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Samstag, 26. Juni 2021

Marcel Proust und der Brief an den Hund Zadig

Bildquelle: Pixabay
Es geht in die nächste Proust–Runde und setze die Briefe 
aus BD 1 weiter fort. Es gibt nach einer größeren Pause eine kleine Veränderung. Da Anne seit Herbst 2020 aus unserem Leseprojekt ausgestiegen ist und die Namensliste der Briefpartner dadurch nicht mehr fortgeführt wird, das war ihr Part, werde ich ab jetzt unter jedem Namen, den ich hier erwähne, die Personenbezeichnung in Klammern dazu setzen. Alles andere bleibt vom Schreibstil her bestehen wie gehabt.

Auf den folgenden Seiten nimmt man als Leser*in an dem langen Prozedere teil, wie Proust sein großes Werk seiner Recherche fertigmacht und sie auf den Weg zu einer Veröffentlichung bringt. Viele Gedanken über die Titelsuche, über die Struktur, über die Findung eines passenden Verlages … Doch nicht nur dies. In Prousts Briefen menschelt es wieder ordentlich, was ich wunderschön finde. Diese Briefe zaubern mir beim Lesen immerzu ein Lächeln auf die Lippen.

Neben den Briefen zu seinen Buchplänen bringe ich zudem ein Zitat zu dem Theatrophon und zu dem Hund seines Freundes Reynaldo Hahn namens Zadig mit ein.

Seite 658 bis 674

Die Veröffentlichung der Recherche ist ein enormer Prozess, sodass ich sicher mehrere Besprechungen darüber schreiben werde.

Proust ist noch unschlüssig, ob er sein Werk durch einen Verlag herausbringen möchte oder sich lieber als Selbstverleger dranmachen soll. Von Verlagsseiten scheinen ihm die Bedingungen zu hoch zu sein, möchte sich ihnen nicht beugen ... Sein Werk sei zu gesellschaftskritisch, für die damalige Zeit sogar zu anstößig, vor allem was die sexuelle Orientierung, die Homosexualität betrifft, denn Proust ist ein absoluter Tabubrecher … Er möchte keine Kompromisse eingehen.

Interessant finde ich, wie seine Recherche in einem kleinen Heftchen Carnet skizziert wird und sie darin wächst und wächst, sodass daraus mehrbändige Cahiers werden, bis sie irgendwann als ganze Buchbände vor ihm liegen. 

An Georges de Lauris, (ein Brieffreund)
März 1912

Ich bin sehr in Verlegenheit, mich im Hinblick auf dieses Buch zu entscheiden. Soll es ein Band von 800 - 900 Seiten werden? Ein Werk in zwei Bänden von je 400 Seiten? Zwei Werke von je 400 Seiten mit jeweils einem anderen Titel, unter einem gemeinsamen Obertitel? Das gefällt mir zwar weniger, ist aber den Verlegern angenehmer. Nur, soll man dann zwischen dem Erscheinen der zwei Bände eine Pause einlegen? Das läuft dem Geist des Buchs sehr zuwider. Und um eine augenfällige Einteilung zu finden, müsste man im ersten Band (wenn sie unterschiedliche Titel haben) den 1., 2., 3 und 5., Teil veröffentlichen, sodass der 4. erst im 2. Band erschiene, wobei man darauf aufmerksam machen müsste, dass er vor den letzten des ersten Bands gehört (dies, weil nach dem 5. eine Pause eintritt, aber wenn es die 5 Teile im ersten Band gäbe, hätte er 700 Seiten und der zweite nicht mehr als 200.) Aber ist das möglich? (Wenn es ein Werk in zwei unter demselben Titel gleichzeitig erscheinenden Bänden wäre, würde das gar nichts ausmachen, denn dann wäre keine Einteilung nötig, ich würde die Gesamtzahl der Seiten durch 2 dividieren und die eine Hälfte in einen Band, die andere Hälfte in den anderen stecken - übertrieben gesagt, aber letztlich in der Art.) (669)

In diesem Brief befindet sich Proust in einer großen Entscheidungsfrage, sein opulentes Romanwerk in Druck zu geben. Er erkennt selbst, dass sein Buch in einem einzigen Band definitiv zu lang ist.

 

Er bittet seinen Freund indirekt um Rat. Weitere interessante Details hierzu sind dem Brief zu entnehmen.

 

Proust sucht einen Verleger:

Träume ich oder hatten Sie mir einmal gesagt, dass Rene Blum vorübergehend bei Fayard oder ich weiß nicht wem gewesen war? Vielleicht ist er in diesen Fragen bewandert genug und könnte mich aufklären. Calmette dürfte das Buch aus übertriebener Liebenswürdigkeit Fasquelle bringen (was nicht mein Traum ist). Aber vorher will ich genau wissen, was ich verlangen darf, damit der Verleger sich nicht nur um das kümmert, was ihm am angenehmsten ist. (Ebd.)

