Sonntag, 29. August 2021

Stefanie vor Schulte / Junge mit schwarzem Hahn (1)

Bildquelle: Pixabay

“Es wäre schön,
wenn die Fähigkeit, 
sich in andere hineinzuversetzen, 
nicht verloren ginge.” (2021, 229)

Ein wunderbares, märchenhaftes Buch mit deutlichen Bezügen zur realen Welt, die die Leser*in zwar fiktiv in eine andere Epoche zu führen scheint, für mich schon fast mittelalterlich; eine Handlung von Krieg, Armut, Gewalt, Aberglauben und jede Menge skurriler Figuren, doch wenn diese als Symbole betrachtet werden, konnte eine besondere Affinität zur Gegenwart hergestellt werden. Dadurch habe ich das Buch als zeitlos empfunden. 

Mich hat diese Geschichte durch die Tiefe der Sprache von der ersten bis zur letzten Seite dermaßen bewegt, dass ich diesen Martin ungewollt mit in meine nächtlichen Träume genommen habe und es sehr bedauere, mich beim Schreiben dieser Buchbesprechung zurücknehmen zu müssen, weil meine Erlebnisse wieder andere sind als die der Anderen. Die Figuren dringen, so lebendig wie sie sind, in meinen Verstand und in meine Seele ein, und ich kann nichts dagegen tun. Auf einmal sind sie in mir drin, die sich so schnell nicht mehr aus mir herausbewegen lassen, bis ich mich lange genug mit ihnen beschäftigt habe und sie von selbst wieder verschwinden.

Ich habe die Buchbesprechung in zwei Abschnitten geteilt, zwar nicht numerisch, nur mit einem Trennstrich markiert, weil ich im zweiten Abschnitt noch eine kleine Diskussion anschließen möchte. Fragen über Fragen, die sich mir gesamtgesellschaftlich durch das Buch noch aufgetan haben. 

Hier geht es zum Klappentext, zum Autorenporträt, zu den ersten Leseeindrücken und zu den Buchdaten.

Die Handlung
Die Protagonisten dieser Handlung sind der elfjährige Martin und sein schwarzer sprechender Hahn, der namenlos ist. Der Hahn wurde Martin in die Wiege gelegt und begleitet ihn als Freund, Helfer und vor allem als Führer auf seinem schwierigen Lebensweg.

In deinem Leben gibt es Unerklärliches, damit du zum Erklärlichen gelangst. (53)
Martin ist allein, mittellos, hat weder Eltern noch Geschwister. Doch als er noch Familie hatte, wurde er so schlecht behandelt, dass er der Meinung war, dass er ohne Familie besser dran wäre.

Es ist kein Kind der Liebe. Es ist aus Hunger und Kälte gemacht. (12)

Martin lebt in seinem Dorf, weg von seiner Familie, weg von seinem grausamen Vater, der alle seine Geschwister und die Mutter getötet hat. Die Welt wirkt hier recht düster, dunkel und trostlos. Die Menschen wenden sich von ihm ab, sind ihm gegenüber misstrauisch, weil Martin anders ist. Seine kluge und sanftmütige Art lässt die Menschen skeptisch werden. Dazu sind die meisten noch abergläubig und meiden Martin auch wegen seines schwarzen Hahns.

Den (Hahn) hat der Junge immer dabei. Auf der Schulter hocken. Oder im Schoss sitzen. Verborgen unter dem Hemd. Wenn das Vieh schläft, sieht es aus wie ein alter Mann, und alle im Dorf sagen, es wäre der Teufel. (6)

Eine besondere Beziehung sucht Martin in dem Maler, der neu in das Dorf kommt, um für die Kirche ein Altarbild anzufertigen. Martin schließt sich dem Maler an, als er schließlich weiterzieht, um nach neuen künstlerischen Aufträgen zu suchen. Im Gegensatz zu den anderen Menschen nimmt der Maler Martin und seinen tierischen Freund bei sich auf. Er bietet Martin dadurch einen gewissen Familien- und Heimersatz. Er scheint der einzige Mensch zu sein, der Martin versteht.

Wie sie einander Wärme geben, indem sie gackern und witzeln, sich das Maul zerreißen, sich miteinander wohlfühlen, wie Säue im Schlamm. Der Maler kennt diese Frauen, die schneller als ein Wiesel zu den Nachbarn rennen, um über andere zu lästern, sich lustig zu machen, über jemanden, der ihnen nicht passt, weil er allein schon durch seine Existenz, wie der Junge, ihre ganze schweinchenhafte Zufriedenheit in Frage stellt. Anmaßend sind sie. Sie lügen und schummeln. Eigentlich sind sie dumm, aber auf eine ungute Art pfiffig. Wie soll das Kind überleben, wie soll die Moral bestehen, zwischen diesen selbstgefälligen Männern und den giftigen Frauen? (60)
Doch auch der Maler hat seine Schwächen, vor allem mit dem Alkohol, und dadurch Martins Vertrauen auf die Probe stellt, bedingt auch als der Hunger des Malers die Existenz des Hahns gefährdet.

Und da weiß Martin, dass er den Maler eines Tages verlassen muss. Und es tut ihm weh. Der Maler schnarcht und schläft seinen Rausch aus, während Martin noch lange in die Nacht starrt und nun erkennt, dass erst die Liebe zu jemanden den Weg zu Schmerz und Angst ermöglicht. (88)

Auf der Reise mit dem Maler lernt Martin einen Reiter kennen, der Kinder stiehlt und sie an einen anderen mysteriösen Ort bringt. Martin möchte eines der Kinder retten. Brüskiert fällt der Maler ihm in den Rücken, und versucht es ihm auszureden. Allerdings lässt Martin sich von seinem Vorhaben nicht abbringen:

Ein gerettetes Leben ist alle Leben. (90)
Doch auch eine Liebesgeschichte spielt sich hier ab. Martin verliebt sich in ein schlagfertiges und selbstbewusstes hübsches Mädchen. Franzi, die so arm ist, dass sie trotz ihres jugendlichen Alters in einer Kneipe arbeiten muss, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Doch Martin spürt auch die Verletzlichkeit dieses Mädchens, die in ihrer Schönheit begründet liegt.

Sie ist 14, zieht sich das Tuch um die Schultern. Der Wind weht ihr das Haar in die Augen. Sie ist sehr schön, und die Männer bekommen Lust, ihr wehzutun. (7)

Welche Szene hat mir nicht gefallen?
Das waren jede Menge Szenen. Die Figuren habe ich größtenteils als dermaßen skurril erlebt, dementsprechend skurril waren auch deren Lebensweisen und deren Handlungen. Zusammengefasst waren das Szenen verschiedenster Figuren, die dermaßen abgestumpft in ihrer düsteren Lebenswelt gelebt haben, ohne jemals den Versuch unternommen zu haben, etwas daran zu verändern. Düsternis ist hier nicht eingegrenzt in Armut und Mittellosigkeit. Auch die gut Betuchten stellten leidliche und bemitleidenswerte Existenzen dar.

Welche Szene hat mir besonders gut gefallen?
Ganz klar hat mir die Szene gefallen, in der Martin es gelungen ist, die Fürstin in ihrem Schloss auszutricksen, um die geraubten Kinder zu retten.

Welche Figur war für mich eine Sympathieträgerin?
Martin, der schwarze Hahn, Franzi und der Maler, weil sie die eigentlichen Licht- und Hoffnungsträger darstellen.

Welche Figur war mir antipathisch?
Das Trio Henning, Seidel und Sattler, die zu eingefahren und zu träge waren, aus ihrem Leben etwas zu machen. Sie lassen sich lieber vom Skatspielen im Gasthaus ablenken und mit einem Schlüssel in der Hosentasche begraben.

Dazu noch die Fürstin. Die nach außen hin angeblich alles für ein glückliches Leben besaß; Macht, Prestige, Vermögen und ironisch gesagt; geklaute Kinder. Sie lässt sich die Reinheit in ihren Hallen bringen, weil sie seelisch selbst dermaßen unrein ist, dass man dies schon fast riechen kann. (Das meine ich ernst. Ich konnte die Fürstin riechen), während sie alle äußeren Tugenden erfüllt, ist sie innerlich ein mickriger Mensch geblieben, der irgendwann in der Entwicklung stehen geblieben ist, weil er aus meiner Sicht alle Energien in die Besitztümer und in die Macht investiert hat. Nach außen hin gewachsen, nach innen hin geschrumpft.

