Donnerstag, 27. Februar 2014

Kerstin Ekman / Hexenringe

Klappentext
Schweden zu Beginn der Gründerzeit: Am Ende des 19. Jahrhunderts dringt die neue Zeit auch in die hintersten Winkel des Landes, dorthin, wo Tora Lans in ärmlichsten Verhältnissen zur Welt kommt. Ihr Leben als Dienstmädchen scheint ebenso vorherbestimmt wie das ihrer Mutter Edla und der Großmutter Sara, bei der Tora nach dem Tod der Mutter aufwächst. Doch das erwachende Selbstvertrauen und der trotzige Lebenswille des jungen Mädchens helfen ihr, sich gegen ein Schicksal in Armut und Abhängigkeit aufzulehnen. – »Der Roman ist kein Elendspanorama, denn Kerstin Ekman setzt auf Ironie und Humor. Immer bleibt Spannung und Leselust erhalten.« (taz)



Autorenportrait
Kerstin Ekman wurde 1933 in Schweden geboren. Die mehrfach preisgekrönte Autorin arbeitete zunächst als Lehrerin, Drehbuchautorin und Literaturkritikerin, bevor sie mit ihren Romanen bekannt wurde. Mit "Geschehnisse am Wasser" gelang ihr schließlich der internationale Durchbruch. Sie wurde 1978 als dritte Frau in die Schwedische Akademie gewählt. Ihr vierteiliger Romanzyklus, der mit "Hexenringe" und "Springquelle" beginnt, gilt als bedeutendstes Epos der jüngsten schwedischen Geschichte.

Montag, 24. Februar 2014

Anita Shreve / Weil sie sich liebten (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch hat mich dermaßen gefesselt, dass ich nicht mehr aufhören konnte zu lesen, bis ich die letzte Seite erreicht habe. Es hat mich auch sehr nachdenklich gestimmt. Es war ein harter Stoff, den die Autorin behandelt hat.

Ich gebe noch einmal zur Erinnerung den Klappentext rein:
Mike Bordwin ist stolz, Direktor der renommierten Avery Academy zu sein. Doch ein kurzer Moment genügt, um seinen Lebenstraum zu zerstören: Ein Video gerät an die Öffentlichkeit, auf dem sich drei Schüler mit einem deutlich jüngeren Mädchen amüsieren und dabei maßlos über die Stränge schlagen. Ein aufwühlender Roman über Leidenschaft und Treue, Begierde und die Zerbrechlichkeit des Glücks.

Am Schluss der Handlungen wurde mir klar, was Anita Shreve mit dem Titel Weil sie sich liebten sagen wollte.

Die fünf Jugendlichen veranstalten in einem Eliteinternat eine Sexorgie, die zu einem Skandal führt. Sienna, 14 Jahre alt, war die Jüngste und das einzige Mädchen unter den fünf Jugendlichen, die es schaffte, durch ihr stark sexuelles Auftreten junge Männer auf der Schule zu verführen. Ein Junge beschreibt das Mädchen Jahre nach dem Skandal folgendermaßen:
Manchmal denke ich an das Mädchen und wie es ihr jetzt wohl geht. Ich habe sie vorher nicht gemocht, und ich mag sie auch jetzt nicht. Sie war krank, sie war verrückt nach Sex und hat genau gewusst, wie sie uns auch verrückt nach Sex machen kann. Ich verstehe nicht, dass wir uns überhaupt nicht geschämt haben. Ich weiß nicht, wo das Schamgefühl geblieben ist. Wahrscheinlich nimmt einem das der Alkohol. Wahrscheinlich ist der Sinn des Trinkens, alle Gefühle und Gedanken und allen Anstand zu betäuben, bis man nur noch Körper ist und tut, was der Körper will. Aber manchmal muss ich an sie denken. Sie war zu jung, und dann frage ich mich, ob sie sich schämt. Ja, bestimmt schämt sie sich, außer sie kann sich nicht erinnern, und das wünsche ich ihr, dass sie sich nicht erinnern kann. (226)
Bestätigt wurde diese Beschreibung auch von Siennas gleichaltriger Mitzimmerbewohnerin.
Das soll aber nicht heißen, dass Sienna Schuld ist an dem ganzen Akt.

Die Sexorgie wurde von einem Mittäter gefilmt und als Pornofilm auf Youtube gebracht. Dadurch, dass Sienna noch minderjährig war, wurden die anderen Jugendlichen angezeigt wegen Verführung Minderjähriger. Sienna wirkte in der Orgie wie ein Profi. Alle Jungs sagten aus, dass die frühreife Sienna den Sex auch haben wollte, und so wurde ihnen vonseiten der Erwachsenen trotzdem vorgehalten, das Mädchen daran nicht gehindert zu haben. Die Jugendlichen waren alle alkoholisiert.

Als das Video gefunden und publik wurde, führte es zu einer skandalösen Kettenreaktion mit dramatischen Folgen. Ich gehe auf die Einzelheiten nicht ein, verweise auf das Buch. Die Eltern, die von dem Schulleiter über die Sexorgie unterrichtet wurden, konnten sich nicht vorstellen, dass gerade ihr Kind zu so etwas fähig sei. Und jeder suchte den Schuldigen.

Das Buch ist so aufgebaut, dass jede Romanfigur zu Wort kommt und ihre Gedanken aus deren Perspektive geschildert werden. Deshalb habe ich lange gebraucht, bis ich mir zu dem Konfliktthema eine eigene Meinung bilden konnte. Jede hatte auf ihre Weise recht. Es gibt manchmal einfach auch mehrere Wahrheiten.

Aus der Sicht eines Vaters namens Matthew, der auch von seiner Frau Michelle spricht, gibt es folgenden Bericht: 
Für Michelle war das besonders schlimm gewesen. Es war eher leicht, den Müttern an allem die Schuld in die Schuhe zu schieben. Als hätten sie es nicht geschafft, ihren Söhnen die richtigen Werte mitzugeben. Dabei kannte Matthew keine Frau, die eine bessere Mutter war als Michelle. (…) Matthews Meinung nach mussten junge Männer Dampf ablassen. Man hoffte, dass es beim Basketball geschah, aber diese jungen Leute standen unter enormem Druck, da musste man ihnen einen gelegentlichen Ausrutscher verzeihen. Und nach dem, was Matthew  auf College-Ebene gesehen hatte, erschien ihm dieser Vorfall an einer Privatschule vergleichsweise harmlos. (59)
Michelles Sicht zu ihrem Jungen James, mit dem sie überfordert ist, weil er sie ständig mit Lügen konfrontiert:
Zuerst kamen die Geschichten von den Müttern seiner Schulkameraden. Die Siebtklässler tränken, behaupteten sie. Die Achtklässler rauchten Marihuana. Ich konnte das nicht glauben. Wir leben in einer Kleinstadt, es gibt allerdings das College, und ich nehme an, dass daher Marihuana und Alkohol leicht zu beschaffen sind, selbst für Schüler. Aber es war offensichtlich, dass keine der Mütter ihrem eigenen Kind so etwas zutraute. Ich jedenfalls traute es James nicht zu. (...)
Manchmal habe ich es mit Humor versucht. Manchmal war ich streng. Ich konnte mich zur Verbündeten machen, dachte ich, oder auf den Tisch hauen. Ich konnte die Regeln ändern oder ich konnte mich anpassen. Ich konnte mir aussuchen, welche Kämpfe ich ausfechten wollte. Ich sprach mit meinem Mann und erzählte ihm von meinem Verdacht, dass James log und Alkohol trank. Das ist nur eine Phase, sagt mein Mann. Söhne müssen sich von ihren Müttern abnabeln. Ich sei überfürsorglich und hätte ständig etwas an ihm auszusetzen. Übernehme nicht dauernd die Verantwortung für ihn, sagte mein Mann, dann wird er anfangen, sie selbst zu übernehmen. Das schien mir vernünftig. Der Junge ist ein anständiger Kerl, fügte mein Mann hinzu. Hat jemals ein Lehrer bei uns angerufen? Hat der Direktor sich jemals gemeldet? Hat von den Eltern irgendwann mal jemand angedeutet...? (63ff)
Es gibt den Jungen Silas, der von der Beschreibung her im Internet korrekt in seinem Auftreten gewesen sein sollte. Und trotzdem war gerade auch Silas in dem Fall mitverwickelt:
Aber wenn es in der Schule einen gegeben hat, der von zu Hause die richtigen Werte mitbekommen hatte, dann war das Silas. (72)
Der Schulleiter Michael Bordwin hatte versucht, den Vorfall unter den Tisch zu kehren. Dadurch, dass er mit Silas´ Eltern gut im privaten Kontakt stand, konnte er selbst nicht glauben, dass Silas an der Sexorgie beteiligt war und bagatellisiert den Vorfall, während er bei den anderen Jungen sich ein schriftliches Geständnis zu dem Ereignis hat geben lassen. Mike begeht einen Fehler nach dem anderen. 

