Dienstag, 30. Juli 2013

Erwin Strittmatter / Der Laden II


Klappentext:

In der Souterrainwohnung der Pensionseltern sehnt sich Esau Matt die Woche über nach seinem Niederlausitzer Heidedorf. Der ewige Familienstreit um den Laden kommt in seinen Träumen nicht vor. Nun gehört Esau nicht richtig zu Bossdom und nicht richtig zu Grodk - bis das Motorrad kommt, mit dem er in die verlottertste Zeit seines Lebens hineinbraust. 

"Es gibt keine Zeit, in der nichts geschieht, denn geschähe nichts, gäbe es keine Zeit, aber beim Erzählen wird die Chronologie zum Mistbeet für Langeweile. Ich will euch nicht langweilen und verzichte auf Chronologie. Ich durchforsche jene meiner Erlebnisse, die mir zu erklären scheinen, wer ich bin. Wenn ihr meint, daß ich das eine oder andere meiner Erlebnisse überbewerte, daß mein Bericht darüber euch nichts gibt, wie die moderne Redewendung lautet, so blättert weiter." Erwin Strittmatter


"Es gibt Zeit, in der nichts geschieht, denn geschähe nichts, gäbe es keine Zeit"


Autorenportrait

Erwin Strittmatter wurde 1912 als Sohn eines Bäckers und Kleinbauern in Spremberg geboren. Er beendete das Realgymnasium mit 17 Jahren, arbeitete als Bäckergeselle, Kellner, Chauffeur, Tierwärter und Hilfsarbeiter. 1941 wurde er zum Polizei-Reserve-Bataillon 325 einberufen, das später zum Polizei-Gebirgsjäger-Regiment 18 umgebildet und 1943 in SS-Polizei-Gebirgsjäger-Regiment 18 umbenannt wurde, ohne Teil der SS zu sein. Bis Sommer 1944 war er Bataillons-Schreiber, danach wurde er zur Film- und Bildstelle der Ordnungspolizei nach Berlin-Spandau versetzt. Bei Verlegung der Dienststelle setzte er sich mit gefälschten Papieren nach Böhmen ab. Ab 1945 arbeitete er erneute als Bäcker, war daneben Volkskorrespondent einer Zeitung und seit 1947 Amtsvorsteher in sieben Gemeinden, später Zeitungsredakteur in Senftenberg. Seit 1954 lebte er als freier Schriftsteller in Schulzenhof bei Gransee. Er starb am 31. Januar 1994.

BD I zu dem Buch habe ich gelesen und ich bin von dem Schreibstil des Autors recht angetan. BD II begeistert mich ebenso.

Montag, 29. Juli 2013

Marie NDiaye / Rosie Carpe (1)

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Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch beschreibt eine recht anspruchsvolle und anstrengende Familiengeschichte aus Frankreich. Der Erzählstil ist recht fantasievoll und wortgewandt. Mir haben dazu die Erzählstränge noch recht gut gefallen.
Das typische an der Autorin sind die Frauenschicksale, wobei  in dem vorliegenden Band auch Männer auftreten, die verwundbar sind. Nichtsdestotrotz ist aber die Frau das Geschlecht, das schon recht früh schwanger werden und Kinder in die Welt setzen kann, gewollt oder auch ungewollt und dadurch, je nach Alter, mit schweren Problemen konfrontiert wird, wenn sie nicht selbst auf sich auspasst. Und das macht die Frau noch verletzlicher als den Mann.
Mir waren die Figuren ein wenig fremd, konnte nicht wirklich warm mit ihnen werden. Werde deshalb nicht viel zu dem Buch schreiben.

In dem Buch sind alle Figuren so ziemlich einsame Wesen. Die Hauptfiguren sind Rose-Marie, ihr Bruder Lazare, deren Eltern, und der kleine uneheliche und vaterlose Sohn von Rosie namens Titi. Die Eltern wirken recht kühl und reserviert, haben gewisse Vorstellungen davon, was aus den Kindern Lazare und Rosie werden soll. Allerdings erfüllen die Kinder ihre Vorstellungen nicht. Lazare bricht vorzeitig sein Studium ab, während Rosie für die Berufsausbildung die Abschlussprüfung trotz des angestrengten Lernens nicht besteht. Die Eltern kündigen somit ihre Vormundschaft und entlassen die volljährigen Kinder in die Welt, um für sich selbst zu sorgen, ohne dass sie darauf vorbereitet wurden.

