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Montag, 4. Dezember 2017

Haruki Murakami / Mister Aufziehvogel (1)


Lesen mit Tina

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Mal eine ganz andere Form von Buchbesprechung …

Wir, Tina und ich, haben 1,5 Wochen für das Buch gebraucht. Das Buch ist so grausam, dermaßen düster und gewaltträchtig, sodass es mich ein wenig an Kafka von der Düsterkeit und an Steven King von den Horrorszenarien erinnern lässt. Ich werde inhaltlich nicht viel schreiben können. Weil ich froh bin, dass ich mit diesem Buch durch bin, und möchte es am liebsten gleich wieder vergessen. Derzeit bin ich Murakamigeschädigt. Wenn ich mich davon nicht wieder erholen kann, dann war es das mit dem Leseprojekt. Ich habe gestern den ganzen Tag und den ganzen Abend dazu gebracht, das Buch endlich auszulesen. Ich wollte es hinter mich bringen, um keinen weiteren Tag damit zu verbringen. Neben Kafka am Strand ist Mister Aufziehvogel das heftigste Murakami-Buch, das ich bisher von den 12 Bänden gelesen habe, wobei Kafka am Strand von der Konzeption her einer logischen Struktur folgt, die uns in Mister Aufziehvogel einfach gefehlt hat. Uns ist irgendwann der rote Faden verloren gegangen, weil uns zu viele Details der vielen Figuren aufgedrängt wurden …

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein
In Japan nennen ihn konservative Kritiker und Schriftstellerkollegen "batakusai - nach Butter stinkender Wessi", die anderen halten ihn für den Literaturnobelpreisträger der Zukunft. Haruki Murakami polarisiert mit seinen Geschichten und Romanen. Wie seine Helden entzieht er sich der anonymen Masse. Seine Romanfiguren werden in der japanischen Gesellschaft, in der angepasstes Verhalten von existentieller Bedeutung ist, als einsame Wölfe gebrandmarkt. Der 30-jährige Toru Okada in "Mister Aufziehvogel" steigt aus einer Anwaltskanzlei aus und gerät bei der Suche nach seinem Kater mitten in Tokio in eine Traumwelt, in der ihn erotische Verlockungen, aber auch bösartige Intrigen erwarten. Der Brunnen, der Toru den Einstieg in die geheimnisvolle Unterwelt gewährt, ist Zugang zu Vergangenem und Verdrängtem.

Manche Szenen musste ich regelrecht überfliegen, weil sie mir an Grausamkeiten zu geladen waren. Immer wieder haben Tina und ich uns über Sprachnachrichten ausgetauscht. Manchmal versuchte ich Tina zu warnen, wenn ich an Seitenzahl weiter war als sie, sie darauf vorzubereiten, was auf den folgenden Seiten für qualvolle Szenarien folgen. Gestern Abend machte ich sie auf kannibalistische Vorgänge aufmerksam und heute Morgen schrieb mir Tina, dass sie diese schon gelesen habe. Merkwürdig, ich wusste heute Morgen gar nicht mehr, wie sich der Kannibalismus ausgewirkt hatte. Diese Szene hatte ich völlig aus meinem Bewusstsein verdrängt. Ich weiß sie nicht mehr. Ist auch gut so, und ich bat Tina, mich an diese Bilder nicht mehr zu erinnern, denn es zeigt mir, dass meine Verdrängungsmechanismen noch gut funktionieren.
Auch die Namen von den Figuren konnte ich nur oberflächlich verinnerlichen. Sie waren mir alle fremd. Tina war mir da im Vorteil, sie hat sich diese alle rechtzeitig rausgeschrieben …

Eigentlich begann die Geschichte recht harmlos. Es geht um ein junges Ehepaar, das schon seit sechs Jahren verheiratet ist. Der 30-jährige Toru Okada und seine Frau Komiko. Toru, studierter Jurist, schmeißt seinen Job aus einer Anwaltskanzlei, um sich beruflich neu zu orientieren. Komiko arbeitet in einem kleinen Verlag und kommt erst spät abends nach Hause ... Komiko kommt aus einer sehr wohlhabenden und gebildeten Familie, in der aber recht mysteriöse und kriminalistische Dinge geschehen … 

Toru und Komiko vermissen beide ihren Kater, da er nicht nach Hause gekommen ist und so alarmiert Komiko eine Frau mit okkulten Fähigkeiten, um den Kater aufzuspüren …

In der Zwischenzeit, während Komiko auf der Arbeit ist, passieren zu Hause ein paar ominöse Dinge. Toru wird telefonisch von einer wildfremden Frau angerufen, die Telefonsex betreibt. Wer ist diese Frau? Sie wurde später nicht mehr erwähnt.

Torus Frau begeht einen Seitensprung, verlässt eines Abends ganz unverhofft ihren Mann. Sie schreibt ihm einen Abschiedsbrief, dass sie mit einem Mann eine Beziehung angefangen habe, den sie eigentlich gar nicht lieben würde. Sie bittet Toru, sie zu vergessen, da sie nicht vorhabe, wieder zu ihm zurückzukehren. Toru begibt sich auf die Suche nach seiner Frau, die so plötzlich aus der Welt verschwunden ist. Es beginnt eine abenteuerliche Suche nach Innen, oder nach Außen? Eigentlich beides.

Später macht Toru Bekanntschaft mit weiteren merkwürdigen Frauen … Die Handlung beginnt recht real und im Laufe der Geschichte vermischen sich erneut reale und surreale Handlungen, Traum und Wirklichkeit werden eins… Menschen verschwinden hinter Wänden … Toru, der zum Nachdenken in einen trockenen Brunnen steigt, und damit sein Leben riskiert ... Dann gibt es noch eine sechzehnjährige May, die in ihrem Verhalten ebenso Extremitäten aufweist, die ihrem Freund auf einem fahrenden Motorrad von hinten mit ihren Händen die Augen zuhält, der dadurch tödlich verunglückt, während sie den Unfall überlebt …

Da dies auch ein politisches Buch ist, bekommt man grausame Szenen aus dem Krieg zwischen Japan, China und Russland im Zweiten Weltkrieg zu lesen. Mir ist bewusst, dass diese grausamen Szenen durchaus real sind … Aber diese perverse Gewalt spielt sich nicht nur innerhalb der Kriegsereignisse ab …

Keine Figur scheint irgendwie normal zu sein. Und jede Figur kommt mit ihrer eigenen Story, man bekommt zu jeder Persönlichkeit sehr detaillierte Geschichten erzählt, sodass wir irgendwann Probleme hatten, diese vielen Informationen, die vielen Charaktere noch auseinanderzuhalten. Selbst am Schluss fragten wir uns, was es mit manchen Figuren auf sich hatte? Man hätte ruhig ein paar davon weglassen können, das hätte dem Roman keinen Abbruch getan. Und mit weniger Gewalt hätte der Roman auch leben können …


Mein Fazit?

Psychologisch wirkt die Geschichte recht fundiert. Murakami ist ein Tabubrecher. Er zeigt in seinem Roman die Abgründe eines jeden Menschen. Mir scheint, als risse er ihnen die Fassade von den Gesichtern. Toru war die Figur, die sich dem gestellt hat, hat sich auf die Suche begeben, seine Probleme erst Mal symbolisch zu lösen. Was ist Wahrheit und was ist Traum? Ist das die Wahrheit, was wir mit den menschlichen Augen sehen können; ist Wahrheit das, was uns Menschen bewusst ist? Und was ist die Unwahrheit? Ist die Unwahrheit das, was man mit den Augen und mit den Händen nicht zu fassen bekommt und trotzdem existiert?
Alles hing miteinander zusammen, jedoch auf so kompliziertere Weise wie ein dreidimensionales Puzzle (…) in dem die Wahrheit nicht unbedingt real sein musste und das Reale nicht unbedingt wahr. (591)

Ein sehr symbolträchtiges Buch, das mit vielen Metaphern arbeit.