Proust kränkelt wieder, kann nicht ausgehen, kein Theater besuchen, und nutzt zu Hause sein Thetrophon und genießt eine Oper von Debussy Pelléas et Mélisande. Folgende Textstelle hat mich tief berührt, die ich unbedingt festhalten möchte. Der Brief geht an …

… Antoine Bibesco (Diplomat)
Ende März 1911, hier ist Proust 39 Jahre alt

Ich bin äußerst erschöpft, weil ich unglücklicherweise am Theatrophon von Pelléas gehört und mich darin verliebt habe. Jeden Abend, an dem das aufgeführt wird, stürze ich mich auf dieses Gerät, so krank ich auch sein mag, und an den Tagen, an denen es nicht aufgeführt wird, übernehme ich Periers Rolle (Tenorsänger an der Pariser Oper, Anm. M. P.) und singe es mir vor und schlafe keinen Augenblick mehr. Danke nochmals für Deinen Besuch neulich, der mich so glücklich gemacht hat. Ich kann nicht mehr arbeiten! (658)

Diese Szene stelle ich mir bildhaft und auch lustig vor. Proust ist so was von lebendig, alle Sinne schwingen mit ihm mit, keine unterdrückt er. Das finde ich an ihm so wunderbar. Er ist ganz Mensch. Viele Intellektuelle könnten sich von ihm eine Scheibe davon abschneiden; sie denken, das wahre Leben spiele sich nur im Kopf ab und merken nicht, wie einseitig ihre Lebensweise doch ist, wenn sie den ganzen Tag Hochtrabendes von sich geben und der ganzen Welt ihr Wissen zur Schau stellen müssen. Hierfür liebe ich Marcel, der mir sein intellektuelles Leben in ganzheitlicher Form vorlebt. Seit ich seine Briefe lese, zieht es mich nicht mehr in diese einseitigen intellektuelle Kreisen hin ... Proust wirkt überhaupt nicht so blasiert wie der fiktive Marcel, den ich innerlich lesend häufig in seiner Arroganz abgestoßen hatte.

An Zadig (Reynaldos Hahn Hund, ein Langhaardackel; Reynaldo ist Prousts Liebhaber)
Okt. / Nov. 1911

Mon chér Zadig
Ich mag dich sehr, weil Du aus dem gleichen Grund wie ich viel Kummer und Liebe hast; und Du hättest auf der ganzen Welt nichts Besseres finden können. Aber ich bin nicht eifersüchtig, dass er mehr mit Dir zusammen ist, weil das gerecht ist und Du unglücklicher bist und mehr liebst. Ich will Dir sagen, woher ich das weiß, mein nettes Hundchen. Als ich klein war und Kummer hatte, weil ich von Mama weggehen oder verreisen oder ins Bett gehen sollte, oder weil ich ein Mädchen gern hatte, war ich unglücklicher als heute, einmal, weil ich wie Du nicht frei war, wie ich es heute bin, meinen Kummer irgend woanders loszuwerden, und also mit ihm eingeschlossen war, aber auch, weil ich in meinem Kopf angebunden war, keinen Gedanken hatte, keine Erinnerung an Gelesenes, kein Vorhaben, das mir Zuflucht geboten hätte. Und so bist du, Zadig, Du hast nie gelesen und Du hast nie Gedanken. Und Du musst hundeelend sein, wenn du traurig bist. (660)

Rührend dieser Brief … Doch stark anthropomorphistisch; nein, lieber Marcel, Tiere können unsere für Menschen gemachte Welt tatsächlich nicht lesen, so wie die Menschen die tierische Lebenswelt aber auch nicht lesen und nicht denken können ...

Weiter geht es am übernächsten Wochenende von der Seite 694 bis 704.

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Man kann nur über das gut schreiben,

was man liebt.

(Marcel Proust zitiert Ernest Renan)

 

Kennzeichen wahrer Originalität ist,
über ein nichtssagendes Thema nichts zu sagen.
(Brief an Georg de Lauris)

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Partnerschaft zwischen
Wissenschaft und Intuition!

Lesen mit Herz und Verstand!
Um die Welt, Menschen und Tiere
besser zu verstehen.

Mitgefühl für alle Mitseelen / Mitgeschöpfe
Deine Probleme könnten meine Probleme sein,
und meine Probleme könnten Deine Probleme sein.
Dein Schmerz, Mein Schmerz
Mein Schmerz, Dein Schmerz.
Wir sind alle fühlende Wesen.
(Den Tieren eine Stimme geben)

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Gehörte Bücher 2021: 13

Ich höre gerade: Sten Nadolny / Weitlings Sommerfrische
Aljoscha Long u. a. / Mit dem Herzen siehst du mehr
Hugh Lofting: Doktor Dolittle
Geo Podgast Staffel 2 / 26 Folgen zu Wissenschaft und Technik

Sonntag, 11. Oktober 2020

Proust und die Frage, wer sich hinter dem Rezensenten Louis Chevreuse verbirgt?

Auf den folgenden Seiten bekommt der Pariser Roman immer mehr Kontur. 

Foto: Journalist und Schriftsteller Robert Dreyfus, 1873 - 1939
sucht Anregungen oder Tipps bei seinem Freund Georg de Lauris bezogen auf die Figuren der Guermantes. Ach, wie vertraut mir doch dieser Name Guermantes nur ist. Aber 
die Antwort bleibt aus und Proust bohrt nach. (631)

Auf der Seite 648 gibt Proust seinem Freund Georges de Lauris am Ende seines Briefes bekannt, dass sein Roman kurz vor dem Abschluss stehen würde. Ui, denke ich mir, niemals kann die Recherche schon beendet sein. Ich bin so gespannt, wie sich dieser Prozess, von dem Proust selbst noch nichts ahnt, sich entwickeln wird. 