Rosies Schicksal kam mir ein wenig paasiv und künstlich vor, aber nicht unglaubwürdig. Nach der nicht bestandenen Prüfung sucht sie sich einen Job in einem Hotel. Der Viezedirektor ist von ihr gleich angetan und stellt sie blind ein. Gleich nach dem Vorstellungsgespräch bekommt Rosie von ihm das Hotel gezeigt, recht liebevoll und väterlich, und wird somit in ihren Aufgaben eingeweiht, und erfährt daraufhin, dass er sie nach der Arbeit sexuell betören wird. Jeden Abend. Rosie lässt dies mit sich machen. Eine junge Frau, die sicherlich woanders hätte Arbeit finden können, und man fragt sich, weshalb sie das nicht tut... .

Rosie leidet ein wenig, dass ihr Sohn Titi nicht so aufwachsen wird wie die anderen Kinder und bezeichnet ihn als den Verlierer der Gesellschaft..

Ihr Bruder gerät auch auf Abwegen, lebt eine Zeit lang auf der Straße und macht krumme Geschäfte... . Rosie, die ihren Bruder über alles liebt, erlebt zum Schluss hin eine bittere Ernüchterung.

Die Eltern von den beiden waren auch ein wenig seltsam. Die Mutter wird im hohen Alter noch mal schwanger, allerdings von einem anderen Mann. Ihr Mann lässt sich dies gefallen, schafft es nicht, die Ehe zu beenden.
Auf welchen Pfaden sich diese Figuren noch begeben werden, und wie sich ihr Schicksal weiter entwickeln wird, ist dem Buch zu entnehmen.

Das Buch erhält von mir aus o. g. Gründen acht von zehn Punkten!
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Das ist nicht meine Mutter, nein. Ich verwechsle das, (...) es ist nur so, dass sie hätte meine Mutter sein können, wenn meine Mutter in der Lage gewesen wäre zu sein, was sie hätte sein sollen. 
(Marie NDiaye)

Gelesene Bücher 2013: 49
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86







Samstag, 27. Juli 2013

Marie NDiaye / Rosie Carpe

Klappentext

Eine junge Frau steht in der überfüllten Ankunftshalle des Flughafens von Pointe-à-Pitre, an ihrer Hand ein ängstlicher Junge. Die Frau wartet. Sie hat ein Leben hinter sich gelassen, fern in Frankreich, und wartet darauf, daß ein neues beginnt, jetzt und hier, im Tropenparadies Guadeloupe. "Und Lazare?" fragt das Kind. "Wo ist Lazare, Mama?" Eine Reisegruppe nach der anderen wird mit Blumen in Empfang genommen. Aber Lazare kommt nicht.


Marie NDiayes eigenwillige poetische Sprache zieht den Leser in den Sog einer geheimnisvollen, irritierenden Welt. Das erhoffte Paradies stellt sich nicht ein. Rosie Carpe muß erkennen, daß sie ihrer Lebenssituation nicht entfliehen und alte Beziehungen nicht einfach ablegen kann. Auf Guadeloupe trifft sie ihre Familie wieder. Die Begegnung mit den lieblosen Eltern schmerzt sie, die frühere innige Liebe zu ihrem Bruder Lazare ist verschwunden. Dann begegnet sie Lagrand, der Rosie als einziger zu durchschauen scheint und ihr helfen will. Doch die Liebe zu Rosie zieht Lagrand mit hinein in einen Strudel aus Angst und Erinnern. 


Autorenportrait
Marie NDiaye, 1967 in Pithiviers bei Orléans geboren, veröffentlichte mit 17 ihren ersten Roman; weitere Romane und Theaterstücke folgten. Die Autorin lebt seit 2007 mit ihrer Familie in Berlin.