Und zu der Gewalt sind Tina und ich der Meinung, dass diese vielen Aggressionen in dem Buch die Aggressionen des Autors sind, die er in sich trägt, und sie nach außen auf das Papier gepackt hat.

Meine Bewertung?

Es hat zu viel des Guten ... 

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
1 Punkte: Differenzierte Charaktere
1 Punkte: Authentizität der Geschichte
1 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein

... deshalb Punktabzüge und nur neun von zwölf Punkten.

 Und hier geht es auf Tinas Buchbesprechung. Wir hatten am Abend ein sehr ausführliches Telefongespräch. 

Weitere Informationen zu dem Buch


  • Gebundene Ausgabe: 684 Seiten
  • Verlag: DuMont Buchverlag GmbH & Co. KG; Auflage: 2 (1. April 2014)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 383214479X

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Gelesene Bücher 2017: 54
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86


Montag, 29. Februar 2016

Haruki Murakami / Tanz mit dem Schafsmann (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Die zweite Chance, die ich dem Buch gegeben habe, hat sich gelohnt. Ich habe das Buch diesmal ausgelesen und das noch mit Spannung und großem Interesse.

Anfangs dachte ich, es ist wieder eine typische Murakami-Mond-Liebesgeschichte im Zweiergespann, aber diesmal war es eine Liebesgeschichte des Icherzählers, der mit mehreren Frauen schicksalshaft und sexuell verbunden war. Und sollte es nicht auch eine Mond-Liebesgeschichte werden? (s. u.)

Das Buch ist stark geprägt vom magischen Realismus, ähnlich wie viele andere Murakami-Bücher auch, aber dieses hier fand ich diesbezüglich noch schärfer, wenn auch manche Szenen ein wenig gewöhnungsbedürftig sind, wie z. B. das Verschwinden mancher Figuren durch die Wand. Murakami bezeichnet diese Abläufe als spirituell, der Übergang vom Diesseits ins Jenseits. Und die Figuren, die hinter der Wand verschwinden, bezeichnet er als Geister. Ich mag Bücher, in denen es mehrere Realitäten gibt und man nicht genau sagen kann, welche  nun die realere ist.

Der Schreibstil ist flüssig, poetisch und fantasievoll.

Das außergewöhnliche surreale Cover hat mich sehr angesprochen ...

Man darf allerdings dieses Murakami-Buch nicht mit anderen Murakami-Büchern vergleichen, sonst wird man dem nicht gerecht werden ...

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Im Hotel Delphin gibt es eine dunkle, gruselige Zwischenwelt, in der manchmal der Lift stecken bleibt. Dann kann man dem Schafsmann begegnen. Er ist Schatten und Schutzengel des Erzählers. Und seine Botschaft lautet: "Tanzen. Immer weiter tanzen, solange die Musik spielt." Traum? Realität? Bei Murakami sind sie nicht so genau zu trennen. Mit traumwandlerischer Sicherheit versteht es der japanische Bestsellerautor, erotische Sehnsüchte in seinen Romanen zum Leben zu erwecken. "Tanz mit dem Schafsmann" ist eine wunderbar fesselnde Liebesgeschichte, verführerisch leicht erzählt und mit einem überraschenden Ende. 
Der 34-jährige Protagonist, ein japanischer Journalist, dessen Namen die Leserin nicht erfährt, scheint unendlich viel Zeit zu haben ... Er macht die Bekanntschaft mit einer Frau namens Kiki. Kiki ist die Frau, die dem Journalisten den Tipp gegeben hat, er solle sich eine Mondfrau suchen und mit ihr Mondkinder zeugen. Hm. Wer war denn nun die Mondfrau? Es gab mehrere Frauen, die dafür in Frage hätten kommen können, doch Mondkinder hatte er keine gezeugt. Davon war später gar nicht mehr die Rede. Mich hat diese kurze Szene stark an die Bände IQ84 erinnert.

Am Anfang spielt sich alles in diesem Hotel ab. Der Wechsel der verschiedenen Welten …, bis sie zum Ende hin alle aufeinanderprallen, aber ohne Schaden zu nehmen.

Kiki verschwindet spurlos und der Journalist begibt sich auf die Suche nach ihr, da er in sie verliebt ist und sich stark zu ihr hingezogen fühlt. Erst in einem trivialen Liebesfilm namens unerwiderte Liebe, in dem sein ehemaliger Schulfreund Gotanda die Hauptrolle erhält, sieht er Kiki in einer Nebenrolle mitspielen ... Erneut begibt er sich auf   Spurensuche, nimmt Kontakt zu Gotanda auf, den er viele, viele Jahre zuvor nicht mehr gesehen hatte ...

Kiki, May und andere Figuren existieren als Traumfiguren. Einige davon sind ermordet worden …

In manchen Szenen fand ich dieselbe Düsternis vor, wie man sie von Kafka her kennt. Murakami beschreibt verwesende Körper, die von Maden gefressen werden, dass man nicht mehr erkennen könne, ob der Körper mal ein Mann oder eine  Frau gewesen sei. Sogar über den Verwesungsgestank, hüstl, hat er geschrieben, sodass ich mich fragen musste, weshalb der Autor auf solche perverse detaillierte Beschreibungen angewiesen war? Ist die eine Realität vergänglicher als die andere? Der Körper vergeht, während die Seele aus ihm herausgeschlüpft am Leben bleibt? Wir werden es nicht erfahren.

Der Schafsmann, der in dem Hotel in einem Kabuff seine Bleibe hat, lebt in der anderen Art von Wirklichkeit, und nur bestimmte Menschen können den Schafsmann sehen. Der Schafsmann gab dem Journalisten ein paar Lebenshilfen, um sein düsteres Leben besser bewältigen zu können. Tanzen, tanzen, tanzen galt als das Lebenselixier, wobei ich mich damit wirklich schwer tat, diese permanente Tanzerei vorzustellen. An einigen Textstellen geht hervor, dass der Journalist selbst der Schafsmann ist. Zumindest ein Teil seines Ichs.

Die Charaktere jener Frauen kamen mir ein wenig abstrus vor. Sie wirkten auf mich alle psychisch recht instabil und kurios im Handlungsablauf. Auch die pädagogische Beziehung zu dem dreizehnjährigen Mädchen, das von den geschiedenen Eltern total vernachlässigt wird, und diese den Journalisten baten, sich gegen gute Bezahlung um die Tochter zu kümmern, während beide Elternteile ihren egoistischen Lebensgelüsten nachgingen. Der Vater des Mädchens organisierte ihm sogar eine Prostituierte, damit sein Sexualleben nicht zu kurz kommt.

Ein wenig Weisheit fand ich auch in diesem Buch. Der Tod wird hier mehrfach thematisiert. Viele Menschen neigen dazu, immerzu Schlechtes in anderen Menschen zu sehen, doch wenn ein Mensch stirbt, wandelt sich die Sicht zu dem Toten zum Guten, um das schlechte Gewissen zu beruhigen. Aus der Sicht des Protagonisten:
Menschen sterben oft unerwartet. Das Leben ist zerbrechlicher, als man meint. Darum sollte man mit anderen so umgehen, dass man später nichts bereuen muss-fair und, wenn möglich, aufrichtig. Ich kann Leute nicht ausstehen, die sich darum nicht bemühen und dann, wenn es zu spät ist, Tränen der Reue vergießen. Sie machen es sich zu einfach.

Mein Fazit?

Ich fand das Buch zwar recht düster, aber nicht hoffnungslos. Es zeigt zum Ende hin eine Wende, mit der ich gerechnet habe ...

Ich fand nun auch nicht, dass dieses Buch zu Murakamis Stärken zählt, aber es hatte doch etwas Anziehendes. Und wenn man die Werke nicht miteinander vergleicht, dann bleibt das Buch von der Idee her das, was es ist, ein Buch mit dem Titel Tanz mit dem Schafsmann. Allerdings würde ich jedem Murakami-Anfänger abraten, mit diesem Buch zu beginnen, und sich doch eher mit den Bänden IQ84 zu befassen.

