass sie das sagte. Zu behaupten, sie sei total überqualifiziert, war eine Dummheit, und das wussten sie beide. Isabelle hatte keinen Collegeabschluss. Konnte kaum mit einer besseren Stellung rechnen als der, die sie jetzt hatte. Trotzdem - sie hatte das College nicht abgeschlossen, weil ihre Mutter gestorben war und sie niemanden hatte, der auf das Kind aufpasste. Eigentlich war es also wegen Amy, derselben Person, die jetzt von der Treppe voll Verachtung auf sie herabsah. >>Und mach nicht so ein Gesicht<<, sagte Isabelle. >>Ich würde es begrüßen, wenn du ein bisschen Anstand zeigtest in der Art, wie du mich ansiehst, und auch in der Art, wie du mit mir sprichst.<< (...) Es machte sie manchmal gereizt, an die ungeheueren Opfer zu denken, die sie (...) für dieses Mädchen gebracht hatte, und so ärgerte es sie natürlich, wenn Amy ihre Bücher zuklappte und hinausging, kaum dass Isabelle hereingekommen war. (92f)
 In einem verglasten Extraraum sitzt der Chef in den mittleren Jahren, in den Isabelle sich verliebt hat, obwohl der Chef verheiratet ist und Kinder hat. 

Da scheint sich zwischen Tochter und Mutter etwas zu wiederholen. Denn auch Amy begibt sich im Jugendalter unvorhergesehen in ein sexuelles Abenteuer. Amy ist 16 Jahre alt, als sie von ihrem neuen Lehrer Robertson sexuell verführt wird. Sie verliebt sich in ihn. Es kommt zu einem Höhepunkt, als dann der Lehrer Amy in seinem Auto bei vollem Tageslicht sexuell begehrt. Amy macht ihre ersten sexuellen Erfahrungen, die sie irritierte … Sie liegt mit freiem Oberkörper auf dem Sitz, Robertson saugt an ihren Brüsten, als er es schließlich schafft, dass Amy auch noch ihren Schlüpfer ohne große Überredungskünste runterstülpt, bis plötzlich ausgerechnet Isabelles Chef auftaucht, dem dieses fremde Auto unweit von Isabelles Haus auffällt und  nach den rechten Dingen schaut. Isabelle und der Chef sind fast Nachbarn. Es ist also kein Zufall, dass gerade er sich in Amys Nähe begibt. Als der Chef die entkleidete Amy im Auto zu sehen bekommt, und den Mann, der sich an sie herangemacht hat, ist er mächtig schockiert … So begibt sich der Chef ins Büro und stellt Isabelle zur Rede. Er ist von Amy ziemlich angewidert.

Auch Isabelle ist entsetzt, es kommt zwischen der Tochter und der Mutter zum Eklat, und die Beziehung entzweit sich nun endgültig. Die Mutter wird Amy gegenüber sogar handgreiflich … Wie die Geschichte weiter geht, soll jeder selbst lesen.


Mein Fazit?

Mich hat dieser Lehrer total angewidert, der sich an das junge Mädchen vergriffen hat. Solche Lehrer sollte man aus der Schule nehmen. Viele Männer denken, dass 15/16-jährige Mädchen erwachsene Frauen sind, weil der Körper dieser Mädchen schon ausgereift zu sein scheint. Allerdings ist die Psyche eines jungen Menschen in diesem Alter keinesfalls schon ausgereift. Amy hat sich verführen lassen, und am Ende ist sie mit ihren Problemen von ihrer Mitwelt alleine gelassen worden. Wie sie, oder ob sie damit überhaupt fertig wird, möchte ich gerne offen lassen.

Ein Frauenroman? Ich bin jetzt hier nicht auf alle Frauenthemen eingegangen. Sie zu lesen hat mir vollkommen ausgereicht, sodass ich keinerlei Bedürfnis verspüre, auch noch darüber zu schreiben.