Leben Sie wohl, lieber Georg, ich schlafe nicht mehr, ich esse nicht mehr, ich arbeite nicht mehr, gibt noch vieles andere, was ich nicht mehr tue,  und zwar schon lange nicht mehr. Trotzdem, mit ein wenig Schwung wäre mein Buch in zwei Monaten fertig, aber werde ich diese zwei Monate je haben. (Februar 1911)

Irgendwo habe ich mal gelesen, dass die Recherche sein Lebenswerk war. Kurz vor seinem Tod hatte er sie beendet. Hier ist er erst Ende 30 und gestorben ist er mit 51 Jahren.

Doch es gab einen Brief, der mich positiv schmunzeln ließ, als einer seiner besten Freunde unter einem Pseudonym einen lobenswerten Artikel zu Prousts Übersetzung über die Bible d`Amiens geschrieben hatte. Es ist charmant zu lesen, wie verblüfft Proust war, als sich herausstellte, wer sich hinter diesen Decknamen verbarg. 

An Robert Dreyfus
8. Oktober 1910, Proust ist hier 39 Jahre alt

Ich hätte ja nichts dagegen, wenn Du mich weiterhin für scharfsinnig hieltest, aber ich muss doch der Wahrheit die Ehre geben: Nicht eine Sekunde lang habe ich vermutet, dass Du Chevreuse bist, und habe völlig naiv an Dich geschrieben, ohne zu ahnen, dass ich an Chevreuse schreibe. Besonders töricht war es, dass ich mir zwar dachte, es könne ein Pseudonym sein, dass hinter diesem Pseudonym Bonnard, Beaunier (...) stecken könnten (ein sehr elastisches Pseudonym) und dass jedes Mal, wenn man sich irrt, mir nicht einmal die bloße Möglichkeit, dass Du es sein könntest, in den Sinn kam. Es ist mir im Traum nicht eingefallen! Vielleicht weil ich, da Du schon als D. sehr nett zu mir gewesen bist, gedacht habe, damit wäre es genug für das ganze Leben und Du würdest nie wieder auf die Idee kommen, meinen Namen zu erwähnen. (...) Was Du gesagt hast, ist überaus nett, aber vor allem ist es überaus nett, dass gerade Du es gesagt hast. Gewiss, es ist schmeichelhaft, unbekannte Freunde zu haben. (...) Und dieser Chevreuse, der an der Bible d`Amiens Gefallen fand - ich habe Dich zwar gefragt, ob das nicht das Pseudonym von jemanden sei, den ich kenne, aber im Grunde habe ich doch gehofft, dass es jemand ist, den ich nicht kenne, jemand ungeheuer Talentiertes, der die Bible d`Amiens so sehr mochte, dass er es unbedingt mitteilen musste. Aber eigentlich bin ich doch nicht enttäuscht, dass dieser sympathische Chevreuse mit jemandem verschmolzen ist, dessen Beifall nur ein Beweis seiner Freundschaft ist. Ich habe dem Unbekannten nicht nachgeweint, ich habe mich lebhaft gefreut, dass es der Freund war. So preise ich Dich, liebe Dreifaltigkeit, in drei Personen, ich bin D. und Chevreuse äußerst dankbar, aber Robert Dreyfus ist mir von den dreien der Liebste. (636f) 

Aus der Fußnote ist zu entnehmen, dass Proust am 6. oder 7. Oktober in einem Brief seinen Freund Robert Dreyfus um Auskunft bat, wer die Person Louis Chevreuse denn sei?

Prost fragten in einen Brief an Dreyfus, den Dreyfus gerade beantwortet hatte: > Wer ist ein gewisser Monsieur Louis Chevreuse, der mich kürzlich ( ...) auf sehr liebenswürdige Weise zitiert hat, in einem äußerst interessanten Artikel über die Kathedrale von Straßburg. Ist es ein Pseudonym, ist es jemand, den ich kenne? < (638)

In den weiteren Briefen ging es wieder recht geistreich zu. Proust hat ein Theatrophon abonniert, das er allerdings wegen der schlechten Hörqualität wenig nutzen würde. Von zu Hause aus konnte er Opern und Theaterstücke verfolgen, ohne das Haus verlassen zu müssen. Mit dem Theatrophon wird nochmals deutlich, wie krank er ist, und immer wieder liest man in seinen Briefen, dass er wochenlang oder gar monatelang das Haus nicht verlassen hat.

Aber bei den Opern Wagner, die ich fast auswendig kenne, machen mir die Unzulänglichkeiten der Akustik nicht viel aus. (648)

Erstaunlich, dass er Wagners Opern zum großen Teil auswendig kennt. Er tauscht sich mit seinem Musikerfreund Reynaldo Hahn im März 1911 über verschiedene Opernstücke aus. Ich wusste nicht, dass Goethes Werther auch zu einer Oper komponiert wurde.

Und man liest viel Schmeichelhaftes. Reynaldo Hahn würde mehr Tiefgang haben als der große Wagner. Das war sicher wieder so eine Schleimerei von Proust.