Meine Identifikationsfigur
Behalte ich dieses Mal für mich.

Cover und Buchtitel 
Den Buchtitel und das Cover fand ich gut und künstlerisch gelungen und ansprechend.
Der Blumenkranz auf Martins Kopf und die Blumen im Hintergrund, sehe ich hier ein Herz?, drücken etwas Weiches und Liebliches aus. Die blauen Kleider? Für mich ist Blau eine spirituelle Farbe, die für Seelentiefe steht …

Allerdings habe ich auf dem Cover den schwarzen Hahn vermisst. Auf der Schulter des Jungen wäre er gut platziert, und so komplettiere ich das Bild für mich innerlich im Stillen. 

Korrektur: Dank meiner Bloggerkollegin Petra Gleibs weiß ich nun, weshalb der schwarze Hahn auf dem Cover fehlt. Das Cover entspricht dem Gemälde von Pablo Picasso Der Junge mit der Pfeife. Ich hatte es irgendwie versäumt,  mir alle Klappentexthinweise, auch die etwas versteckten, in Augenschein zu nehmen, denn der Verlag selbst hat darauf verwiesen. Weiteres ist in den letzten Kommentaren dieser Seite zu finden. 

Auch habe ich gesehen, dass ich vergessen habe, meine Tabelle mit der Bewertung einzupflegen. Das hole ich nach, wenn ich am Rechner sitze. Aber auf jeden Fall hätte das Cover wegen des fehlendes Hahns keineswegs Punkte verloren. Dennoch lasse ich den Hahn in meiner Vorstellung auf der Schulter des Jungen sitzen.  

Zum Schreibkonzept
Die Handlung spielt sich auf 227 Seiten ab und ist in 31 Kapiteln gesplittet. Im Anschluss ist ein dreiseitiges Interview mit der Autorin abgedruckt.
Der Schreibstil; die Sätze sind manchmal recht kurz gewählt, dafür aber wie Pfeilspitzen sehr treffsicher. 

Meine Meinung
Ich habe mir am Ende die symbolische Frage gestellt, welcher Menschentyp in der Lage wäre, eine Welt von dem Bösen zu retten? Antwort? Das sind Menschen mit reinem Herzen, zu denen auch Martin zählt. Dabei musste ich an die Trilogie Herr der Ringe denken. Auch hier war es der junge Frodo Beutlin, der als einziger dazu befähigt wurde, diesen gefährlichen Ring, der dunkle Mächte anzieht, zu zerstören, während sein alter Onkel Bilbo Beutlin ihn ewig lang im Geheimen bei sich trug. Die dunklen Mächte, die an diesem Ring energetisch behaftet waren, schreckten ihn nicht ab, nicht mal dann, als Mittelerde schließlich bedroht wird. Doch auch Frodo kämpfte am Ende noch mit den Mächten dieses Ringes, hatte Schwierigkeiten, ihn in die ewige Verdammnis des Höllenfeuers zu werfen.

Zurück zu Martin. Er hatte ein schweres Leben, seine Herkunft war von schweren Schicksalsschlägen geprägt. Dennoch ist Martin ein Mensch geblieben, der die Reinheit seiner Seele nicht verloren hat. Er ist sensibel, mitfühlend und setzt sich für andere Menschen ein, in dem er z. B. gestohlene Kinder rettet, um sie den Eltern zurückzubringen. Er hat nichts, wovon der Mensch glaubt besitzen zu müssen, um ein glückliches Leben führen zu können. In seiner ganz bescheidenen Art ist Martin dennoch ein junger Mensch, der sehr viel besaß.

Martin sind die Menschen nicht gleichgültig. Er besitzt jede Menge Beobachtungsgabe, Feinfühligkeit, Weisheit und inneres Wissen, um mithilfe seines tierischen Freundes die Probleme anzugehen, anstatt wegzuschauen, während die Erwachsenen größtenteils abgestumpft sind. Sie nehmen die Ungerechtigkeit und die Nöte in der Welt in nur einer recht destruktiven Form wahr, dichten ihren eigenen Reim darauf und bringen dadurch noch mehr Dunkelheit in die Dunkelheit.

Was hat mir neben der Rettung der Kinder ganz besonders gefallen?
Die Ausgänge zwischen Martin, dem Maler und dem Hahn. Ich hatte während des Lesens schon sehr um die Existenz des Hahnes gebangt ... Und bin so glücklich über die Ausgänge, dass sich meine Hypothesen hierbei nicht erfüllt haben.

Von den Erwachsenen war der Maler der Einzige, der sein Verhalten kritisch dem Jungen und dem Hahn gegenüber durch schwierige Momente hinterfragen konnte und daraus auch konstruktive Konsequenzen hat ziehen können. Das hat ihn mir richtig sympathisch werden lassen.

Die Botschaft: Wir sind unseren Schwächen nicht hilflos ausgeliefert
Dazu habe ich die Botschaft vernommen: Dass wir Menschen unseren Charakterschwächen nicht hilflos ausgeliefert sind. Man kann an ihnen arbeiten und diese in Stärke umwandeln, um zu mitfühlenden Wesen zu werden, wie uns dies der Maler vorgelebt hat.

An der Fürstin wurde für mich deutlich, wie armselig ihre Reichtümer, ihre Macht und ihr Prestige nur waren. Sie selbst war nicht mal glücklich, sie musste Kinder stehlen lassen, Kinder, die in der Seele rein sind und sie aus meiner Sicht dadurch die Aufgaben hatten, das Leben der Fürstin zu erhellen. Ihre weltlichen Werte sind nicht wirklich die Dinge, auf die es im Leben ankommt. Sie sind nur solange wichtig, solange man sich innerlich nicht verliert und im selben Zug Mensch bleibt. Aber geht das? Sich mit großem äußeren Prunk schmücken und gleichzeitig bescheiden bleiben?

Die Parallele zur Gegenwart?
Auch wenn der Mensch heute nicht mehr diese existenziellen Nöte erleiden muss, ist er deshalb kein besserer Mensch. Heute streiten Menschen z. B. um Bagatellen. Meine Parallele, die ich sehe, ist, um nochmals auf das Anfangszitat dieser Besprechung einzugehen: Die Unfähigkeit, sich durch die Empathielosigkeit in andere Menschen und (Kulturen) hineinzuversetzen, sind häufig Streitthemen, die ich in der Gesellschaft und in den Medien beobachte. Die eigene Kultur und die eigenen Schwächen werden z. B. zu wenig hinterfragt, während die einer fremden Person und deren Herkunftskultur umso kritischer angegangen werden. 

Kinder wegsperren in der aktuellen Corona-Politik
Kinder stehlen und wegsperren sehe ich als eine Parallele in unserer Zeit bezogen auf die Corona-Politik durch die Politiker, die im Namen der Pandemie absurde Gesetze verabschieden. 

Oder Menschen, die Macht haben und noch mehr Macht haben wollen und noch mehr und noch mehr, und man nur eines bei ihnen wachsen sieht, ist deren Narzissmus, und innerlich entwickeln sie eine Seele wie die der Fürstin in diesem Buch.

Oder der Gaukler: Was gaukelt er uns vor? Dabei denke ich an die vielen suchtmachenden Computerspiele, die die Menschen von realen Problemen ablenken. Süffisante Politiker, die versuchen, uns manipulative Sichtweisen aufzudrängen ... Schließlich verwandelt sich der Gaukler in einen Henker ... Sich eine falsche Welt vorgaukeln zu lassen, kann am Ende sogar zum Verhängnis werden.

Diese sollten nur ein paar Beispiele darstellen ... 

Überwindung des Aberglaubens?
Obwohl wir längst das Mittelalter überwunden haben, existiert unbewusst noch immer dieser Aberglaube schwarzen Tieren gegenüber. Lt. Tierschutz in Tierheimen und anderswo werden schwarze Tiere nur sehr schwer vermittelt. Da müssen wir nicht über den Aberglauben anderer Länder reden, nein, hier vor unserer Haustüre kämpfen schwarze Tiere ums Überleben.

