Dienstag, 28. Juli 2015

Haruki Murakami / Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki (1)

Lesen mit Renie ...

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, zu welcher Meinung ich mich zu diesem Buch entschließen möchte. Es ist wieder eine Lovestory, und irgendwie nach demselben Schema geschrieben wie die letzten auch, mit Ausnahme von IQ84 und Kafka am Strand. Da ringe ich mit mir und erlaube mir zu sagen, dass Murakami kein politisches Profil besitzt, weshalb er immer wieder Liebesromane schreiben muss, in denen er seine Sexualität auch in fiktiver und abstruser Form voll und ganz, so scheint mir, auszuleben versucht. Jede Figur, die ein Autor kreiert, ist aus psychoanalytischer Sicht ein Teil seiner eigenen Persönlichkeit ...

Die ProtagonistInnen erscheinen mir zudem oftmals viel zu flach, viel zu glatt, wie auch hier in diesem Werk Herr Tsukuru Tazaki … Auch dieser kommt mir viel zu brav vor.

Meist helfen mir die vielen Zettelchen in einem Buch, die mich beim zweiten Mal hinsehen schließlich zu einer Meinung führen werden.

Nichtsdestotrotz überlege ich, nun nach zehn Büchern mit Murakami abzuschließen. Es kann aber sein, dass ich nach einer gewissen zeitlichen Distanz doch noch Lust bekommen werde, mit weiteren Bänden fortzusetzen. Ich bin allerdings ein Mensch, der keine Liebesromanzen mag. Anders z. B. bei Isabel Allende, die auch nur Liebesromane schreibt, die aber immer gekoppelt sind an historische Ereignisse dieser Zeit, über die sie zu schreiben pflegt. Das fehlt Murakami völlig.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Der junge Tsukuru Tazaki ist Teil einer Clique von fünf Freunden, deren Mitglieder alle eine Farbe im Namen tragen. Nur Tsukuru fällt aus dem Rahmen und empfindet sich – auch im übertragenen Sinne – als farblos, denn anders als seine Freunde hat er keine besonderen Eigenheiten oder Vorlieben, ausgenommen vielleicht ein vages Interesse für Bahnhöfe. Als er nach der Oberschule die gemeinsame Heimatstadt Nagoya verlässt, um in Tokio zu studieren, tut dies der Freundschaft keinen Abbruch. Zumindest nicht bis zu jenem Sommertag, an dem Tsukuru voller Vorfreude auf die Ferien nach Nagoya zurückkehrt – und herausfindet, dass seine Freunde ihn plötzlich und unerklärlicherweise schneiden. Erfolglos versucht er wieder und wieder, sie zu erreichen, bis er schließlich einen Anruf erhält: Tsukuru solle sich in Zukunft von ihnen fernhalten, lautet die Botschaft, er wisse schon, warum. Verzweifelt kehrt Tsukuru nach Tokio zurück, wo er ein halbes Jahr am Rande des Selbstmords verbringt. Viele Jahre später offenbart sich der inzwischen 36-jährige Tsukuru seiner neuen Freundin Sara, die nicht glauben kann, dass er nie versucht hat, der Geschichte auf den Grund zu gehen. Von ihr ermutigt, macht Tsukuru sich auf, um sich den Dämonen seiner Vergangenheit zu stellen.
Tsukuru leidet ein wenig darunter, dass er verglichen mit seinen vier FreundInnen aus seiner Clique von der Bedeutung seines Namens her farblos ist. Er bezieht diese Farblosigkeit auch auf sein gesamtes persönliches Wesen:
Tsukuru hatte jedenfalls keine besondere Begabung, auf die er stolz sein oder mit der er sich vor anderen hervortun konnte. Zumindest fand er das. Er war in allem mittelmäßig. Oder farblos.
Tsukuru wird aus seiner Crew ausgestoßen. Aus scheinbar unbestimmten Gründen und so schleppt er seine seelische Verletzung sechzehn Jahre mit sich herum, bis er schließlich eine zwei Jahre ältere Frau namens Sara trifft, die für eine andere Haltung sorgt.
>>Ich verstehe das nicht<<, sagte Sara. >>Ganz offensichtlich leidest du in deinem Kopf oder in deinem Herzen oder in beidem noch unter der Verletzung von damals. Trotzdem hast du in den ganzen sechzehn Jahren nicht einen Versuch gemacht, der Sache auf den Grund zu gehen und zu erfahren, warum du das durchmachen musstest. 
Tsukuru gelingt insgesamt ein schlechter Zugang zu anderen Menschen und findet sich widerwillig damit ab, um sich nicht damit zu quälen:
Wahrscheinlich war es letzten Endes sein Schicksal, allein zu sein. Alle Menschen, die ihm näher kamen, verließen ihn bald wieder. Sie suchten etwas bei ihm, aber anscheinend fanden sie es nicht, oder das, was sie fanden, gefiel ihnen nicht; jedenfalls gaben sie (…) irgendwann auf. Eines Tages waren sie dann plötzlich verschwunden. Ohne Erklärung und ohne Abschied. Wie man mit einem scharfen Beil eine Ader durchtrennt, durch die eben noch warmes Blut geflossen war.Offenbar hatte er etwas an sich, das andere Menschen enttäuschte. Der farblose Herr Tazaki, sagte er laut. Im Grunde lief es darauf hinaus, dass er anderen nichts zu geben hatte. Wahrscheinlich hatte er nicht einmal sich selbst etwas zu geben. 
Tsukurus Umfeld, das in seinen Träumen besteht, wird oftmals ein wenig düster beschrieben. Die Landschaft um ihn herum ist karg und leblos. Ein wenig kafkaeske. Es existieren Vögel mit messerscharfen Schnäbeln und hacken auf Tsukurus Fleisch herum …

Oftmals ist er von Albträumen geplagt und schafft es nicht immer, Fiktion und Realität auseinanderzuhalten. Er spricht von Gefühlen der Eifersucht, wenn er in Träumen gewaltsam von jener Frau entrissen wird:
Eifersucht war - das hatte Tsukuru durch diesen Traum begriffen - das trostloseste Gefängnis, das es auf der Welt gab. Denn es war ein Gefängnis, in das der Gefangene sich gewissermaßen selbst einsperrte. Niemand zwang ihn dazu. Er ging aus freien Stücken hinein, schloss von innen ab und warf den Schlüssel durch das Gitter nach draußen. Und niemand auf der ganzen Welt wusste, dass er dort eingekerkert war. Nur wenn er sich selbst dazu entschloss, konnte er es verlassen. Denn das Gefängnis befand sich in seinem Inneren. Doch er war außerstande, diesen Entschluss zu fassen. Sein Herz war von einer unüberwindlichen Mauer umgeben, das war die wahre Natur der Eifersucht.  
Viele Gedanken über den Tod finden sich oftmals auch in meinem Kopf, allerdings mehr in Form einer Wertschätzung dem Leben gegenüber, und um eines Tages bereit dafür zu sein. In diesem Buch fand ich ähnliche Gedanken, weshalb ich diese gerne festhalten möchte, die aus Tsukurus Kopf stammen:
>>Das Sterben bereitet mir keine Sorgen. Wirklich nicht. Ich habe schon eine Menge Gesindel sterben sehen. Und sogar die haben es geschafft. Es ist unmöglich, dass ich es nicht schaffe.<<
Es haben schon viele Menschen vor mir geschafft zu sterben.

 Ein Gedanke, der von mir hätte sein können ... 