Und was mir ein wenig komisch erschien, ist, dass der Autor immer wieder sexuelle Ideen in seinem Text hat einfließen lassen. Manche Szenen wirkten arg pornografisch. Manche Szenen wirken dadurch übertrieben gekünstelt und unnatürlich. Nicht, dass mich das gestört hätte, nein, es war nur zu viel von dieser Zutat. Ich stelle mir Murakami  in seinem Schreibprozess vor. Immer seine unterschwellige Sexualität vor Augen gehalten, ist nicht in der Lage, davon mal abzuschalten. Wenn z. B. eine Frau mal nicht gut drauf ist, dann liegt das daran, weil sie gerade wieder menstruiert. Oder das junge Mädchen, dreizehn Jahre alt, ernährt sich sehr einseitig und er rät ihr, sie solle sich ausgewogener ernähren, sonst habe sie später Probleme mit ihrer Periode ... Deshalb meine Frage, wie viel Murakami eigentlich von Frauen versteht?

Das Buch erhält von mir acht von zehn Punkten.
_____
Wer sich im Vertrauten verirrt
oder in der Fremde verloren geht,
braucht nur eine fürsprechende Seele,
um sich gerettet zu fühlen.
(Petra Oelker)


Gelesene Bücher 2016: 09
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86




Dienstag, 28. Juli 2015

Haruki Murakami / Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki (1)

Lesen mit Renie ...

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, zu welcher Meinung ich mich zu diesem Buch entschließen möchte. Es ist wieder eine Lovestory, und irgendwie nach demselben Schema geschrieben wie die letzten auch, mit Ausnahme von IQ84 und Kafka am Strand. Da ringe ich mit mir und erlaube mir zu sagen, dass Murakami kein politisches Profil besitzt, weshalb er immer wieder Liebesromane schreiben muss, in denen er seine Sexualität auch in fiktiver und abstruser Form voll und ganz, so scheint mir, auszuleben versucht. Jede Figur, die ein Autor kreiert, ist aus psychoanalytischer Sicht ein Teil seiner eigenen Persönlichkeit ...

Die ProtagonistInnen erscheinen mir zudem oftmals viel zu flach, viel zu glatt, wie auch hier in diesem Werk Herr Tsukuru Tazaki … Auch dieser kommt mir viel zu brav vor.

Meist helfen mir die vielen Zettelchen in einem Buch, die mich beim zweiten Mal hinsehen schließlich zu einer Meinung führen werden.

Nichtsdestotrotz überlege ich, nun nach zehn Büchern mit Murakami abzuschließen. Es kann aber sein, dass ich nach einer gewissen zeitlichen Distanz doch noch Lust bekommen werde, mit weiteren Bänden fortzusetzen. Ich bin allerdings ein Mensch, der keine Liebesromanzen mag. Anders z. B. bei Isabel Allende, die auch nur Liebesromane schreibt, die aber immer gekoppelt sind an historische Ereignisse dieser Zeit, über die sie zu schreiben pflegt. Das fehlt Murakami völlig.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Der junge Tsukuru Tazaki ist Teil einer Clique von fünf Freunden, deren Mitglieder alle eine Farbe im Namen tragen. Nur Tsukuru fällt aus dem Rahmen und empfindet sich – auch im übertragenen Sinne – als farblos, denn anders als seine Freunde hat er keine besonderen Eigenheiten oder Vorlieben, ausgenommen vielleicht ein vages Interesse für Bahnhöfe. Als er nach der Oberschule die gemeinsame Heimatstadt Nagoya verlässt, um in Tokio zu studieren, tut dies der Freundschaft keinen Abbruch. Zumindest nicht bis zu jenem Sommertag, an dem Tsukuru voller Vorfreude auf die Ferien nach Nagoya zurückkehrt – und herausfindet, dass seine Freunde ihn plötzlich und unerklärlicherweise schneiden. Erfolglos versucht er wieder und wieder, sie zu erreichen, bis er schließlich einen Anruf erhält: Tsukuru solle sich in Zukunft von ihnen fernhalten, lautet die Botschaft, er wisse schon, warum. Verzweifelt kehrt Tsukuru nach Tokio zurück, wo er ein halbes Jahr am Rande des Selbstmords verbringt. Viele Jahre später offenbart sich der inzwischen 36-jährige Tsukuru seiner neuen Freundin Sara, die nicht glauben kann, dass er nie versucht hat, der Geschichte auf den Grund zu gehen. Von ihr ermutigt, macht Tsukuru sich auf, um sich den Dämonen seiner Vergangenheit zu stellen.
Tsukuru leidet ein wenig darunter, dass er verglichen mit seinen vier FreundInnen aus seiner Clique von der Bedeutung seines Namens her farblos ist. Er bezieht diese Farblosigkeit auch auf sein gesamtes persönliches Wesen:
Tsukuru hatte jedenfalls keine besondere Begabung, auf die er stolz sein oder mit der er sich vor anderen hervortun konnte. Zumindest fand er das. Er war in allem mittelmäßig. Oder farblos.
Tsukuru wird aus seiner Crew ausgestoßen. Aus scheinbar unbestimmten Gründen und so schleppt er seine seelische Verletzung sechzehn Jahre mit sich herum, bis er schließlich eine zwei Jahre ältere Frau namens Sara trifft, die für eine andere Haltung sorgt.
>>Ich verstehe das nicht<<, sagte Sara. >>Ganz offensichtlich leidest du in deinem Kopf oder in deinem Herzen oder in beidem noch unter der Verletzung von damals. Trotzdem hast du in den ganzen sechzehn Jahren nicht einen Versuch gemacht, der Sache auf den Grund zu gehen und zu erfahren, warum du das durchmachen musstest. 
Tsukuru gelingt insgesamt ein schlechter Zugang zu anderen Menschen und findet sich widerwillig damit ab, um sich nicht damit zu quälen:
Wahrscheinlich war es letzten Endes sein Schicksal, allein zu sein. Alle Menschen, die ihm näher kamen, verließen ihn bald wieder. Sie suchten etwas bei ihm, aber anscheinend fanden sie es nicht, oder das, was sie fanden, gefiel ihnen nicht; jedenfalls gaben sie (…) irgendwann auf. Eines Tages waren sie dann plötzlich verschwunden. Ohne Erklärung und ohne Abschied. Wie man mit einem scharfen Beil eine Ader durchtrennt, durch die eben noch warmes Blut geflossen war.Offenbar hatte er etwas an sich, das andere Menschen enttäuschte. Der farblose Herr Tazaki, sagte er laut. Im Grunde lief es darauf hinaus, dass er anderen nichts zu geben hatte. Wahrscheinlich hatte er nicht einmal sich selbst etwas zu geben. 
Tsukurus Umfeld, das in seinen Träumen besteht, wird oftmals ein wenig düster beschrieben. Die Landschaft um ihn herum ist karg und leblos. Ein wenig kafkaeske. Es existieren Vögel mit messerscharfen Schnäbeln und hacken auf Tsukurus Fleisch herum …

Oftmals ist er von Albträumen geplagt und schafft es nicht immer, Fiktion und Realität auseinanderzuhalten. Er spricht von Gefühlen der Eifersucht, wenn er in Träumen gewaltsam von jener Frau entrissen wird:
Eifersucht war - das hatte Tsukuru durch diesen Traum begriffen - das trostloseste Gefängnis, das es auf der Welt gab. Denn es war ein Gefängnis, in das der Gefangene sich gewissermaßen selbst einsperrte. Niemand zwang ihn dazu. Er ging aus freien Stücken hinein, schloss von innen ab und warf den Schlüssel durch das Gitter nach draußen. Und niemand auf der ganzen Welt wusste, dass er dort eingekerkert war. Nur wenn er sich selbst dazu entschloss, konnte er es verlassen. Denn das Gefängnis befand sich in seinem Inneren. Doch er war außerstande, diesen Entschluss zu fassen. Sein Herz war von einer unüberwindlichen Mauer umgeben, das war die wahre Natur der Eifersucht.  
Viele Gedanken über den Tod finden sich oftmals auch in meinem Kopf, allerdings mehr in Form einer Wertschätzung dem Leben gegenüber, und um eines Tages bereit dafür zu sein. In diesem Buch fand ich ähnliche Gedanken, weshalb ich diese gerne festhalten möchte, die aus Tsukurus Kopf stammen:
>>Das Sterben bereitet mir keine Sorgen. Wirklich nicht. Ich habe schon eine Menge Gesindel sterben sehen. Und sogar die haben es geschafft. Es ist unmöglich, dass ich es nicht schaffe.<<
Es haben schon viele Menschen vor mir geschafft zu sterben.