Kurzer Bezug zur Online-Talkrunde /  Gedanken der Autorin, von denen ich nur ein paar mir hierfür herausschreiben werde
Ich erinnere mich an die Online-Talkrunde vom Donnerstagabend: Martin bleibt menschlich in unmenschlichen Zeiten. Er habe einen Hang dazu, mit Schicksalsschlägen positiv umzugehen.

Erwachsene würden ihre Haltung nicht mehr überdenken. Sie glauben, mit ihrer Entwicklung abgeschlossen zu haben und haben aufgehört, ihr eigenes Verhalten zu hinterfragen.

Mein Fazit
Mich hat das Buch total fasziniert. Schade, dass ich mich aus persönlichen Gründen zurücknehmen muss. Ich kann gar nicht verstehen, dass manche mit dem Schreibstil der Autorin nicht klargekommen sind oder erst später damit warm werden konnten, wenn man dies aus den Rezensionen anderer Internet-Seiten herausliest. Mich haben die Worte der Autorin von Anfang an dermaßen ergriffen, dass sie sofort wie ein Fluidum in meine Seele geflossen sind und im Stillen weitergewirkt haben.

Summa summarum
Martin bringt den Menschen die Würde zurück!!!!
Dadurch war das Buch für mich ein Licht- und Hoffnungsträger, da es Mut macht, trotz harter Schicksalsschläge ein guter Mensch zu bleiben bzw. zu werden, was aber nicht heißt, makellos durchs Leben ziehen zu müssen.

Daher. Tolles Buch. Tolle Sprache. Tolle Figuren. Tolle Botschaft.

Wie ist das Buch zu mir gekommen?
Durch den Verlag bin ich auf dieses Buch aufmerksam geworden.

Meine Bewertung

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck, Fantasievoll
2 Punkte: Differenzierte, facettenreiche Charaktere 
2 Punkte: Authentizität der Geschichte;
2 Punkte: Erzähl-und Schreibstruktur, Gliederung: Ungebunden
2 Punkt: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein.

12 von 12 Punkten plus 2 Highlight Punkte. / 14 Pkt.

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Telefongespräch mit Bücherfreundin Anne

Mit Anne konnte ich völlig ungeschminkt über die Erfahrungen, die mich mit diesem Buch verbunden hatten, reden. Wir haben uns über die darin beschriebene Problematik menschlicher und gesellschaftlicher Art ausgetauscht und Bezüge zur aktuellen Lage hergestellt. Dazu noch die tolle Sprache, indem ich ihr manches Zitat einfach nur vorlesen musste. Ein besonderes Erlebnis teilte ich ihr mit:

Eine wichtige und persönliche Erfahrung mit meinem eigenen Haustier durch dieses Buch / Ein Erlebnis, das einem Wunder gleicht
Ich hätte richtig Lust, mit der Autorin unter vier Augen über dieses Buch zu sprechen. Über dieses Wunder, das ich innerlich bezogen auf mein eigenes Tier über die Tierkommunikation habe erfahren können, über das ich nicht hier, sondern an anderer Stelle im Blog allerdings noch schreiben werde, wo es thematisch noch besser passt.

Menschliche Probleme nur in der literarischen Welt sichtbar?
Wir nehmen literarisch menschliche Probleme auf, im Buch sind sie uns wichtig, intellektualisieren darüber, decken uns noch mit Fremdwörtern ein, um sophisticated zu sein ... , während diese im realen Leben eher als zu persönlich, zu profan, zu trivial abgestempelt werden, sobald man versucht, auf diese aufmerksam zu machen, und dazu, wenn es noch Einzelschicksale sind. Wie entstehen diese Diskrepanzen vielerorts unter den Intellektuellen? Damit müssen nicht unbedingt die eigenen Probleme gemeint sein, sondern die, die man selbst in einer Gesellschaft sozial-politisch beobachten und ansprechen möchte, so stößt man häufig auf taube Ohren und wird mit Totschlagargumenten abgespeist.

Wir lesen meist unkritisch über sozial- und gesellschaftliche Probleme anderer Länder, und atmen unbewusst erleichtert auf, dass man nicht zu dieser zurückgebliebenen Personengruppe gehört, weil es in den eigenen Reihen fortschrittlich zuzugehen scheint. Und genau das ist nicht mein Stil des Lesens und des Umgangs. Diese stark wertenden Betrachtungsweisen maße ich mir nicht an, sie anderen aufzustülpen. Und dabei tun Menschen anderer Nationen auch nichts anderes, was wir hier tun. Uns in ein System einfügen und angepasst leben, um dazuzugehören.

Jeder Mensch kann nur mit dem klarkommen, was er bei seiner Geburt in die Wiege gelegt bekommen hat, um daraus das Bestmögliche zu machen. 

Erlaubt sind hierbei häufig nur die Themen, die aus der Presse vorgegeben sind, und diese Themen sind schon von den Journalist*innen sehr selektiert und gefiltert bearbeitet. Und das genau sind die Gründe, die mich langweilen und geistig träge stimmen lassen. Man hört überall nur noch dasselbe und über die gleichen Themen reden, und die Argumente sind auch immer die gleichen. Selbst in Bücherforen beobachtet man dieses Verhalten zunehmend. 

Einige andere, aus der nicht lesenden Bevölkerung, reden lieber in belehrender, sittenstrenger Form über die Schwächen ihrer Mitmenschen, über die anderer Länder, eigene sind schwer aushaltbar. Abweichende Gedanken und Meinungen werden verprellt. Die möchte niemand hören, und dabei merken viele nicht mal, wie abgedroschen ihre Worte klingen, weil sie nur nachgeplappert und aus ihren Mündern kommend eigentlich schon völlig verbraucht sind, ohne darüber mal selbst nachgedacht zu haben. Viele lassen denken, und benutzen Gedanken, Ideen anderer wie die der Politiker, der Zeitungen, die schnell produzierend in die Gesellschaft hineingeworfen wurden ... Abstand von der eigenen Sichtweise und den eigenen Maßstäben zu nehmen und versuchen, die Dinge aus der Sicht des anderen zu verstehen, das geht nicht immer mehr verloren, ich glaube, es ist schon verloren gegangen und hoffe, dass diese Fähigkeit zu uns zurückfinden wird. Das bedeutet, sich z. B. auch in einen Kriminellen oder in einen Attentäter hineinversetzen zu können, um zu verstehen, was diesen Menschen zu einem Kriminellen bzw. zu einem Attentäter gemacht hat.

Dankeschön
Ich danke der Autorin Stefanie vor Schulte für diese so wunderbare Lektüre und für das Interview und wünsche ihr von Herzen den Buchpreis für das beste Romandebüt. Die Daumen sind hierbei ganz feste gedrückt.

Ich danke dem Diogenes-Verlag für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar und für die Einladung zur tollen Online-Talk-Runde, die ich als sehr aufschlussreich erleben durfte. Gerne hätte ich mehr darüber geschrieben, aber jetzt ist bei mir die Luft raus. Doch die Talk-Runde hat mir geholfen, eigene Worte für diese Besprechung zu finden. Es war gut, damit gewartet-  und nicht gleich nach dem Lesen mit dem Schreiben losgelegt zu haben.  

Ich danke Anne-Marit Strandborg für das tolle Gespräch. 


Hierbei kann ich folgende Bücher empfehlen:
Im Grunde gut, von Rutger Bregmann (Mein Fazit hierzu: Nicht nur im höheren Westen unserer Weltkarte leben gute Menschen ...).
Ian McEwan: Die Kakerlake (Mein Fazit hierzu: Nicht nur im unteren Westen und anderswo unserer Weltkarte laborieren manipulative und korrupte Politiker ...).

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Gelesene Bücher 2021: 08
Gelesene Bücher 2020: 24
Gelesene Bücher 2019: 29
Gelesene Bücher 2018: 60
Gelesene Bücher 2017: 60
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86

Auditive Bücher: Sten Nadolny /Weitlings Sommerfrische
Aljoscha Long u. a. / Mit dem Herzen siehst du mehr
Leo Tolstoi: Wo Liebe ist, da ist auch Gott
Marcel Proust: Der geimnisvolle Briefeschreiber
Amélie Nothomb: Klopf an dein Herz
Marcel Proust: In Swanns Welt

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Partnerschaft zwischen
Wissenschaft und Intuition!

Lesen mit Herz und Verstand!
Um die Welt, Menschen und Tiere
besser zu verstehen.