Sara ist eine Frau, die sehr wohl partnerschaftliches Interesse Tsukuru gegenüber zeigt, hält sich aber gern noch bedeckt, bis Tsukuru durch Zufall sie auf der Straße mit einem anderen Mann Hand in Hand laufen sieht. Tsukuru ist irritiert. 
Er dachte an Sara. An ihr mintgrünes Kleid, ihr heiteres Lachen und den Mann, mit dem sie Hand in Hand die Straße entlanggegangen war, aber diese Gedanken brachten ihn auch nicht weiter. Die Herzen der Menschen waren wie Nachtvögel. Sie warteten still auf etwas, und wenn die Zeit dafür gekommen war, flogen sie geradewegs darauf zu. Er schloss die Augen und lauschte den Klängen des Akkordeons. Die einfache Melodie übertönte das lebhafte Stimmengewirr. Wie ein Nebelhorn das Rauschen der Wellen. 
Wie entwickelt sich die Beziehung zu Sara? Schafft Tsukuru es, das Geheimnis seiner vier FreundInnen zu lüften?

Da ich nicht noch mehr verraten möchte, beende ich hier meine Aufzeichnungen. Das Wichtigste habe ich weggelassen, denn es trägt eine gewisse Spannung mit sich, die ich jeder Leserin und jedem Leser nicht vorenthalten möchte.

Das Buch erhält von mir neun von zehn Punkten, da ich die literarische Sprache als recht fantasievoll und metaphorisch- und den Schreibstil als recht flüssig erlebt habe. Die Bilder, die der Autor gebraucht, sind allerdings auch Geschmacksache …

Nun bin ich aber ganz froh, dass das Buch doch nicht so schlecht abgeschnitten hat.Vielleicht bin ich intellektuell ein wenig phlegmatisch geworden durch die vielen Murakami-Liebesromane, die nicht zu meinen präferierten Genres zählen.

Lesen mit Renie; kurzer Austausch über eMail, da Renie gerade im Ausland verweilt, doch auch sie hat sich zu einer Meinung ein wenig schwer getan. Sie lobte Murakamis Schreibstil, der recht fantasievoll und mit vielen Metaphern geschmückt sei ...

Renies Buchbesprechung

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Nur Tote bleiben für immer siebzehn.
(Haruki Murakami)

Gelesene Bücher 2015: 40
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86


Samstag, 25. Juli 2015

Haruki Murakami / Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki

Lesen mit Renie ...


Klappentext
Der junge Tsukuru Tazaki ist Teil einer Clique von fünf Freunden, deren Mitglieder alle eine Farbe im Namen tragen. Nur Tsukuru fällt aus dem Rahmen und empfindet sich – auch im übertragenen Sinne – als farblos, denn anders als seine Freunde hat er keine besonderen Eigenheiten oder Vorlieben, ausgenommen vielleicht ein vages Interesse für Bahnhöfe. Als er nach der Oberschule die gemeinsame Heimatstadt Nagoya verlässt, um in Tokio zu studieren, tut dies der Freundschaft keinen Abbruch. Zumindest nicht bis zu jenem Sommertag, an dem Tsukuru voller Vorfreude auf die Ferien nach Nagoya zurückkehrt – und herausfindet, dass seine Freunde ihn plötzlich und unerklärlicherweise schneiden. Erfolglos versucht er wieder und wieder, sie zu erreichen, bis er schließlich einen Anruf erhält: Tsukuru solle sich in Zukunft von ihnen fernhalten, lautet die Botschaft, er wisse schon, warum. Verzweifelt kehrt Tsukuru nach Tokio zurück, wo er ein halbes Jahr am Rande des Selbstmords verbringt.Viele Jahre später offenbart sich der inzwischen 36-jährige Tsukuru seiner neuen Freundin Sara, die nicht glauben kann, dass er nie versucht hat, der Geschichte auf den Grund zu gehen. Von ihr ermutigt, macht Tsukuru sich auf, um sich den Dämonen seiner Vergangenheit zu stellen.


Autorenporträt
Haruki Murakami wurde 1949 in Kyoto, Japan geboren und wuchs in Kobe auf. Nach abgeschlossenem Studium verließ er 1975 die Waseda-Universität in Tokio, wo er anschließend sieben Jahre lang Eigentümer einer kleinen Jazz-Bar war.
Sein erster Roman, „Wenn der Wind singt“ (1979), brachte ihm den Gunzou-Förderpreis ein. Zusammen mit „Pinball, 1973“ (1980, dt. 2015) und „Wilde Schafsjagd“ (1982, dt. 1991), für den er mit dem Norma-Förderpreis ausgezeichnet wurde, bildet dieser Roman die sogenannte „Trilogie der Ratte“.
Die Buchvorstellung erfolgt mit ein wenig Verspätung, da ich das Buch am letzten Montag begonnen, und heute am Samstag beendet habe. Es gibt einiges zu dem Buch zu schreiben, weshalb die Buchbesprechung wie üblich in einem separaten Posting erscheinen wird.

Kurz gesagt: Zu einer Meinung kann ich mich noch nicht wirklich durchringen und werde dann nach der folgenden Buchbesprechung mit Murakami ein wenig pausieren.

Kurz zu meiner Lesebegleiterin Renie, die ich in einem Litaraturforum Watch Reading kennenelernt habe, und sie sich das Buch aus der Bibliothek ausgeliehen hat und ich somit mit ihr zusammen das Buch lesen wollte.

Mal schauen, zu welcher Meinung Renie zu dem Buch gekommen ist.

Gelesen habe ich von Murakami:
1. Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki
2. Die unheimliche Bibliothek                                            
3. IQ84, BD1                                                                        
4. IQ84, BD2                                                                         
5. IQ84 , BD 3
6. Kafka am Strand
7. Naokos Lächeln
8.  Schlaf 
9. Sputnik Sweetheart
10. Südlich der Grenze, westlich der Sonne 
Buchtitel Nr- 2 - 6 haben mir sehr gut gefallen. Nr. 7 gar nicht.






Dienstag, 21. Juli 2015

Jakob Arjouni / Magic Hoffmann (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Der Held dieser Geschichte nennt sich Fred Hoffmann. Fred Hoffmann ist ein junger Mensch, der zusammen mit seinen beiden FreundInnen Annette und Nickel eine Bank ausgeraubt hat, mit dem Ziel, nach Kanada auszuwandern, um sich dort ein schönes Leben aufzubauen.

Hoffmann wurde allerdings erwischt und bekam vier Jahre auf Bewährung aufgebrummt, während seine beiden FreundInnen flüchten konnten …

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Fred, Nickel und Annette träumen einen Traum, und der trägt den Namen >Kanada<. Dort könnte man leben, wie man will, fischen und fotografieren, weit weg vom Muff der Provinz. Doch von Dieburg nach Vancouver kommt man nicht ohne Umweg. Für Fred führt dieser über den Knast in das Berlin nach dem Mauerfall, wo er Nickel, Annette und sein Geld abholen will. So war's besprochen - doch >the times they are a-changin'<.
Nickel und Annette nahmen Hoffmann das Versprechen ab, das Geld gut zu verwahren und nach dem Absitzen der vier Jahre gemeinsam den Traum mit Kanada zu erfüllen.

Hoffmann wirkt ein wenig dümmlich, gutherzig, loyal und doch auch ichsüchtig.

Wie kam Fred eigentlich zu seinem Namen Magic Hoffmann?

Er wurde so im Knast genannt, weil er im Fußball sich als unschlagbar erwies, obwohl er nur einfacher Mittelfeldspieler war.

