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Sonntag, 15. September 2019

Marcel Proust und Leonardo da Vinci

Weiter geht es mit Proust-Briefen von Seite 280 - 301. 

Da ich am kommenden Dienstag, 17.09.19, für sechs Tage verreise, und ich mich nächstes Wochenende in Stockholm befinde, haben Anne und ich die zehn Seiten noch vorgezogen, sodass wir uns mit zwanzig Seiten befasst haben. Nach dem Lesen hatten wir uns Gesternabend schon rege am Telefon ausgetauscht.

Auf diesen Seiten sind recht lange Briefe abgedruckt und wieder jede Menge geistreiche Gespräche waren zu entnehmen. Dadurch, dass uns die Schriftsteller, über die gesprochen wird, unbekannt sind, kamen uns die Gespräche sehr abstrakt vor, weshalb ich über diese Briefe nicht so viel schreiben werde. Die Details sind dadurch dem Buch zu entnehmen.

Schön fanden wir, dass der Schriftsteller Fernand Gregh in seinem Gedichtband in Prosa ein Gedicht geschrieben hat, das er Proust gewidmet hat, worüber er sich sehr gefreut hat. Das geht aus einem Brief vom Ende November 1901 hervor. Mon amitié avec Marcel Proust, meine Freundschaft mit Marcel Proust, (Anm. M. P.)

Aus der Fußnote geht hervor:
Gegen Ende des Bandes (…) findet sich unter den Prosagedichten eines mit dem Titel >Les Cloches sur la mer< [Glocken über dem Meer], das mit der Widmung >á Marcel Proust< versehen ist. Gregh widmete Proust diese kleine Arbeit in Erinnerung an einem gemeinsamen Aufenthalt in der Villa >Les Fremonts< (…) im September 1892, als sie eines Abends genau zur Stunde des Angelus-Gebets die alte Kirche Sainte-Catherine in Honfleur betreten hatten. (282)
In einem anderen Brief geht es um ein Synonym für die Homosexualität, das ich herausschreiben möchte, damit man die späteren Briefe vielleicht besser verstehen kann. Anne und ich hatten schon vor längerer Zeit den Verdacht geschöpft, dass Proust sich mit seinen sexuellen Partnern über einen Code austauschen würde.

An Antoine Bibeso
April 1902, Proust war hier 31 Jahre alt

In diesem Brief erfährt man, dass Leonardo da Vinci, (*1452, gest. 1519)  Prousts Lieblingsmaler war. Und auch Leonardo da Vinci soll ein Homosexueller gewesen sein. Weiter unten habe ich dazu aus der Fußnote ein Zitat hinzugefügt.

Entnommen haben wir auch, dass der Begriff >>Saläismus<< ein Synonym für Homosexualität stehen würde, wandelnd auf den Spuren von Leonardo da Vinci, wie auch aus der Fußnote hervorgeht. Proust schreibt:
Ich habe mir zum Saläismus recht profunde Gedanken gemacht, die ich Ihnen bei einem unserer nächsten metaphysischen Gespräche unterbreiten werde. Unnötig, Ihnen zu sagen, dass sie äußerst streng ausfallen. Aber es bleibt eine philosophische Neugier gegenüber den Menschen. Dreyfusard, Anti-Dreyfusard, Saläist, Antisaläist, das sind ungefähr die einzig interessanten Dinge, die man über einen Dummkopf wissen muss. (284)
Aus der Fußnote geht hervor:
>Saläismus< (sowie >Saläist< bzw. >saläistisch<): Im Sprachgebrauch Prousts und seiner Freunde Antoine Bibesco, Bertrand de Fénelon, und anderer ein Synonym für >Homosexualität<. (…) Eine andere interessante, aber weniger wahrscheinliche Geschichte schlug erst Alan Garric in seinem Blog >Libellules< auf der Internetseite der Zeitung Le Monde vor (…). Jean-Paul und Raphäel Enthoven habe sie in ihrem Dictionaire amoureux de Marcel Proust, Paris 2013, (…) übernommen. Demzufolge ließe sich die Spur zurückverfolgen bis zu Gian Giacomo Caprotti, genannt >Saläi< oder auch >Andrea Saläi< (ca. 1480-1524), einem Schüler (seit seinem 15. Lebensjahr) – und wohl auch Geliebten – Leonardo da Vincis. Dass Proust mit biographischen Details aus dem Leben Leonardos vertraut war, darf angenommen werden (Leonardo war der Lieblingsmaler des jungen Proust). Aber Sala scheint hier doch – buchstäblich näher zu liegen als Saläi. (285f)