Mitgefühl für alle Mitseelen / Mitgeschöpfe
Deine Probleme könnten meine Probleme sein,
und meine Probleme könnten Deine Probleme sein.
Mein Schmerz, Dein Schmerz
Dein Schmerz, mein Schmerz.
Wir sind alle fühlende Wesen.
(Den Tieren eine Stimme geben)


Freitag, 20. August 2021

Stefanie vor Schulte / Junge mit schwarzem Hahn

Hinweis

Dies ist nur eine Buchvorstellung, und keine 
Besprechung. Das Buch erscheint erst am 25. August im Handel, und darf vorher noch nicht rezensiert werden. Deshalb stelle ich es hier nur vor. Ich möchte es über das Wochenende gerne lesen, weil ich mich auf die Diogenes – Talk – Zoom – Runde vorbereiten möchte, auf die ich mich wahnsinnig freue.


Klappentext  

Der elfjährige Martin besitzt nichts bis auf das Hemd auf dem Leib und seinen schwarzen Hahn, Behüter und Freund zugleich. Die Dorfbewohner meiden den Jungen, der zu ungewöhnlich ist. Viel zu klug und liebenswürdig. Sie behandeln ihn lieber schlecht, als seine Begabungen anzuerkennen. Als Martin die Chance ergreift und mit dem Maler zieht, führt dieser ihn in eine schauerliche Welt, in der er dank seines Mitgefühls und Verstandes widerstehen kann und zum Retter wird für jene, die noch unschuldiger sind als er.

Ohne Fürsorge und Liebe wächst der 11-jährige Martin am Rande eines Dorfs auf. Er hat nur seinen schwarzen Hahn und wird gemieden von den Dörflern, die das Tier für den Teufel halten. Doch nutzen sie den Jungen aus, wann immer sich die Möglichkeit bietet. Martin jedoch verfügt über ein reines Herz und einen wachen Verstand, der ihn Verbrechen erkennen lässt. Als er mit ansehen muss, wie ein schwarzer Reiter, der der Legende nach jedes Jahr Kinder entführt, ein Mädchen raubt, steht für ihn fest, dass er die verschwundenen Kinder finden und dem Spuk ein Ende setzen muss. Mit dem Maler verlässt Martin sein Dorf und bricht auf zu einer Odyssee, auf der er nicht nur menschlichen Abgründen nachspürt, sondern auch seinen Fähigkeiten. 

Autor*inporträt

Stefanie vor Schulte, 1974 in Hannover geboren, ist studierte Bühnen- und Kostümbildnerin. Sie lebt mit ihrem Mann und vier Kindern in Marburg. ›Junge mit schwarzem Hahn‹ ist ihr erster Roman.

Buchdaten

·            Herausgeber ‏ : ‎ Diogenes; 1. Edition (25. August 2021)

·            Sprache ‏ : ‎ Deutsch

·            Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 224 Seiten

·            ISBN-10 ‏ : ‎ 3257071663

Hier geht es zur Verlagsseite von Diogenes.

Hier geht es zu meiner Buchbesprechung.

 

Donnerstag, 12. August 2021

Mohandas K. Gandhi / Mein Leben oder die Geschichte meiner Experimente mit der Wahrheit (1)


Wahrheit ist wie ein riesiger Baum, der, je besser man ihn hegt, 

umso mehr Früchte trägt er. 

Und immer mehr und immer mehr, 

bis ins Unendliche.

 Je tiefer man im Stollen der Wahrheit schlürft, 

desto mehr Möglichkeiten zu dienen finden sich.

 (M. Gandhi, 221)

Was für eine interessante Autobiografie. Mir war bewusst, dass Gandhi eine Größe von Mensch war, aber jetzt, nach diesem Werk, ist er für mich mehr als das. Schon während des Lesens dachte ich einen Heiligen vor mir zu haben, und war positiv überrascht, als ich das Endkapitel erreicht habe, ein sog. Schlusswort des Herausgebers Ilija Trojanow: Ein Mensch ist größer als ein Heiliger. Genauso habe auch ich ihn wahrgenommen. Jesus hat die Füße von seinen Jüngern gewaschen, Gandhi dagegen ist in die Häuser und hat die Füße von Kranken gewaschen, um bei diesem Gleichnis zu bleiben …  Jesus hat missioniert, Gandhi hat vorgelebt.

Es ist ein sehr tiefgreifender, narrativer Lebensbericht, der ganz sicher noch lange nachwirken wird. Er liest sich fast wie ein nicht enden wollendes Memorandum. Des Weiteren habe ich das Buch zusätzlich als ein großes Weisheitsbuch erlebt. 

Da dieser erfahrene Selbstbericht sehr umfangreich ist, habe ich mir überlegt, nur auf ein paar Punkte einzugehen, die für mich besonders wichtig waren, und habe sie wie sonst auch mit Zitaten belegt. Gerne wäre ich auf viele andere Aspekte eingegangen, wie z. B. den Rassismus und damit verknüpft auf ein paar politische Ereignisse. Da ich sie allerdings als bekannt voraussetze, erspare ich sie mir wegen der Überfrachtung an Themen und verweise stattdessen auf das Buch. Da mir die Tiere so sehr am Herzen liegen, habe ich ihnen hier durch Gandhis vorbildhaftes Leben einen großen Raum schenken wollen, vor allem auch weil gestern wieder jede Menge traurige Tierschicksale mir zu Ohren gedrungen sind.

Leider konnte ich nicht alle wunderbaren Zitate hier im Text  einbauen und habe beschlossen, die wichtigsten noch nachträglich in die Kommentare zu setzen, siehe hier, damit sie nicht völlig versanden.

Hier geht es zum Klappentext, zum Autorenporträt, zu den ersten Leseeindrücken und zu den Buchdaten. 

Zum Inhalt
Gandhi berichtet recht unbefangen und authentisch über sein Leben. Allerdings mit dem Hintergrund, Vorbild für andere Menschen sein zu wollen, sich z. B. mit der sog. Wahrheit und mit den eigenen Schwächen zu befassen, jedoch ohne Überheblichkeit und so ganz ohne die Fasson eines Lehrmeisters. 

Ich hoffe und bete, dass niemand die in den folgenden Kapiteln eingefügten Ratschläge als verbindlich ansieht. Die aufgeführten Experimente sollen als Beispiele dienen, vor deren Hintergrund jeder seine eigenen Experimente durchführen kann, je nach Neigung und Belastbarkeit. Für diesen Zweck sind die autobiografischen Beispiele hoffentlich nützlich, denn ich werde nichts Erwähnenswertes verschweigen oder herunterspielen. Der Leser soll von all meinen Fehlern und Irrtümern erfahren. Ich habe die Absicht, Experimente im Licht von Satyagraha (Übers. das Festhalten an der Wahrheit, Anm. d. Verf.) zu beschreiben. Es geht nicht darum, dass ich gut dastehe. Ich versuche, mich selbst so unerbittlich zu beurteilen wie die Wahrheit - etwas, was ich mir von anderen auch wünsche. (16)

Mein Leben ist meine Botschaft. (M. Gandhi)

Schon sehr früh begriff er sich als Wahrheitssuchender und setzte sich gewissenhaft damit auseinander, wobei ich mich beim Lesen häufig fragen musste, was Gandhi unter Wahrheit versteht? Subjektive, triviale, objektive, göttliche Wahrheit? Davon gibt es noch reichlich weitere Instanzen mehr ... Aber wenn man Gandhi gelesen hat, dann heben sich alle diese Instanzen auf, denn er selbst suchte die Wahrheit in seinem eigenen Inneren, so wie er in seinem Inneren Gott gesucht hat. Wahrheit war verbunden mit Gewissen. Er selbst bezeichnete sich als ein Diener der Wahrheit, als er sie schließlich in sich gefunden hatte

Kapitelweise und in kurzen Kolonnen erfährt man über die Herkunft der Eltern, über seine eigene Kindheit, zu der auch die Kinderehe zählt. Gandhi wurde im Alter von zwölf Jahren mit dem gleichaltrigen Mädchen namens Kasturba verehelicht. Ein recht spannendes Kapitel, und ohne verurteilen zu wollen, dennoch schwer zu begreifen, wie man sich als Bürger*in einer westlichen Welt eine Ehe unter zwei Minderjährigen sich vorzustellen hatte.