 Ein Gedanke, der von mir hätte sein können ... 

Sara ist eine Frau, die sehr wohl partnerschaftliches Interesse Tsukuru gegenüber zeigt, hält sich aber gern noch bedeckt, bis Tsukuru durch Zufall sie auf der Straße mit einem anderen Mann Hand in Hand laufen sieht. Tsukuru ist irritiert. 
Er dachte an Sara. An ihr mintgrünes Kleid, ihr heiteres Lachen und den Mann, mit dem sie Hand in Hand die Straße entlanggegangen war, aber diese Gedanken brachten ihn auch nicht weiter. Die Herzen der Menschen waren wie Nachtvögel. Sie warteten still auf etwas, und wenn die Zeit dafür gekommen war, flogen sie geradewegs darauf zu. Er schloss die Augen und lauschte den Klängen des Akkordeons. Die einfache Melodie übertönte das lebhafte Stimmengewirr. Wie ein Nebelhorn das Rauschen der Wellen. 
Wie entwickelt sich die Beziehung zu Sara? Schafft Tsukuru es, das Geheimnis seiner vier FreundInnen zu lüften?

Da ich nicht noch mehr verraten möchte, beende ich hier meine Aufzeichnungen. Das Wichtigste habe ich weggelassen, denn es trägt eine gewisse Spannung mit sich, die ich jeder Leserin und jedem Leser nicht vorenthalten möchte.

Das Buch erhält von mir neun von zehn Punkten, da ich die literarische Sprache als recht fantasievoll und metaphorisch- und den Schreibstil als recht flüssig erlebt habe. Die Bilder, die der Autor gebraucht, sind allerdings auch Geschmacksache …

Nun bin ich aber ganz froh, dass das Buch doch nicht so schlecht abgeschnitten hat.Vielleicht bin ich intellektuell ein wenig phlegmatisch geworden durch die vielen Murakami-Liebesromane, die nicht zu meinen präferierten Genres zählen.

Lesen mit Renie; kurzer Austausch über eMail, da Renie gerade im Ausland verweilt, doch auch sie hat sich zu einer Meinung ein wenig schwer getan. Sie lobte Murakamis Schreibstil, der recht fantasievoll und mit vielen Metaphern geschmückt sei ...

Renies Buchbesprechung

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Nur Tote bleiben für immer siebzehn.
(Haruki Murakami)

Gelesene Bücher 2015: 40
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86


Sonntag, 19. Juli 2015

Haruki Murakami / Sputnik Sweetheart (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch hatte sich während des Lesens doch noch in eine andere Richtung bewegt, sodass ich sagen kann, dass es mir recht gut gefallen hat, wenn auch die ersten zweihundert Seiten mich vom Inhalt her recht deutlich an das Buch Naokos Lächeln erinnert hatte.

In diesem Roman bekommt man wieder jede Menge Geschichten zu lesen, die nicht unbedingt einen Bezug zur Hauptthematik haben. Man merkt eben, dass Murakami viel zu erzählen hat, und so erzählt er eben auch recht viel, mit dem Risiko, dass das Niveau dadurch ein wenig abflacht.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Cooler Realismus und Fantastik verbinden sich in der Geschichte von Sumire und Miu. Die eine ist eine junge weltfremde und romantische Möchtegernautorin, die andere eine siebzehn Jahre ältere erfolgreiche Geschäftsfrau. Unempfänglich ist Miu für das Begehren der jungen Frau, von der sie „süßer Sputnik" genannt wird. Auf einer Reise durch Frankreich und Italien bis auf eine kleine griechische Insel verschwindet Sumire plötzlich – alle Spuren ihres Schicksals verlieren sich. Ein junger Lehrer, der die betörende Sumire liebt, findet Aufzeichnungen bizarrer Vorfälle und Geschichten in Geschichten, die auch ein Geheimnis von Miu in der Schweiz aufdecken. Mit Haruki Murakamis neuem Roman „Sputnik Sweetheart" geraten wir an die Ränder der Wirklichkeit, aber auch wenn die Menschen auf getrennten Umlaufbahnen einsam wie ein Sputnik ihre Bahnen ziehen, gibt es noch eine andere Seite des Lebens: „Wir brauchen nur zu träumen."

Diese Geschichte nahm surreale Formen an, was ja typisch für Murakami ist, und ich dies eigentlich auch liebe. Sie hat mich recht nachdenklich gestimmt, wobei es Szenen gab, die sich mir tatsächlich auch als kafkaeske erwiesen haben …

Im Kafka am Strand waren es die Katzen, die von einem Menschen schwerst malträtiert werden. Ich vergesse nicht mehr dieses Bild, indem die Figur das Herz seiner getöteten Katze im Munde zergehen lässt ... Und im hiesigen Band? Belege ich gleich mit einem Zitat:
Ich stellte mir ein paar ausgehungerte Katzen in einer Einzimmerwohnung vor. Kleine, flauschige Fleischfresser. Ich - mein wirkliches Ich - war tot, und sie lebten. Sie aßen mein Fleisch, nagten an meinem Herzen, tranken mein Blut. Wenn ich aufmerksam lauschte, hörte ich wie von weit her, wie sie mein Gehirn ausschlürften. Drei geschmeidige Katzen, die meinen zerbrochenen Schädel umringen und die graue schlammige Suppe meiner Gehirnmasse schlürften. Mit ihren roten, grauen Zungenspitzen legten sie die weichen Falten meines Bewusstseins aus. Und bei jedem Zungenschlag flackerte es noch einmal auf, bis es sich ganz in heiße Luft aufgelöst hat.
Der Erzähler, der leider nicht mit Namen vorgestellt wird, ist der junge Mann, Grundschulpädagoge von Beruf, der sich in Sumire verliebt hat. Die Geschichte mit den Katzen soll sich nach Sumires Angaben bei einer anderen Person tatsächlich zugetragen haben. Der junge Lehrer war so entsetzt über diese Geschichte, dass er sie nicht wieder vergessen konnte …

Hier steht auch wieder die Einsamkeit verschiedener Menschen im Vordergrund, und der junge Lehrer stellt sich dazu folgende Fragen:
Warum müssen die Menschen so einsam sein? Wozu soll das gut sein? Stets sind wir auf der Suche nach der Nähe der anderen, und dennoch sind wir so allein. Wozu? Dreht sich dieser Planet nur, um die Einsamkeit des Menschen zu nähren?
Hauptsächlich lesende Menschen sind am stärksten von der Einsamkeit betroffen.