Silas hat eine Freundin. Beide lieben sich innig. Silas wird mit dem Video, das gefunden wurde, nicht fertig. Das ist Gesprächsthema Nummer eins auf der Schule, ist allerdings noch nicht bis zu seiner Freundin vorgedrungen. Silas beendet die Beziehung über einen Brief:
Du hast gesagt, du würdest mich ewig lieben. Ich glaube, das geht jetzt nicht mehr. Eigentlich kann niemand einem anderen versprechen, dass er ihn ewig lieben wird, weil man ja nie weiß, was passieren kann, zu was für schrecklichen Sachen der Mensch, den man liebt, vielleicht fähig ist. Wie ist das, wie fühlt man sich, wenn man jemanden auf einmal nicht mehr liebt? Heute liebst du ihn noch und morgen nicht mehr, weil du ihn auf einem Band gesehen hast? Wohin verschwindet die ganze Liebe? Verpufft sie mit einem Schlag, oder wird dir, jedes Mal, wenn du dir das Band vorstellst, qualvoll ein Stück Liebe herausgerissen, bis nichts mehr übrig ist? Aber auch wenn du mich nicht lieben kannst, weiß ich, dass ich dich immer lieben werde, obwohl ich dir nie ewige Liebe hätte schwören sollen, weil ich das, was ich getan habe, bestimmt nicht getan hätte, wenn ich dich in dem Moment geliebt hätte. (225)
 Aus diesen Zeilen entnehme ich, wie sehr sich diese jungen Menschen nach ihrer Tat schuldig fühlen und sie kaum einen Ausweg daraus finden. Da denke ich wieder an den Titel zurück: Weil sie sich liebten... 


Mein Fazit

Am Ende des Buches kam mir das Problem so mickrig vor, das, auch von der Presse, so unnötig aufgebauscht wurde. Letzten Endes waren es Jugendliche, die sich in ihrer hormonellen Entwicklung befanden. Wohin mit den Hormonen, wenn diese verrückt spielen? Mit dem Eintreten der Volljährigkeit sind die jungen Menschen noch lange nicht fertig mit ihrer körperlichen – seelischen und geistigen Entwicklung. Man hätte das Problem anders anpacken sollen, anstatt ihnen mit Sanktionen zu drohen, und sie mit dem sexuellen Delikt alleine zu lassen. Delikt? War es überhaupt ein sexuelles Delikt?

Wenn man Kinder erzieht, weiß niemand, was am Ende der Erziehung dabei herauskommt. Für mich gibt es aus diesem Grund keinen wirklichen Schuldigen.

Ich mache hier nun Schluss. Ich habe viele wichtige Ereignisse verschwiegen, denn sonst ist die Spannung weg, die ich jedem anderen Leser auch gönne, wie ich sie selbst erlebt habe.

Das Buch erhält von mir zehn von zehn Punkten. Es ist sehr authentisch geschrieben und es wurden mehrere Blickwinkel zu dem Problemthema dargestellt.
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Es gibt in unserer Seele Dinge, an denen wir mehr hängen, als wir selbst wissen.
(Marcel Proust)

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Sonntag, 23. Februar 2014

Anita Shreve / Weil sie sich liebten


Klappentext
Mike Bordwin ist stolz, Direktor der renommierten Avery Academy zu sein. Doch ein kurzer Moment genügt, um seinen Lebenstraum zu zerstören: Ein Video gerät an die Öffentlichkeit, auf dem sich drei Schüler mit einem deutlich jüngeren Mädchen amüsieren und dabei maßlos über die Stränge schlagen. Ein aufwühlender Roman über Leidenschaft und Treue, Begierde und die Zerbrechlichkeit des Glücks.

Autorenporträt
Anita Shreve verbrachte einige Jahre als Journalistin in Afrika und bereiste weite Teile Kenias, bevor sie in  die USA zurückkehrte und Schriftstellerin wurde. Ihre Romane »Die Frau des Piloten« und das für den  Orange Prize nominierte »Gewicht des Wassers« waren große internationale Erfolge. Auf Deutsch erschienen von ihr zuletzt »Die Nacht am Strand« und »Weil sie sich liebten«. Anita Shreve lebt mit ihrem Mann in Boston/Massachusetts.
Anita Shreve ist eine US-amerikanische Schriftstellerin. Die Tochter eines Piloten und einer Hausfrau schloss die Dedham High School ab und studierte an der Tufts University. WikipediaGeboren: 7. Oktober 1946, Dedham.
Die ersten einhundert Seiten habe ich schon durch und das Buch gefällt mir recht gut. Stimmt mich sehr nachdenklich, ist ein gesellschaftskritisches Werk.




Samstag, 22. Februar 2014

Asa Larsson / Sonnensturm (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre


Vom Hocker hat mich jetzt der Kriminalroman nicht gehauen. Habe aus einigen Rezensionen entnommen, dass nicht genug Spannung vorhanden war, andere dagegen schwärmten geradezu von dem Krimi.
Mir selbst haben die Handlungen völlig ausgereicht, mehr Aktion habe ich nicht gebraucht. Was den Sprachstil betrifft, fand ich ihn manchmal ein wenig zu übertrieben. Auch mich hat es gestört, dass die hochschwangere Kommissarin Anna-Maria Mella permanent zum Pinkeln auf die Toilette musste. Oder der Schnee, der zwischen der Türe klebte. Ich wusste bislang nicht, dass Schnee kleben kann. :)

Die kriminelle Tat fand ich schrecklich genug, als ein Pastor namens Viktor Strandgard durch einen religiösen Akt getötet und mehrmals verstümmelt wurde. Als einem Hund dasselbe Schicksal ereilte, da fragte ich mich schon, weshalb erfindet ein Mensch solche Grausamkeiten? Genügen die vielen brutalen Verbrechen in aller Welt nicht aus? Muss man noch mehr erfinden? Braucht der Mensch Gewalt und Verbrechen? Ist sonst das Leben zu eintönig? Die Szene mit dem Hund habe ich dann schließlich überflogen.

Dass ein Mensch mit einer schweren psychischen Erkrankung diesen Mord bei Mensch und Tier begang, hat mich enttäuscht, weil doch auch zu klischeehaft. Ich arbeite mit psychisch kranken Menschen und niemand, mit dem ich bisher beruflich zu tun hatte, wurde kriminell auffällig. Es gibt sie, das ist wohl wahr, aber laut Statistik sind das eher Verbrechen von Menschen, die scheinbar unauffällig sind, die sogenannten Normalos in unserer Welt, die sich sogar gehäuft in der Politik bewegen und man ihre Auffälligkeit eher als tolerant hinnimmt. Die meisten psychisch kranken Menschen sind sensible Menschen, die Gewalt gar nicht ertragen. Ich verweise auf das Buch von Manfred Lütz: Irre! Wir behandeln die Falschen.


Eines der Kriterien, damit mir ein Krimi als lesenswert erscheint, besteht darin, dass die Gewaltverbrechen nicht immer von Menschen, Angehörige einer Randgruppe, vollzogen werden.

Nein, eine echte Krimileserin wird aus mir nie werden und bin wirklich froh, dass ich nur wenige Krimibücher besitze.

Mehr fällt mir zu dem Buch nicht ein.




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Außerdem braucht jeder ein paar Schwächen, sonst ist man kein richtiger Mensch.
( Helen Simonson)


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Freitag, 21. Februar 2014

Asa Larsson / Sonnensturm

Klappentext
Zwischen Schnee und Eis und ewiger Nacht geschieht ein schreckliches Verbrechen: Viktor Stråndgard liegt tot in der Kirche vor dem Altar, brutal ermordet. Die hochschwangere Kriminalinspektorin Anna-Maria Mella nimmt die Ermittlungen auf. Und auch die Anwältin Rebecka Martinsson, eine alte Freundin des Toten, kehrt kurz entschlossen in ihre ehemalige Heimat zurück, um Viktors Schwester beizustehen. Sie ahnt nicht, dass auch ihr die Vergangenheit gefährlich werden kann ...