Man liest über sein Jurastudium in England und über seine spätere Berufspraxis als Anwalt in Südafrika. 

Wie ich in den Kommentaren schon geschrieben habe, hat Gandhi massiven Rassismus erleben müssen. Selbst in Südafrika, wo eigentlich die Weißen hätten Fremde sein sollen, waren sie die Herren. Hier wurden alle Farbigen von den Menschenrechten ausgeschlossen.

In den späteren Kapiteln liest man, wie Gandhi es geschafft hat, sein eigenes Land, das von den Engländern fremdbesetzt wurde, mit dem zivilen Ungehorsam in die Freiheit zu führen.

Was hat mir neben seinem politischen Leben besonders an dieser Biographie imponiert?
Davon habe ich mir fünf Punkte angelehnt an Zitaten herausgearbeitet.

1) Kritische Auseinandersetzung mit den Geschlechterrollen
Durch die Kinderehe hatte Gandhi sich schon recht früh mit den Geschlechterrollen befasst. Frauen hatten zu dienen, Männer zu regieren. Frauen erhielten keine Schulbildung .... Gandhi sah darin ein Problem, denn er wollte eigentlich eine kluge und gebildete Frau an seiner Seite haben. In den späteren Jahren hatte er sogar versucht, selbst seine Frau zu bilden, sie zu alphabetisieren. Kasturba aber, die gut ihren Auftrag als eine gehorsame Ehefrau verstand, weigerte sich, denn sie hatte mit ihrer traditionellen Frauenrolle keine Probleme. Sie war glücklich in ihrer schlichten Art und stellte wenige Ansprüche. Dies war ihre Form, sich der Ehe demutsvoll hinzugeben. Dies war ihre Vorstellung von Glück. 

Man sollte jetzt allerdings nicht denken, dass wir ständig erbittert stritten, denn meine Strenge beruhte ja auf Liebe. Ich wollte aus meiner Frau die ideale Ehefrau machen. Sie sollte ein reines Leben führen, lernen, was ich lernte. Mein Wunsch war, dass wir ganz miteinander verschmolzen. 

Ob Kasturba diesen Wunsch ebenfalls hatte, weiß ich nicht. Sie war Analphabetin, von Natur aus schlicht, eigenständig, behaglich und, zumindest mir gegenüber, zurückhaltend. Ihre Unwissenheit störte sie nicht, und ich kann mich nicht entsinnen, dass mein Lernen Sie jemals zu einem ähnlichen Abenteuer angespornt hätte. Vermutlich stand ich mit meinem Wunsch alleine da. Meine Leidenschaft konzentriert sich ganz auf diese eine Frau, und ich wollte Erwiderung. Doch auch ohne Gegenseitigkeit war nicht alles ein einziges Elend, denn zumindest eine Seite liebte. (29)

2) Kritische Auseinandersetzung mit sich selbst, dem Menschenbild und der Wahrheit

In meinem Leben bin ich verschiedentlich in engen Kontakt mit Menschen gekommen, die unterschiedlichen Glaubensrichtungen und Gemeinschaften angehören, und nach meinen vielen Erfahrungen mit ihnen darf ich behaupten, dass ich zwischen Verwandten und Fremden, Landsleuten und Ausländern, Weißen und Farbigen, Hindus, Muslimen, Parson, Christen und Juden nie einen Unterschied gemacht habe. Mein Herz ist zu solchen Unterscheidungen unfähig, etwas, was ich nicht als Tugend reklamieren kann, da es meine Natur ist und nicht durch Bemühungen errungen wurde - im Gegensatz zur Gewaltlosigkeit, Enthaltsamkeit, Besitzlosigkeit und anderen Kardinaltugenden, um deren Umsetzung ich ständig kämpfen muss. (272) 

Gandhi spricht mir auch zu dieser Thematik so sehr aus der Seele. 

Gandhis Wahrheitsbegriff und wie er ihn lebt

Gewaltlosigkeit bildet die Grundlage für die Suche nach der Wahrheit. Tagtäglich stelle ich fest, dass die Suche vergeblich ist, wenn sie nicht auf Gewaltlosigkeit basiert. Es ist völlig in Ordnung, gegen ein System Widerstand zu leisten, es anzugreifen, aber gegen dessen Urheber Widerstand zu leisten, ihn anzugreifen, kommt dem Widerstand und dem Angriff auf die eigene Person gleich. Keiner von uns ist besser als der andere, wir sind alle Kinder desselben (Ursprungs, Anm. d. Verf.), und als solche besitzen wir unendliche göttliche Kräfte. Einen einzigen Menschen gering zu schätzen bedeutet, diese göttlichen Kräfte gering zu schätzen und damit nicht nur diesen Menschen, sondern der ganzen Welt zu schaden.

Der Mensch und seine Handlungen sind zwei unterschiedliche Dinge. Während eine gute Tat mit Lob und eine schlechte mit Tadel bedacht werden sollte, verdient der Handelnde, ob er nun ein guter oder schlechter Mensch ist, Respekt oder Mitleid, je nachdem. Dieser Grundsatz, so leicht er zu verstehen ist, wird nur selten umgesetzt, darum breitet sich das Gift des Hasses in der Welt aus. (271f)

3) Kritische Auseinandersetzung mit den Weltreligionen, hier am Beispiel der christlichen Tradition
Häufig wurde Gandhi von den Engländern bekehrt, missioniert und belehrt. Immerzu wurde er aufgefordert, Fleisch zu essen, weil dies zur europäischen und zur christlichen Tradition zählen würde. Als er als junger Mensch zum Studieren nach England reiste, musste er sich sogar mehrmals anhören, dass er kein richtiger Mann werden würde, wenn er weiter Fleisch ablehnen werde … 

Gandhi hinterfragte hierzu auch die christliche Religion und konnte nicht verstehen, weshalb Tiere an Festtagen für Opfergaben getötet werden mussten? Er betrachte nicht nur die Menschen, sondern auch die Tiere als seine Schwestern. 

Für mich ist das Leben eines Lamms nicht weniger wertvoll als das eines Menschen. Ich würde ein Lamm nicht dem leiblichen Bedürfnis eines Menschen opfern wollen. Je hilfloser ein Geschöpf, desto mehr Anspruch hat es darauf, durch den Menschen vor der Grausamkeit des Menschen geschützt zu werden. (236) 

4) Kritische Auseinandersetzung mit der Ernährungs- und Lebensweise / Gewaltfreie Ernährung
Gandhi lehnte alle Formen von tierischen Lebensmitteln ab und lebte tatsächlich vegan. In den Büchern steht überall, dass er Vegetarier war. Nein, das muss richtiggestellt werden. Er lebte vegan. Er achtete die Tiere dermaßen, dass er nicht einmal Milch, Käse und Eier sich einverleiben wollte. Wegen der schlechten konventionellen Haltung hatte er ein lebenslanges Gelübde abgelegt.

Gandhi durchlebte dadurch ganz konsequent eine gewaltlose Ernährung, die allerdings auch seiner eigenen Gesundheit dienlich wurde.

Er erkrankte im Laufe seines Lebens mehrfach schwer. Europäische Ärzte empfahlen ihm immer wieder zu einer Fleischkur, um wieder zu Kräften zu kommen. Er blieb hart und wenn es sein Leben gekostet hätte. Keine Tiersubstanzen sollten seinen inneren Körper passieren. Er heilte sich selbst mit veganen Lebensmitteln und mit Wasserkuren.

Ob richtig oder falsch, es gehört zu meiner religiösen Überzeugung, dass der Mensch Fleisch, Eier und dergleichen nicht essen darf. Selbst wenn es um die Erhaltung des Lebens geht, sollte es Grenzen geben. Gewisse Dinge sollten wir selbst dann nicht tun, wenn es um unser Leben geht. Religion, wie ich sie begreife, verbietet mir und meiner Familie selbst in solchen Krisen, Fleisch und dergleichen zu essen. (246)

Gandhi lebte konsequent. Auch die Allopathie lehnte er ab. Selbst seinen achtjährigen Sohn namens Manilal, der mit einer schweren Infektion sterbenskrank im Bett lag, konnte er mit einfachen Mitteln wie der Wasserheilkunde und einem besonderen fleischlosen Diätplan gesund kurieren.