Doch mit Sumire zusammen durchlebte er die Einsamkeit auf eine ganz besondere Art, wobei mir diese Art von Einsamkeit eine angenehme wäre:
Sumire und ich waren einander sehr ähnlich. Zu lesen war für uns beide beinahe eine natürliche Körperfunktion, wie das Atmen. Auch ich zog mich in jeder freien Minute allein in eine ruhige Ecke zurück und verschlang Seite um Seite. Ich las alles, was ich in die Finger bekam -japanische Romane, ausländische Romane, neue und alte, Avantgarde-Literatur, Bestseller - solange es nur den geringsten intellektuellen Reiz besaß. Wie Sumire. In der Stadtbücherei waren wir wie zu Hause und konnten zudem ganze Tage damit verbringen, in Kanda durch die Antiquariate zu streifen. Ich war noch niemals einem anderen Menschen begegnet, der ebenso leidenschaftlich und ausschweifend las wie ich und ich glaube, Sumire geht es genauso. 
Ha, da hat wohl dieser Mensch die Bekanntschaft mit mir noch nicht gemacht :)…

Sumires Traum ist, Schriftstellerin zu werden, doch als sie schließlich die reife Miu kennenlernt, die ebenso eine sehr einsame Figur darstellt, gerät ihr Leben ins Wanken. Sie empfindet eine starke sexuelle Zuneigung zu dieser Frau, die allerdings nicht erwidert wurde, und so entwickelt Sumire eine massive Schreibblockade ...

Eine Szene zu Miu möchte ich gerne noch festhalten. Miu fährt spät abends Riesenrad. Eine letzte Runde, bevor die Kirmes schließen sollte. Sie ist die einzige Fahrerin. Nach dieser Runde vergisst der Schausteller die Frau wieder aus der Gondel rauszulassen, als das Riesenrad noch eine halbe Umdrehung schwingt, und es schließlich abgeschlossen wird. Miu sitzt ganz oben in der Gondel und kann nicht glauben, dass sie vergessen wurde. Wie verbringt Miu nun die Zeit in dieser Gondel? Sie packt ihr Fernglas aus:
Miu konnte nicht mehr klar denken. Ich bin hier und beobachte durch ein Fernglas meine Wohnung. Und wen sehe ich? Mich selbst in meinem Schlafzimmer! Mehrmals stellte Miu die Schärfe des Fernglases nach, doch die Frau, die sie sah, war und blieb eindeutig sie selbst. Sie trug sogar die gleiche Kleidung. (Den kürzlich kennengelernten Spanier) Ferdinando umarmte sie und hob sie aufs Bett. Unter Küssen entkleidete er Miu zärtlich, zog ihr die Bluse aus, den BH, den Rock. Er küsste ihren Hals und liebkoste dabei mit den Händen ihre Brüste. Darauf streifte er ihr geschickt das Höschen ab. Es war genau das gleiche, das sie im Augenblick trug. Miu rang nach Luft. Was ging dort drüben in ihrer Wohnung vor? 
Ist das nicht eine interessante Szene? Da sitzt eine verheiratete Frau in der Gondel fest und sieht sich parallel dazu in ihrer Wohnung durch die Entfernung mit ihrem Liebhaber wieder. Miu führt keine erfüllte Ehe, man kann ihre Ehe vielmehr als eine Zweckgemeinschaft bezeichnen. Was sie durch ihr Fernglas sieht, ist eher eine Rückspiegelung ihrer sexuellen Träume und Sehnsüchte. Sie sehnt sich nach einem temperamentvollen Südeuropäer, einem Latino, und so ist auch Murakami nicht vor Klischees gefeit. 
Ferdinandos langer Penis wurde steif wie ein Stock. Ein sehr großer Penis. Einen so großen hatte sie noch nie gesehen. Er nahm Mius Hand und legte sie darum. Dann leckte und liebkoste er ausgiebig jeden Winkel von Mius Körper. 
Ich kann mir nicht vorstellen, dass es keinen Japaner gibt mit demselben sexuellen Temperament. Solche Draufgänger gibt es doch überall en masse auf der Welt.

Sumire ist verschwunden. Auch der junge Verehrer begibt sich durch Mius Bitte auf die Suche. Selbst die Polizei konnte Sumire nicht finden, bis der Verehrer erfährt, dass Sumire in ihrer Traumwelt verschwunden ist und so versucht er, in diese Traumwelt einzudringen. Nur wie? Wie käme man dorthin?
Nehmen wir also einmal an, es handele sich um eine Tür. Ich schloss die Augen und stellte mir diese Tür konkret und plastisch vor. Eine ganz gewöhnliche Tür in einer ganz normalen Wand. Sumire entdeckte diese Tür, drehte den Türknauf und schlüpfte hinaus - von dieser Seite auf die andere. In einem dünnen Pyjama und Badeschlappen. 
Lebt Sumire mit Miu zusammen? Der Verehrer möchte dazugehören, ist sogar bereit, den zweiten Platz neben Miu einzunehmen:
Ob es drüben auch einen Platz für mich gab? An dem ich mit den beiden zusammen sein könnte? Während die beiden sich leidenschaftlich liebten, könnte ich in einer Zimmerecke sitzen und Balzacs gesammelte Werke lesen. Wenn Sumire dann geduscht hätte, könnten wir beide einen langen Spaziergang unternehmen (….). Konnte eine solche Beziehung überhaupt Bestand haben? War so etwas überhaupt natürlich? (…) Doch wie sollte ich jemals auf die andere Seite gelangen? Ich strich mit der Hand über die glatte, steinerne Oberfläche der Akropolis und dachte an die lange Geschichte, die darin eingeschlossen war. Ob es mir gefiel oder nicht, als Mensch war ich dem Fluss der Zeit unterworfen und konnte ihm nicht entkommen. 
Es gibt noch viele interessante Szenen …

Das Buch erhält von mir sieben von zehn Punkten …
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Nur Tote bleiben für immer siebzehn.
(Haruki Murakami)

Gelesene Bücher 2015: 38
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86






Montag, 29. Juni 2015

Haruki Murakami / Naokos Lächeln (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

So, nun bin ich mit Murakami durch. Das Buch bekommt von mir nur fünf von zehn Punkten. Ursprünglich waren es sechs. Das Ende ergab einen weiteren Punktabzug.

Naokos Lächeln ist das schlechteste Buch, das ich von Murakami bisher gelesen habe. Außerdem finde ich, dass der Autor in dem Buch ziemlich stark sexualisiert. Das wirkt auf mich recht unnatürlich, wie offen die Figuren über ihr Sexualleben reden, fast schon pornografisch, vor allem die weiblichen Figuren gegenüber männlichen Kommunikationspartnern. Sexualität sollte meiner Meinung nach auch immer ein wenig geheimnisvoll bleiben, und man dieses Geheimnisvolle nicht mit Dritten teilt …
 … Der Mensch verliert in diesem Buch sämtliche Intimitäten und Diskretionen. Das finde ich widernatürlich.

Nur ein einziges Beispiel möchte ich hier einfügen; erotische Fantasien zur Belustigung:
Der Tamponzwischenfall: Vor etwa einem Monat waren wir mit fünf oder sechs Freunden verabredet, und ich erzählte ihnen die Geschichte von einer Nachbarin, der bei einem heftigen Nieser der Tampon rausgeflutscht ist ...
Aus meiner Sicht sind das typische Männerfantasien …

Ich finde die Figuren alle recht flach und der Protagonist namens Toru Watanabe ist ein so braver 19/20jähriger Student, der alles brav tut, was von ihm verlangt wird. Er befriedigt sogar sexuell bedürftige Frauen …

Da das Buch die späten sechziger Jahre des Zwanzigsten Jahrhunderts behandelt, denke ich, dass Murakami vielleicht die Absicht hatte, die Sexualität als Tabubruch zu behandeln.

Die Leitgedanken aus dieser Zeit waren z.B. sexuelle Freiheit, antiautoritäre Erziehung und Bildung für alle.

Murakami spezialisiert sich allerdings auf die erotischen Nummern. Die Universitäten in dem Buch werden zwar auch bestreikt, aber es kommt nicht deutlich rüber, was der Streikanlass ist und für welche Ideale gekämpft wird. Das war auch vom Autor beabsichtigt, denn Toru Watanabe stand den Streiks wegen der mangelnden Transparenz skeptisch gegenüber. Er stellte sich die Frage, ob er zu den Konterrevolutionären zählen würde …
Diesen Band mit Kafka, Stephen King … zu vergleichen, siehe Tagesspiegel im Cover, finde ich zu weit gegriffen.