Neben den Frauenthemen gibt es aber auch noch einen Mord an einem zwölfjährigen Mädchen. Ob Amy damit etwas zu tun hat oder nicht, auch dies lasse ich offen.  

Das Buchcover ist mir ins Auge gestochen. Es passt gut zum Inhalt des Romans. Auch den Schreibstil, wie die Autorin ihre Fäden geknüpft hat, fand ich recht kreativ.

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus

Zehn von zehn Punkten.

Telefongespräch mit Anne:

Auch Anne hat das Buch gefallen. Die Charaktere der einzelnen Figuren haben wir ähnlich wahrgenommen. Leider kann ich nicht zu viel über unser Gespräch schreiben, denn sonst verrate ich zu viel. Aber das Gespräch war sehr schön. 

Und hier geht es zu Annes Buchbesprechung.


Weitere Informationen zu dem Buch


·         Gebundene Ausgabe: 414 Seiten
·         Verlag: Piper (2000)
·         Sprache: Deutsch
·         ISBN-10: 3492042007
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Gelesene Bücher 2017: 06
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86




Sonntag, 5. Februar 2017

Elizabeth Strout / Amy & Isabelle

Lesen mit Anne

Klappentext
In jenem furchtbar heißen Sommer, als Mr. Robertson die Stadt verläßt, wird Amy erwachsen. Für sie ist plötzlich nichts mehr so, wie es einmal war – am wenigsten das Verhältnis zu Isabelle, ihrer verhaßten, gleichzeitig geliebten Mutter, die mit ihr zwar unter einem Dach, aber offensichtlich auf einem anderen Stern lebt. 


Autorenporträt
Elizabeth Strout wurde 1956 in Portland, Maine, geboren und wuchs in Kleinstädten in Maine und New Hampshire auf. Nach dem Jurastudium begann sie zu schreiben. Ihr erster Roman »Amy & Isabelle« wurde für die Shortlist des Orange Prize und den PEN/Faulkner Award nominiert. Für »Mit Blick aufs Meer« bekam sie 2009 den Pulitzerpreis, »Die Unvollkommenheit der Liebe« kam auf die Shortlist des Man Booker Prize 2016. Alle ihre Romane waren Bestseller. Elizabeth Strout lebt in Maine und in New York City.
Gelesen habe ich von der Autorin Mit Blick aufs Meer, ein historischer Roman, der bei mir recht gut abgeschnitten hat. 


Weitere Informationen zu dem Buch

·         Gebundene Ausgabe: 414 Seiten
·         Verlag: Piper (2000)
·         Sprache: Deutsch
·         ISBN-10: 3492042007

Dieses Mal war Anne mit dem Aussuchen unserer gemeinsamen Lektüre dran. 



Samstag, 4. Februar 2017

Elena Ferrante / Meine geniale Freundin (1)

Lesen mit Tina


Ein Verriss

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Ich habe eine Nacht über das gelesene Buch geschlafen, und ich muss sagen, so wenig Positives die Autorin in ihrem Buch gebracht hat, so wenig Positives kann ich über das Buch selbst schreiben.
Denn leider kann ich mich zu dem Buch nicht der allgemeinen Beliebtheit anschließen. Ich werde hier kaum Lobeshymnen aussprechen können. Ich bin etwas von dem Buch enttäuscht, andererseits ahnte ich schon im Vorfeld, welche Themen auf mich zukommen werden. Meine Befürchtungen bestätigten sich recht schnell. Die Figuren habe ich so ziemlich bald durchschaut, auch die Ereignisse waren für mich vorhersehbar, es gab für mich keinerlei Überraschungseffekte. Ich hatte außerdem so ziemlich schnell hinter die Fassade der Icherzählerin blicken können. Mir wurde schnell klar, wie sie selbst gestrickt ist, wie ihre Denkweise und ihr Umgang mit ihrer angeblichen genialen Freundin ist, deren Ton ich unterschwellig als abfällig und den Buchtitel als zynisch empfunden habe, selbst wenn dies nicht die Absicht der Autorin war. 

