Mein Lesemotto: Es wird Zeit für einen Perspektivenwechsel.
Ich sehe was, was du nicht siehst, und das ist ein buntes Italien; in Land und Leute. Bunt nicht nur in seiner Schwäche, bunt auch in seiner Stärke.
Meine Meinung
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Ich sehe was, was du nicht siehst, und das ist ein buntes Italien; in Land und Leute. Bunt nicht nur in seiner Schwäche, bunt auch in seiner Stärke.
Eine Buchbesprechung
zur o. g. Lektüre
Mich hat das Buch Ist das ein Mensch? sehr angesprochen. Ich
fand hier eine differenzierte Herangehensweise vor, sich mit so einer tristen Thematik wie Antisemitismus und Judenverfolgung innerhalb von Europa auseinanderzusetzen. Viele
Gedanken habe ich in mir widergespiegelt gesehen. Gedanken, die man nicht nur
im Austausch mit dem Antisemitismus entwickeln kann, sondern auch überall dort, wo es um ein besseres Verständnis einer Gesellschaft bzw. eines
Individuums, einer Nation geht, ohne sie in Klischees oder in Stereotypen zu packen.
Viel Neues habe ich in
dem Buch über den Nationalsozialismus und den Antisemitismus nicht erfahren,
aber mir war es wichtig herauszufinden, was Levi als ein italienischer Jude denkt und
wie sein Innenleben durch diese massive, rassistische existentielle Bedrohung ausgestattet war … Primo Levi befasste sich mit Gedanken, ob das
Leben im KZ noch lebenswert sei? Dazu meine Fragen; was ging in ihm vor, hat der Wahnsinn ihm den Glauben an die Menschheit genommen? Hat er gelernt, alle Deutschen zu
verachten? Er fragte sich immer wieder, ob der Mensch von Natur aus böse, brutal und/oder egoistisch sei?
Hier geht es zum
Klappentext und zu den Buchdaten.
Die Handlung
Primo Levi wurde 1919 in Turin geboren und starb 1987 mit 68 Jahren. Als der Zweite Weltkrieg ausgebrochen
ist, war er ein junger Mensch. Gerade mal zwanzig Jahre alt. Er kämpfte in den Bergen als
Partisan und durch einen Verrat wurde er 1944 zusammen mit 24 anderen
italienischen Juden nach Modena gebracht und von dort mit dem Güterwaggon nach
Auschwitz deportiert. Im Lager verloren die Juden alle ihre Namen und
erhielten eine KZ-Nummer auf dem linken Arm geritzt. Primo Levi war mit 24
Jahren studierter Chemiker. Im Lager verlor er alle seine beruflichen Privilegien
und sämtliche Menschenrechte. Die Juden wurden wie Parasiten behandelt. Den
Status Mensch haben sie abgesprochen bekommen. Levi wurde recht
spät von den Nazis erfasst und ihm war es wichtig, das Lager zu überleben,
um später den nachfolgenden Generationen Zeugnis abzulegen. Er tat alles, um
innerlich eine Form der Zivilisation zu bewahren. Deutsche Kriminelle wurden
aus den Gefängnissen entlassen und wurden im KZ als Wärter auf die Juden losgelassen.
Kein „arischer“ Häftling war ohne Amt, mag es noch so bescheiden gewesen sein. Daß sie stur und bestialisch waren, ist nur natürlich, wenn man bedenkt, daß es sich meistens um gewöhnliche Verbrecher handelte, die man eigens aus den deutschen Gefängnissen geholt hatte, um sie als Aufseher in den Judenlagern zu verwenden; und mir scheint, daß diese Auswahl sehr sorgfältig getroffen wurde, denn ich kann einfach weder glauben, daß diese schmutzigen menschlichen Subjekte, die wir da am Werk sahen, den Durchschnitt der Deutschen im Allgemeinen, noch den deutschen Gefängnisinsassen darstellten. Schwieriger ist es, eine Erklärung dafür zu finden, wieso in Auschwitz die politischen Prominenten, Deutsche, Polen und Russen, mit den gewöhnlichen Verbrechern an Brutalität wetteiferten. (2018, 114)
Ich persönlich finde es erstaunlich, wie Menschen im Lager die innere
Würde bewahrt haben, ohne sich zu Menschenhassern entpuppt zu haben. Levi spricht
von einem italienischen Insassen namens Lorenzo, der bis zum Schluss bestrebt
geblieben ist, ein guter Mensch zu sein, um sich und anderen Gutes zu tun,
soweit dies im Lager möglich war. Lorenzo half Levi, nicht zu vergessen, dass
auch er ein Mensch sei.