Die Jahre im Gefängnis machten Fred nicht gefügig und auch nicht einsichtig. Nach den vier Jahren ist er der vollen Überzeugung, einen Anspruch auf das gestohlene Geld zu haben, denn er habe schließlich dafür auch seine Strafe abgebüßt. 
Fred war der alte geblieben-keine Frage. Und er war stolz darauf. Sie hatten ihn nicht klein gekriegt. Weder Sozialisierungsversuche von oben noch kriminelle Mitmachangebote von unten hatten ihm etwas anhaben können. Das Gefängnis war nur ein Wartezimmer gewesen, indem er die meiste Zeit mit geschlossenen Augen gesessen und sich die Ohren zugehalten hatte. 
Im Knast verbrachte er die meiste Zeit damit, Englisch zu lernen, um sich auf Kanada vorzubereiten. Und so gibt Fred immer halbe englische Sätze von sich, als würden sie zu ihm gehören, doch bei anderen kommen diese gar nicht gut an:
Der Wärter seufzte. >>Und gewöhn dir das alberne Englisch ab. Damit hält dich jeder für schwachsinnig, und du kriegst nie `ne Arbeit.<<>>Im Gegenteil<<, sagte Fred, >>wo ich hingehe, kriege ich nur Arbeit, wenn ich Englisch spreche-falls ich überhaupt welche will, Mister.<<  
Die Welt draußen scheint ihm ein wenig fremd zu sein. Manche Redewendungen nimmt Fred sehr wörtlich, was ich lustig fand, wie z. B. antwortete er auf die Frage, was er nun vorhabe, mit <<erstmal Kaffeetrinken<<. J Oder auf die Frage, ob er keine Angst habe, ohne Arbeit zu bleiben, es stehen ja schließlich jede Menge anderer Menschen auf der Straße. Fred schaut aus dem Fenster und wundert sich, da er keine Menschen auf der Straße sieht. :)

Man nimmt an dieser Geschichte wahr, mit welchen gesellschaftlichen Konflikten Berlin nach der Wende zu kämpfen hatte. Typische Probleme wie z. B. Fremdenhass, Neonazis, geteiltes Deutschland wieder vereint, Antifaschisten, hohe Arbeitslosigkeit, etc.
Immerhin war Berlin nicht irgendein Kaff, sondern… naja, Berlin: Geschichte, Krieg, Osten, Luft, Bären, Christiane F., Kennedy.  
Fred befindet sich im Treppenhaus und sucht Nicks Wohnung. Eine ältere Bewohnerin des Hauses hält ihn für den polnischen Klempner, doch als Nick ablehnt, nichts mit Polen zu tun zu haben, erwidert diese:
 >>Gott sei Dank! Hab ich nämlich extra gesagt, kein Pole! Polen kommen mir nicht an meinen Abfluss! Nachher fehlt das ganze Rohr, und in Warschau wird sich `ne goldene Nase dran verdient. So ist es doch! Und heute werden ja nur noch Polen eingestellt, wo man anruft: Polen, Polen, Polen! Dass man nicht >Mein Abfluss ist verstopft< auf Polnisch sagen muss, ist auch schon alles. Stellen Sie sich mal vor: auf Polnisch! In Berlin! Ha! Und mein Mann ist arbeitslos, und ich hab's an der Leber (…)<<
Mir hat sich schon die Frage gestellt, was die Nazivergangenheit bei manchen Menschen gebracht hat? Nun sind die Polen die Bösen und die Juden werden toleriert. In Warschau gab es schließlich auch Gettos.

Die Intellektuellen fordern strengere Einwanderungsgesetze, denn Hitler wäre mit diesen niemals Kanzler geworden ;) …

Als Fred seine beiden Freunde wieder trifft, ist er enttäuscht über deren Entwicklung. Während er noch immer seinem Traum treu geblieben ist, haben sich im Leben von Annette und Nick andere Perspektiven aufgetan. Sowohl beruflich als auch familiär.
Plötzlich zeigt sich Fred von einer völlig anderen Seite …

Mein Fazit: Der Roman ist gekonnt geschrieben. Spannend und originell wie der Autor sein Thema aufgezogen hat. Der Schluss hat mir super gut gefallen.

Das Buch erhält von mir zehn von zehn Punkten …
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Nur Tote bleiben für immer siebzehn.
(Haruki Murakami)

Gelesene Bücher 2015: 39
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86

Montag, 20. Juli 2015

Jakob Arjouni / Magic Hoffmann

Klappentext
Fred, Nickel und Annette träumen einen Traum, und der trägt den Namen >Kanada<. Dort könnte man leben, wie man will, fischen und fotografieren, weit weg vom Muff der Provinz. Doch von Dieburg nach Vancouver kommt man nicht ohne Umweg. Für Fred führt dieser über den Knast in das Berlin nach dem Mauerfall, wo er Nickel, Annette und sein Geld abholen will. So war's besprochen - doch >the times they are a-changin'<.


Autorenporträt
Jakob Arjouni, geboren 1964 in Frankfurt am Main, studierte zunächst, jobbte nach dem Abitur einige Jahre in Südfrankreich und lebte dann in Berlin. Er veröffentlichte Romane, Theaterstücke, Erzählungen und Hörspiele. Zusammen mit seiner Familie lebte der Autor vorwiegend in Südfrankreich. Im Januar 2013 erlag Jakob Arjouni einem Krebsleiden.
Dieses Werk habe ich schon durch. Am Samstag damit begonnen und am Sonntag schon ausgelesen. Ich habe es mit großem Interesse verfolgt. Ein durchaus interessantes Thema, mit dem ich mich zuvor literarich erst wenig befasst habe.

Die Buchbesprechung erfogt trotzdem in einem separaten Posting, da ich im Buch so manche Zettelchen zum Bearbeiten haften habe.

Schade, dass der Autor so jung gestorben ist.



Sonntag, 19. Juli 2015

Haruki Murakami / Sputnik Sweetheart (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch hatte sich während des Lesens doch noch in eine andere Richtung bewegt, sodass ich sagen kann, dass es mir recht gut gefallen hat, wenn auch die ersten zweihundert Seiten mich vom Inhalt her recht deutlich an das Buch Naokos Lächeln erinnert hatte.

In diesem Roman bekommt man wieder jede Menge Geschichten zu lesen, die nicht unbedingt einen Bezug zur Hauptthematik haben. Man merkt eben, dass Murakami viel zu erzählen hat, und so erzählt er eben auch recht viel, mit dem Risiko, dass das Niveau dadurch ein wenig abflacht.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Cooler Realismus und Fantastik verbinden sich in der Geschichte von Sumire und Miu. Die eine ist eine junge weltfremde und romantische Möchtegernautorin, die andere eine siebzehn Jahre ältere erfolgreiche Geschäftsfrau. Unempfänglich ist Miu für das Begehren der jungen Frau, von der sie „süßer Sputnik" genannt wird. Auf einer Reise durch Frankreich und Italien bis auf eine kleine griechische Insel verschwindet Sumire plötzlich – alle Spuren ihres Schicksals verlieren sich. Ein junger Lehrer, der die betörende Sumire liebt, findet Aufzeichnungen bizarrer Vorfälle und Geschichten in Geschichten, die auch ein Geheimnis von Miu in der Schweiz aufdecken. Mit Haruki Murakamis neuem Roman „Sputnik Sweetheart" geraten wir an die Ränder der Wirklichkeit, aber auch wenn die Menschen auf getrennten Umlaufbahnen einsam wie ein Sputnik ihre Bahnen ziehen, gibt es noch eine andere Seite des Lebens: „Wir brauchen nur zu träumen."