Die Icherzählerin Elena kommt mir vordergründig als die einzig "Gute" im Roman vor. Elena, die glaubt allen Missständen auf den Grund zu gehen. Eine Weltverbesserin im Alleingang? Aber Elena ist mir genauso unsympathisch wie all die anderen Figuren auch. 

Kann eine Welt dermaßen schlecht sein? Wieso gibt es nicht eine Figur, die mir annähernd sympathisch war?
Kann das realistisch sein, dass alle Menschen in dem Roman gar nicht fähig sind, ihre Probleme sachlich zu lösen?
Und wo sind die anständigen Menschen? Will mir die Autorin weis machen, dass es die in Neapel nicht gibt?

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Sie könnten unterschiedlicher kaum sein und sind doch unzertrennlich, Lila und Elena, schon als junge Mädchen beste Freundinnen. Und sie werden es ihr ganzes Leben lang bleiben, über sechs Jahrzehnte hinweg, bis die eine spurlos verschwindet und die andere auf alles Gemeinsame zurückblickt, um hinter das Rätsel dieses Verschwindens zu kommen. Im Neapel der fünfziger Jahre wachsen sie auf, in einem armen, überbordenden, volkstümlichen Viertel, derbes Fluchen auf den Straßen, Familien, die sich seit Generationen befehden, das Silvesterfeuerwerk artet in eine Schießerei aus. Hier gehen sie in die Schule, die unangepasste, draufgängerische Schustertochter Lila und die schüchterne, beflissene Elena, Tochter eines Pförtners, beide darum wetteifernd, besser zu sein als die andere. Bis Lilas Vater seine noch junge Tochter zwingt, dauerhaft in der Schusterei mitzuarbeiten, und Elena mit dem bohrenden Verdacht zurückbleibt, eine Gelegenheit zu nutzen, die eigentlich ihrer Freundin zugestanden hätte. Ihre Wege trennen sich, die eine geht fort und studiert und wird Schriftstellerin, die andere wird Neapel nie verlassen, und trotzdem bleiben Elena und Lila sich nahe, sie begleiten einander durch erste Liebesaffären, Ehen, die Erfahrung von Mutterschaft, durch Jahre der Arbeit und Episoden politischer Bewusstwerdung, zwei eigensinnige, unnachgiebige Frauen, die sich nicht zuletzt gegen die Zumutungen einer brutalen, von Männern beherrschten Welt behaupten müssen. Sie bleiben einander nahe, aber es ist stets eine zwiespältige Nähe: aus Befremden und Zuneigung, aus Rivalität und Innigkeit, aus Missgunst und etwas, das größer und stiller ist als Lieben. Liegt hier das Geheimnis von Lilas Verschwinden?

Das Buch ist dermaßen düster, hat einen kafkaesken Touch, Licht scheint es in diesem Milieu, in dem die beiden Mädchen Elena und Lila aufwachsen, nicht zu geben. Selbst die Freundschaft der beiden Mädchen wirkt recht kühl und lieblos auf mich. Für mich ist das keine echte Freundschaft.

Wie kann ein Land nur bestehen, das gefüllt ist von so viel roher Gewalt? Die Figuren wirken auf mich wie Höhlenmenschen. Völlig undiszipliniert und triebhaft in ihrem Auftreten. Wie kann ein Kind in so einer geistigen Armut und emotionaler Lieblosigkeit überhaupt groß werden? Sowohl Elena als auch Lila haben ihre Kindheit überstanden, und auch die NeapolitnerInnen scheinen nicht dem Untergang geweiht zu sein. Irgendwas muss doch auch gut gewesen sein. Nur was? Aus meiner Sicht hält Elena einen recht selektiven, gefilterten Blick auf Land und Leute.