Heute ist keiner meiner Söhne so gesund wie Manilal. Wer kann sagen, ob sich seine Genesung Gottes Gnade, der Wasserheilkunde oder dem besonderen Diätplan und der aufmerksamen Pflege verdankt? (248)

Gandhi hat immer sehr gesund gelebt und damit auch sein Immunsystem gestärkt. Er hatte sogar Pestkranke gepflegt, ohne sich selbst angesteckt zu haben. 

5) Kritische Auseinandersetzung mit der Haltung von sog. Nutztieren
Indien als das Land, in dem die Kühe heiliggesprochen werden? Mag vielleicht von der Religion her als Anspruch dienen, aber in der Realität wurden die Tiere dennoch schwer misshandelt, wogegen sich Gandhi eingesetzt hatte. Durch den Missbrauch an den Tieren lehnte er alle Milchprodukte ab. 

Zum Schutz der Kuh gehört in meinen Augen Zuchtprogramme, Verbesserung des Bestands, wenig Schläge für die Ochsen, Entwicklung von Muster Molkereien usw. Die Marwadi-Freunde hatten ihre volle Unterstützung zugesichert, aber weil ich mich nicht in Champaran niederlassen konnte, wurde nichts aus dem Projekt. (...) Der Ochse in Champaran muss immer noch bis zur völligen Erschöpfung arbeiten, und der sogenannte Hindu prügelt das arme Tier immer noch grausam und bringt Schande über seine Religion. (403) 

Dies waren ein paar für mich wichtigste Punkte. 

Cover und Buchtitel 
Cover und Buchtitel sind selbsterklärend und wunderbar ansprechend.

Zum Schreibkonzept
Thematisch ist das Buch sehr gut gegliedert. Es beginnt mit einem Vorwort und endet mit eins dafür vorgesehenem Kapitel Abschied. 

Das Buch besteht aus fünf Teilen mit insgesamt 168 Kapiteln.
Ganz zum Schluss findet man einen Anhang und ein Glossar, in dem die vielen fremden Begriffe übersetzt sind.
Der Schreibstil liest sich flüssig.

Meine Meinung
Sich mental neben Gandhi zu stellen kommt man sich als Mensch recht mickrig vor. Muss man aber nicht, denn auch Gandhi hatte neben seinen hohen moralischen Ansprüchen Ecken und Kanten und verweise hierzu auf das Buch, damit sie jeder selbst entdecken darf.

Mein Fazit?
Es gab doch einiges, was ich von Gandhi nicht wusste, und sich mir vieles durch diese thematisch doch recht umfangreiche Lektüre neu ergänzt und gefügt hat. Ich frage mich nun nach dem Lesen dieser Lektüre ein weiteres Mal:

Wer war Mohandas K. Gandhi?
Die Antwort kurz zusammengefasst:

Gandhi war nicht nur Anwalt, Ehemann und Vater von vier Kindern. Er war auch Pazifist, passiver Widerstandskämpfer, Veganer, Freidenker in politischer und religiöser Hinsicht, Tierschützer, Asket, Universalist, selbstkritischer- und selbstreflektierender Moralist; er war Weltmensch, Suchender, er war Samariter, und ein Naturalist im Gesundheitswesen. 

Eine Hommage an die Menschweit weltweit.

Wie ist das Buch zu mir gekommen?
Durch die Anfrage beim Verlag, da mich die erste gelesene Gandhi-Biografie, siehe hier, zum Weiterforschen angeregt hatte. 

Vielen herzlichen Dank an den C. H. Beck-Verlag für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar und ich entschuldige nochmals die Verspätung meiner hinterlegten Rezension.

Meine Bewertung

Autobiografie

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck und Verständlichkeit
2 Punkte: Sehr gute Umsetzung der Thematik.
2 Punkte: Sehr gute aufklärerische und kritische Verarbeitung
2 Punkte: Logischer Aufbau, Struktur und Gliederung vorhanden.
2 Punkte: Anregung zur Vertiefung, zum weiteren Erforschen und zur Erkundung
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein

12 von 12 Punkten

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Gelesene Bücher 2021: 07
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Gelesene Bücher 2012: 94
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Auditive Bücher: Sten Nadolny /Weitlings Sommerfrische
Aljoscha Long u. a. / Mit dem Herzen siehst du mehr
Leo Tolstoi: Wo Liebe ist, da ist auch Gott
Marcel Proust: Der geimnisvolle Briefeschreiber
Amélie Nothomb: Klopf an dein Herz
Marcel Proust: In Swanns Welt

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Partnerschaft zwischen
Wissenschaft und Intuition!

Lesen mit Herz und Verstand!
Um die Welt, Menschen und Tiere
besser zu verstehen.

Mitgefühl für alle Mitseelen / Mitgeschöpfe
Deine Probleme könnten meine Probleme sein,
und meine Probleme könnten Deine Probleme sein.
Mein Schmerz, Dein Schmerz
Dein Schmerz, mein Schmerz.
Wir sind alle fühlende Wesen.
(Den Tieren eine Stimme geben)



Sonntag, 1. August 2021

Antworten-Antworten-Antworten auf E-Mail Zuschriften

Bildquelle: Pixabay

Endlich Urlaub, ab Montag, den 02.08.21 bis einschließlich Freitag, den 13.08.21. Ich freue mich so sehr darauf, dass ich mir vorgenommen habe, somit das Wochenende zu nutzen, um auf Beiträgen zu antworten, bevor der Urlaub mit Gandhi beginnen kann ... 

Hallo, ihr Lieben,
guten Abend. Ich möchte mich ganz herzlich für die vielen Zuschriften via E-Mail bei euch bedanken. Ich scheine wohl mit meinem letzten Posting, siehe hier, eine Lawine losgetreten zu haben, die mein Postfach zum Füllen gebracht hat. Ich habe mich sehr darüber gefreut. Spannend euch zu lesen. In den Mails waren viele Fragen, auf die ich nicht alle eingehen kann. Ich möchte später im ersten Part mal ein paar Statements zusammenfassen, die sich wiederholt haben und im zweiten Part fünf konkrete Fragen aufgreifen, die sich ebenso wiederholt haben, ich aber dennoch eine Auswahl treffen musste, da ich nicht alle Fragen hier auf meinem Blog beantworten möchte. Aus dem einfachen Grund, weil sie mir zu persönlich sind, ich aber verstehe, wenn euch diese Fragen an mich sehr bewegen. Aufgrund der Datenschutzbestimmung gebe ich die Fragen nur im Telegrammstil und anonym wieder. 

Viele Zuschriften und Fragen zu Tierthemen waren ebenfalls dabei. Famous; dies zeigt, dass ich mit diesem Themengebiet auf großes Interesse stoße und damit nicht nur für mich weiter machen werde. 

Eine Bitte habe ich: Versucht doch bitte in die Kommentare zu schreiben, dann haben auch andere etwas davon und ich spare mir Arbeit, diese Mails zu komprimieren. Ihr könnt anonym schreiben, wenn ihr Probleme habt, euren Namen zu nennen. Auch Kritiken sind erwünscht, aber bitte höflich. 

Ihr benötigt auch keine Homepage, keine Website, um Kommentare zu posten. Viele besitzen tatsächlich keine Website und sind auch aus diesem Grunde zurückhaltend, wie ich mir habe schreiben lassen.

Bestimmte Themen dürfen auch persönlich sein, weil wir Menschen sind /

Objektivität nicht um jeden Preis
Es geht hier um Literatur und um bestimmte Tierthemen und nicht um unser tiefstes privates Liebes- oder Familiengeheimnis, das öffentlich ausgeschüttet werden soll. Wenn ich sehe, welch ein Furore z. B. auf FB über intime private Fotos u. a. gemacht wird, grenzt das m. E. nach schon an Voyeurismus, während bei wichtigen Themen Zurückhaltung gepflegt wird, so wundere ich mich häufig, wo hier die Schamgrenze zwischen wirklicher Peinlichkeit und Seriosität gezogen wird? Habt also Mut. Ich bin der Meinung, dass man mit jedem einzelnen tollen, tiefsinnigen Gedanken, den man in die Welt hinausträgt, damit à la Charles Dickens den Planeten ein klitzeklein wenig nicht nur besser, sondern auch wärmer machen kann. Und ihr tragt dazu bei, die Welt draußen im Austausch mitzugestalten. Deshalb kommt raus aus Eurer Komfortzone und traut euch.