Autorenportrait
Åsa Larsson, 1966 geboren, verbrachte ihre Kindheit und Jugend in Kiruna. Sie arbeitete als Steueranwältin, bis sie beschloss, Autorin zu werden. Mit ihrem ersten Krimi »Sonnensturm« machte sie in Schweden sofort Furore (ausgezeichnet als bestes Krimi-Debüt). Inzwischen gibt es bereits vier Bücher mit den beiden sympathischen Ermittlerinnen Rebecka Martinsson und Anna-Maria Mella. Åsa Larsson lebt mit ihren beiden Kindern in Südschweden, in der Nähe von Gripsholm.

Auch wenn auf dem Cover ein anderer Buchtitel gedruckt steht, steht auf meinem Band mit dem selben Cover Sonnensturm und lt. Klappentext ist identisch mit dem Inhalt des Buches.

Ich habe das Buch nun fast durch und es gefällt mir ganz gut, wenn mir auch die Protagonistin nicht wirklich anziehend erscheint von ihrem Auftreten her. Ich habe noch einen Band von der Autorin im Regal stehen und irgendwie scheinen sich die Themen zwischen diesem und dem anderen Band Weiße Nacht doch wieder zu ähneln. Ich weiß nicht, ob ich Lust habe, mich nochmal mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Nun lese ich erstmal dieses Buch zu Ende und bilde mir danach meine Meinung.


Fred Hatfield / Nördlich der Sonne (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Trapperbuch hat mir sehr gut gefallen. Unangenehm waren mir lediglich die vielen Tiertötungen.

Anfangs hatte es mich ein wenig an Defoes Buch Robinson Crusoe erinnert. Nur anfangs, dann kam die Wende. Fred Hatfield lebte keineswegs viel alleine in seinen Wäldern. Auch wurde er über ein Flugzeug seines Freundes mit Lebensmitteln u. a. beliefert. Also, doch kein Defoe - Buch. Hatfield ergriff aus eigenem Antrieb sein Abenteuer in den Wäldern Alaskas.

Im Folgenden noch einmal der Klappentext:
Hatfield, ein Jäger und Fallensteller, war auch ein Poet - der letzte echte Trapper Alaskas. Keine Geländewagen oder Motorschlitten standen für ihn bereit, dafür Skier und Packschlitten, Schneeschuhe und Mokassins. Er lebte allein, litt manchmal unter der Einsamkeit, verdiente mühsam sein Lebensunterhalt - eine elende und oft auch grausame Plackerei.
Hatfield tötete nicht nur, um zu überleben, nein, er tötete auch nur des Felles wegen, mit denen er Geschäfte machte.  

Ansonsten war mir Hatfield recht sympathisch. Wie sonst überall auf der Welt, wo Eingeborene leben, werden sie auch in Alaska diskriminiert. Hier sind es die Eskimos, die aus der nordamerikanischen Gesellschaft ausgeschlossen werden. Hatfield setzte sich für diese Menschen ein.

Vor allem Frauen und Mädchen sind besonders schutzbedürftig.
Jeder Familienvater achtete darauf, dass seine Frau und die Töchter das Haus hüteten. Es war alles andere als angenehm. Hier ging es darum, die Seinen zu beschützen, und binnen Kurzem begriff ich, worauf es ankam. Meine Freunde waren größtenteils Eingeborene, und ich hatte größte Hochachtung vor ihnen und wollte ihnen unter allen Umständen beistehen. (66 f)
Interessant fand ich auch die vielen Erfahrungen mit den Wildtieren, vor allem aber den Bären und den Vielfraßen.

Ich wäre nie auf die Idee gekommen, Tiere als böse zu bezeichnen. Kannte sonst auch keinen Menschen, der dies glaubte. Hatfield macht hier die Ausnahme:
Vielfraße und Grizzly behelligen einander grundsätzlich nicht. Beide sind ekelhaft, bösartig und gemein. Beide töten aus Lust und Laune, und beide haben offenbar größten Respekt voreinander.In diesem Land war der Grizzly wieder König. Kein guter König, sondern ein unberechenbares, grausames Tier und zudem eines der mächtigsten auf Erden. Die Männchen fühlen sich nach der Paarung für nichts mehr verantwortlich. Ich habe gesehen, wie ein männlicher kürzlich ein Junges umgebracht und angefressen hat, sein eigenes. Für ihn war das bloß ein Opfer, das er töten könnte. Denn die Bären töten aus Lust. Nicht nur der Nahrung wegen, sondern zum Vergnügen. Ich habe gelesen, dass es drei Grundregeln gibt, die man in einer Grizzlygegend immer einhalten sollte. Störe niemals einen Bären beim Fressen. Schrecke einen Bären nicht auf. Gerate niemals zwischen ein Weibchen und seine Jungen. Meiner Meinung nach müsste es eine vierte Regel geben. Denn die erste und die allerwichtigste sollte man nie vergessen: Rechne stets damit, dass ein Grizzly angreift. Sie brauchen nicht den geringsten Anlass. Es hängt einfach nur von ihrer Laune ab. (173)
Sowohl Grizzly als auch der Vielfraß sind bösartig und grausam, aber ich nehme an, dass sie dazu bestimmt sind. Zum ersten und einzigen Mal in meinem Leben empfand ich ein Hauch Mitgefühl mit ihnen. (178)
Hm, weiß nicht so recht, ob ich das glauben soll. Ich lasse es einfach mal so stehen.

Hatfield findet seine große Liebe im Krankenhaus, indem er vom Blinddarm befreit wird. Er verliebt sich in ein junges 19- jähriges Mädchen namens Ann, das sich in der Krankenpflegeausbildung befindet. Auf beiden Seiten ist es Liebe auf den ersten Blick und beide heiraten ziemlich schnell. Das Mädchen zieht mit Fred durch die Wälder.

Ich freute mich über die Szene mit dem schwarzen Fuchs. Fred hatte noch nie zuvor einen Fuchs mit schwarzem Fell gesehen und will das Tier erlegen. Er bittet seine Frau, ihm das Gewehr zu reichen, doch Ann zieht nicht mit:
„Das mach ich nicht." Sie flüsterte nicht einmal, sagte es laut und deutlich. Der Fuchs huschte davon und verschwand im Strauchwerk. Ich drehte mich zu ihr um." Ann, ist dir klar, dass da gerade hundertfünfzig Dollar ins Gebüsch gehüpft sind?"„Ist mir egal. So was Schönes lass´ ich dich nicht einfach umbringen." Sie hatte sich immer noch nicht damit abgefunden, dass ich Pelztiere töten musste, wenn ich ihr Fell erbeuten wollte. Das konnte sie nie. Sie wirkte ernst und entschieden. Sie hatte ein wunderbar weiches Herz, und unwillkürlich musste ich lächeln. (176)
Das waren jetzt ein paar wenige Auszüge. Ich fühlte mich durch den Erzählstil des Autors gut in Alaska hineinversetzt. In dem Buch wird man allerdings ständig Zeuge eines getöteten Tieres. Es dreht sich hauptsächlich darum.

Für Tierfreunde keine wirklich leichte Lektüre.

Das mit dem bösen Bären werde ich noch eruieren, ob Hatfields Theorie auch von Fachleuten geteilt wird. 
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Es gibt in unserer Seele Ding, an denen wir mehr hängen, als wir selbst wissen.
(Marcel Proust)

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Montag, 17. Februar 2014

Fred Hatfield / Nördlich der Sonne

Allein in den Wäldern Alaskas


Klappentext
Hatfield, ein Jäger und Fallensteller, war auch ein Poet - der letzte echte Trapper Alaskas. Keine Geländewagen oder Motorschlitten standen für ihn bereit, dafür Skier und Packschlitten, Schneeschuhe und Mokassins. Er lebte allein, litt manchmal unter der Einsamkeit, verdiente mühsam sein Lebensunterhalt - eine elende und oft auch grausame Plackerei.


Autorenportrait
Fred Hatfield, geb. 1910, kam 1933 in Alaska an, einem Land, das viel zu bieten hatte. Hatfield fand, was er gesucht hatte. Die harten, langen Winter verbrachte er allein, später mit Frau und Kindern in der Wildnis. In den kurzen SOmmern schlug er sich als Berufsfischer durch. Im ALter von 80 Jahren schrieb er seine Erinnerungen nieder. Entstanden ist der authentische Lebensbericht des letzten >> echten Trappers<<.