Die Rezensentin Andrea Köhler hat in der Neuen Züricher Zeitung Murakamis Buch folgendermaßen kritisiert:
Eigentlich gebe es bei diesem, mit seiner Geschichte um  erste sexuelle Erfahrungen des melancholisch gewordenen 37- jährigen Toru aufs Pornografische schielenden Autor nur einen einzigen Skandal: „seine ganz und gar unerotische Sprache“. Aber auch mit seiner Fantasie ist es offensichtlich nicht weit her: Köhler macht jede Menge „Klischees des Playboy-Designs aus“, erkennt in dem Roman kaum mehr als eine Mischung aus „Sexualhandbuch und Dr. Sommers Sprechstunde“.

Mit diesem Zitat beende ich nun meine Aufzeichnungen zu diesem Werk.

_____
Nur Tote bleiben für immer siebzehn.
(Haruki Murakami)

Gelesene Bücher 2015: 34
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Samstag, 23. Mai 2015

Haruki Murakami / Schlaf (1)


Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch Schlaf ist ein recht dünnes Bändchen von gerade mal neunundsiebzig Seiten und davon gibt es noch jede Menge Illustrationen. Deshalb habe ich es schon längst durch. Bin nur noch nicht dazu gekommen, darüber zu schreiben.

Wer nicht allzu viel wissen möchte, der sollte diese Buchbesprechung einfach überspringen.

Ich habe einfach Lust, der Welt aus diesem Buch vorzulesen …

Zur Erinnerung gebe ich aber noch einmal den Klappentext rein: 
»Es ist der siebzehnte Tag ohne Schlaf.« So beginnt Haruki Murakamis Erzählung von einer Frau, die nachts kein Auge mehr zumacht. Aber es fühlt sich anders an als die quälende Schlaflosigkeit, die sie als Studentin erlebt hat: Jetzt ist sie auf zauberhafte Weise nicht mehr müde. »Ich kann einfach nicht schlafen. Noch nicht einmal ein Nickerchen.«Spätabends, wenn ihr Mann und ihr Sohn im Bett liegen, beginnt sie ein zweites Leben, und die Nächte sind bei Weitem aufregender als ihre gleichförmigen Tage – aber auch gefährlicher. Die Illustratorin Kat Menschik hat den Zauber von Murakamis Erzählung in traumgleiche Bilder gebracht. Auch deshalb ist dieser durchgehend in Duotone (Nachtblau/Silber) gedruckte Band ein guter Grund, nachts wach zu bleiben.
Im Klappentext steht eigentlich schon alles geschrieben und ich versuche, Dinge oder Erlebnisse aus der Geschichte aufzugreifen, die nicht im Klappentext stehen.

Mit dieser Form von Schlaflosigkeit erlebt die Protagonistin und Icherzählerin ein zweites bzw. ein erweitertes Leben.Während sie am Tage ihren Pflichten als Ehe- und Hausfrau und als Mutter nachgeht, strebt sie nachts, während die Welt schläft, einem anderen Leben nach, und zwar das Leben einer ambitionierten Leserin. Aber durch die Auseinandersetzung mit dieser außergewöhnlichen Form von Schlaflosigkeit, die man eher von Psychotikern und Schizophrenen als Schlafstörung kennt, lernt sie Positives abzugewinnen.
Ich habe keine Angst mehr davor, nicht schlafen zu können. Es gab nichts zu befürchten. Nach vorne denken! Ich erweitere mein Leben, dachte ich. Die Zeit zwischen zehn Uhr abends und sechs Uhr früh gehörte mir. Bis jetzt war ein Drittel des Tages vom Schlaf - oder der >>Therapie zur Abkühlung<< wie es hieß - beansprucht worden. Jetzt gehört diese Zeit mir. Niemand anderem, nur mir. Ich kann über diese Zeit so, wie ich will, verfügen. Niemand stört mich, niemand verlangt etwas von mir. Ja, ich habe mein Leben erweitert. Ich habe mein Leben um ein Drittel erweitert.
Diese Frau hat tatsächlich nicht mal Angst, krank zu werden. Denn überall hört man, dass Menschen, die wenig schlafen, ein kürzeres Leben haben und erkranken können.
Das ist biologisch anormal, mag man mir entgegenhalten. Mag sein. Und vielleicht werde ich später diese Schuld, die ich mit der Fortsetzung dieser Anomalie anhäufe, begleichen müssen. Vielleicht wird das Leben diesen erweiterten Teil - den ich mir jetzt im Voraus nehme - später zurückfordern. (…) Aber ehrlich gesagt ist mir das schon egal. Auch wenn ich nach irgendeiner Rechnung früher sterben müsste, ist mir das vollkommen gleich. Sollen Hypothesen doch ihren Lauf nehmen. Ich jedenfalls erweitere jetzt mein Leben. Und das ist großartig. Darin besteht das wirkliche Gefühl. Ich spüre real, dass ich lebe. Ich werde nicht mehr von Alltagspflichten aufgezehrt. Oder zumindest existiert hier ein Teil von mir, der nicht aufgezehrt wird. Genau das verschafft mir dieses sinnliche Gefühl, zu lieben. Ein Leben ohne dieses sinnliche Gefühl mag ewig dauern, doch es ist ohne Bedeutung. Und das weiß ich jetzt.
Es ist viel Zeit vergangen, seit diese Frau das letzte Mal ein Buch gelesen hat. Durch ihre Schlaflosigkeit findet sie nun wieder einen Bezug zu ihren Büchern. Sie liest mit vollem Genuss:
Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass mein Mann eingeschlafen war, setzte ich mich im Wohnzimmer aufs Sofa, trank einen Cognac und öffnete mein Buch. In der ersten Woche las ich >>Anna Karenina><< dreimal. Mit jedem Lesen machte ich neue Entdeckungen. Dieser ungeheuer lange Roman war voller Enthüllungen und Rätsel. Wie in einer kunstvollen Schachtel enthielt seine Welt kleinere Welten, und diese kleineren Welten enthielten wiederum noch kleinere Welten. Und diese Welten bildeten zusammen ein Universum, und dieses Universum lag da und wartete darauf, vom Leser entdeckt zu werden. Mein früheres Ich hatte nur ein klitzekleines Bruchstück davon zu erfassen vermocht, mein jetziges Ich aber durchschaut und verstand es. Ich verstand genau, was der Schriftsteller Tolstoi sagen wollte, was er dem Leser zu verstehen geben wollte, wie seine Botschaft sich organisch als Roman kristallisiert hatte und was in diesem Roman am Schluss den Schriftsteller selbst übertroffen hatte. Ich konnte alles genau durchschauen.
Aus ihr wurde eine richtige Leseratte. Sie hatte auch guten Grund dazu, denn sie besaß eine Bibliothek, die mit zahlreichen guten Autoren der Weltliteratur ausgestattet war, und sie nun durch ihre Schlaflosigkeit die Bücher nun endlich auch genießen konnte. 
Wie sehr ich mich auch konzentrierte, ich wurde nicht müde. Nachdem ich >>Anna Karenina<< so oft ich konnte, gelesen hatte, nahm ich mir Dostojewski vor. Ich konnte so viele Bücher lesen, wie ich wollte, mich noch so sehr konzentrieren, ich wurde nicht müde.
Ich hatte den Eindruck, dass das Lesen wie ein Aufputschmittel wirkte, das auch ich in abgeschwächter Form kenne.
Schließlich ging der Cognac zu Ende. Ich habe fast die ganze Flasche getrunken. Ich ging ins Kaufhaus und kaufte eine neue Flasche (…). Bei der Gelegenheit kaufte ich auch gleich eine Flasche Rotwein. Dazu ein paar edle Kristalle Cognacgläser. Und Schokoladenkekse.Manchmal wurde ich beim Lesen ganz aufgeregt. Dann legte ich das Buch beiseite und bewegte mich ein bisschen. Ich machte Gelenkigkeitsübungen oder lief einfach ein bisschen im Zimmer rum. Wenn ich Lust hatte, machte ich eine nächtliche Spazierfahrt. Ich zog mir etwas anderes an, holte den City aus der Garage und fuhr ohne bestimmtes Ziel in der Gegend herum. Manchmal fuhr ich auch zu einem der Kettenrestaurants, die die ganze Nacht über geöffnet hatten, und trank einen Kaffee, doch da ich es als anstrengend empfand, anderen Leuten zu begegnen, blieb ich meist die ganze Zeit im Auto.
Das Familienleben dieser Frau läuft eigentlich recht harmonisch ab. Es fließt in festen Bahnen. Und doch hatte ich irgendwie das Gefühl, dass der Roman von Tolstoi etwas in dieser Frau bewirkt hatte, was mit ihrer eigenen Ehe zu tun hat. Nicht, dass sie fremd gegangen ist, nein, aber sie sah nun ihre Ehe ein wenig kritischer als sonst. Da ich aber nicht zu viel verraten möchte, halte ich mich hier lieber bedeckt.