Primo Levis Wunsch hat sich erfüllt, indem er das KZ überlebt hat. Als er
wieder zurück nach Italien gekehrt ist, hat er angefangen, über seine
Erlebnisse zu schreiben, und reichte sein Manuskript an die großen
italienischen Verlage ein. Leider wurde das Manuskript abgelehnt.1947 wurde es
von einem kleinen Verlag angenommen, doch dieser löste sich recht bald auf, und so geriet
das Buch in Vergessenheit.1958 wurde in Italien das Buch wieder zum Leben erweckt.
Es boomte und wurde in sieben Sprachen übersetzt. Aus dem Buch wurde an den Schulen Italiens eine Schullektüre.1961 kam es durch den S.
Fischerverlag auf den deutschen Buchmarkt. Viele junge, deutsche Leser nahmen Kontakt mit Levi auf, um seine Erlebnisse aufzuarbeiten. Die jungen Menschen in Deutschland waren erschüttert, zu welchen Taten viele Eltern/Großeltern/Landsleute fähig waren.
Das Schreibkonzept
Die einen sagen, dass das Buch eine Autobiografie ist, für mich
allerdings ist es ein Erlebnisbericht über die Gefangenschaft im deutschen KZ.
Primo Levi berichtet in einem Dokumentationsstil. Sehr objektiv und sehr
sachlich, aber trotzdem gut lesbar. In dem Buch sind zwei Bände abgedruckt. Den
zweiten Band Atempause werde ich mir
später vornehmen, da ich mit dieser Thematik eine Pause benötige.
Für mich ist beides sehr ansprechend, vor allem der Buchtitel hat gut
gepasst. Oben habe ich das italienische Cover eingefügt.
Meine Identifikationsfigur
Keine
Meine Meinung
Ich habe während des Lesens richtig gebangt. Die Nöte der Menschen im
Lager fand ich grausam. Der Hunger setzte vielen zu, die Menschen bekamen kaum Brot zu
essen, stattdessen erhielten sie überwiegend wässrige Suppen vorgesetzt, obwohl sie harte Arbeiten verrichten mussten. Ich selbst bekam
einen Heißhunger auf Brot, so sehr habe ich mit den Lagerinsassen mitgelitten.
Ich hatte kein Brot im Haus, und musste auf ein anderes Lebensmittel ausweichen.
Ansonsten fand ich das Buch wirklich gutgeschrieben. Trotz dieser
schweren Thematik ist der Autor sachlich geblieben und hat es geschafft, nicht
alle Deutschen über einen Kamm zu scheren.
Im Gespräch mit dem deutschen Verlag
äußerte er sich über die Deutschen:
Ich habe das deutsche Volk nie gehasst, und hätte ich es auch getan, so wäre ich jetzt, nachdem ich Sie kennengelernt habe, davon geheilt. Ich begreife nicht, ich ertrage nicht, daß man einen Menschen nicht nach dem beurteilt, was er ist, sondern nach der Gruppe, der er zufällig angehört. (217)
Da Primo Levi zu meinem Leseprojekt Italien
zählt, freue ich mich, wenn ich gewisse Gedanken von mir auch in seinem Buch wiederentdeckt
habe und zeigt mir, dass ich damit nicht alleine bin.
Deshalb schließe ich mich Levi an. Auch ich begreife es nicht, wenn im
Umkehrschluss viele deutsche Menschen und Menschen anderer Nationen die Italiener nach Schema F beurteilen, und damit immer wider den dümmlichen Italiener herauskehren lassen. Die vielen Klischees und die
Stereotypen sind so alt wie ich selbst, wenn nicht sogar noch älter. Man
kann das irgendwann nicht mehr hören, wenn man in Deutschland mit diesen Klischees groß
werden musste und ich dadurch eine Abneigung entwickelt habe, selbst als Kind
italienischer Eltern Italienerin sein zu wollen.
Mein Fazit?
Ich freue mich sehr, Primo Levi als einen italienischen Autor
kennengelernt zu haben, und bin total motiviert, mein Leseprojekt zu Italien
weiter fortzusetzen. Ein italienischer Autor, der in keine Schublade
passt, und der meine Gedanken im Umgang damit bestätigt hat.
Meine Bewertung
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe
Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere 2 Punkte: Authentizität der Geschichte 2 Punkte: Literaturwissenschaftliches, gut recherchiertes Buch 2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein
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12 von 12 Punkten.
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