Sonntag, 16. Februar 2014

Jerome K. Jerome / Drei Männer in einem Boot (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Es war eine recht humoristische Lektüre. Hat mir gut gefallen. Kann ich jedem empfehlen, die / der mal etwas Lustiges mit Anspruch lesen möchte. Intelligent und pfiffig.

Es gibt drei Protagonisten mit einer Nebenfigur. Die Nebenfigur ist der Hund, ein Terrier, mit dem Namen Montmorency. Die anderen drei, das sind der Ich – Erzähler J., Georg und William - Samuel- Harris. Sie begeben sich zu viert auf eine Bootsfahrt, die über einen längeren Zeitraum andauert. Allerdings halten sich die Reisenden nicht nur auf dem Boot auf.

Man muss natürlich die lustigen Episoden am Stück lesen, damit sie  nicht aus dem Kontext so rausgerissen werden. Aus diesem Grund werde ich nur ein paar Beispiele aufführen.

Das Trio ist gerade genervt, von der vielen Ruderei und überlegt sich eine Technik, die nicht so anstrengend sein soll:

Georg sagte: „Fahren wir die Themse aufwärts!" Wir würden dann, sagte er, frische Luft, Bewegung und Ruhe haben; der beständige Wechsel der Szene würde unseren Geist beschäftigen (so viel Harris davon besitzt, mit eingeschlossen), und die angestrengte gute Arbeit würde uns guten Appetit und gesunden Schlaf machen. Harris meinte, er denke nicht, dass Georg sich irgendwie noch anzustrengen brauche, um noch schläfriger, als er ohnehin schon sei, zu werden; das könnte sogar gefährlich für ihn werden. Er meinte, er könne nicht einsehen, wie Georg noch mehr schlafen möchte, da doch jeden Tag, im Sommer wie im Winter, nur 24 Stunden dafür verfügbar seien; wenn er aber noch mehr schlafen wolle, könne er sich nur gleich zum Sterben niederlegen, dann erspare er Kost und Wohnung. (19f)
Diese drei Männer wirken ein wenig unbeholfen. Für uns LeserInnen mag dies lustig sein, aber als Betroffene weniger. Wie sie versucht hatten, das Boot in Fahrt zu bringen, musste ich Tränen lachen.

Was wir ja alle kennen, sind Wettervorhersagen. Wir richten uns oft nach den Prognosen zum morgigen Tag.
Auch die drei Reisenden folgen den Prophezeiungen:
Es ist meine unmaßgebliche Meinung, dass unter allen verrückten, widerwärtigen Bosheiten, von welchen die Menschheit geplagt wird, dieser Humbug mit den Wetterprophezeiungen eine der niederträchtigsten ist. Da wird gerade für heute das Wetter angekündigt, das den Tag zuvor herrschte, das gerade Gegenteil von dem, was in Wahrheit eintrifft. Ich erinnere mich, dass mir letzten Herbst einmal ein Feiertag total verdorben wurde, weil ich auf die Wetterprophezeiungen in unserer Zeitung Rücksicht genommen hatte. >>Heftige Regengüsse nebst Gewitter für heute zu erwarten<<, hieß es an jenem Tag, und somit gaben wir unser beabsichtigtes Picknick auf, blieben den ganzen Tag über zu Hause und warteten auf den Regen. Währenddessen zog Jung und Alt zu Fuß und zu Wagen in heiterster Stimmung an unserer Wohnung vorüber, und den ganzen Tag über lachte der schönste Sonnenschein und kein Wölkchen zeigte sich am Himmel.„Ah!", riefen wir schadenfroh aus, als wir sie unten vorbeiziehen sahen, "wie werden die heute eingeweicht werden." Und wir lachten in uns hinein bei dem Gedanken, wie nass sie werden würden, kehrten zum Kamin zurück, schürten das Feuer, holten uns Unterhaltungsbücher und ordneten unsere Seekräuter und Muschelsammlung. Gegen Mittag aber, als die Sonne immer noch so recht hell ins Zimmer strahlte, wurde die Wärme unerträglich, und wir fragten uns, wann denn wohl jetzt heftige Regengüsse und gelegentlichen Gewitter eintreffen würden?„Oh, die werden am Nachmittag kommen, ihr werdet schon sehen", sagten wir zueinander. "Oh, wie werden die guten Leutchen nass werden. Das gibt einen Hauptspaß!"Um ein Uhr kam unsere Wirtin und fragte, ob wir denn heute nicht ausgingen, da es doch so wunderschönes Wetter sei.„Nein, nein!", gaben wir ihr mit bedeutungsvollem Kichern zur Antwort," wir nicht! Wir haben keine Lust, eingeweicht zu werden."Und als der Nachmittag nahezu vorüber und noch immer kein Anzeichen von dem prophezeiten Regen zu bemerken war, da versuchten wir uns gegenseitig mit dem Gedanken zu trösten, dass das Gewitter auf einmal hereinbrechen würde, gerade wenn die Leute den Heimweg angetreten hätten, nirgends Schutz finden könnten und somit erst recht in die Patsche kommen würden. Aber es fiel kein Regen; der Tag blieb wunderschön, und eine prächtige sternklare Nacht folgte ihm. Den anderen Morgen war zu lesen, dass das Wetter heute warm, schön und beständig sein werde; wir bekleideten uns demgemäß mit unseren leichtesten Anzügen und Dingen aus; eine halbe Stunde später fing es an zu gießen wie mit Kübeln und ein schneidend kalter Wind fing an zu blasen, und beides hielt den ganzen Tag über an, sodass wir abends, mit Erkältung und Rheumatismus behaftet, nach Hause zurückkehrten und schleunigst ins Bett krochen. (57ff)
Ein weiteres Zitat: Jeder kennt das sicher selbst auch von sich, dass einem immer das gefällt, was man nicht hat, bzw. man besitzt, was man nicht braucht. Den Freunden geht es hier nicht anders. Sie befinden sich auf Besuch, bei einem, der Schnitzereien in seiner Wohnung hält, obwohl er sie nicht braucht, sie aber trotzdem besitzt. Die Theorie dazu des Ich - Erzählers J.:
Geschnitztes Eichenholz ist jedenfalls recht hübsch zum Ansehen, wenn man ein paar sehenswerte Stücke besitzt; aber für solche, die keinen Geschmack daran finden, ist es ohne Zweifel drückend, ganz und gar in Eichenholz zu leben. Es käme ihnen vor, als ob sie in einer Kirche wohnen sollten. Das Traurige in seinem Fall war, dass einer, der sich nichts aus Eichenschnitzereien machte, diesen damit skizzierten Salon besitzen sollte, während Leute, die darauf aus sind, enorme Summen dafür bezahlen müssen. Das scheint auf dieser Welt die Regel zu sein. Jedermann hat, was er nicht braucht, und was er braucht, haben andere Leute. Verheiratete haben Weiber und scheinen keine nötig zu haben. Junggesellen härmen sich, weil sie keine bekommen können. Arme Leute, die kaum für sich selbst den Lebensunterhalt erschwingen können, haben sechs bis acht Kindermäuler zu stopfen. Reiche alte Leute haben keine Seele, der sie ihren Reichtum vermachen könnten, und sterben kinderlos. (70)
Und ein wenig religiös können diese Freunde sein, wenn auch ein wenig im Scherzhaften? Denn immer wieder geraten sie mit ihrem Boot in Nöten:
Da kommt die Nacht und legt wie eine liebende Mutter ihre Hand auf unser fieberndes Haupt, richtet unser tränenfeuchtes Antlitz empor gegen das ihre und lächelt uns an; und obwohl sie nicht zu uns spricht, wissen wir doch, was sie uns sagen möchte; wir drücken unsere glühenden Wangen an ihren Busen, und dann schwindet aller Schmerz. Ja! Oftmals ist unsere Pein wirklich tief, nicht bloß in der Einbildung; da stehen wir dann wohl stumm, weil wir keine Worte mehr dafür haben, sondern nur schmerzliche Seufzer. Aber die Nacht hat ein Herz von Mitleid gegen ihre Kinder; sie kann uns unser Weh nicht wegnehmen, aber sie nimmt unsere zuckende Hand in die ihre. Dann schwindet die kleine Welt um uns her in weiter Ferne und wird immer kleiner; in ihren Armen eingelullt übergibt sie uns für einen Augenblick einer höheren Gewalt, als die Ihrige ist, und in dem wunderbaren Licht dieser Himmelsgewalt liegt das ganze Menschenleben wie ein offenes Buch vor uns; wir wissen dann, dass Pein und Sorge nur Engel sind, von Gott gesandt. Nur diejenigen, die die Dornenkronen des Leidens getragen haben, können dieses wunderbare Licht schauen; (131 f)
Dies sollten nur ein paar Beispiele sein. Das Buch ist voll mit lustigen Anekdoten gestreut.