Aus meiner Sicht sind diese Darstellungen alle arg übertrieben. Nun bekommen die LeserInnen wieder das Bild vorgesetzt, das sie eh schon von den ItalienerInnen glauben zu wissen. Laut, explossiv, ungebildet, traditionell, kriminell …

Arm zu sein ist keine Schande, und nicht jeder mittellose Mensch wird durch seine Armut per se ein schlechterer Mensch.

Doch selbst die Gebildeten in dem Buch treten recht rigide und anstandslos auf.
Das Einzige, das mir an dem Buch wirklich gefallen hat, das ist das Cover.

Ich habe mit meiner Bücherfreundin Tina gelesen und wir haben recht heftig diskutiert. Ich habe einen ganz anderen Background als Tina, daher die unterschiedlichen Wahrnehmungen. Ich kenne die vielen Vorurteile, die vielen Stereotypen, den Rassismus, den viele Deutschen bewusst oder unbewusst ItalienerInnen gegenüber hegen, weshalb sie die ItalienrInnen immer wieder als Exoten beschreiben. Dabei sind das Menschen wie alle anderen auch. Ich kenne aber auch die Vorurteile und den Rassismus, den die ItalienerInnen gegenüber ihren Landsleuten hegen …

Ich weiß nicht, ob ich es tatsächlich schaffen werde, alle vier Bände von Ferrante zu lesen. Tina und ich haben jetzt erstmal beschlossen, uns den zweiten Band noch vorzunehmen, aber ich glaube nicht, dass sich an dem Erzählstil etwas verändern wird. Neugierig bin ich schon, und hoffe auf eine differenziertere Wahrnehmung der Erzählerin.


Mein Fazit?

Aus meiner Sicht wird viel zu viel Wirbel um Ferrantes Bücher gemacht. Auf www.perlentaucher.de fand ich eine Buchbesprechung, die mir aus der Seele gesprochen hat. Hierzu der Link einer Buchreporterin aus der Frankfurter Allgemeine, abgelegt auf perlentaucher, bitte runterscrollen.


Ich zitiere:
Wo zwei Mädchen im Grundschulalter die Puppe der jeweils anderen in ein schwarzes Kellerloch werfen, geht es nicht zimperlich zu. Von Beginn an spielen Unfälle aller Art eine Rolle. Menschen werden verletzt, gehen mit Messern aufeinander los oder tragen die Zeichen des Krieges noch mit sich herum. Ein Vater wirft seine Tochter aus dem Fenster. Die Jungs der Straßenbande bewerfen die Mädchen mit Steinen, und die wehren sich. Und wo das der Fall ist, kann es um literarische Verzauberung glücklicherweise nicht gehen. Die Welt, von der erzählt wird, ist dafür zu hart und zu sehr von Gewalt durchdrungen.
Außerdem ging es mir ähnlich wie dieser Rezensentin.
Ferrante mit Dickens, Proust … zu vergleichen, finde ich arg übertrieben. In Dickens Bücher gibt es neben den dunklen Gestalten auch positive, Figuren mit guten Charakteren, die man bei Ferrante erst mit der Lupe suchen muss. Die Welt in Dickens Bücher erlebte ich wesentlich authentischer und vor allem differenzierter ...

Und wie bei der Rezensentin ließ auch bei mir die Konzentration recht schnell nach, wo ich doch anfangs recht neugierig war. Tina und ich haben uns total auf das Buch gefreut, so viel Furore wurde um diese Lektüre gemacht, sodass wir uns wie von einem Virus angesteckt fühlten. Ich bin nun enttäuscht, dass mir das Buch nichts Neues bieten konnte. Ich will nicht behaupten, dass die Szenen alle unglaubwürdig sind, nein, das sind sie nicht, sie sind nur recht einseitig und undifferenziert dargestellt.   

Haben wir LeserInnen nun etwas Neues in dem Buch zu Italien und seinen Leuten erfahren?