Aber Proust kann auch sehr empathisch sein. Sein Freund Reynaldo Hahn hat am 09.11.1910 seinen Bruder Henri im Alter von 54 Jahren verloren, der in seiner Wohnung verstarb. Der ganze Brief an seinen Freund ist wundervoll geschrieben, ich aber nur die letzten Zeilen zitieren möchte.

Wenn ich etwas für Dich tun kann, sag es mir. Selbstlosigkeit ist ein Ablenkungsmittel für ohnmächtige Zuneigung. Was das Unglück selbst angeht, so kannst Du Dir all die Fragen denken, die ich mir stelle. Aber da ich sie nur Dir stellen will und in diesem Augenblick um nichts auf der Welt will, dass Du mir antwortest, begnüge ich mich damit, in Gedanken Deine Hand in der meinen zu halten und (nicht nur in Gedanken) mit Dir zu weinen. Dein tief trauriger Marcel Proust (642)

Puh, Proust ist nie um Worte verlegen. Er findet selbst in solchen schwierigen Momenten eines Menschen den richtigen Ausdruck, wo manch andere lieber schweigen würden.

Weiter geht es nächstes Wochenende von Seite 653 – 663.

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Proust Zitate

Man kann nur über das gut schreiben,
was man liebt.
(Marcel Proust zitiert Ernest Renan)

Kennzeichen wahrer Originalität ist,
über ein nichtssagendes Thema nichts zu sagen.
(Brief an Georg de Lauris)

Es genügt, mit den Menschen zusammen zu sein, die man liebt; man kann träumen, mit ihnen sprechen, nicht mit ihnen sprechen, an sie denken, an unwesentlichere Dinge denken, in ihrer Gesellschaft ist das alles gleich. Wenn man mit den Menschen zusammen ist, die man liebt, ist es ganz gleich, ob man mit ihnen spricht oder nicht.
(Marcel Proust zitiert 
Jean de La Bruyère)


Samstag, 26. September 2020

Marcel Proust und seine Angst vor Ideenräubern

Wieder jede Menge Gedanken zu seinem Pariser Roman. Proust bittet die

Briefpartner*innen immer wieder um Stillschweigen, da er befürchtet, auf Ideenräuber zu stoßen und ausgeplündert zu werden 💓.

An Alfred Vallette
Mitte August 1909, Proust 38 Jahre alt

Dieser Brief hatte übrigens die Besonderheit, wenn schon leider höchst belanglos, so doch zugleich äußerst vertraulich zu sein. Ob meine Vorschläge Ihnen zusagen oder nicht, ich bitte Sie, Sie wenigstens in einem Punkt geheim zu halten. Sie werden gleich sehen, warum. Ich beende ein Buch, das trotz seines vorläufigen Titels gegen Saint Beuve, >Erinnerungen an einem Vormittag< ein echter Roman ist, und zwar in manchen Teilen ein höchst unsittlicher. Eine der Hauptfiguren ist ein Homosexueller. Und ich zähle darauf, dass Sie dies buchstäblich geheim halten. Würde es vor Erscheinen des Buches bekannt, dann würden zahlreiche treu ergebene und furchtsame Freunde mich bestürmen, nur ja darauf zu verzichten. Außerdem denke ich mir, dass in alldem (mit Verlaub!) Neues steckt, und ich möchte nicht von anderen ausgeplündert werden. (607)

Auch an Geneviève Straus spricht er über sein umfangreiches Buch, das er ihr als beendet bekannt gibt. Damals war ihm selbst noch nicht bewusst, dass zu diesem Band noch sechs weitere Folgen anschließen sollten.

An Geneviève Straus
Mitte August 1909
Cabourg

Ich möchte nicht, dass Sie die schon oft geäußerten, aber diesmal vielleicht ernster zunehmenden Drohungen allzu ernst nehmen, glaube jedoch, dass Sie mich dieses Jahr recht häufig in Paris sehen werden. Und zuvor werden Sie mich lesen - und zwar mehr, als Ihnen lieb ist - denn ich habe vor kurzem ein langes Buch begonnen - und beendet. Leider hat die Reise nach Cabourg meine Arbeit unterbrochen, und ich muss mich erst wieder daransetzen. Vielleicht erscheint ein Teil davon in Fortsetzungen im Figaro, aber nur ein Teil. Denn es ist zu unschicklich und zu lang, als dass man es insgesamt herausbringen könnte. Aber ich möchte damit zu Ende, ans Ziel kommen. Wenn alles fertig ist, bleibt noch viel umzuarbeiten. (611f)

Da ich ja alle Bände dieses Pariser Romans gelesen habe, finde ich es jetzt richtig spannend an der Entstehung, wenn auch nur geistig beteiligt zu sein. Es fühlt sich gut an zu erleben, wie diese Größe an Kunstwerk entstanden und welche Entwicklung es durchlaufen ist.

In der Fußnote geht hervor, dass es hier schon Zyklen zu Swanns Liebe zu erkennen gab. Ich denke, dass Proust selbst noch nicht ahnte, dass seine Arbeit sich zu einem Jahrzehnte langes Werk entpuppen wird.

In diesem Brief werden auch Weisheiten ausgetauscht. Und darüber, wie sich sein Schriftstellerfreund Robert de Montesquioi sich in Paris neu eingerichtet haben soll, und bringt einen Vergleich mit Romanen.