Keine billigen Witze, aber echter Humor mit literarischem Anspruch auf hohem Niveau, weshalb das Buch von mir zehn von zehn Punkten erhält. Ein ganz klein wenig hat mich das Buch an Mark Twains Werk Tom Sawyers Abenteuer erinnert. Ähnlicher Humor.
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Es gibt in unserer Seele Dinge, an denen wir mehr hängen, als wir selbst wissen.
(Marcel Proust)

Gelesene Bücher 2014: 10
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Gelesene Bücher 2011: 86


Samstag, 15. Februar 2014

Jerome K. Jerome / Drei Männer in einem Boot


Klappentext
Gemeinsam mit seinen hypochondrischen Freunden George und Harris und einem reichlich nervösen Terrier namens Montmorency geht der nicht minder hypochondrische Ich-Erzähler J. auf große Fahrt: Eine Bootstour führt das seltsame Quartett themseaufwärts über Kingston bis nach Oxford. Doch schon die ersten Bewährungsproben in Mutters freier Natur stellen die Männer samt Hund vor unlösbare Aufgaben und bald jagt eine urkomische Episode die nächste.


Autorenportrait
Jerome Klapka Jerome (1859 -  1927), geboren in der mittelenglischen Grafschaft Staffordshire,arbeitete zunächst bei der Eisenbahn, dann als Reporter und Schauspieler. Er war Mitherausgeber des "Idler" und verfaßte populäre humoristische Erzählungen.

Mir ist sowohl das Buch als auch der Autor unbekannt. Es ist ein sehr seichtes Buch und für meine momentane Situation, ich hatte eine sehr anstrengende Woche, genau das richtige.

Habe die ersten Seiten ausgekostet, und es ist wirklich sehr humoristisch geschrieben.





Donnerstag, 13. Februar 2014

Marcel Proust / Die Flüchtige / Auf der Suche nach der verlorenen Zeit BD 6 (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre


Band sechs ließ sich leichter lesen als die vorherigen Bände. Trotzdem, Marcel Proust wird mir immer unsympathischer. Ich wage mich an meine Interpretation heran. Ich belege meine Gedanken an Textauszügen... . 
Proust ist hier wieder der Ich-Erzähler, der von sich, seinem Leben und von seinen Mitmenschen spricht. Er ist fremdsprachenkundig und kunstinteressiert. Fiktiver Marcel und realer Marcel lässt sich für mich schwer auseinanderhalten.

Marcel steckt seine Nase in die Angelegenheiten anderer Leute. Das hat mich ein wenig angewidert. Zudem kommt er mir ein wenig neurotisch vor, wie sehr er die Charaktere anderer Leute gedanklich zerlegt. Aus meiner Sicht eher negativ gefärbt.

Meist nimmt Marcel eher eine negative Haltung zu Menschen ein, Es fließen Reflexionen über Reflexionen, als schaffe er die Subjekte in seinem Geist neu:
Dinge und Personen begannen für mich erst zu existieren, wenn sie in meiner Einbildungskraft eine individuelle Existenz annahmen. Es mochte Tausende von anderen geben, die ihnen glichen, diese einzelnen vertraten für mich alle übrigen. (146)
Marcels Umgang mit seiner Geliebten stimmt mich besonders kritisch. Und das ist das Hauptthema dieses Buchbandes.

Seine Geliebte Albertine hat ihn verlassen. Da das Buch den Titel Die Flüchtige trägt, kam mir Albertine als eine Person vor, die vor Problemen flieht, weil sie zu heiß zu werden scheinen. Marcel zeigt sich geschockt über die Trennung und nimmt in seiner Verarbeitung eine ambivalente Haltung ein.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Frau, die dem Liebenden Leiden bereitet, stets lieb und umgänglich mit jemanden gewesen ist, der sich nichts aus ihr macht, (…). (38)

Als Marcel die traurige Depesche erhalten hatte, schickt er seinen Freund Saint-Loup, Albertine aufzusuchen, um die Gründe der Trennung ausfindig zu machen, aber auch, um Albertine zurückzuholen.
Warum schickte er seinen Freund? Warum geht er nicht selbst?, habe ich mich als Leserin gefragt. Und dasselbe hatte auch Albertine gedacht, die recht schnell das Spiel durchschaute und nicht zu ihm zurückkehrte, sondern ihm ein Telegramm hat zukommen lassen, die ihren Ärger über Saint-Loup und Marcel bekundet hatte.
Lieber Freund, Sie haben Ihren Freund Saint – Loup zu meiner Tante geschickt, was unsinnig war. Mein lieber Freund, wenn Sie mich brauchen, warum haben Sie nicht direkt an mich geschrieben? Ich wäre nur zu glücklich gewesen, zu Ihnen zurückzukehren. Bitte unterlassen Sie künftig solche absurden Schritte. (58)
Marcel ist enttäuscht und vor lauter Enttäuschung begibt er sich auf die Straße und wendet sich einem kleinen Mädchen aus der Nachbarschaft zu, nimmt zu ihr Kontakt auf und fragt, ob sie mit ihm nach Hause kommen möchte. Das kleine Mädchen nickt und geht mit ihm mit. Zu Hause nimmt er das kleine Kind auf seinen Schoß, wiegt es, doch recht schnell hat er genug von ihm, setzt es ab, drückt dem Kind einen hohen Geldschein in die Hand und schickte es wieder zurück nach Hause.

Das fand ich auch eine recht merkwürdige Szene, selbst wenn Marcel keine bösen Absichten hegte, außer, dass er das Mädchen für seine egoistischen Zwecke benutzte. Noch dazu, dass er das Kind dafür bezahlte. Zu Recht brachten die Eltern des Mädchens diesen Vorgang zur Anzeige wegen Verführung von Minderjährigen.
Von nun an würde es mir also für immer unmöglich sein, ein kleines Mädchen zu mir zu holen als Tröstung für meinen Kummer, wollte ich mich nicht vor ihren Augen der Schande aussetzen, dass ein Inspektor auftauchte und sie in mir einen Missetäter sehen mussten. Im gleichen Augenblick wurde mir klar, wie viel mehr man für gewisse Träume lebt, als man selber meint, denn diese Unmöglichkeit, jemals ein kleines Mädchen auf den Knien zu wiegen, schien meinem Leben für immer allen Wert zu nehmen; (48)
Eine weitere für mich sehr fragliche Szene: Marcel schreibt Albertine einen bitterbösen Brief, in dem er ihr ausdrückt, dass er froh sei, dass die Bindung nun gelöst sei und dass sie gar nicht zu ihm passen würde. Weitere Details habe ich schlicht vergessen, weil mir der Brief eine potenzielle Verlogenheit darstellte. Der Zweck dieses Briefes: Albertine durch die Ablehnung wieder an sich zu binden. Indirekt ist Marcel  scheinbar der Meinung, dass Frauen nur über Härte und Ablehnung zur Liebe fähig seien. Aus meiner Sicht hat Marcel es auch gut drauf, Menschen zu manipulieren.

Über die Reaktion von Albertine war ich erstaunt. Tatsächlich antwortete sie höflich und wohlwollend auf Marcels Brief.