Und was auf diese Frau noch alles zukommen wird, darüber schreibt der Klappentext nicht, und ich ebenso wenig. Damit möchte ich sagen, dass es noch genug zu entdecken gibt.
Als große Bibliomanin ist es mir wichtig, diese Bücherszenen aufzuschreiben.

Der Schluss ist spannend, nicht wirklich voraussehend, aber er ist ein typischer Murakami-Schluss.

Das Buch erhält von mir zehn von zehn Punkten.
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Alleinsein hat nichts damit zu tun, wie viele Menschen um dich herum sind.
(J.R. Moehringer)

Gelesene Bücher 2015: 27
Gelesene Bücher 2014: 88
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Mittwoch, 11. Februar 2015

Haruki Murakami / Kafka am Strand (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre


Das Buch habe ich nun geschafft. Starker Tobak, kann ich nur sagen. Nichts für schwache Nerven.
Der Inhalt scheint mir an einigen Stellen arg übertrieben dargestellt, trotzdem hat mich das Buch gefesselt, sodass ich mit dem Lesen nicht aufhören konnte.

Ich kann garantieren: Dieser Stoff, den der Autor hier behandelt, vergisst man nicht so schnell. Sehr speziell.

 Die Welt ist lange nicht nur schwarz oder weiß. In dem Buch gab es auch viel über europäische Komponisten zu lesen, über japanische Dichter, über verschiedene Bibliotheken und ein Mix zwischen realer und surrealer Welt, in denen sich die ProtagonistInnen bewegten. Das mag ich sehr.

Allerdings bin ich von dem Lesen so gesättigt, dass ich keine Lust habe, mich nun noch schriftlich damit zu befassen.

Manche Szenen, die darin auftauchen, hätte ich lieber nicht gelesen, weil sie einfach nur pervers waren. Katzen bekommen von einem Katzenjäger bei lebendigem Leib den Bauch aufgeschlitzt, die Innereien wurden rausgenommen und das Herz landete aus dem Katzenkörper roh in den Mund des Täters, der lutschend das Herz verspeiste. Nur die Katzenkörper wurden betäubt, sodass der Geist der Katzen hellwach war und mussten auf diese Art und Weise wahnsinnige Schmerzen bei vollem Bewusstsein über sich ergehen lassen. Danach wurden den Katzen die Köpfe vom Körper abgetrennt und im Kühlschrank in Reih und Glied aufbewahrt.

Dieser Katzenjäger befand sich auf der Suche nach einer Person, die in der Lage wäre, ihn auch zu töten. Er findet die Person auch, allerdings ist dieser Mensch namens Nakata kein wirklicher Mörder. Er ist jemand ganz Sensibles, der über die Katzensprache verfügt. Nakata ermordete den Katzenjäger schließlich erst, als er vor seinen Augen mehrere Katzenkörper aufgeschlitzt hatte. Nakata hielt den Druck nicht mehr aus, und tötete den Jäger durch mehrere Messerstiche. Mit dem Mord rettet Nakata das Katzenleben vieler anderer Katzen, die noch betäubt im Körbchen lagen ... Ich war froh über diese Mordtat … Wer ist dieser Katzenjäger? Was hat er mit dem Jüngling Kafka Tamura zu tun? Ich war überrascht zu lesen, dass er mit Kafka verbunden ist. Möchte aber nicht zu viel verraten.

Nakata selbst zählt neben dem fünfzehnjährigen Kafka Tamura auch zu den wichtigen ProtagonistInnen dieses Buches. Eine sehr interessante Persönlichkeit.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Der 15-jährige Kafka Tamura reißt von zu Hause aus und flüchtet vor einer düsteren Prophezeiung seines Vaters auf die Insel Shikoku. Seine abenteuerliche Reise führt ihn in eine fremde Stadt, wo er der faszinierenden Bibliotheksleiterin Saeki begegnet und ihr verfällt. Er macht die Bekanntschaft mit einem geheimnisvollen alten Mann, der mit Katzen sprechen kann, und gleitet ab in eine fremde, seltsame Welt. Was ist Traum, was ist Wirklichkeit? Wo endet diese Reise voller rätselhafter Begegnungen und labyrinthischer Wege?
Eigentlich lernt Kafka gar nicht Nakata kennen. Trotzdem haben sie indirekt miteinander zu tun.

Nakata verfügt über außergewöhnliche Gaben, der in Notsituationen mit dem Aufspannen seines Regenschirmes Fische und Blutegel vom Himmel fallen lassen kann ...

Nakata ist naiv wie ein Kind, wirkt geistig zurückgeblieben aber durch seine Intuition ist er ein gütiger und weiser Mensch. Er verfügt über Wissen, welches intelligente Menschen oftmals nicht haben ...

Nakata bezieht eine Behindertenrente. Er ist ein Kriegskind gewesen und Opfer von Gasbomben, die von den Amerikanern in Japan abgeworfen wurden. Nakata war der beste Schüler seiner Klasse, und durch das Einatmen des Gases hat er sein Erinnerungsvermögen verloren. Er befand sich mit seiner Klasse im Wald auf Pilzesuche, und als die Gasbomben gefallen waren, fielen sechzehn Kinder in Ohnmacht. Fünfzehn davon sind nach einer bestimmten Zeit wieder aufgewacht, nur Nakata nicht. Er wurde ins Militärkrankenhaus gebracht, und als er wieder bei Bewusstsein war, war Nakata nicht mehr derselbe. Er erlitt auf Dauer einen Gedächtnisverlust und in der Schule war er auch nicht mehr der Beste, sondern der Schlechteste. Nakata konnte keine Bücher mehr lesen und hält sich selber für dumm. Sein Freund Hoshima kann zwar lesen, aber er liest keine Bücher. Hoshima wundert sich, denn es würde doch immer die Falschen treffen.

Was ist Kafka Tamura für ein Mensch? Jemand, der im Alter von vier Jahren von seiner Mutter und der älteren Schwester verlassen wurde. Er blieb mit seinem Vater allein, doch der Vater hatte sich nie richtig um seinen Sohn gekümmert. Die Erziehung und die Versorgung hat er einer Dienstmagd überlassen. Unbewusst begibt Kafka sich auf die Suche. Er reißt von zu Hause aus. Was ist das für eine Suche? Das weiß er selbst noch nicht.
Sein Begleiter ist eine Krähe, die ihm hilft und Tipps gibt. Kafka bedeutet auf Tschechisch Krähe. Und Krähe bedeutet Kafka. Der Junge Tamura hat sich selbst den Namen Kafka gegeben. Mit dem Ausreißen begibt er sich in ein Abenteuer. Er kommt mit Menschen zusammen, die ihn alle ein Stückchen näher zu sich selbst führen.