Mich haben eure Beiträge viele Tage beschäftigt und habe lange gebraucht, sie zu verarbeiten, weil auch fast täglich neue reinkamen und ich viel in mich gegangen bin und mich gefragt habe, wie ich damit umgehen soll, weil ich sie nicht unbeantwortet lassen möchte. 

Es befanden sich aber auch viele skurrile E-Mails darunter, die mich schmunzeln ließen und andere haben mich dagegen verwundert, und ich mich fragen musste, wie ist z. B. dieser Mensch nur auf meinen Blog gestoßen, weil er so gar nichts mit Literatur, geschweige denn mit Tieren zu tun haben muss???? Aber dazu später mehr an einem Beispiel. 

Beginnen wir mit Part I

Zusammengefasste Eindrücke

Enthusiasmus und beseelte Buchbesprechungen
Zu den allgemeinen Statements hat mich am meisten gefreut zu lesen, dass in meinen Texten die Liebe zu den Tieren und zu den Büchern hindurchdringen würde und ich damit viele in der Leselust angesteckt hätte. Eine schrieb, dass man an meinen Texten den Enthusiasmus herauslesen könne, eine andere schrieb von beseelten Buchbesprechungen. 

Welch eine Freude für mich, dies zu lesen. Dies ist ein wunderbares Feedback, ganz herzlichen Dank dafür. Das macht Mut weiterzumachen trotz der derzeitigen prekären Zeitsituation. 

Ich bin außerdem kein Mensch, der in Schablonen denkt und schreibt.  Hierbei zitiere ich meine Bücherfreundin 

 Anne-Marit: 

Das ist dann wie eine Vorlage, in der der Haupttext identisch ist und nur die Namen der Protagonist*innen und die Schauplätze angepasst werden. Das Menschliche verflacht immer mehr. 

Weder Rezensionen noch Bewertungen möchte ich schablonieren, und wenn doch, dann kreiere ich vor allem für die Buchbewertungen mein eigenes Raster, weil ich besondere Kriterien für wichtig erachte, auf die sonst zu wenig geschaut wird. Ich gucke eben durch eine andere Brille, da ich die verschiedenen Lebenswelten innerlich sehr intensiv wahrnehme. 

Gute Buchempfehlungen
Andere haben geschrieben, dass sie auf meinem Blog viele wunderbare Bücher gefunden hätten, sogar Buchgeschenke für Freund*innen oder Familienmitglieder und fanden es schade, dass der Blog plötzlich so still wurde. 

Autor*innen als Multiplikator*innen und als unsere Transferpartner*innen
Wenn ich Feedbacks dieser Art lese, dann betrachte ich die Autor*innen als unsere o. g.  Partner*innen und so schwelge ich vor mich hin, denn der Dank gilt eigentlich nicht mir, sondern ihnen, dass ich geistige Ideen, die die Autor*innen mit ihren Büchern an mich weitertragen- und wiederum ich sie mithilfe meines Blogs in euch weitergeben konnte, ohne es gewusst oder geahnt zu haben, erfüllt mich mit ganz viel Freude und Liebe, denn es sind die Autor*innen, die helfen, dass neue Gedanken und neue Ideen in uns entstehen. Sie helfen uns, über den eigenen Tellerrand zu schauen. Sie sind es eigentlich, denen Dank gebührt, denn sie machen unseren Kopf und unsere Seele schwanger mit ihrer elektronischen Feder und mit ihren Worten. Sie verhelfen uns zu einem neuen gedanklichen und seelischen Outfit, wenn man nur offen dafür ist. Dankeschön an euch und an die tollen Schreiberlinge von Schriftsteller*innen. 

Part II

5 Zusammengefasste Fragen

Frage 1

Warum sind Sie aus FB ausgetreten? Dort gibt es jede Menge Leserunden. Von Langeweile keine Spur.
Das stimmt. Aber die Leserunden haben mich angestrengt. Es waren zu viele Teilnehmer*innen. Und viele waren nicht mal berufstätig. Wenn man den ganzen Tag arbeitet, man dazu noch zehn Stunden außer Haus ist, und man sich abends an den Bildschirm setzt und sieht, wie viele Runden in der Zwischenzeit schon diskutiert wurden, dann ist man einfach zu müde für eine Leserunde in dieser Form, um sich auf das Tempo der anderen einzustimmen. Nicht zu müde, um über ein Buch zu sprechen, aber zu müde, noch zusätzlich die vielen Kommentare der Mitdiskutant*innen zu lesen, zu verdauen und darauf noch schriftlich zu antworten. Und wenn man das nicht gemacht hat und man einen Gedanken eines anderen, ohne es zu wissen, wiederholt hat, tja, dann kam häufig der große Zeigefinger á la, das wurde doch schon gesagt, siehe hier und siehe da ...  Irgendwann hatte ich keine Lust mehr auf Instruktionen dieser Art, sodass ich dann immer passiver wurde und schließlich mit letzter Konsequenz ausgetreten bin. Zu viele Eindrücke, für die ich nicht genügend Zeit hatte, sie tatsächlich innerlich zu verarbeiten. Zu viele Kommentare lesen, zu viele Kommentare beantworten, wann sollte dann noch die Zeit bleiben, das Buch selbst zu lesen? Dies grenzt dann schon an einem geistigen Burnout, wenn man nicht mehr aufnahmefähig ist, und trotzdem weitermacht, ohne einen Sinn mehr darin zu sehen. Es waren außerdem nicht die Leserunden, die mich gelangweilt haben, sondern das gesamte profane FB-Setting. 

Ich habe versucht, zusammen mit Anne auf FB im Kleinen über Literatur zu diskutieren, und hier wurde es dann aber still, weil wir uns nicht in den Foren eingebracht haben. Nur noch oberflächliches Gefasel außerhalb dieser. 

Was habe ich doch häufig das Proust-Establishment bewundert? Damalige Menschen, die sich schon in den Matineen getroffen haben, um sich angeblich literarisch auszutauschen, weil sie so vermögend waren und dadurch keiner Erwerbstätigkeit nachgehen mussten, waren zu beneiden. Sie verfügten über Zeit, über sehr viel Zeit und haben aber trotzdem das meiste davon snobistisch und elitär in Tratsch und Klatsch verschwendet, daher der Titel Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Das hat Proust ziemlich gut erkannt. Viele von ihnen besaßen über Generationen hinaus eine große Privatbibliothek, wobei einige davon nicht mal in die Bücher geschaut haben, um dies mal ganz plastisch und salopp auszudrücken. 

Nein, in den Leserunden haben wir alle in die Bücher geschaut und sie auch alle gelesen, nur war das Zeitkontingent unterschiedlich bei uns ausgestattet. Sonst sind Leserunden tatsächlich eine wirklich prima und spannende Sache. 

Leserunden nach einem anspruchsvollen und gefüllten Berufsalltag
Ich arbeite den ganzen Tag mit Menschen; Kommunikation, Beratung, Krisengespräche, Telefonate, Klientenbeschäftigung, Administration, Teamsitzungen ...  somit ist mein Bedarf nach Kommunikation in jeglicher Form abends häufig noch zusätzlich erschöpft und gesättigt. Man will nicht mehr so viel reden und nur noch für sich sein, um zu reflektieren und nachzudenken. Um in Ruhe zu lesen. Mir macht mein Beruf Freude, das soll nicht frustriert klingen, denn mit den Menschen zu arbeiten ist wundervoll.

Leserunden in kleiner Form
Hier habe ich mich wohl gefühlt, aber nicht im Netz, sondern im Austausch mit lebenden und sehr sympathischen Literatinnen, die ich allerdings aus diversen Foren kennengelernt habe, mit denen sich auch eine Freundschaft gebildet hat. Da wir alle beruflich sehr eingespannt waren und uns auch mehrere Kilometer trennten, konnten diese Besuche nicht soooo häufig getätigt werden. Ein paar Mal im Jahr, aber sie waren immer schön und ausgiebig. Ich habe sie ein wenig als proustisch erlebt, weil uns die Buchthemen nie ausgegangen sind. Solche Gespräche lassen sich nicht mit jedem Menschen führen. Menschlich und intellektuell, bis schließlich der Sars-Virus ausgebrochen ist, und die Treffs explosionsartig weggefallen sind. Auch hier wieder ein deutlicher Umbruch, der bis in die Literatur- und andere Kulturszenen Kreise gezogen hat. 