Wir glauben, wir sind hübscher Häuser überdrüssig, weil alles gleich ist und uns langweilt. Aber damit steht es wie mit den Romanen, wir sind sie leid bis zu dem Tag, da ein originelles Buch erscheint, das uns wieder aufnahmebereit und leselustig macht. Ich bin sicher, dass die ganze ausgesuchte geschmackvolle Einrichtung Ihnen sehr gefallen würde und dass es ihm große Freude machen würde, sie Ihnen zu zeigen. Denn er hat die ganz schlichte Natur wahrer Künstler, und wenn nur sehr wenige Menschen ihm gefallen können, so gefällt ihm an diesen wenigen alles. Sie kennen La Bruyères Ausspruch: >Mit geliebten Menschen zusammen sein, mit ihnen sprechen, nicht mit ihnen sprechen - das bleibt sich gleich, wenn man nur mit ihnen zusammen ist< (ich zitiere sehr ungenau). Das ist leider ein Vergnügen, das ich nicht habe, ich bin nie mit den Menschen zusammen, die ich liebe. in Paris habe ich wenigstens den Trost, nicht mit denen zusammen zu sein, dich ich nicht liebe, in Cabourg habe ich ihn nicht. (612)

Damit äußert Proust auch seine Unzufriedenheit mit den gegenwärtigen Kontakten, weshalb er Jean de La Bruyère dabei zitiert. Der französische Moralist und Schriftsteller Jean de La Bruyère ist 1645 in Paris geboren und 1696 in Versailles gestorben.

Proust sehnt sich nach geliebten Menschen. Ich denke immer noch, dass ihm seine 1905 verstorbene Mutter sehr stark fehlt. Sie war ihm einfach eine seelische Stütze, sowohl in seinen geistigen Aktivitäten als auch wenn er krank war.

 Zurück zu seinem Pariser Roman, über den er mit einem weiteren Freund spricht und zeigt, wie groß sein Bedürfnis ist, sich darüber mitzuteilen. Und auch hier bittet er um Vertraulichkeit.

An Georges de Lauris
Anfang Dezember 1909

Was die Diskretion betrifft, so können Sie sehr gern sagen, dass ich Ihnen den Anfang meines Buches zu lesen gegeben habe, und falls jemand finden sollte - worauf ich mir keinerlei Hoffnung mache!-; dies sei ein exklusives Privileg, so erklärte und betone ich nur allzu gern meine Vorliebe für Sie. Worum ich Sie bitte, ist, dass sie weder das Thema noch den Titel weitererzählen, kurzum nichts, was Einblick verschaffen könnte (…). Aber außerdem will ich weder bedrängt noch belästigt, weder erahnt noch überholt, weder kopiert noch kommentiert, weder kritisiert noch geschmäht werden. Wenn mein Denken und sein Werk vollendet hat, wird immer noch Zeit sein, der Dummheit der anderen das Feld zu räumen! (618f)

Was meint Proust damit? Ist sein Werk nur gut, wenn er auf positive Stimmen stößt, und dumm sind die Leser*innen, die es kritisch beäugen? Wie kritikfähig ist Proust selbst?

Wenn ich an meine eigenen Schreibtexte denke, war ich mein strengster Richter gewesen, der mir dadurch viel Kraft geraubt hat, bis ich das Schreiben aufgeben musste. Rückblickend betrachtet hätte es mir gutgetan, mit einem liebevolleren Blick darauf zu schauen. Bei Proust denke ich allerdings ganz häufig, dass er zu geschwollen daherredet. Viel zu viele Worthülsen, wo ich mir mittlerweile nicht mehr sicher bin, ob er sie auch wirklich ernst meint. Im Grunde will er immer nur Gutes über sich reden hören. Psychologisch betrachtet grenzt dieser Charakterzug schon gewaltig an Selbstsucht, ohne seine Schreibkunst schmälern zu wollen.

Weiter geht es hoffentlich nächstes Wochenende von Seite 630 - 640.

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Proust Zitate

Man kann nur über das gut schreiben,
was man liebt.
(Marcel Proust zitiert Ernest Renan)

Kennzeichen wahrer Originalität ist,
über ein nichtssagendes Thema nichts zu sagen.
(Brief an Georg de Lauris)

Es genügt, mit den Menschen zusammen zu sein, die man liebt; man kann träumen, mit ihnen sprechen, nicht mit ihnen sprechen, an sie denken, an unwesentlichere Dinge denken, in ihrer Gesellschaft ist das alles gleich. Wenn man mit den Menschen zusammen ist, die man liebt, ist es ganz gleich, ob man mit ihnen spricht oder nicht.
(Marcel Proust zitiert 
Jean de La Bruyère)


Sonntag, 23. August 2020

Der intellektuell schaffende Marcel Proust

Foto: Pixabay

Marcel Proust ist sehr aktiv, trotz seiner Erkrankung arbeitet er an mehreren Schreibprojekten. Im Mai 1908 beginnt er an seinem Pariser Roman zu schreiben, das waren schon die Anfänge seiner siebenbändigen Recherche, er das nur noch nicht wusste, da die Idee bisher nicht ausgereift war. Proust konnte sich in den Anfängen noch nicht festlegen und pendelte zwischen einer Studie und Roman hin- und her. Einige Notizen ließen schon auf Swanns Liebschaften schließen, die er im Carnet festgehalten hatte. Des Weiteren schreibt er drei Essays, einer davon bezieht sich auf Frauen. Dieser würde mich ganz besonders interessieren und habe dadurch im Internet tatsächlich dazu ein Buch finden können, siehe Ende dieses Postings.