Diese Geschichte nahm surreale Formen an, was ja typisch für Murakami ist, und ich dies eigentlich auch liebe. Sie hat mich recht nachdenklich gestimmt, wobei es Szenen gab, die sich mir tatsächlich auch als kafkaeske erwiesen haben …

Im Kafka am Strand waren es die Katzen, die von einem Menschen schwerst malträtiert werden. Ich vergesse nicht mehr dieses Bild, indem die Figur das Herz seiner getöteten Katze im Munde zergehen lässt ... Und im hiesigen Band? Belege ich gleich mit einem Zitat:
Ich stellte mir ein paar ausgehungerte Katzen in einer Einzimmerwohnung vor. Kleine, flauschige Fleischfresser. Ich - mein wirkliches Ich - war tot, und sie lebten. Sie aßen mein Fleisch, nagten an meinem Herzen, tranken mein Blut. Wenn ich aufmerksam lauschte, hörte ich wie von weit her, wie sie mein Gehirn ausschlürften. Drei geschmeidige Katzen, die meinen zerbrochenen Schädel umringen und die graue schlammige Suppe meiner Gehirnmasse schlürften. Mit ihren roten, grauen Zungenspitzen legten sie die weichen Falten meines Bewusstseins aus. Und bei jedem Zungenschlag flackerte es noch einmal auf, bis es sich ganz in heiße Luft aufgelöst hat.
Der Erzähler, der leider nicht mit Namen vorgestellt wird, ist der junge Mann, Grundschulpädagoge von Beruf, der sich in Sumire verliebt hat. Die Geschichte mit den Katzen soll sich nach Sumires Angaben bei einer anderen Person tatsächlich zugetragen haben. Der junge Lehrer war so entsetzt über diese Geschichte, dass er sie nicht wieder vergessen konnte …

Hier steht auch wieder die Einsamkeit verschiedener Menschen im Vordergrund, und der junge Lehrer stellt sich dazu folgende Fragen:
Warum müssen die Menschen so einsam sein? Wozu soll das gut sein? Stets sind wir auf der Suche nach der Nähe der anderen, und dennoch sind wir so allein. Wozu? Dreht sich dieser Planet nur, um die Einsamkeit des Menschen zu nähren?
Hauptsächlich lesende Menschen sind am stärksten von der Einsamkeit betroffen.

Doch mit Sumire zusammen durchlebte er die Einsamkeit auf eine ganz besondere Art, wobei mir diese Art von Einsamkeit eine angenehme wäre:
Sumire und ich waren einander sehr ähnlich. Zu lesen war für uns beide beinahe eine natürliche Körperfunktion, wie das Atmen. Auch ich zog mich in jeder freien Minute allein in eine ruhige Ecke zurück und verschlang Seite um Seite. Ich las alles, was ich in die Finger bekam -japanische Romane, ausländische Romane, neue und alte, Avantgarde-Literatur, Bestseller - solange es nur den geringsten intellektuellen Reiz besaß. Wie Sumire. In der Stadtbücherei waren wir wie zu Hause und konnten zudem ganze Tage damit verbringen, in Kanda durch die Antiquariate zu streifen. Ich war noch niemals einem anderen Menschen begegnet, der ebenso leidenschaftlich und ausschweifend las wie ich und ich glaube, Sumire geht es genauso. 
Ha, da hat wohl dieser Mensch die Bekanntschaft mit mir noch nicht gemacht :)…

Sumires Traum ist, Schriftstellerin zu werden, doch als sie schließlich die reife Miu kennenlernt, die ebenso eine sehr einsame Figur darstellt, gerät ihr Leben ins Wanken. Sie empfindet eine starke sexuelle Zuneigung zu dieser Frau, die allerdings nicht erwidert wurde, und so entwickelt Sumire eine massive Schreibblockade ...

Eine Szene zu Miu möchte ich gerne noch festhalten. Miu fährt spät abends Riesenrad. Eine letzte Runde, bevor die Kirmes schließen sollte. Sie ist die einzige Fahrerin. Nach dieser Runde vergisst der Schausteller die Frau wieder aus der Gondel rauszulassen, als das Riesenrad noch eine halbe Umdrehung schwingt, und es schließlich abgeschlossen wird. Miu sitzt ganz oben in der Gondel und kann nicht glauben, dass sie vergessen wurde. Wie verbringt Miu nun die Zeit in dieser Gondel? Sie packt ihr Fernglas aus:
Miu konnte nicht mehr klar denken. Ich bin hier und beobachte durch ein Fernglas meine Wohnung. Und wen sehe ich? Mich selbst in meinem Schlafzimmer! Mehrmals stellte Miu die Schärfe des Fernglases nach, doch die Frau, die sie sah, war und blieb eindeutig sie selbst. Sie trug sogar die gleiche Kleidung. (Den kürzlich kennengelernten Spanier) Ferdinando umarmte sie und hob sie aufs Bett. Unter Küssen entkleidete er Miu zärtlich, zog ihr die Bluse aus, den BH, den Rock. Er küsste ihren Hals und liebkoste dabei mit den Händen ihre Brüste. Darauf streifte er ihr geschickt das Höschen ab. Es war genau das gleiche, das sie im Augenblick trug. Miu rang nach Luft. Was ging dort drüben in ihrer Wohnung vor? 
Ist das nicht eine interessante Szene? Da sitzt eine verheiratete Frau in der Gondel fest und sieht sich parallel dazu in ihrer Wohnung durch die Entfernung mit ihrem Liebhaber wieder. Miu führt keine erfüllte Ehe, man kann ihre Ehe vielmehr als eine Zweckgemeinschaft bezeichnen. Was sie durch ihr Fernglas sieht, ist eher eine Rückspiegelung ihrer sexuellen Träume und Sehnsüchte. Sie sehnt sich nach einem temperamentvollen Südeuropäer, einem Latino, und so ist auch Murakami nicht vor Klischees gefeit. 
Ferdinandos langer Penis wurde steif wie ein Stock. Ein sehr großer Penis. Einen so großen hatte sie noch nie gesehen. Er nahm Mius Hand und legte sie darum. Dann leckte und liebkoste er ausgiebig jeden Winkel von Mius Körper. 
Ich kann mir nicht vorstellen, dass es keinen Japaner gibt mit demselben sexuellen Temperament. Solche Draufgänger gibt es doch überall en masse auf der Welt.

Sumire ist verschwunden. Auch der junge Verehrer begibt sich durch Mius Bitte auf die Suche. Selbst die Polizei konnte Sumire nicht finden, bis der Verehrer erfährt, dass Sumire in ihrer Traumwelt verschwunden ist und so versucht er, in diese Traumwelt einzudringen. Nur wie? Wie käme man dorthin?
Nehmen wir also einmal an, es handele sich um eine Tür. Ich schloss die Augen und stellte mir diese Tür konkret und plastisch vor. Eine ganz gewöhnliche Tür in einer ganz normalen Wand. Sumire entdeckte diese Tür, drehte den Türknauf und schlüpfte hinaus - von dieser Seite auf die andere. In einem dünnen Pyjama und Badeschlappen. 
Lebt Sumire mit Miu zusammen? Der Verehrer möchte dazugehören, ist sogar bereit, den zweiten Platz neben Miu einzunehmen:
Ob es drüben auch einen Platz für mich gab? An dem ich mit den beiden zusammen sein könnte? Während die beiden sich leidenschaftlich liebten, könnte ich in einer Zimmerecke sitzen und Balzacs gesammelte Werke lesen. Wenn Sumire dann geduscht hätte, könnten wir beide einen langen Spaziergang unternehmen (….). Konnte eine solche Beziehung überhaupt Bestand haben? War so etwas überhaupt natürlich? (…) Doch wie sollte ich jemals auf die andere Seite gelangen? Ich strich mit der Hand über die glatte, steinerne Oberfläche der Akropolis und dachte an die lange Geschichte, die darin eingeschlossen war. Ob es mir gefiel oder nicht, als Mensch war ich dem Fluss der Zeit unterworfen und konnte ihm nicht entkommen. 
Es gibt noch viele interessante Szenen …

Das Buch erhält von mir sieben von zehn Punkten …
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Nur Tote bleiben für immer siebzehn.
(Haruki Murakami)

Gelesene Bücher 2015: 38
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86






Mittwoch, 15. Juli 2015

Haruki Murakami / Sputnik Sweetheart

Klappentext
Cooler Realismus und Fantastik verbinden sich in der Geschichte von Sumire und Miu. Die eine ist eine junge weltfremde und romantische Möchtegernautorin, die andere eine siebzehn Jahre ältere erfolgreiche Geschäfsfrau. Unempfänglich ist Miu für das Begehren der jungen Frau, von der sie „süßer Sputnik" genannt wird. Auf einer Reise durch Frankreich und Italien bis auf eine kleine griechische Insel verschwindet Sumire plötzlich – alle Spuren ihres Schicksals verlieren sich. Ein junger Lehrer, der die betörende Sumire liebt, findet Aufzeichnungen bizarrer Vorfälle und Geschichten in Geschichten, die auch ein Geheimnis von Miu in der Schweiz aufdecken. Mit Haruki Murakamis neuem Roman „Sputnik Sweetheart" geraten wir an die Ränder der Wirklichkeit, aber auch wenn die Menschen auf getrennten Umlaufbahnen einsam wie ein Sputnik ihre Bahnen ziehen, gibt es noch eine andere Seite des Lebens: „Wir brauchen nur zu träumen."