Im nächsten Brief hat uns erneut Prousts Krankheit beschäftigt.
Marcel Proust lässt in jedem Brief verkünden, wie krank er war, sodass ich darüber nicht mehr schreiben wollte. Seine Krankheiten aufzuzählen finde ich langsam langweilig, auch wenn er mein Mitgefühl hat. Aber in dem folgenden Brief, der an die Mutter gerichtet war, brachte er mich und Anne erneut zum Nachdenken, denn nun war es auch die Mutter, die Prousts Erkrankungen infrage gestellt hat, so scheint uns, und jede Menge Druck auf ihn ausgeübt haben muss, ohne es vielleicht zu wollen. Aber der Sohn ist versiert, weiß sich zu wehren. Er schreibt:

An Jeanne Proust
August 1902, Proust ist 31 Jahre alt
Du sagst mir hierzu, dass andere Leute genauso viel Beschwerden haben und dabei arbeiten müssen, um ihre Familien zu ernähren. Das weiß ich wohl. Auch wenn dieselben Beschwerden nicht unbedingt dieselben Leiden bedeuten. Denn bei alldem muss man zwei Dinge beachten: die Materialität des Faktums, welches die Leiden auslöst. Und die seiner jeweiligen Natur geschuldete Leidensfähigkeit eines Menschen. Natürlich bin ich davon überzeugt, dass es viele Menschen gibt, die genauso und noch mehr leiden und dennoch arbeiten. Aber man hört auch von anderen, die diese oder jene Krankheit hatten und denen man jede Arbeit untersagt hat. Zu spät, während ich es lieber zu früh getan habe. Und ich habe recht daran getan. Denn es gibt diese Arbeit und jene Arbeit. Die literarische Arbeit ruft ständig die Empfindungen ab, die mit dem Leiden verknüpft sind (>Wenn mit so viel anderen Fesseln Du an Deinen Schmerz dich kettest<). (299)
Aus der Fußnote geht hervor, dass Proust aus dem Gedicht Don Paez zitiert hat. Details sind dem Buch zu entnehmen.

Meine Gedanken 

Ich freue mich immer, Neues durch Proust zu lernen. Dass Leonardo da Vinci sexuell auch männerorientiert gelebt hat, das hatte ich bis dato nicht gewusst.

Was Prousts lebensbedrohliche Erkrankung betrifft, hat mich zudem erschreckt, dass Jeanne Proust ihren Sohn dermaßen unter Druck gesetzt haben muss, dass er anfing, auch der Mutter seine Erkrankungen mit Rechtfertigungen zu erklären. Was diese Vergleiche mit anderen Menschen immerzu sollen, leuchtet mir einfach nicht ein. Man kann Menschen nicht mit anderen Menschen vergleichen. Und doch tut man dies immerzu. Selbst in unserer heutigen Zeit. Man wird dem allerdings niemals gerecht werden können, denn jeder Mensch ist nur mit sich selbst vergleichbar, weil jeder Mensch durch seinen eigenen Charakter und durch seine Herkunft ein anderer ist. Und Proust hat recht getan zu sagen, ich höre lieber früher auf zu arbeiten, bevor es zu spät ist. Wie ich schon andernorts geschrieben habe, haben Asthmatiker mit jedem neuen Anfall permanent den Tod vor Augen …

Wir werden sehen, wie sich Proust noch weiter entwickeln wird. Wir sind gespannt.

Hier mache ich nun Schluss und freue mich, nach meinem Urlaub wieder mit Anne weiter zu lesen. Anne dagegen freut sich auf eine Proust-Pause, was ich durchaus verstehen kann, denn sie hat auch noch andere Projekte am Laufen, denen sie sich an den Wochenenden widmen möchte. Aber Anne macht Proust auch Freude, so wie mir.

Übernächstes Wochenende geht es weiter von der Seite 301 bis 312.

Bis dahin gibt es bei mir nun eine kleine Blog Pause. 
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Unser aller Schicksale sind vermutlich geschaffen, 
um gelebt, nicht aber um verstanden zu werden.
(Marcel Proust)

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