Proust besitzt einen so großen intellektuellen Kreis, für den man ihn nur bewundern kann. Er kennt alle möglichen Leute aus allen Kunstszenen. In einem Brief an Geneviève Straus, die sich als Frau selber auch schriftstellerisch betätigt, beschreibt er einen Vorfall durch seinen Musikerfreund Reynaldo Hahn. Außerdem scheint G. Straus als Frau auch Probleme zu haben, in Kreisen der männlichen Autoren anerkannt zu werden. Proust dagegen geht wie immer sehr schmeichlerisch auch mit intellektuellen Frauen um.  Proust befindet sich in Versailles und ist wieder sehr krank, sodass er nicht zurück nach Paris kann.

An Geneviève Straus
Ende Oktober 1908, hier ist Proust 37 Jahre alt

Als ich ankam, war Reynaldo hier, mit dem ich viel über Sie gesprochen habe und er besser über Sie redet als irgendein anderer. Er ist ein oder zweimal an mein Krankenlager gekommen, um hier sein Ballett für die Oper zu komponieren, während Agostinelli und mein Kammerdiener mit mir Domino gespielt haben. (Lt. Wikipedia ist Alfred Agostinelli Prousts Sekretär, Chauffeur und Mechaniker gewesen, Anm. d. Verf.)

Ich weiß nicht, wie er so inmitten des Lärms komponieren kann. Aber nach ein paar Tagen ist er abgereist, und ich habe mich nicht wohl genug gefühlt, ihn noch einmal zu mir zu bitten, da ich keinen einzigen erträglichen Abend hatte. Sobald ich mich besser fühle, kehre ich nach Paris zurück. Ich denke, Sie werden auch nicht auf sich warten lassen, und ich werde Sie bald sehen. (576)

Diese Opernszene konnte ich mir bildlich sehr gut vorstellen. Künstler suchen häufig eine Bühne bei Freunden, auf der sie ihr Kunstwerk üben und darstellen können und hoffen dabei auf konstruktive Kritik. Das kenne ich aus meiner Zeit selbst sehr gut, als auch ich viele fiktive Texte, vor allem Kurzgeschichten, geschrieben hatte. Ständig suchte ich die Nähe meiner Freund*innen auf, denen ich mein Kunstwerk lesend darstellen wollte. Aber wieso spielt Proust weiter Domino? War Proust von seinem Musikerfreund genervt? Wie konnte aber Reynaldo Hahn überhaupt komponieren, während die Anderen ihm nicht zuhören und stattdessen Lärm verursachten?

Aber in dem Brief geht es auch weiter sehr geistreich zu. Ganz viel Konversation zu den Werken anderer Schriftsteller und zu deren Schreibstil …

Madame, was für ein finsterer Wahn hat mich getrieben, Ihnen von Grammatik und Literatur zu schreiben. Und ich bin so krank! (579)

Proust arbeitet auch an einer Studie, in der er seine tote Mutter aufleben lässt. Er schreibt im Dezember 1908 an Anna Noailles, um sie um Rat zu bitten. Man sieht, wie sehr Proust seine Mutter vermisst, die ihm häufig mit Rat und Tat zur Seite stand.

Madame,
würden Sie mir wohl erlauben, Sie ohne Umschweife um einen Rat zu bitten? Obwohl ich sehr krank bin, möchte ich eine Studie schreiben. Zwei unterschiedliche Möglichkeiten zeichnen sich vor meinem geistigen Auge ab, und ich muss zwischen ihnen wählen. Ich kann mich aber nicht entscheiden und sehe nicht klar. Die erste ist ein klassischer Essay, der Taine`sche Essay, nur tausendmal schlechter (vom Inhalt abgesehen, der, glaube ich, neu ist). Die zweite beginnt mit einer Erzählung vom Morgen, vom Aufwachen, Mama kommt zu mir ans Bett, ich sage ihr, dass ich eine Studie über Sainte–Beuve im Sinn habe. Können Sie mir sagen, was Ihnen besser schiene? Ich hätte Sie so sehr um Verzeihung zu bitten, dass meine Erschöpfung mich davon Abstand nehmen lässt, es überhaupt erst zu versuchen, aber was meine Kühnheit maßlos macht, ist zugleich das, was sie entschuldigt: Weil Sie unser größter Schriftsteller sind, ist es ungeheuerlich, Sie mit solchen Nichtigkeiten zu behelligen, aber aus eben diesem Grund ist Ihr Rat unersetzlich. Gestatten Sie mir Madame, den Ausdruck meiner zutiefst ergebenen Bewunderung. (583)

Zu Sainte-Beuve konnte ich auf Wikipedia in Erfahrung bringen, dass dies ein unvollendetes Essaybuch ist, das zwischen 1895 und 1900 verfasst wurde. Das Werk wurde 1954 posthume veröffentlicht. Proust war ein Sainte-Beuve Gegner, und hat sich wahrscheinlich sehr kritisch zu ihm geäußert. Charles Augustine de Sainte-Beuve war ein französischer Literaturkritiker, der von 1804 bis 1869 gelebt hat. Literaturkritiker*innen setzen sich immer der Gefahr aus, von Autor*innen abgelehnt zu werden, die ihre Texte regelrecht zerreißen. Wenn ich an Marcel Reich-Ranicki denke, so kann ich mich nicht erinnern, dass er sich auch mal löblich über ein Buch ausgelassen hat.