Autorenporträt
Haruki Murakami wurde 1949 in Kyoto, Japan geboren und wuchs in Kobe auf. Nach abgeschlossenem Studium verließ er 1975 die Waseda-Universität in Tokio, wo er anschließend sieben Jahre lang Eigentümer einer kleinen Jazz-Bar war.Sein erster Roman, „Wenn der Wind singt“ (1979), brachte ihm den Gunzou-Förderpreis ein. Zusammen mit „Pinball, 1973“ (1980, dt. 2015) und „Wilde Schafsjagd“ (1982, dt. 1991), für den er mit dem Norma-Förderpreis ausgezeichnet wurde, bildet dieser Roman die sogenannte „Trilogie der Ratte“.Zu Murakamis weiteren Veröffentlichungen zählen „Hard-Boiled Wonderland und das Ende der Welt“ (1984, dt. 1995), „Naokos Lächeln“ (1987, dt. 2001), „Tanz mit dem Schafsmann“ (1988, dt. 2002), „Gefährliche Geliebte“ (1992, dt. 2000), „Der Elefant verschwindet“ (1993, dt. 1995) und „Wie ich eines Tages im April das 100%ige Mädchen sah“ (dt. 1996).Von 1991 an lebten Murakami und seine Ehefrau vier Jahre lang in den USA, wo er in Princeton lehrte und den Roman „Mister Aufziehvogel“ verfasste (1994–95, dt. 1998), für den er den Yomiuri-Literaturpreis erhielt. Nach dem Erdbeben von Hanshin und dem Gas-Attentat auf die Tokioter U-Bahn von 1995 kehrte Murakami nach Japan zurück, wo er zunächst Opfer des Attentats und schließlich auch Mitglieder der Aum-Shinrikyo-Sekte interviewte. Die Interviews erschienen in Japan in zwei Bänden; der zweite, „The Place that was promised“ (1998), wurde mit dem Preis der Kuwabara Takeo-Akademie ausgezeichnet. Eine Auswahl aus beiden Büchern wurde 2002 als deutschsprachige Ausgabe unter dem Titel „Untergrundkrieg“ veröffentlicht. Von Haruki Murakami erschienen seitdem „Sputnik Sweetheart“ (1999, dt. 2002), „Nach dem Beben“ (1997, dt. 2003), „Kafka am Strand“ (2002, dt. 2004), die Kurzgeschichtensammlung „Blinde Weide, schlafende Frau“ (dt. 2006), der Roman „Afterdark“ (dt. 2005) und das Sachbuch „Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede" (dt. 2007), die „1Q84“-Trilogie (2010–2011), die von Kat Menschik illustrierten Erzählungen „Schlaf“, „Die Bäckereiüberfälle“ und „Die unheimliche Bibliothek“ (2009–2013) sowie die Neuübersetzung von Murakamis Durchbruchsroman „Gefährliche Geliebte“ unter dem neuen Titel „Südlich der Grenze, westlich der Sonne“ (2013). Zuletzt erschienen der Roman „Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki“ (2014), der die „Spiegel“-Bestsellerliste anführte, und die Erzählungen „Von Männern, die keine Frauen haben“ (2014). Da Haruki Murakami nach langem Zögern seine Einwilligung gab, werden im Jahr 2015 endlich auch die beiden ersten Romane in deutscher Übersetzung veröffentlicht, die in einem Band vorliegen („Wenn der Wind singt/Pinball 1973“).Zu den Preisen, die Murakami in jüngerer Zeit erhielt, gehören der Frank O’Connor Internationale Kurzgeschichtenpreis (Irland, 2006), der Franz-Kafka-Preis (Tschechien, 2006), der Asahi-Preis (Japan, 2006), der Jerusalem-Preis (2009) und der „Welt“-Literaturpreis (2014). Zudem hat Murakami Werke diverser amerikanischer Autoren ins Japanische übertragen, darunter Bücher von F. Scott Fitzgerald, Raymond Carver, John Irving und Raymond Chandler. Seine eigenen Werke wurden bislang in mehr als vierzig Sprachen übersetzt.
Von Murakami habe ich gelesen:
Die unheimliche Bibliothek                                            
IQ84, BD1
IQ84, BD2                                                                    
IQ84, BD3
Kafka am Strand
Naokos Lächeln
Schlaf
Südlich der Grenze, westlich der Sonne 
Am besten hat mir IQ84 und Kafka am Strand gefallen.

Naokos Lächeln hat mir gar nicht gefallen.

Das hiesige Buch gefällt mir schon besser, hat aber Ähnlichkeiten mit Naokos Lächeln. Und wieder verliebt sich der junge Erzähler in ein junges Mädchen, das aber sexuell sich zu ihm nicht hingezogen fühlt. Und wieder sind es die Frauen, die dem Erzähler so offen über ihre Sexualität reden und der Erzähler nicht mal austickt bei so vielen sexuellen Gesprächen, wo er selbst nur Zuhörer sein darf ... Die Frucht, die vor ihm liegt, darf er nur ansehen, aber nicht anfassen und nicht reinbeißen.
Und wieder geht es hier um eine lesbische Liebe, diesmal nimmt diese Liebe allerdings surreale Formen an ...



Dienstag, 14. Juli 2015

Marie Hermanson / Himmelstal (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Nun bin ich mit meinem Psychokrimi durch ... Das Buch hatte nicht besonders viel Spannung, aber genau das Richtige für mich, da ich solche blutrünstige Krimis partout nicht mag. Daher bevorzuge ich langweilige Krimis, wenn ich mich schon entschließe, einen Krimi zu lesen. Allerdings plätscherte der Inhalt so vor sich hin.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Himmelstal, idyllisch in den Schweizer Alpen gelegen, ist das Paradies auf Erden. Hier können sich reiche Patienten von ihrem Burn-out-Syndrom erholen. Sie verbringen ihre Tage am Pool, genießen die frische Luft und die Aussicht auf die Berge. Als Daniel seinen Zwillingsbruder Max in der Kurklinik besucht, ist er von der »Zauberberg«-Atmosphäre so angetan, dass er beschließt, noch ein paar Tage länger zu bleiben. Max will in dieser Zeit ein paar Geschäfte in Italien erledigen und bittet seinen Bruder, ihn zu »vertreten«. Aber in dem malerischen Alpental ist nichts, wie es scheint, und für Daniel beginnt ein gefährliches Verwechslungsspiel. In ihrem atemberaubenden Psychothriller entwirft Marie Hermanson eine Welt, in der Gut und Böse nicht mehr zu unterscheiden sind.
Ich bin nun recht neugierig, welche Gedanken sich mir hier beim Schreiben zu diesem Buch ergeben werden, nach dem ich für mich wichtige Zitate herausgeschrieben habe. 

In dieser Kurklinik werden nur Psychopathen aufgenommen. Wobei man gar nicht klar erkennen kann, wer denn hier die gefährlichen Menschen sind. Die Patienten? Oder das Klinikpersonal? Oder gar beide? Aber das ist ja so gewollt, sonst wäre es ja kein Psychokrimi.