Andere Menschen, wie zum Beispiel Nakata und Hoshima fungieren und agieren parallel im Hintergrund, ohne dass Kafka davon weiß. Sie alle sind mit Kafka verbunden. Real und irreal. Die Welt ist voller Symbole und Metaphern.

Was der Titel des Buches bedeutet, möchte ich nicht verraten. Lest am besten das ganze Buch selbst. Es wird nicht langweilig, nur weil die Welten hier ein wenig bizarr sind.

Dieses Werk liest sich tatsächlich wie ein Märchen für Erwachsene.

Mein Fazit: Ich freue mich schon auf die anderen Bände von Murakami.

Das Buch erhält von mir acht von zehn Punkten.

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Die Welt ist eine Metapher
(H. Murakami)

Gelesene Bücher 2015: 07
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86



Mittwoch, 19. März 2014

Haruki Murakami / Südlich der Grenze, westlich der Sonne (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch hat mir recht gut gefallen.

Es ist eine reine Liebesgeschichte und kann aus diesem Grund nicht allzu viel darüber schreiben, sonst nehme ich den anderen LeserInnen zu viel vorweg. Gäbe es noch Begleit- oder Unterthemen, dann könnte ich mein Geschreibsel ein wenig auf die anderen Themen verteilen.

Ich kann aber sagen, das Buch ist wie üblich ein wenig surreal ... Wie üblich ist es eine schräge, ernste und fantastische Liebesgeschichte, und auch grenzüberschreitend; alles typische Merkmale für Murakami.

Im Folgenden stelle noch mal den Klappentext rein:
 Wie eine Halluzination taucht die Kindheitsgeliebte des Barbesitzers Hajima nach Jahrzehnten wieder auf, unfassbar und geheimnisumwoben. Immer an regnerischen Abenden erscheint Shimamoto wie eine verführerische Andeutung aus einer fremden Welt und hebt das Leben des tüchtigen Geschäftmannes und Familienvaters aus den Angeln. ›Südlich der Grenze, westlich der Sonne‹ erzählt mit großer Magie vom Einbruch dämonischer Kräfte in ein Leben – und scheut dabei keine Tabus. Als ›Gefährliche Geliebte‹ in der Übersetzung aus dem Englischen erschien, führte der Streit über die Sprache des Romans und seine Darstellung von Sexualität zur Auflösung des »Literarischen Quartetts«.
Wie aus dem Klappentext hervorgeht, bemüht sich der Icherzähler Hajima um ein normales, durchschnittliches Leben, bis seine Jugendliebe Shimamoto nach 25 Jahren wieder in sein Leben tritt. Shimamoto, eine recht interessante Persönlichkeit, die nicht nur ihrem alten Jugendfreund Rätsel hinterlässt, sondern auch mir als Leserin.

Hajima ist ein Einzelkind gewesen und wuchs in seiner Jugend als Einzelgänger auf, dadurch war er für viele Menschen ein wenig unnahbar. Mit zwölf Jahren lernt er seine Klassenkameradin Shimamoto kennen, die ebenfalls ein Einzelkind ist, für die damalige Zeit, 1960er Jahre in Japan, recht ungewöhnlich. Shimamoto war durch einen Geburtsfehler ein wenig gehbehindert, doch Hajima störte das keineswegs. Hajima zog zusammen mit seinen Eltern in eine andere Stadt, sodass die beiden Kinder sich aus den Augen verlieren. Plötzlich taucht Shimamoto nach 25 Jahren wieder in seinem Leben auf.

Shimamoto verdrehte ihm ganz den Kopf und wäre sie nicht wieder so schnell verschwunden, wie sie aufgetaucht war, bin ich sicher, er hätte seine Familie und seine abgesicherte Existenz aufgegeben, für die er so sehr gekämpft hatte, wenn man bedenkt, aus welchem beruflichen Milieu er einst gekommen ist. Ein langweiliger Angestellter in einem Schulbuchverlagswesen als Lektor tätig.

Ein wenig nachdenklich haben mich die anderen Liebespartnerinnen gemacht, die es alle ernst mit Hajima gemeint hatten, doch Hajima verletzte diese ungewollt, indem er sich zu anderen Frauen hingezogen gefühlt hatte. Wobei der Konflikt mit seiner Frau sich schließlich gelegt hatte, seine Frau verzieh ihm die Liebe zu einer anderen Frau.

Lest aber selbst.

Interessant fand ich zudem auch, zu erfahren, dass Hajima unter einer inneren Leere litt, von der er glaubt, dass nur Shimamoto sie ausfüllen könne. Das zeugt neue Probleme. Die Sucht und die Gier nach dieser Frau macht ihn fast wahnsinnig.
Wohin ich auch gehe, ich bleibe derselbe. Meine Unzulänglichkeiten bleiben dieselben. Meine Umstände mögen sich verändern, doch ich bleibe stets derselbe unvollkommene Mensch. Der ewig gleiche fatale Mangel, den ich mit mir herrumtrage, ruft einen unstillbaren Hunger in mir hervor. Dieser Hunger hatte mich stets gequält und wird mich wahrscheinlich immer weiter quälen. Denn gewissermaßen ist es dieser Mangel, der meine Person ausmacht. Das weiß ich inzwischen. Für dich will ich ein neues Ich werden. Und vielleicht gelingt es mir. Es wird nicht einfach sein, aber ich werde mein Bestes geben, und vielleicht kann ich mich ändern.
Das waren die Worte der Versöhnung an seine Frau. Diesen inneren Mangel, der zieht sich quasi durch das ganze Buch. Mehr verrate ich nun nicht.

Neben dem eigentlichen Thema, hier ist es die Liebesgeschichte, interessiert mich z. B. oft, was die Romanfiguren für ein Leben als LeserInnen führen.

Shimamoto galt als eine rege Leserin. Sie trifft Hajima lesend vor einem Sachbuch:
"Was liest du da?" Sie deutete auf mein Buch. Ich zeigte es ihr. Es behandelte die Geschichte des chinesisch-vietnamesischen Grenzkonflikts nach dem Vietnamkrieg. Sie blätterte darin und gab es mir zurück.
"Liest du keine Romane mehr?"
"Doch, aber nicht mehr so viel wie früher. Und neue Romane lese ich gar nicht. Nur die alten überwiegend aus dem 19. Jahrhundert. Welche, die ich früher schon gelesen habe."
"Warum liest du keine neuen?"
"Vielleicht will ich nicht enttäuscht werden. Wenn ich ein langweiliges Buch lese, habe ich das Gefühl, meine Zeit zu verschwenden. Und das frustriert mich. Früher war das anders. Ich hatte viel Zeit, und selbst wenn ich etwas langweilig fand, glaubte ich, es käme auf die eine oder andere Weise doch etwas dabei heraus. Aber jetzt halte ich es nur noch für reine Zeitverschwendung. (…)Liest du noch viel?"
"Ja, die ganze Zeit. Neues und Altes. Romane und Sachbücher. Langweiliges und Spannendes. Im Gegensatz zu dir mag ich es, meine Zeit mit Lesen totzuschlagen."
Das fand ich interessant, denn auch ich lese viel, verbringe fast meine gesamte Freizeit mit dem Lesen. Ähnlich wie Shimamoto lese ich auch querbeet, davon Spannendes und aber auch Langweiliges, wobei ich gerade lerne, gewisse Bücher dann doch abzubrechen, wenn sie mir nicht zusagen. Vor allem wenn es sehr große Wälzer sind. Dafür reicht schließlich meine Ausdauer dann doch nicht. Kommt aber glücklicherweise nicht so oft vor. Wenn es aber vorkommt, bin ich ein wenig bedrückt, wenn ich das Buch abbreche.

Ich mache hier nun Schluss und verweise auf das Buch. Lest es selbst, kommt selbst in den Genuss, diese Art von Liebesroman in euch aufzunehmen.  
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Es gibt eine Grenze, und es gibt Menschen, die sie überschreiten können, und Menschen, die es nicht können.
(Haruki Murakami)

Gelesene Bücher 2014: 19
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86