Der Tagesspiegel bestätigt meine Vermutung und habe folgenden Artikel gefunden.

>Nachgelassenes und Wiedergefundenes“ ist so vor allem auch der Ergänzungsband zu dem von Proust 1908 begonnenen, in einer Art Textsammlung 1954 erstmals auf Deutsch veröffentlichten und 1997 in der Frankfurter Ausgabe neu arrangierten Romanessay „Gegen Sainte-Beuve“. Ursprünglich wollte sich Proust damit gegen den Großkritiker und Moralisten Charles-Augustin de Saint- Beuve richten. Der lehnte einen seiner Meinung nach ausschließlich dekadenten Autor wie Proust ab und hielt ihn ungeeignet dafür, „einer großen sozialen Bewegung zu dienen<.

Nun hat aber dieser französische Literaturkritiker vor Prousts Zeiten gelebt. Wie konnte er denn Proust als Autor ablehnen? Ist mir echt ein Rätsel. Hat er so etwas wie eine Schablone verfasst, in der Sainte-Beuve gute und schlechte Literatur in einen Maßstab gesetzt, mit dem Proust sich auseinandergesetzt hat? Anders macht das keinen Sinn.

Weiter geht es mit seinen Briefen …

In seinen Briefen behandelt Proust die Frauen immer sehr wohlwollend. Er ehrt und respektiert sie. Gerne hätte ich sein Essay über die Frauen gelesen. Immerhin hielt er eine starke Beziehung zu seiner Mutter, die ihn von seinen Familienmitglieder*innen am meisten geprägt zu haben schien. Aber in seiner Recherche, ich weiß nicht mehr in welchem Band, geht er nicht immer so respektabel mit dem anderen Geschlecht um. Als er hier über seine Mutter geschrieben hat, sind mir Szenen aus der Recherche eingefallen, die auf jeden Fall biografische Züge hatten. Auch Szenen mit der Großmutter.

Auf den folgenden Seiten ist Proust nicht mehr der Ratsuchende, sondern der Ratgebende gegenüber seinen Schriftstellerkollegen.

An Robert Dreyfus
Ende März 1909, Proust ist hier noch 37 Jahre alt

Vor geraumer Zeit schon hatte ich Dir schreiben wollen, um Dir zu deinen Artikeln im Figaro zu gratulieren. Ganz am Anfang gab es einen oder zwei, die mir nicht gefallen hatten, weil ich nicht zu begreifen vermochte, dass es Kennzeichen wahrer Originalität sei, über ein nichtssagendes Thema nichts zu sagen. (596)

Hier bewundere ich Prousts Diplomatie, wie er es schafft, dem Freund mitzuteilen, dass ein paar seiner Artikel schlichtweg nichtssagend gewesen sind. Und doch ist er in der Lage, sich von den weniger guten Artikeln wieder zu distanzieren, um die folgenden Texte aufgeschlossen und neu bewerten zu können.

Aber seither gab es mehrere, die ich köstlich gefunden habe. Und jetzt schaue ich immer vertrauensvoll und freudig in den Figaro wie in das Fenster eines erleuchteten Salons, wo man sicher ist, einem geistreichen und charmanten Freund vorzufinden. (Diese Szene ist bei Swann zu finden, BD1, Anm. d. Verf.) Und ich trete ein-. Und wenn Du unbedingt willst, halte ich auch zwischen der neunten oder zehnten Spalte andachtsvoll inne, dort, wo der heitere Weise in seiner Nische sitzt, der im Mittelalter die Lehre der Werke und Tage verkündete und aus dessen Mund Spruchbänder wehten mit Sentenzen, die allerdings naiver sind als deine reizenden Bemerkungen: >April macht, was er will. < (596f)

Im folgenden Brief an Lauris wird auf eine abfällige Bemerkung zu der intellektuellen Einfachheit mancher Frauen eingegangen, und ich es bedauere, dass Proust keine Einwände äußert. Es gibt ja schließlich auch zahlreiche einfach gestrickte Männer, die ausschließlich sexorientiert eingestellt sind. Außerdem wollten damals viele Männer keine intelligenten Frauen haben, und sich viele Damen, um nicht partnerlos durch's Leben ziehen zu müssen, den Bedürfnissen der Männer angepasst hatten.