Ich scheitere oftmals an der Frage, was man als Gut und was man als Böse bezeichnen kann, denke, dass in jedem Menschen beides angelegt ist, der Mensch muss sich nur für das Eine oder das Andere entscheiden, wobei es oft Lebenssituationen gibt, in denen die Trennung von Gut und Böse nicht so einfach zu vollziehen geht. So werden hier in diesem Buch die Psychopathen als die Menschen bezeichnet, die diese Unterscheidungen partout nicht wirklich zu praktizieren in der Lage sind:
>>Böser Mensch<<, diesen Begriff verwenden wir hier in der Anstalt nicht. Aber gewiss, per Definition bedeutet böse zu sein wohl, unschuldigen Menschen bewusst Leid zuzufügen, ohne Schuld zu verspüren. Nach dieser Definition muss ein Mensch, den wir als böse bezeichnen wollen, allerdings in der Lage sein, zu wählen. Und wenn jemand eine Wahl trifft, muss er wissen, zwischen welchen Möglichkeiten er wählt (…) Aber der Psychopath kennt den Unterschied zwischen Gut und Böse nun mal nicht.
Die hier tätigen Ärzte pflegen einen einzigen Auftrag; sie erforschen das Verhalten der Psychopathen. Es stellt sich weiterhin die Frage, ob ein Psychopath als böse bezeichnet werden kann, wenn ihm das Gewissen bzw. das Bewusstsein für die Unterscheidung zu Gut und Böse fehlt? Sind Tiere böse, weil sie jagen?
Wenn nun das Gehirn desjenigen, der diese Taten begeht, eine medizinische Anomalität aufweist, die es von unserem unterscheidet? Wenn dem Gehirn die Fähigkeit zur Empathie fehlt? Können wir dann von ihm verlangen, dass er empathisch ist, und ihn dafür bestrafen, wenn er es nicht ist? Ist das nicht genauso, als wollten wir von einem gelähmten Schlaganfallpatienten verlangen, dass er geht? Oder von einem geistig Behinderten, dass er ein kompliziertes logisches Problem löst? Sie können es einfach nicht. Sie haben nicht das dazu erforderliche Gehirn. 
Ja, solche Fragen finde ich immer interessant.

Ich bezweifle allerdings, ob es möglich ist, das Gehirn eines Psychopathen hirnorganisch messen zu können. Aus meiner Berufspraxis und von meinen Kenntnissen her kann ich nur sagen Nein … Man kann nicht immer anhand der Hirnströme messen, unter welcher psychischen Erkrankung ein Mensch leidet. Deshalb hinkt der Vergleich mit einem Tier …
Wenn diese Menschen sich nun aufgrund einer physischen Anomalität so verhalten, wie sie sich verhalten, haben wir dann das Recht, sie zu bestrafen? Sie in schreckliche Gefängnisse einzusperren oder, wie in manchen Ländern, sie hinzurichten?
Diese Frage an sich finde ich eigentlich spannend, wobei diese Menschen in kein normales Gefängnis eingesperrt werden, sondern sie kommen in eine Heilanstalt, die sich Forensik nennt. Zumindest hier in Deutschland.

Wie werden in diesem Buch die Forschungen betrieben? Klingt anfangs ein wenig harmlos und von der Lebensweise der Insassen allerdings paradiesisch:
Hier, in Himmelstal, sollte es nicht darum gehen, Menschen beiseitezuschaffen und sie zu vergessen. Im Gegenteil, dieser Ort sollte ein Zentrum werden für die Forschung und die einzigartige Möglichkeit bieten, unter kontrollierten Bedingungen Psychopathen in einer relativ natürlichen Umgebung zu studieren. Sie weder zu bestrafen noch zu behandeln. Sie zu studieren. Forschen, beobachten, messen. Um vielleicht irgendwann das Rätsel der Psychopathie zu lösen, die Ursachen zu finden und eine effektive Behandlung zu entwickeln. Das war das Ziel, wenn es auch noch in weiter Ferne lag. 
Die Patienten leben, man hat gerade am Anfang den Eindruck, in einem Paradies. Idyllische Landschaften, Einzelpersonen wurden in gut ausgestatteten Hütten untergebracht, sie können essen und trinken, was sie wollen, und haben Ausgang bis 24:00 Uhr. 

Diese Lebensweise in einem Krimi fand ich recht interessant. 

Trotzdem sorgt das Buch bei einem unkritischen Leser für Verwirrung, denn die Frühwarnzeichen bei einem Psychopathen werden hier im Text schon in der Kindheit angelegt, wie z.B. Geld aus dem Portemonnaie der Mutter stehlen, oder Spielkameraden schlagen, Tiere quälen  ...

Das sind definitiv keine Anzeichen einer Psychopathie. Da hat es sich die Autorin recht einfach gemacht, und ich glaube auch nicht, dass sie wirklich Ahnung hat, was einen Menschen tatsächlich zu einem Psychopathen auszeichnet. Es gibt kein typisches Verhalten, das zu einem Psychopathen passen könnte. Verantwortlich sind bei einem Erwachsenen oftmals unreflektierte negative Erfahrungen aus der Kindheit, die nicht richtig verarbeitet worden sind ... Aber man ist nicht per se von Geburt an ein Psychopath und auch nicht, weil man schlechte Kindheitserfahrungen durchlitten hat.

Psychokrimis sorgen in unserer Gesellschaft recht häufig für das Festigen von Vorurteilen psychisch kranken Menschen gegenüber bzw. es werden sogar neue Vorurteile in die Welt gestreut …

Aus meiner Sicht hat die Autorin über ihren Stoff nicht wirklich gut recherchiert. 

Auf Genauigkeit scheint es die Autorin insgesamt nicht angelegt zu haben:

Der italienische Autor, der Pinocchio geschrieben hat, heißt nicht Carlo Goldoni, sondern Carlo Collodi. 

Lest selbst, welchen Bezug die Holzfigur in diesem Krimi hat.

Der Schluss hat mir recht gut gefallen …

Das Buch erhält von mir trotzdem sechs von zehn Punkten, da die Figuren recht authentisch wirken …

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Nur Tote bleiben für immer siebzehn.
(Haruki Murakami)

Gelesene Bücher 2015: 37
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86



Dienstag, 7. Juli 2015

Marie Hermanson / Himmelstal

Klappentext
Himmelstal, idyllisch in den Schweizer Alpen gelegen, ist das Paradies auf Erden. Hier können sich reiche Patienten von ihrem Burnout-Syndrom erholen. Sie verbringen ihre Tage am Pool, genießen die frische Luft und die Aussicht auf die Berge. Als Daniel seinen Zwillingsbruder Max in der Kurklinik besucht, ist er von der »Zauberberg«-Atmosphäre so angetan, daß er beschließt, noch ein paar Tage länger zu bleiben. Max will in dieser Zeit ein paar Geschäfte in Italien erledigen und bittet seinen Bruder, ihn zu »vertreten«. Aber in dem malerischen Alpental ist nichts, wie es scheint, und für Daniel beginnt ein gefährliches Verwechslungsspiel.In ihrem atemberaubenden Psychothriller entwirft Marie Hermanson eine Welt, in der Gut und Böse nicht mehr zu unterscheiden sind.

Autorenporträt
Marie Hermanson, 1956 geboren, lebt in Göteborg und hat etliche Jahre ihres Lebens als Journalistin gearbeitet. Sie debütierte mit einer Sammlung von Erzählungen, die, so ein schwedischer Kritiker, Zeichen sind »einer großen, sich entwickelnden Autorin, welche die altnordische Saga mit den besten Exempeln angloamerikanischer Fantasy und Science-Fiction zu vereinen versteht und deren Wurzeln bis hin zu Poe reichen«. Sie erhielt für ihren Roman Die Schmetterlingsfrau (1995) den renommierten schwedischen August-Preis. Mit ihrem Roman Muschelstrand (1998) gelang ihr der internationale Durchbruch.
Das erste Buch, das ich von der Autorin lese. Ich weiß gar nicht, wie dieser Band auf meinem SuB gelandet ist, da ich keine leidenschaftliche Krimileserin bin. Wahrscheinlich liegt es an dem psychiatrischen Thema, das die Autorin hier behandelt. Andererseits hätte mich gerade dieses Thema davon abhalten sollen, mir das Buch anzuschaffen, denn auch hier wird die psychische Erkrankung für den Stoff instrumentalisiert ... Dies zeugt in der Gesellschaft für das Festhalten an Vorurteilen psychisch kranken Menschen gegenüber ... Viele KrimiautorInnen bedienen sich solcher Thematiken ...
Nun habe ich das Buch und nun lese ich es auch. Wenn das Buch allerdings viele Klischees aufweist, nicht nur psychisch kranken Menschen gegenüber, dann sage ich schon jetzt, dass ich es abbrechen werde ...