Von der Autorin habe ich gelesen: Drei starke Frauen, das mich recht betroffen gestimmt hatte. Ein lesenswertes Buch.




  

Meine Minibibliothek


Im Literaturforum haben meine Bücherfreund*innen alle ihre Bücher gezählt, mir war das Zählen zu anstrengend, hielt mich damit zurück, bis ich mich auf die Anregung einer Bekannten, die mit Büchern nichts anzufangen weiß, doch noch dazu angespornt gefühlt habe, meine Schätze zu zählen. Bis auf mein Badezimmer sind in jedem Raum bei mir die Bücher aufgestellt, sogar im Flur.

Insgesamt sind es 2153 Bücher auf 68 qm Wohnfläche. Ein wenig mehr als die Bibliothek von Goethes Vater in Frankfurt Main umfasst. Seine Bibliothek hatte eine Größe von 2100 Büchern. 
Nun setze ich die Zählung hier fort. Mit dem PC ist das Zählen jetzt ein Kinderspiel. 

Viele Bücher habe ich allerdings aus verschiedenen Bibliotheken ausgeliehen. Ich bedauere es, dass ich mir keine Liste angefertigt habe von den geliehenen Büchern, die ja geistig gesehen auch zu mir gehören. Irgendwann werde ich wohl aus Platzmangel gezwungen sein, vermehrt wieder Bibliotheken aufzusuchen. Oder ich schaffe mir einen eReader an. Ich kann mich mit diesem Gedanken noch nicht wirklich anfreunden, auch wenn ich die Vorteile darin sehe. Meine Bücherfreund*nnen sind größtenteils davon hellauf begeistert. Sind stolze Besitzer*nnen eines Kindles. Nur noch vereinzelt gibt es welche, die darauf noch verzichten möchten. 
Nicht nur Bücher gibt es bei mir, sondern auch zwei Katzen. Ein Zitat von Unbekannt: 
Man kann im Leben auf vieles verzichten; nur nicht auf Katzen und Literatur. 
Viele Schriftsteller wählen die kleinen Tiger zu ihren Lieblingstieren, wie z.B. Mark Twain, Ernest Hemingway, Haruki Murakami. Wobei ich auch Hunde liebe, und alles, was Fell und vier Beine hat.  


So, nun setze ich hier meine Bücherzählung fort, sobald ich neue Bücher habe... . 

2039 plus 11, 31.12.15
2050 plus   7, 08.11.16
2057 plus 10, 23.01.16
2067 plus   2, 26.01.16
2069 plus   1  27.01.16
2070 plus   2  30.01.16
2072 plus   3  05.03.16
2075 plus   3  19.03.16
2078 plus   7  09.04.16
2085 plus   3  17.04.16
2088 plus   7  20.05.16
2095 plus 13  09.07.16 
2108 plus  6   11.07.16 (v. Anne)
2114 plus 11 22.07.16
2125 plus  3  03.09.16
2128 plus 15 26.10.16
2143 plus 10 21.03.17
2153 plus   1 31.05.17
2154 plus   2 30.06.17
2156 plus 20 Oktober bis Dezember 2017
2176 plus

Ich habe seit einem Jahr, 2020, aufgehört zu zählen, leider. Derzeit müssten es mehr als 2200 Bücher sein.  Aber was soll´s. Es gibt Bücher, von denen ich mich sowieso trennen möchte, dann sind es auch wieder weniger Bücher. 



Donnerstag, 25. Juli 2013

Hanns Josef Ortheil / Das Kind, das nicht fragte (1)

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Eine überaus kritische Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Dienstag, 23.07.2013, 18:41 Uhr

Das Buch langweilt mich. Ich hatte den Klappentext vor dem Kauf nicht gelesen. Hätte ich machen sollen. Und wieder versucht ein Deutscher ins Ausland zu reisen, mit der Voreingenommenheit, das Land an seinen Maßstäben zu zu messen, das dadurch als rückständig bezeichnet wird, während der Deutsche natürlich als der Weiterentwickelte erscheint, der weiß, was richtig und was falsch ist. Ich verachte solche Bücher. Habe heute dann mal ein paar Leserberichte zu dem Buch gesucht und ich stehe mit meiner Meinung nicht alleine da, wenn auch die Mehrheit von dem Buch recht angetan ist. Aber ich bin nicht die Mehrheit und möchte auch nie zu der Masse dazugehören. Ich lese ein Buch mit dem Weltbild, das ich in meinem Kopf habe, so wie es andere mit ihrem Weltbild auch tun. Mein Weltbild ist bunt, differenziert zu Land und Leute und nicht so schwarz weiß, á la; hier die Guten, dort die Bösen, hier die Klugen, dort die Dummen.