An Georges de Lauris
Anfang Juli 1909

Einiges fand ich wundervoll. Zum Beispiel die Bemerkung, dass die Begierden, die uns später versklaven, uns zunächst einmal befreien. Das ist bewundernswert. Auch diese Momente der Stille, die einen Sonnenstrahl gefangen halten, erschien mir sehr hübsch. Die Intelligenz mancher Frauen, die sich auf ihre Schönheit und die Lust beschränkt, die sie in ihren Liebhabern entfacht, ist höchst bemerkenswert. Tausenderlei über die Beine ist bezaubernd, vor allem über die Beine des 17. Jahrhunderts. Die Perlen ihres Buchs sind im Übrigen die Gespräche. Endlich einmal Gestalten, die gut sprechen und bezaubernde Dinge sagen. Das durfte ein wenig an der Dame liegen, die Ihnen als Modell gedient hat. Und an Ihnen selbst, der Sie ein so begnadeter Plauderer sind. Ich finde gar kein Ende, Ihnen zu sagen, was gut ist, fast alles. Hier ein paar vieler (oder vermeintliche Fehler). (600)

Proust zitiert die Dialoge, die in seinen Augen fehlerhaft erscheinen. Aber würde jemand zu mir sagen, ich wäre eine begnadete Plauderin, das hätte ich niemals als ein Kompliment auffassen können.

Prousts Sichtweisen zu Frauen sind bisher in den Briefen immer sehr wertschätzend und wohlwollend gewesen. In der Recherche dagegen kann ich das nicht behaupten. Nun bin ich aber neugierig geworden und möchte es genau wissen und habe im Netz recherchiert, was Proust über Frauen in seinem Essay geschrieben hat. Diesen möchte ich unbedingt auch lesen und bin auf Amazon mit folgendem Titel fündig geworden:

Marcel Proust und die Frauen: 18. Publikation der Marcel Proust Gesellschaft (Deutsch) Taschenbuch – 12. August 2019

Ursula Voß; Marcel Proust und die Frauen.

Luzius Keller: Werke. Frankfurter Ausgabe: Werke I. Band 3: Essays, Chroniken und andere Schriften (Deutsch) Gebundene Ausgabe – 17. Mai 1992

Ich werde mir das eine oder andere Buch morgen in einer Buchhandlung bestellen, und dann werde ich sehen, welche Sichtweise er tatsächlich zu Frauen hegt. In den Briefen habe ich, wie schon gesagt, bisher keine abfälligen Bemerkungen Frauen gegenüber finden können, und ich dachte schon, dass ich eventuell die Recherche falsch gedeutet habe. Wir werden sehen. Ich bin neugierig, was sich dazu noch entdecken lässt.. 

Nachtrag, Mo. 24.08.2020

Ich habe heute die beiden oberen Bücher zur Ansicht bestellt, da dies doch nicht die Bücher sind, die ich gesucht habe. Ich wollte Prousts Essay über Frauen lesen und keine Interpretationen zu Proust und Frauen. Ich konnte mich mit der Buchhändlerin, die Germanistik studiert hatte, gut austauschen. Ich habe ihr von den Briefen berichtet, wie schwierig die Fußnoten seien, die sehr knapp, fast im Telegrammstil, verfasst wurden, die mir häufig überhaupt nicht hilfreich seien. Ich wollte wissen, wie Literaturwissenschaftler*innen mit diesen Fußnoten umgehen würden. Sie meinte, die Fußnoten würden nur einen Hinweis geben, weiter zu suchen. Tja, nichts anderes mache ich. Aber ich bin keine Proust-Wissenschaftlerin, ich gehe nicht jeder Fußnote nach. Dafür fehlt mir einfach die Zeit, wenn ich noch andere Bücher lesen möchte.

Nun gibt es im Suhrkamp - Verlag drei Werkbände und werde mir noch im Nachhinein meiner Internetrecherche davon den dritten Band bestellen, in dem Prousts Essays abgedruckt sind. Ich hoffe, dass der Essay zu den Frauen sich auch darunter befinden wird. Ich möchte, wie schon gesagt, unbedingt Prousts Originaltext lesen. Ich möchte meine eigenen Gedanken, Beobachtungen und Analysen entwickeln, und erst im Anschluss diese mit den Interpretationen der o. g. Autorinnen vergleichen. Ich bin immer noch der Meinung, dass Proust in der Recherche nicht immer mit den Frauen so wohlwollend umgegangen ist wie in seinen Briefen. Mir fallen dazu sämtliche Szenen ein, die ich in den dortigen Buchbesrechungen beschrieben hatte. 

Ich habe das ganze Wochenende wieder mit Proust zugebracht. Am Samstag habe ich seine Briefe gelesen, am Sonntag darüber geschrieben und viel im Internet recherchiert und weitere Texte gelesen. Früher hatte ich an den Wochenenden immer ein Buch ausgelesen, und seit ich Prousts Briefe lese, komme ich nicht mehr dazu. Dadurch kommen meine anderen Bücher definitiv zu kurz. Ich habe noch so viele andere Leseprojekte laufen, die notgedrungen auf Eis gelegt sind, wenn ich Proust nicht vernachlässigen möchte. Aber mein Wissensdrang wird immer größer, dass ich nicht anders kann, als ihn mit noch mehr Texten und Materialien zu stillen. 

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Proust Zitate

Man kann nur über das gut schreiben,
was man liebt.
(Marcel Proust zitiert Ernest Renan)

Kennzeichen wahrer Originalität ist,
über ein nichtssagendes Thema nichts zu sagen.
(Brief an Georg de Lauris)

Gelesene Bücher 2020: 15
Gelesene Bücher 2019: 34
Gelesene Bücher 2018: 60
Gelesene Bücher 2017: 60
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86