Montag, 6. Juli 2015

Tracy Chevalier / Zwei bemerkenswerte Frauen (1)

Lesen mit Anne ...


Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Die Autorin ist Jahrgang 1962 und trotzdem schreibt sie dieses Buch, das sich aus meiner Sicht wie ein Klassiker liest. Mich erinnert der Roman stark an Jane Austen. Ihre Themen und der Stil lassen sich wunderbar mit Jane Austen vergleichen ...
Keine Seite war langweilig oder sentimental. Nein, jede Buchseite habe ich mit großem Interesse verfolgt.

Als ich die Hälfte des Buches erreicht hatte, fragte ich mich, welche von den beiden bemerkenswerten Frauen mir näher standen? Das war eindeutig die junge Mary Anning, doch am Ende gewann auch Elizabeth Philpot meine Sympathie zurück  ...

Der Schluss ist vielversprechend …

Dem Anhang konnte entnommen werden, dass der Roman ein autobiografischer ist. Mary Anning hat es wohl tatsächlich gegeben …

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:

England, 1830: Elizabeth Philpot, eine junge Frau aus besseren Kreisen, deren Familienerbe nicht zu einem standesgemäßen Leben in London reicht, wird von ihrem Bruder in den kleinen südenglischen Küstenort Lyme Regis abgeschoben. Was ihr zunächst wie eine Verbannung vorkommt, erweist sich als glückliche Fügung, denn am Strand nehmen seltsame Steine sie völlig gefangen: Fossilien. Und hier in Lyme Regis begegnet sie Mary, einem Mädchen aus ärmlichen Verhältnissen, das die Familie mit dem Verkauf von Fossilien über Wasser hält und dabei spektakuläre Funde macht. Die beiden so unterschiedlichen Frauen widmen ihr Leben den rätselhaften Versteinerungen. Doch dann verlieben sich beide in denselben Mann.

Es existieren zwei Erzählperspektiven im Wechsel zwischen Mary und Elizabeth. Diese Form von Schreibstil liebe ich, weil man durch die unterschiedlichen Existenzen an unterschiedlichen Gedankengängen teilhaben darf.

Die junge Mary ist um viele Jahre jünger als Elizabeth. Doch nicht nur das Alter trennte diese beiden Frauen, sondern auch der Standesunterschied. Mary gehört der Arbeiterklasse an und Elizabeth zählt zwar nicht zu den Reichen, aber doch zu der gehobenen Klasse. Mich nervte es manchmal, wie sehr Elizabeth der kleinen Mary deutlich zu spüren gibt, dass sie ein armes mittelloses Arbeiterkind sei und sie auch bei der Partnerwahl dies nicht vergessen solle, als sich beide in denselben Mann verliebt hatten ... Doch eine Leidenschaft hatten sie gemeinsam: Beide Frauen waren Fossilienjägerinnen, wobei Mary darin die Erfahrenere und Wissende war:

Schon bald nach unserer Ankunft im Morley Cottage erkor ich Fossilien zu meiner neuen Leidenschaft. Irgendein Zeitvertreib brauchte ich schließlich: ich war fünfundzwanzig, würde wahrscheinlich niemals heiraten und suchte nach einer Liebhaberei, die meine Tage ausfüllen konnte. Das Leben einer Dame kann unendlich öde und langweilig sein.

Frauen waren zu der damaligen Zeit ab einem bestimmten Alter dazu verdammt, partnerlos zu bleiben. Eine Frau wurde erst dann als Frau angesehen, wenn sie verheiratet war und unter der Obhut ihres Mannes stand. Wenn jemand mit spätestens fünfundzwanzig Jahren noch nicht den Bund der Ehe eingegangen ist, galt sie als alt und blieb dann schließlich meist bis zu ihrem Lebensende ehelos.

Elizabeth stammt aus einer siebenköpfigen Familie. Verheiratet waren nur die Schwester Francis und der Bruder John, der nach dem Ableben der Eltern das Regiment seiner Schwestern übernahm … Und somit war Elizabeth nach dem Umzug von London nach Lyme mit ihrem neuen Hobby gut beschäftigt, auch wenn sie manchmal unter der Langeweile klagte, von der vermögende Damen hauptsächlich betroffen waren …

Elizabeth verzweifelt allerdings nicht an ihrer Partnerlosigkeit. Sie ist in der Lage, auch das Positive darin zu sehen, denn sie hat mehr Zeit zur Verfügung, von der verheiratete Frauen nur träumen können.

Marys Mutter Molly hegte anfangs Vorurteile gegenüber den drei Philpot-Schwestern, besonders weil sie nicht verheiratet waren. Sie sah es nicht gern, dass ihre Tochter Mary die Zeit mit Elizabeth verbrachte:

Aus der Sicht Elizabeths:

Ich wusste, dass Molly Anning nicht viel von mir hielt, denn ich verkörperte alles, was Mary nicht werden sollte: unverheiratet und von Fossilien besessen. Ich konnte Mollys Sorgen nachvollziehen.
Auch meine Mutter hätte mir ein anderes Leben gewünscht, und sogar ich selbst hatte vor ein paar Jahren noch andere Träume. Doch jetzt lebte ich eben, wie ich lebte, und es war gar nicht so schlecht. In mancherlei Hinsicht hatte ich mehr Freiheiten als verheiratete Frauen.

Mary hatte es schwer, in den Kreisen der Wissenschaftler aufgenommen zu werden. Ohne den Funden versteinerter Lebewesen wären die Wissenschaftler allerdings aufgeschmissen. Und Mary hatte es mit genügend Wissenschaftlern zu tun:

Aus Elizabeths Sicht:

William Buckland wusste Marys Talent zwar ehrlich zu schätzen, lebte aber so sehr in seiner eigenen Welt, dass er sie nicht als Frau wahrnahm. Wie sehr einen dies verletzen kann, hatte ich selbst kurz erfahren dürfen.

Interessant fand ich, dass mich Tracy Chevaliers Schreibstil an Jane Austen erinnerte, wie ich anfangs schon geschrieben habe. Tatsächlich wird die Autorin Jane Austen hier im Kontext auch noch erwähnt und zeigt doch, dass ich einen guten Riecher hatte. Elizabeth mochte die Autorin partout nicht, während ihre jüngste Schwester Margaret regelrecht für Austen schwärmte, da sie eine leidenschaftliche Belletristikleserin war, während Elizabeth ein Faible für Fachliteratur hegte: 

Während sich die Philpot-Schwestern über Marys Liebeskummer beratschlagten, Molly Anning hatte sie um Hilfe gebeten, da Mary vor Liebeskummer sich grämte, so war es Margaret, die das meiste Mitgefühl für Mary aufbringen konnte und nach einer außergewöhnlichen Idee verlangte, die bei den Schwestern auf Ablehnung stieß:

Wir warteten auf Margaret, um uns gemeinsam zu beraten. Als unsere Schwester abends heimkam, setzten wir uns ans Feuer und sprachen über Molly Annings Brief. Margaret war in ihrem Element. Dies war eine Situation wie aus einem der Romane, die sie so gerne las, zum Beispiel aus der Feder von Miss Jane Austen, die Margaret damals, bei unserem ersten Besuch in Lyme, im Ballsaal gesehen zu haben glaubte. In einem der Bücher von Miss Austen kam sogar Lyme vor, aber ich las keine Romane und wollte mich dazu auch nicht überreden lassen. Das wahre Leben war viel komplizierter, denn dort löste sich nicht alles in Wohlgefallen auf, weil die Heldin den richtigen Mann fand. Wir Philpot-Schwestern waren das beste Beispiel dafür, wie unerfreulich es in der Wirklichkeit ausgehen konnte. Ich brauchte keine Romane, um mich daran zu erinnern, was mir entgangen war.