Hoch zu Ross bereist der Ethnologe und Protagonist des Romans ein Dorf tief unten in Sizilien. Ich weiß immer so ziemlich genau, was und wie der Protagonist zu gewissen Themen sich mental verhalten wird, ich kann die Szenen dort auch sehr gut voraussehen. Man kennt ja schließlich die Klischees, die hier im Lande so herrschen bezogen auf südliche Länder Europas und diese spiegeln sich auch in diesem Buch wieder.
Ziemliche banale Themen, für einen Ethnologen, nach meinem Begriff viel zu banal und alltäglich. Einfach nur trivial. Die Details dazu sind dem Buch zu entnehmen.
Was ich allerdings genieße, ist die Einfachheit des Schreibstils. Hilft mir, ins Lesen wieder reinzukommen, nach dem ich aus stressbedingten Gründen meinen Lesefluss verloren hatte.

Donnerstag, 25.07.2013, 21:21 Uhr
Ich habe selbst während meines Studiums Feldstudien betrieben und habe dabei gelernt, dass man als ForscherIn wertneutral an die Menschen heranzugehen hat. Das ist der Protagonist nach wie vor nicht. Er ist ziemlich überheblich und genießt es von allen auf der Insel umworben zu werden. Perfektes Auftreten, perfekte Arbeit, ein Meister der Einfühlsamkeit, der Menschenkenner a priori. Natürlich sagt er das nicht zu sich selbst, aber er lässt dies durch seine Figuren aussprechen, mit der Ausnahme:
Meine Forschungen in Madlinca werden (...) ein Jahrhundertwerk geben.
Mit dieser Aussage kann man erkennen, wie sehr der Protagonist von sich eingenommen ist. Doch so banal, wie er seine Studien betreibt, wird sein Meisterwerk schnell wieder aussterben.

Er interviewt den Bürgermeister, und zieht in seinem Kopf die Antworten ins Lächerliche, als der Bürgermeister dem Ethnologe seine Gedanken und Ideen zur kulturellen Weiterentwicklung Mandlinca äußerte, die Kultur weiter voranzutreiben, die eine Vorreiterrolle in Sizilien und in Europa habe:
"Sie sind Jurist?" frage ich. 
"Ja, in der Tat", antwortet er und lächelt zum ersten Mal.
"Das klingt alles fantastisch", sage ich (und meine es absolut wörtlich).
"Ja", antwortet er, "es ist ein ehrgeiziges Programm."
"Wie viel Zeit werden Sie brauchen?"
"Wir haben uns einen Zeitraum von fünf Jahren gegeben."
"Das klingt vernünftig und realistisch" und gebe mir Mühe, nicht zu lachen.
Wenn der Ethnologe einen Sizilianer interviewt, dann immer mit Hintergedanken, witzelt über ihn, zieht ihn gedanklich ins Lächerliche.

Ich finde, das ist dem Ethnologen nicht gelungen, Distanz zu wahren und das eigene Urteil über Menschen zurückzustecken. Dass sich auch auf Sizilien diverse gesellschaftliche Veränderungen vollzogen haben, das scheint an dem Autor vorbeigegangen zu sein. Italien ist schon lange kein Land mehr, das als kinderreich bezeichnet werden kann. Es ist das geburtenschwächste Land innerhalb der EU, dann folgt Spanien und erst an dritter Stelle steht Deutschland. Frauen sind lange nicht mehr nur an den Herd, an Kindererziehung und an Kirche gebunden, doch der Autor scheint auch diese Entwicklung verpasst zu haben. Mein Wissen dazu habe ich nicht aus dem Bereich der Belletristik, sondern aus diversen Fachbüchern, in denen verschiedene Studien zu der gesellschaftlichen Entwicklung Italiens nach zu lesen waren. Wer die Quelle zu den verschiedenen Büchern genannt bekommen möchte, kann mir gerne eine eMail schicken. Ich möchte jetzt hier nicht die ganzen Bücher auflisten.