In einem einzigen Forum, das sich Yourbook.shop nennt, gibt es mich nur noch in passiver Form, habe aber schon die Intention, dort zurückzukehren, wenn mein knappes Zeitlimit sich wieder zurückbilden sollte. Ich kann dieses Forum sehr empfehlen. 

Frage 2

Ist das für einen Bücherfreak wie Sie so einfach, von den Büchern abzulassen?
Ja, das klingt so, als wäre das so einfach. Aber das ist es überhaupt nicht. Mir blutet schon das Herz, wenn ich auf meinen SuB (Stapel ungelesener Bücher) schaue, oder wenn Anne über ihre Bücher spricht, empfinde ich eine große Wehmut. Aber es gibt Menschen, die Mut machen und sagen, dass das alles wieder kommen könne. Menschen, die selbst solch eine Phase mehrmals sogar im Laufe ihres Lebens durchgemacht haben, konnten sich sehr gut in meine Haut hineinversetzen. Ich bin gezwungen, den Fokus nun an anderen Stellen zu verschieben. Es sind z. B. auch meine Tiere, die mich dazu bewegen und mich mehr als zuvor brauchen. Ich habe hier zwei fellige Sorgenkinder zu versorgen, die meine ganze Hinwendung benötigen. Man kann das nicht beschreiben, wie diese Hinwendung gefüllt ist, aber auf jeden Fall ist das mehr als nur Futter hinstellen, kurz mal über das Fell gestreichelt und sie mal beim Namen zu rufen. Es ist eine seelische Hingabe, die Zeit fordert. Man muss lernen loszulassen, weil es wie von selbst zu einer Prioritätenverschiebung hinzielt. Und je mehr man sich dagegenstemmt, desto schwerer wird es. Also musste ich lernen und lerne noch anzunehmen und die neue Situation zu akzeptieren, um mich für andere Themen, die derzeit aktuell sind, mehr zu öffnen. 

Frage 3

Der Beitrag zum Umgang mit den eigenen Erfahrungen mit Tierkommunikation, gelöscht?
Ich hätte nicht gedacht, dass dieser Beitrag vermisst wird. Nein, ich habe ihn nicht gelöscht, ich halte ihn vorerst halb geschlossen, weil ich erst meine Katzen befragen möchte, ob das ok für sie ist, wenn ich öffentlich über sie schreibe. Ich bin noch nicht dazu gekommen. 

Frage 4

Die Bitte, mehr über eigene Tierbeiträge zu schreiben
Über die Erfahrungen mit Tieren meines Umfeldes schreibe ich nicht gerne ins Blaue hinein. Nur punktuell und hauptsächlich angelehnt an Literatur, wie ich dies hier schon öfters praktiziert habe. 

Frage 5

Tierkommunikation professionell vertiefen?
Vor mehreren Jahren hegte ich tatsächlich mal diesen Wunsch, mich zu einer Tierkommunikatorin ausbilden zu lassen, wovon ich dann aber wieder völlig desillusioniert abgekommen bin, da ich in der weiten Vergangenheit zu viele nicht nachahmenswerte Vorbilder erfahren hatte und ich nicht dachte, dass ich nach einer möglichen Ausbildung die Praxis besser als sie umsetzen könnte. Diese enttäuschenden Erlebnisse wollte ich, ohne die Namen der sog. Profis zu nennen, schriftlich verarbeiten und andere Suchende davor schützen, nicht in die selbe Falle zu treten. Ich selbst traue es mir durch diese negativbesetzten Erlebnisse ehrlich gesagt nicht mehr wirklich zu, obwohl ich gegenwärtig tolle Erfahrungen hierzu und aber auch durch den Lehrgang habe erzielen können. Es existieren aber auch jede Menge Erfahrungen damit aus mehreren Jahren durch Eigenexperimente anhand von Büchern, die ich in meinem Schreibprojekt festgehalten habe. Vielleicht lerne ich wieder diesem Medium mit frischen Erfahrungen und mit neuen Kenntnissen zu vertrauen. Mir ist vieles nicht unbekannt und so bringe ich selbst fundiertes theoretisches Wissen mit. Die theoretischen Kenntnisse sind allerdings niemals ausgeschöpft und so bleibe ich weiterhin wissensdurstig und vor allem auch auf praktischem Gebiet. Die Praxis ist viel komplizierter als die Theorie, wo hier noch manche Übung und vor allem auch Austausch vonnöten ist und man hierfür aber immer Zeit und Ruhe benötigt.

Eigentlich habe ich schon recht früh begonnen, mit Tieren zu kommunizieren, nur war mir dies in meiner Jugend nicht bewusst. 

Ein Beispiel zur Anschauung und zum Mutmachen ...

... über eine Katze aus der damaligen Zeit. Als Kind habe ich mal in den Schulferien eine Woche bei meiner Verwandtschaft in Mannheim zugebracht, die eine siamesische Katze besaß. Während sie tagsüber bei der Arbeit war, verbrachte ich, 12 Jahre alt, alleine die Zeit mit dieser Katze, die total intelligent war. Ich habe mit ihr Verstecken gespielt und sie hat tatsächlich mitgemacht. Mehrere Runden und sie hat mich immer und überall gefunden. Eine Woche lang dasselbe Spiel. Immer wieder neue Verstecke ausprobiert. Frappierend war, dass diese Katze die Spielregeln verstanden hatte, die ich unbewusst nonverbal vermittelt habe und sie sich dadurch darauf einlassen konnte. Als ich wieder zu Hause war, rief mich nach ein paar Tagen meine Tante an und teilte mir mit, dass die Katze stundenlang vor der Haustüre sitzen würde, um auf mich zu warten. Die Katze war super, nicht ich. Ich habe nichts getan, ich habe mich nur mit ihr beschäftigt. Mehr als nur den Napf füllen und mal kurz gestreichelt und hallo sagen oder das Tier als Schoßpuppe gebrauchen, unbewusst habe ich das Tier wie eine Person behandelt, die mehrere Begehren hatte als nur das Stillen der Grundbedürfnisse, und das hat die Katze geliebt und später vermisst, als ich nicht mehr präsent war. Und ich habe diese Spiele mit ihr auch geliebt. Ich befand mich noch selber im Spielalter, wie sehr ich lachend diese Aktionen mit der Katze so sehr genossen hatte, wenn sie mich in meinen Verstecken aufgestöbert hatte. Tiere haben so viele Potenziale, die leider häufig brach liegen, weil man ihnen gewisse Fähigkeiten nicht zutraut, weil der Mensch denkt, dass besondere Fähigkeiten nur allein den Menschen gehören. 

Mit diesem Beispiel möchte ich euch nur ermuntern, euch wahrhaftig mit euren Tieren zu beschäftigen. Und zwar mit Herz und Verstand. Beispiele könnte ich noch mehr benennen, auch mit vielen Katzen anderer Haushalte, belasse es aber dabei. 

Die Lebens- und die Gedankenwelt mit den Augen des Tieres betrachten
Das bedeutet, weg von Zensierungen und Bewertungen aller Art, und weg von den eigenen Maßstäben, stattdessen hin zu dem Gegenüber. Würden wir dies im Alltag auf alle Lebewesen umsetzen, auch auf unsere Mitmenschen, dann gäbe es garantiert weniger Kriege auf der Welt. 

Und zum Schluss mit der fünften Frage ein skurriles Beispiel, das sowohl mit den Tieren als auch mit den Büchern zu tun hat, das ich ohne Kommentar stehen lassen möchte. 

Frage 5

Nichts Besseres zu tun, als sich um Bücher oder Tiere zu kümmern? Es wäre besser, mehr was für die Nöte der Menschen in Deutschland zu tun.

So, Leute, das muss genügen. Ich danke nochmals von Herzen und bitte nicht traurig sein, wenn ich nicht alle Fragen hier beantwortet habe. 

Euch allen eine wundervolle Zeit und bis zum nächsten Mal!

Beste Grüße, Mira


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Geo Podgast Staffel 2 / 26 Folgen zu Wissenschaft und Technik

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