Nun folgen noch andere Szenen, die ich abartig fand. Marcel beauftragte mehrere Personen, die Albertine beschatten sollten. Ich gehe auf eine dieser Personen ein. Eine Dame einer Badeanstalt: Und  von ihr erfuhr Marcel, dass Albertine sich von anderen Frauen hat sexuell betören und befriedigen lassen. Albertine wurde demnach als eine Frau beschrieben, die für andere Frauen sexuelles Interesse zeigte. Marcel betrachtete dies als Grund für die Auflösung der Bindung.
Monsieur,  
Monsieur wird mir bitte verzeihen, dass ich nicht eher an Monsieur geschrieben habe. Die Person, die ich im Auftrag von Monsieur aufsuchen sollte, hatte sich für zwei Tage von hier entfernt, und da ich bestrebt bin, das Vertrauen zu rechtfertigen, das Monsieur in mich gesetzt hat, wollte ich nicht mit leeren Händen wieder kommen. Ich habe nun soeben mit der Person gesprochen, die sich gut an (Mlle. A) erinnert. (…) Nachdem, was sie sagt, steht die Sache, die Monsieur vermutete, ohne jeden Zweifel fest. Zunächst einmal hat sie selbst sich jedes Mal um Mlle. A. gekümmert, wenn diese sich in die Bäder begab. Mlle. A kam sehr oft für ihre Dusche zusammen mit einer großen Frau, die älter war als sie, immer in Grau gekleidet ging, und der Badefrau, ohne dass diese ihren Namen wusste, gut bekannt war, weil sie sie oft dabei beobachtet hatte, wie sie nach jungen Mädchen Ausschau hielt. Die Frau kümmerte sich aber um andere gar nicht mehr, seitdem sie die Bekanntschaft von (Mlle. A.) gemacht hatte. Sie und Mlle. A schlossen sich immer in der Kabine ein, sie hielten sich sehr lange dort auf, und die Dame in Grau gab der Person, mit der ich gesprochen habe, mindestens zehn Francs Trinkgeld. Sie können sich ja denken, sagte diese Person zu mir, dass sie dort nicht den Rosenkranz gebetet haben, sonst hätten sie mir ja wohl keine zehn Francs gegeben. Mlle. A. kam manchmal auch mit einer Frau, die eine sehr dunkle Hautfarbe hatte und ein Lorgnon trug. Aber meist erschien (Mlle. A) mit anderen Mädchen, die jünger waren als sie selbst, besonders einer sehr Rothaarigen. (…) Weiter habe ich Monsieur nichts Interessantes zu melden. (149f)
Das Zitat geht meiner Meinung nach auf Vermutungen aus und beruht nicht auf Tatsachen … . Beweist null sexuellen Kontakt zu anderen Frauen.

Marcels Reaktion:
Da ich aus diesem wortlosen und berechneten Eintreffen Albertines mit der Frau in Grau das Rendezvous herauslas, das sie vereinbart hatten, jene Übereinkunft, in einem Duschkabinett es miteinander zu treiben, was Erfahrung in der Verderbtheit sowie die wohlverborgene Organisation eines ausgemachten Doppellebens voraussetzte, und da mir diese Bilder die schreckliche Kunde von Albertines Schuldhaftigkeit überbrachten, hatten sie mir zweifellos gerade deshalb unvermittelt einen physischen Schmerz zugefügt, mit dem sie untrennbar verbunden bleiben würden. (152f) 
Homosexualität ist schon im ersten Band Thema gewesen, hauptsächlich aber im vierten Band, Sodom und Gomorrha, wird das Thema anhand der Figuren noch eingehender behandelt.

Von Freundschaft hält Marcel auch nicht viel:
Die Bande zwischen einem anderen und uns existieren nur in unserem Denken. Wenn das Gedächtnis nachlässt, lockern sie sich, und ungeachtet der Illusion, der wir gern erliegen würden und mit der wir aus Liebe, aus Freundschaft, aus Höflichkeit, aus Achtung, aus Pflichtgefühl die anderen betrügen, sind wir im Leben allein. Der Mensch ist das Wesen, das nicht aus sich heraus kann, das die anderen nur in sich selbst kennt und das genügt, wenn er das Gegenteil behauptet. (54f.)
Ein wenig scheint ja etwas dran zu sein.

Eine letzte Szene soll nun noch folgen, bevor ich meine Buchbesprechung beende:

Marcel reist mit seiner Mutter und mit guten Bekannten nach Venedig. Sie kehren in ein nobles Hotel ein, und er  wird eines Tages Zeuge einer Konversation zwischen den italienischen Hotelbediensteten, die sich in ihrer Muttersprache über diese französischen Gäste ärgerten, da die Gäste zum einen nicht vornehm genug für ihr Hotel seien und zum anderen sie sich nicht an die Hausregeln halten könnten und diese das Personal immerfort mit Sonderwünschen konfrontieren würden. Sie ahnen nicht, dass Marcel der italienischen Sprache mächtig ist und sie verstand. Marcel ist zutiefst verletzt und enttäuscht und äußert sich am Ende der Reise schließlich abfällig zu Venedig und deren billigen Kunst- und Bauwerken. Venedig sei eine verlogene Stadt.

Mich hat diese Szene sehr betroffen gestimmt und ich großes Mitgefühl für Marcel empfunden habe. In der Tat eine peinliche und verletzende Begebenheit.


Mein Fazit:

Auch wenn ich keine Proustianerin mehr werde, bin ich trotzdem interessiert, die anderen drei Bände auch noch zu lesen, allerdings zeitversetzt, da ich nicht über so eine so große Ausdauer verfüge, wie Proust sie selbst hat. Man muss viel Zeit haben, man muss geistig und seelisch gut drauf sein, wenn man sich mit seinen Werken beschäftigen möchte. Seine subjektiven, psychologischen und introvertierten Gedanken zu seinem Welt- und Menschenbild sind mir nicht immer nachvollziehbar.

Wie es mit Marcel und Albertine weiter geht, lasse ich offen und verweise auf die Lektüre.

Mir fehlen noch die Bände vier, fünf und sieben. Den vierten Band hatte ich abgebrochen, den ich aber zu einer anderen Zeit erneut aufgreifen werde.
_______
Es gibt in unserer Seele Dinge, an denen wir mehr hängen, als wir selbst wissen.
(Marcel Proust)

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Sonntag, 9. Februar 2014

Marcel Proust / Die Flüchtige/ Auf der Suche nach der verlorenen Zeit BD 6

Klappentext
»Um neun Uhr ist sie fort«, heißt es am Ende der Gefangenen, und »Mademoiselle Albertine ist fort«, klingt es wie ein Echo zu Beginn der Flüchtigen, des sechsten Bandes der Recherche. War Marcel Albertines eben noch überdrüssig gewesen, sucht er nun die Entflohene mit allen Mitteln zurückzugewinnen, doch vergebens: Ihr Versöhnungsbrief wird von dem Telegramm überholt, in dem ihm ihr Tod mitgeteilt wird.

Autorenporträt
Marcel Proust wurde am 10. Juli 1871 in Auteuil geboren und starb am 18. November 1922 in Paris. Sein siebenbändiges Romanwerk „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ ist zu einem Mythos der Moderne geworden.Eine Asthmaerkrankung beeinträchtigte schon früh Prousts Gesundheit. Noch während des Studiums und einer kurzen Tätigkeit an der Bibliothek Mazarine widmete er sich seinen schriftstellerischen Arbeiten und einem – nur vermeintlich müßigen - Salonleben. Es erschienen Beiträge für Zeitschriften und die Übersetzungen zweier Bücher von John Ruskin. Nach dem Tod der über alles geliebten Mutter 1905, der ihn in eine tiefe Krise stürzte, machte Proust die Arbeit an seinem Roman zum einzigen Inhalt seiner Existenz. Sein hermetisch abgeschlossenes, mit Korkplatten ausgelegtes Arbeits- und Schlafzimmer ist legendär. „In Swanns Welt“, der erste Band von Prousts opus magnum, erschien 1913 auf Kosten des Autors im Verlag Grasset. Für den zweiten Band, „Im Schatten junger Mädchenblüte“, wurde Proust 1919 mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet. Die letzten Bände der „Suche nach der verlorenen Zeit“ wurden nach dem Tod des Autors von seinem Bruder herausgegeben.
Von Marcel Proust habe ich drei Bände gelesen, BD 1 - BD 3. BD 4 hatte ich nach mehr als einhundert Seiten  wieder abgebrochen, habe aber alle meine kleinen Lesezeichen auf den Seiten gelassen. Die Bände sind  recht mühsam zu lesen und habe mir vorgenommen, die dickeren Bücher nur noch während meiner Urlaubszeit zu lesen. Marcel Proust schreibt seeehr ausdauernd und seeehr reflektiert. Die Bücher erfordern von den Leser/innen viel Zeit. Auf die Reihenfolge kommt es mir nun nicht mehr an. Zumindest mache ich eine Ausnahme zwischen BD vier und BD sechs. In meiner nächsten Urlaubszeit nehme ich mir den vierten Band (Sodom und Gomorrha) erneut vor. Liegt einige Zeit zurück aber ich kann mich jetzt noch ziemlich gut an den Inhalt erinnern. Werde demnach schnell wieder rein kommen.