In dem Buch von Ortheil hatte der Protagonist bis auf Seite 200 nur zwei Frauen interviewt und das sind Deutsche, die nach Italien eingewandert sind. Mit diesen deutschen Frauen hatte der Ethnologe eine freundschaftliche Beziehung entwickelt und sich auch noch in eine von den beiden Schwestern verliebt. Und dann ist es ganz klar, dass diese zwei Frauen nichts Gutes mit den ItalienerInnen erlebt haben... .
 Italiener gibt es in dem Buch hauptsächlich, Männer, die er interviewen kann, da die Männer das Dorf übervölkern. Und so vermittelt er mir den Einruck, dass die Frauen nur in der Kirche sein können oder sie stehen am Herd. In Wahrheit ist es keineswegs so, dass auf der Piazza nur Männer zu sehen sind. Ich finde dieses Buch mehr schlecht als recht, und da fragt man sich, wer hält an verkrusteten Denkgewohnheiten fest?

Ein Beispiel: seiner banalen Themen:

 Der Ethnologe interviewt die deutsche Hotelbesitzerin namens Maria, die zusammen mit ihrer Schwester Paula als junge Frauen eine Reise in den Süden machte und schon am ersten Tag verliebt sich eine von den beiden in den Sizilianer Lucio und sind dadurch auf der Insel geblieben. Und nun das Interview:
Der Ethnologe: "Damals, als ihr beide, Paula und Du, Lucio kennengelernt habt, sind Dir seine Pullover aufgefallen. Was war so merkwürdig an diesen Pullovern?"
Sind das nicht, ironisch gefragt, intelligente Fragen?

Hat nicht jeder Mensch eine besondere Eigenart und auch ein Recht auf Persönlichkeit??

Er beschreibt diese beiden deutschen Frauen als intelligent und weltoffen, während die SizilianerInnen eher nicht in diese Kategorie passen. Das liest sich aus dem Kontext heraus. Später geht dies ganz direkt aus dem Text hervor. Ich spare mir die Zitate.

Man merkt dem Autor an, dass er nur Laie ist und kein echter Ethnologe.

Ortheil nimmt sich das Recht heraus, Sizilien nicht mit Italien zu vergleichen... . Was für ein Blödsinn.

Jedes Land hat seine Ressourcen, und nicht nur Schwächen.

Ich werde das Buch nun abbrechen, habe mehr als die Hälfte durch, und es hat sich alles bewahrheitet, was ich von Anfang an schon vermutet habe. Kein Gedanke war mir fremd, alles erwies sich mir als voraussehbar. Bin ich jetzt die Menschenkennerin?

Der Ethnologe nennt sich Benjamin Merz, hat noch vier um einige Jahre ältere Brüder, die ihn alle bevormunden. Benjamin, der Kleine, zieht sich als Junge immer mehr in sich selbst zurück, schweigt, redet kaum etwas und lässt äußerlich alles über sich ergehen und flieht aber in seine Innenwelt. Er erleidet dadurch ein Kindheitstrauma, das er selbst als Erwachsener noch nicht überwunden hat. Noch als Erwachsener wird er von seinen Brüdern weiterhin bevormundet, noch immer wird muss er such den Kosenamen "Kleiner" über sich ergehen lassen, und flieht schließlich nach Italien, auf die Insel Sizilien, ein Dorf namens Mandlica und stellt dort entsetzt fest, dass ihn seine Vergangenheit einholt und er immer wieder an Personen gerät, die sich ihm verschließen. Mandlica scheint ein Fantasiename zu sein.
Benjamin ist der einzige von seinen Brüdern, der keine Familie gegründet hat und hat auch so kaum Kontakt zu Frauen. Wenn er von einer Frau oder mehrere Frauen emotional - sexuell überzeugt ist, dann geht er platonische Hochzeiten mit diesen ein.