 Eigentlich habe ich Jane Austen nicht so in Erinnerung, die Love-Storys mit einem schnulzigen Happy End schreibt, sie setzte sich eher gesellschaftskritisch mit der Stellung der Frau aus dem neunzehnten Jahrhundert auseinander. Nun, vielleicht liegt es an Elizabeth, die keine Ahnung von Austens Bücher hat …


 Nachdem es zwischen Mary und Elizabeth wegen einer Liebschaft und Eifersüchteleien zwischen den Frauen gekracht hat, trennten sich die Wege der beiden und Elizabeth nahm in sich durch die Trennung dieser Freundin eine gewisse innere Einsamkeit wahr. Elizabeth fühlte sich in der Gesellschaft nicht wohl, fühlt sich von ihren Mitmenschen als unverheiratete Frau nicht ausreichend beachtet:

Ich merkte, dass ich sowohl von Frauen als auch von Männern angestarrt wurde-ich war eine Außenseiterin. Plötzlich fühlte ich mich allein und schutzlos, die Luft um mich herum wirkte kalt, still und leer. Mir war, als irrte ich durch die Straßen, und ich befürchtete, im nächsten Moment gegen etwas zu prallen. Ich ging an einem Mann vorbei, der mich mit dunkel funkelnden Augen ansah, dann an einem anderen, der mir mit übertriebener Freundlichkeit einen guten Tag wünschte, bis er mein unattraktives, längst nicht mehr junges Gesicht sah und schnell weiterging.

Wie oberflächlich Menschen nur sein können, die andere Menschen nur nach dem äußeren Schein beurteilen. Viele Frauen haben innere Qualitäten …

Mary selbst wünscht sich auch ein Leben mit einem Mann und hat nicht die Absicht, sich auf Dauer mit toten Objekten zu befassen. Sie hoffte, dadurch aus der Armut ausbrechen zu können … Plötzlich tritt ein Mann namens Colonel Birch in ihr Leben, der mit Mary flirtet, sich aber mehr für die Fossilien zu interessieren scheint. Elizabeth versucht Mary den Mann auszureden, bis es erneut zu Wortkeilereien zwischen den beiden Frauen kommt. Aus Marys Sicht: 

Bei den Gefühlen überwogen Wut und Trauer, und zusammen ergaben die beiden Eifersucht. Genau, jetzt begriff ich es richtig, Elizabeth Philpot war eifersüchtig, weil ich so viel Aufmerksamkeit von Colonel Birch bekam. Wie konnte sie nur? Sie hatte nie ihre Möbel verkaufen oder verbrennen müssen, um ein Dach über den Kopf und es warm zu haben. Sie hatte mehrere Tische und nicht nur einen einzigen. Sie ging nicht bei jedem Wetter und Gesundheitszustand hinaus, um stundenlang und bis ihr der Kopf brummte, Fossilien zu suchen. Sie hatte keine Frostbeulen an Händen und Füßen, keine eingerissenen Fingerkuppen, die vom Lehm, der sich darin eingegraben hatte, grau waren. Und Nachbarn, die hinter ihrem Rücken über sie redeten, hatte sie auch nicht. Sie hätte Mitleid mit mir haben sollen, stattdessen beneidete sie mich.

Ich habe es Mary tatsächlich gegönnt, Colonel Birch für sich zu gewinnen. Das wäre es doch mal gewesen, dass sich ein Mann zu einer Frau bekennt, ohne die gesellschaftlichen Konventionen zu beachten. Wie viele Neider sich den Mund wund geredet hätten, das wäre nur zu köstlich.


Elizabeth war so eifersüchtig, dass sie sogar den Colonel warnte, und sie ihn auf den Standesunterschied aufmerksam machte. Das war auch der Grund, weshalb Elizabeth sich bei mir unbeliebt gemacht hat. Mary gab es ihr noch einmal ordentlich in verbaler Form, gebrauchte Schimpfwörter wie alte Jungfer und altes Fossil, als Elizabeth sie daran erinnerte, sie habe nach einer Gesteinslawine Marys Leben gerettet:

Aus Marys Sicht:
Der Wind nahm noch einmal Kraft auf und schwoll zum Orkan an. Ich brüllte so laut und wütend, dass Miss Elizabeth zurückwich. >>Ja, Sie haben mir das Leben gerettet! Und ich werde mein Leben lang die Last spüren, Ihnen dankbar sein zu müssen. Was ich auch mache, ich werde Ihnen immer unterlegen sein. Und wenn ich noch so viele Riesenbestien finde und Geld verdiene, niemals werde ich Ihre gesellschaftliche Stellung haben. Warum können Sie mir denn nicht wenigstens Colonel Birch lassen? Bitte?<< 
Auch Mary fühlt sich einsam, ihr ist bewusst, wie schwer es ist, in gewisse gesellschaftliche Kreise reinzukommen. 
Nie würde mich irgendjemand Miss Mary nennen, ich würde einfach immer nur Mary Anning sein. Und trotzdem war ich auch nicht wie die anderen Menschen aus der Arbeiterklasse. Ich steckte irgendwo dazwischen, und so wird es immer bleiben. Das machte mich zwar frei, aber auch einsam. 
Wie die Geschichte nun ausgehen wird, und was sich noch alles ereignet hat, möchte ich nicht weiter verraten.

Der Roman erhält von mir zehn von zehn Punkten …

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Nur Tote bleiben für immer siebzehn.
(Haruki Murakami)

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Mittwoch, 1. Juli 2015

Tracy Chevalier / Zwei bemerkenswerte Frauen

Lesen mit Anne ...

Und wieder sind vier Wochen vergangen; Anne und ich lesen gemeinsam ein Buch.
Mit dem Aussuchen des Buches war diesmal Anne an der Reihe ...  Ich denke, das war eine gure Wahl, nachdem ich die ersten fünfzig Seiten gelesen habe. Aber zu früh möchte ich das Buch nicht bejubeln. Abwarten, wie sich der Inhalt weiter entwickeln wird ...

Klappentext
England, 1830: Elizabeth Philpot, eine junge Frau aus besseren Kreisen, deren Familienerbe nicht zu einem standesgemäßen Leben in London reicht, wird von ihrem Bruder in den kleinen südenglischen Küstenort Lyme Regis abgeschoben. Was ihr zunächst wie eine Verbannung vorkommt, erweist sich als glückliche Fügung, denn am Strand nehmen seltsame Steine sie völlig gefangen: Fossilien. Und hier in Lyme Regis begegnet sie Mary, einem Mädchen aus ärmlichen Verhältnissen, das die Familie mit dem Verkauf von Fossilien über Wasser hält und dabei spektakuläre Funde macht. Die beiden so unterschiedlichen Frauen widmen ihr Leben den rätselhaften Versteinerungen. Doch dann verlieben sich beide in denselben Mann.

Autorenporträt
Tracy Chevalier, 1962 in Washington, D. C. geboren, zog 1984 nach England. Sie arbeitete zunächst als Lektorin, begann dann aber zu schreiben. Der internationale Durchbruch gelang ihr mit „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“. Die Autorin lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn in London.
Von der Autorin habe ich bisher noch nichts gelesen. Wer weiß, vielleicht finde ich in ihr einen neuen Schatz. Andere Buchtitel der Autorin klingen recht interessant.

Annes und Mirellas gemeinsame SuB-Liste