Es sind insgesamt sieben Bände mit dem Oberthema Auf der Suche nach der verlorenen Zeit.

Hier die Bände, die ich gelesen habe:

Unterwegs zu Swann                                                                
Im Schatten junger Mädchenblüte                                          
Guermantes    

Nachtrag vom 10.02.2014

Die Einhaltung der Reihenfolge der Buchbände ist wichtig. Zumindest vom ersten bis zum dritten Band. Im sechsten Band, der von mir vorgeschoben wurde, treten alle Personen wieder auf, mit denen ich in den Bänden davor zu tun hatte. Des Weiteren bezieht sich Proust erneut zu gewissen Szenen, die mir aus den vorherigen Bänden vertraut sind (das Warten auf den Gutenachtkuss der Mutter, Swanns Krankheitsausbruch, Tod der Großmutter, Homosexualität, u.a.m.).

Buchbesprechungen zu den Werken tauchen hier im Blog nicht auf. Gelesen hatte ich die Bücher noch vor meiner Zeit mit der Beschäftigung eines Literaturblogs.

Durch meine gestern abgeschlossene Lektüre des Autors Edmund de Waal Der Hase mit den Bernsteinaugen wurde ich stark inspiriert, mir erneut Proust vorzunehmen. Ich fand in dem Buch von de Waal folgendes Zitat:
Proust, ein Neuling, noch nicht ganz ein Freund, kam nun regelmäßig zu Besuch, er schlürfte Charles´ hochfliegende Konversation auf, die Art, wie er seine neuen Kostbarkeiten arrangierte, seine umfassenden Beziehungen. Charles kannte Proust mit seinem gesellschaftlichen Heißhunger gut genug, um ihm zu raten, dass man nach einem Dinner um Mitternacht aufbricht, da die Gastgeber meist schon gerne zu Bett gehen würden. Wegen einer längst vergessenen Kränkung nannte ihn der nebenan wohnende Ignaz (Ephrussi) >>Proustaillon << -eine recht passende Bezeichnung für diese Schmetterlingsexistenz, die von einem gesellschaftlichen Anlass zum nächsten flatterte. 
Ich finde das Zitat sehr treffend.

Die ersten fünfzig Seiten habe ich durch und nehme an Prousts Liebeskummer teil, sehr ambivalent in seiner Verarbeitung, als seine Geliebte ihn, mitgeteilt durch einen Brief, verlassen hatte. Es sind interessante Szenen zu verfolgen, welche Einstellung Proust zu Frauen hat und wie er mit ihnen umgeht.

So, nun ziehe ich mich wieder zum Lesen zurück.



Samstag, 8. Februar 2014

Edmund de Waal / Der Hase mit den Bernsteinaugen (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Nun kann ich mir zu dem Buch selbst eine Meinung bilden und vergleiche meine Leseerfahrung mit den verschiedenen Rezensionen, die ich dazu gelesen habe.

Ich finde, dass jede/r Rezensent/in recht hat. Das Buch ist wirklich recht kühl geschrieben, es liest sich keineswegs wie ein echter Familienroman. Im Vordergrund steht die Kunst (Gemälde, Bildhauerei, Netsuke …) Für Kunstinteressierte sicher eine spannende Lektüre. Wer aber einen Familienroman á la Thomas Mann erwartet, die / der wird regelrecht enttäuscht. Das Buch liest sich eher wie ein Sachbuch. Wahrscheinlich, weil der Autor selbst Künstler ist und dazu noch Professor für Keramik, in der die Literatursprache eher in wissenschaftlicher Form gewählt ist. 

Der Autor begibt sich auf Spurensuche. Von seinem alternden Vater bekommt er einen Batzen Unterlagen zu seiner Herkunftfamilie, die, wie ich im Klappentext schon geschrieben habe, weit zurück bis ins 18. Jahrhundert reicht.

Ich selbst konnte mit den Familienmitgliedern nicht wirklich warm werden, dadurch, dass der Autor über diese eher erzählt hat, ohne sie gekannt zu haben. Er bedient sich der Briefe, eines ungedruckten Romans, Gemälde, doch hauptsächlich geht es um die japanische Kunstform Netsuke.

Die Familie, um die es geht, nennt sich Ephrussi, jüdischer Herkunft, mehr als wohlhabend, und die auch den Schrecken des Nationalsozialismus in Österreich erlitten hat.

Berichtet wurde auch von vielen Bekanntschaften wichtiger Künstler des Impressionismus wie z. B. Manet, Renoir, sowie auch Schriftsteller, zu denen Marcel Proust zählte. Auch Marcel Proust war ein großer Kunstliebhaber, was sich aus seinen Werken Auf der Suche nach der verlorenen Zeit herauslesen lässt, deshalb wundert es mich nicht, dass er auch zu diesen Kreisen zählte.

Zu Marcel Proust gibt es vonseiten Charles Ephrussi (1849 – 1905) Folgendes zu lesen:
Proust, ein Neuling, noch nicht ganz ein Freund, kam nun regelmäßig zu Besuch, er schlürfte Charles´ hochfliegende Konversation auf, die Art, wie er seine neuen Kostbarkeiten arrangierte, seine umfassenden Beziehungen. Charles kannte Proust mit seinem gesellschaftlichen Heißhunger gut genug, um ihm zu raten, dass man nach einem Dinner um Mitternacht aufbricht, da die Gastgeber meist schon gerne zu Bett gehen würden. Wegen einer längst vergessenen Kränkung nannte ihn der nebenan wohnende Ignaz (Ephrussi) >>Proustaillon << -eine recht passende Bezeichnung für diese Schmetterlingsexistenz, die von einem gesellschaftlichen Anlass zum nächsten flatterte. (111) 
Das fand ich ein so schönes Bild, hat mich total inspiriert und absolut passend zu Proust, sodass dieser meine nächste zu lesende Lektüre sein wird… .

Kann man ein noch höheres Glück als dieses im Leben erwarten, Bekanntschaft mit solchen interessanten Persönlichkeiten zu machen? Die Ephrussi hatten dieses Glück. Sicher war es auch das Vermögen, das ihnen die Türen zu allen ganz besonderen Lebensbereichen öffnete. Sie konnten es sich leisten, selbst auszuwählen… .

Mich hat eine weitere Szene auch berührt:

Es geht um Gemälde von Manet und Charles Ephrussi kaufte ihm ein Gemälde ab, das er großzügig honorierte:
(Das Gemälde) zeigt zwanzig Spargelstangen, mit Stroh zusammengebunden. Manet wollte  achthundert Francs dafür, eine beträchtliche Summe, doch der begeisterte Charles sandte ihm tausend. Eine Woche später erhielt Charles ein kleines, mit einem schlichten signiertes Bild. Darauf war eine einzelne, auf einem Tisch liegende Spargelstange zu sehen; in der beigefügten Notiz stand: „Die ist wohl aus dem Bund gerutscht. (97) 
Das hat mich schon alles recht interessiert, obwohl ich mich nicht zu den Kenner/innen von Kunstobjekten zähle.