Ein wenig naiv, muss ich sagen, als er davon spricht, und seine vielen mentalen Frauen als real angibt. Ich halte das ganze Buch für total unreif und wenig überzeugend.

Ich habe den Eindruck gewonnen, Merz projiziert seine Minderwertigkeitskomplexe auf die Sizilianer. Sich hervorheben, andere dadurch erniedrigen, zeigt, was Merz selbst für ein abstruses verstecktes Selbstbild von sich hat.
Dadurch, dass das Buch teilweise als autobiographisch deklariert wurde, sehe ich in Merz den Autor, der wohl noch immer an sein Kindheitstrauma zu beißen hat. 

Das Buch erhält von mir vier von zehn Punkten!

Es gibt keine Zeit, in der nichts geschieht, denn geschähe nichts, gäbe es keine Zeit.
(E. Strittmatter)

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Gelesene Bücher 2013: 48
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86





Dienstag, 23. Juli 2013

Hanns-Josef Ortheil / Das Kind, das nicht fragte

Klappentext
An einem Frühlingstag im April landet Benjamin Merz mit dem Flugzeug in Catania. Merz ist Ethnologe, und er möchte die Lebensgewohnheiten der Menschen in Mandlica, einer kleinen Stadt an der Südküste Siziliens, erkunden. Er freut sich auf das Frage- und Antwortspiel, auf das er sich gründlich vorbereitet, damit er mit den Einheimischen ins Gespräch kommt. Allerdings muss er große Hemmungen überwinden, um diese Gespräche auch tatsächlich zu führen. Denn Benjamin Merz ist zwar ein kluger Ethnologe, aber ihm fällt es ungeheuer schwer, das zu tun, worauf seine ganze Arbeit aufbaut: Fragen zu stellen. Und das hat seinen Grund. Aufgewachsen ist Benjamin Merz mit vier weitaus älteren Brüdern. Seine Kinderjahre verbrachte er in einer aufgezwungenen Spracharmut. Seine älteren Brüder gaben in der Familie den Ton an, und er als Nachkömmling war schon häufig alleine damit überfordert, zu verstehen, worüber gesprochen wurde. Selbst einfachste Verständnisfragen traute er sich dann nicht zu stellen, und später musste er sich das Fragen mühsam antrainieren. Dafür kann er aber ausgezeichnet zuhören. Und diese Fähigkeit macht ihn in Mandlica, der Stadt der Dolci, zu einem begehrten Gesprächspartner – insbesondere bei den Frauen. Sie beginnen ihm Familiengeheimnisse und verborgenste Liebeswünsche anzuvertrauen … Mit dem Roman »Das Kind, das nicht fragte« schreibt Hanns-Josef Ortheil an dem großen autobiographischen Selbsterforschungsprojekt seiner Kinder- und Jugendjahre weiter. Nach »Die Erfindung des Lebens« und »Die Moselreise« setzt sich der Autor auch in diesem Roman mit dem großen Themenkomplex des Zusammenhangs von Verstummen und Sprechen, Fragen und Selbstfindung auseinander.
Autorenportrait
Hanns-Josef Ortheil wurde 1951 in Köln geboren. Er ist Schriftsteller, Pianist und Professor für Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus an der Universität Hildesheim. Seit vielen Jahren gehört er zu den bedeutendsten deutschen Autoren der Gegenwart. Sein Werk ist mit vielen Preisen ausgezeichnet worden, zuletzt mit dem Brandenburger Literaturpreis, dem Thomas-Mann-Preis, dem Georg-K.-Glaser Preis, dem Koblenzer Literaturpreis, dem Nicolas Born-Preis und jüngst dem Elisabeth-Langgässer-Literaturpreis. Seine Romane wurden in über zwanzig Sprachen übersetzt.