Italien wird niemals diesen schlechten Ruf verlieren, denn dafür sorgen schon diese Art von Büchern. Und darunter leiden in dem Land viele unschuldige Menschen, anständige Leute, wenn Vorurteile, Rassismus … dadurch weiter forciert werden.

Ich musste aber an Michael Degen denken, der das Buch über den Nationalsozialismus und über die Deutschen geschrieben hat Nicht alle waren Mörder. Und so schließe ich mich Degen an und sage, liebe Leserinnen und liebe Leser, nicht alle in Neapel sind bei der Mafia, nicht alle gehen mit dem Messer aufeinander los, nicht alle Männer vergreifen sich an jungen Mädchen …

Wegen dieser mangelnden Differenziertheit in verschiedener Hinsicht bekommt das Buch von mir nur fünf von zehn Punkten.

Ich verweise zusätzlich auf den amerikanischen Spielfilm Im Teufelskreis der Armut; selbst im reichen Amerika grassiert Armut ähnlich wie in Neapel. Der Film zeigt, wie schwer es ist, diesen Kreislauf zu durchbrechen, wenn eine unmenschliche Gesellschaft nicht in der Lage ist, sozial benachteiligte Menschen aufzufangen. Und was sie alle zeigen, ist, dass viele dieser Menschen, die existentiell bedroht sind, nicht offen für Bildung sind. Das wird in dem Film deutlich, und das hat absolut nichts mit der Nationalität zu tun. 

Hier der Film.



Noch einen Gedanken hinterhergeschoben:

Falls jemand meinen italienischen Namen mit dem Buch und Neapel in Verbindung bringt, so muss ich sagen, das ist nicht das Italien, das ich kenne. Die Armut der ItalienerInnen ist mir bekannt. Ich kenne auch die korrupte Regierung, die sich auf Kosten der Leute bereichert. Die meisten ItalienerInnen, die ich kenne, sind wirklich arm, aber sie arbeiten hart für ihren Unterhalt. Die meisten ItalienerInnen, die ich aus dem Land kenne, sind sehr kinderlieb, die alles tun, um ihren Kindern eine gute Schulbildung zu ermöglichen, es sind freundliche und ehrliche Menschen. Ferrante geht gar nicht auf die politische Situation ein und meine Aufgabe betrachte ich als Leserin, auf politische Sichtweise, auf Rassismus, Klischees und Stereotypen aufmerksam zu machen. Menschen, die mich kennen, wissen aber auch, dass ich mich aber für jedes andere Land auch stark machen würde. 


Ein Nachtrag, 05.02.17:

Ich habe mir gestern Abend nochmals die Klappentexte von den übrigen drei Bänden vorgenommen. Im vierten und letzten Band steht:
Lila, die ihren Schicksalsort nie verlassen hat, ist eine erfolgreiche Unternehmerin geworden, aber dieser Erfolg kommt sie teuer zu stehen. Denn sie gerät zusehends in die grausame, chauvinistische Welt des verbrecherischen Neapels, eine Welt, die sie Zeit ihres Lebens verabscheut und bekämpft hat. 
So, nochmals eine Nacht drüber geschlafen, habe ich mich nun entschlossen, die Bücher von Ferrante nicht weiter zu verfolgen, da die Verallgemeinerungen selbst im letzten Band unverändert geblieben sind.  
Ich lese lieber meinen Proust weiter und all die anderen interessanten Bücher, die auf meinem SuB warten.   


2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
0 Punkte: Differenzierte Charaktere
1 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
0 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus


Und hier geht es zu Tinas Buchbesprechung.


Weitere Informationen zu dem Buch

D: 22,00 € 
A: 22,70 € 
CH: 31,50 sFr
Erschienen: 29.08.2016
Gebunden, 422 Seiten
ISBN: 978-3-518-42553-4 
Auch als 
eBook erhältlich

Und hier geht es auf die Suhrkamp-Verlagsseite.
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In jedem Land sind die Dummköpfe in Überzahl.
(Marcel Proust)

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