Charles war zudem ein großer Sammler von Netsuken. Er schaffte sich für die Sammlung extra eine Vitrine an, in der er 264 Teile ausstellte und aufbewahrte. Hauptsächlich waren es Figuren aus der Tierwelt. Später, als der Nationalsozialismus in Österreich ausbrach, betrachtete man die Tiere eher als menschliche Wesen:
Wölfe, Panther, Leopard und Tiger sind Menschen gegenüber diesen Raubtieren in Menschengestalt … (160).
Das Thema Nationalsozialismus möchte ich hier nicht weiter vertiefen, habe schon zu viel dazu gelesen und verweise auf das Buch.
Aus dem Land der Dichter und Denker ist ein Land der Richter und Henker geworden.
Nicht, dass mich das Thema nicht interessiert hat, ganz im Gegenteil, ich habe es mit Interesse verfolgt. Es nimmt im Buch zu Recht auch einen großen Raum der Familie ein. Aber alles, was darin nationalsozialistisch beschrieben wurde, waren dieselben grausamen Bilder, die man von Deutschland her kennt. Es war lediglich der Kaiser Karl, der die Juden vor den Antisemiten verteidigte:
Kaiser Karl erhält in der jüdischen Presse begeisterten Zuspruch. Die Juden, heißt es in Blochs Wochenschrift, seien nicht nur die treuesten Unterstützer seines Reiches, sondern die einzigen bedingungslosen Österreicher. (229)
Mein Fazit zu dem Buch: Es ist recht interessant und man fragt sich aber schon, was hat der Autor denn gesucht? Den Ursprung dieser Miniaturfiguren oder die Spuren zu seinen Vorfahren? Er hat sich selbst diese Frage auch gestellt, ohne eine Antwort gefunden zu haben. Aber das Ende des Buches bestimmt nun doch die Netsuke. Die Netsuke haben den Nationalsozialismus dank des Hausmädchens Anna überlebt und leben in ihrer Zeit weiter bis in die nächsten Generationen und ich schließe mit einem Zitat, geschrieben aus der Sicht des Autors, zu dem die Netsuke gelangt sind:
Ich lege einige Netsuke in die Vitrine hinein - den Wolf, die Mispel, den Hasen mit den Bernsteinaugen, noch ein Dutzend - -und als ich wieder hinsehe, haben sie sich bewegt. Eine zum Schlafen zusammengerollte Ratte ist nach vorne gerutscht. Ich öffne die Glastür und nehme sie heraus. Stecke sie in die Tasche, lege dem Hund die Leine an und gehe zur Arbeit. Ich muss töpfern.Ein neuer Anfang für die Netsuke.
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Außerdem braucht jeder ein paar Schwächen, sonst ist man kein richtiger Mensch.
( Helen Simonson)

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Dienstag, 4. Februar 2014

Edmund de Waal / Der Hase mit den Bernsteinaugen

Klappentext
Edmund de Waal, Nachkomme der jüdischen Familie Ephrussi, erzählt darin von 264 Netsuke, kostbare Miniatur-Schnitzereien aus Japan, die er von seinem Großonkel geerbt hat. Und von der außergewöhnlichen Geschichte seiner Familie, die vom Paris der Belle Époque ins Wien des Fin de siècle und vom Tokio der 1950er Jahre über Odessa nach London führt. Ein wunderbares Erinnerungsbuch, das von Publikum und Presse gefeiert wurde und Monate auf den Bestsellerlisten stand. In dieser limitierten, farbig bebilderten und bibliophil ausgestatteten Geschenkausgabe wird die Welt von Edmund de Waals Vorfahren nun zu neuem Leben erweckt.

Autorenporträt
Edmund de Waal wurde 1964 in Nottingham geboren und studierte in Cambridge. Er ist Professor für Keramik an der University of Westminster und stellte u.a. im Victoria and Albert Museum und in der Tate Britain aus. Er lebt in London.
Das Buch sieht von seiner ganzen Aufmachung ein wenig kompliziert aus. Es beschreibt eine Familienchronik mehrerer Generationen vom 18 Jhr. bis hin zur Gegenwart. Aber auf der inneren Umschlagseite ist ein Stammbaum aufgemalt und beginnt mit dem Patriarchen Charles Joachim Emphrussi, geboren 1793 in Berdytschiw (Ukraine)  und gestorben 1864 in Wien.  

Demzufolge habe ich ein paar Rezis gelesen und wie immer gibt es unterschiedliche Meinungen und Bewertungen. Mir bleibt also nichts anderes übrig, als das Buch selbst zu lesen und mir meine eigene Meinung zu bilden.



Montag, 3. Februar 2014

Agatha Christie / Die Kleptomanin

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Ich habe den Krimi soeben ausgelesen. Wie alle anderen Werke von Agatha Christie hat sich auch dieser Band recht locker gelesen. Einfache Sprache und der Inhalt nicht blutrünstig. Wobei mir diesmal zu viele Morde erfolgt sind. Und der Anlass dieser Morde kam mir nicht wirklich seriös vor. Ein wenig nichtig.

Zur Erinnerung noch einmal der Klappentext:
Ein Hercule-Poirot-Roman der Queen of Crime Agatha Christie. Wenn eine sonst unfehlbare Sekretärin in einem Brief drei Tippfehler macht, ist das mehr als eine Fehlleistung. Wenn ihr Chef aus diesem Versagen richtige Rückschlüsse zieht, ist das mehr als eine Meisterleistung. Und wenn er dabei keinen einzigen Denkfehler macht, ist das phänomenal. Aber es handelt sich auch um den Meisterdetektiv Hercule Poirot!
Orientexpress war von den drei Krimis der beste, den ich von der Autorin gelesen habe. Der Klappentext gibt allerdings über den Tathergang dieses Krimis nicht viel her. Die drei Tippfehler, die Poirots Sekretärin Miss Lemon machte, gaben wohl Anlass, sich als Detektiv in ein Studentenwohnheim Londons zu begeben, in dem auf mysteriöse Weise wertvolle und weniger wertvolle Gegenstände verschwinden. In dem Wohnheim arbeitet Miss Lemons Schwester Mrs Hubbard als Leiterin. Was es allerdings mit den drei Schreibfehlern auf sich hat, weiß ich nicht. Vielleicht ist Miss Lemon ein wenig über die Arbeit ihrer Schwester im Wohnheim involviert und dadurch ein wenig besorgt und abgelenkt von ihrer Arbeit gewesen. Miss Lemon ist   sonst immer korrekt und perfektionistisch in ihrer Arbeit. Miss Lemon erzählt daraufhin, als ihr Chef verwunderlich die Tippfehler moniert, von den sonderbaren Begebenheiten im Studentenwohnheim. Als Poirot sich in das Wohnheim begibt, war noch kein Mensch ermordet worden. Erst im Verlauf des Geschehens wurden in kurzen Zeitabständen drei Menschen getötet. Nun schaltet sich auch die Polizei ein...

 Mehr möchte ich nicht schreiben, denn sonst verrät man zu viel. Außerdem sind die Bücher der Autorin so einfach und so klar geschrieben, dass man nicht viel darüber schreiben möchte.

Im Anhang habe ich entnehmen können, dass der Originaltitel eher ein Kinderreim war, Hickory, Dickory, Dock. Der Titel hatte absolut nichts mit dem Inhalt des Buches gemein. A. Ch. war es wichtig, einprägsame Titel zu finden. Erst die Amerikaner änderten den Titel 1955 ab: Hickory, Dickory, Death.

In Deutschland erschien das Buch 1958 und erhielt den o. g. Buchtitel. Den fand ich aber auch nicht sooo passend, aber noch besser als der Kinderreim.

In meinem Bücherregal habe ich noch einige ungelesene Bände stehen und bin neugierig, welche Leseerfahrungen ich mit ihnen noch machen werde. 
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Außerdem braucht jeder ein paar Schwächen, sonst ist man kein richtiger Mensch.
( Helen Simonson)

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Sonntag, 2. Februar 2014

Agatha Christie \ Die Kleptomanin

Klappentext
Ein Hercule-Poirot-Roman der Queen of Crime Agatha ChristieWenn eine sonst unfehlbare Sekretärin in einem Brief drei Tippfehler macht, ist das mehr als eine Fehlleistung. Wenn ihr Chef aus diesem Versagen richtige Rückschlüsse zieht, ist das mehr als eine Meisterleistung. Und wenn er dabei keinen einzigen Denkfehler macht, ist das phänomenal. Aber es handelt sich auch um den Meisterdetektiv Hercule Poirot!

Autorenporträt
Agatha Christie schuf den modernen britischen Kriminalroman. Sie schrieb 68 Krimis, zahlreiche Kurzgeschichten, zwanzig Theaterstücke, eine Autobiographie, einen Gedichtband und – unter ihrem Pseudonym Mary Westmacott – sechs Romanzen. Sie gilt als die meistgelesene Schriftstellerin überhaupt. Die »Queen of Crime« verband ihre Lebenserfahrungen mit Phantasie, psychologischem Feinsinn, skurrilem Humor und Ironie. 1971 in den Adelsstand erhoben, starb sie im Alter von 85 Jahren am 12. Januar 1976.
Das ist jetzt das dritte Buch, das ich von der Autorin lese. Das Angenehme: Die Bücher sind recht schlicht und vom kriminalistischen Standpunkt soft geschrieben. Eine Wohltat, wenn die letzte Lektüre ein wenig anstrengend war.

1. Der Wachsblumenstrauß
2. Mord im Orientexpress

Habe meine ersten einhundert Seiten schon durch und es gefällt mir recht gut.