Gelesen habe ich von dem Autor: Die Erfindung des Lebens


Montag, 22. Juli 2013

Der große Gatsby / F. Scott Fitzgerald (1)

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Eine Buchbesprechung der o. g. Lektüre

Zu dem Buch gibt es aus meiner Sicht nicht viel zu sagen, werde mich daher kurz halten. Die Details sind dem Buch zu entnehmen. Es gibt Bücher, zu denen ich total viel Lust verspüre, über den Inhalt zu schreiben. Bei dem vorliegenden Buch fehlt mir diese Lust. Sicherlich liegt es an diesen oberflächlichen Menschen, die mich nicht sonderlich angezogen haben. Mir fehlt in dem Buch jegliche Weisheit.

Nun im Groben; es geht um eine amerikanische wohlhabende, oberflächliche und versnobte Gesellschaft auf Long Island. Der Roman spielt im Jahre 1922.
Der Ich-Erzähler Nick Graway befasst sich aus seiner Perspektive mit dem Leben und Ansichten des Protagonisten namens Jay Gatsby und mit dessen gesellschaftlichem Milieu. Nick ist von Beruf Aktienmakler.

Mit Jay Gatsby macht Nick die Bekanntschaft, als er ein altes Haus in West Egg auf Long Island bezieht. Das prunkvolle Nachbarhaus ist das Haus von Jay Gatsby. Gatsby veranstaltet viele Feste und Tanzpartys, an denen auch Nick eingeladen war, ohne dass Gatsby vorher wusste, was Nick für eine Persönlichkeit ist. Es genügte wohlhabend zu sein, alles andere ist nebensächlich und unbedeutend.
In den letzten Wochen hatte ich mich vielleicht fünf oder sechs mal mit ihm unterhalten und dabei zu meiner Enttäuschung festgestellt, dass er im Grunde oberflächlich war. Mein erster Eindruck, dass er eine geheimnisvolle und bedeutende Persönlichkeit sei, war daher allmählich korrigiert worden. Jetzt war er für mich nur noch der Eigentümer des luxuriösen Landhauses neben an. (58 f)
Auf den Partys erscheinen viele junge Leute, ohne sich wirklich zu kennen und ohne das Interesse zu haben, sich näher kennenzulernen.
Es fallen beiläufige Bemerkungen, Fremde werden einander vorgestellt und der Name des neuen Bekannten sofort wieder vergessen. Frauen fallen sich in die Arme, die sich noch nicht einmal dem Namen nach kennen. (39)
Gatsby nimmt ein tragisches Ende, nachdem die Liebe zwischen ihm und der mit Tom Buchanan verheirateten Daisy, die gemeinsam eine kleine Tochter haben, gescheitert ist. Daisy konnte sich zwischen Tom und Gatsby nicht entscheiden... .
Durch Daisy, die eine sehr schlechte Autofahrerin ist, kommt es zu einem Unfall, und verletzt eine Passantin tödlich. Es ist die Ehefrau von Wilson, die durch den Unfall stirbt. Doch Gatsby, der Daisys Beifahrer war, nimmt alle Schuld auf sich. Willson rächt sich an Gatsby für den Tod seiner Frau und erschießt ihn.

Nick lernt Gatsbys Vater kennen, der mit den Nerven fertig war, als er von dem fürchterlichen Tod seines Sohnes erfährt. Stolz zeigt er Nick eine Fotografie, die der Vater von seinem Sohn zugeschickt bekam. Erst dachte ich, dass auf dem Foto sein Sohn abgebildet ist:
"Dieses Bild hat mir mein Sohn geschickt."  Der Vater holte mit zittrigen Händen seine Brieftasche heraus. "Sehen Sie mal". Er zeigte mir ein Foto vom Haus; es war von vielem Anfassen schon fleckig und an den Ecken eingerissen. Stolz zeigt er mir jedes Detail."Sehen Sie - hier!" Dabei vergewisserte er sich immer wieder meiner Bewunderung. Er hatte es schon so oft herum gezeigt, dass dieses Bild für ihn wohl realer war als das Haus an sich. (…) Er hielt mir das Foto noch eine weitere Minute unter die Nase und schien es gar nicht mehr weglegen zu wollen. Schließlich steckte er seine Brieftasche widerwillig ein und zog nun eine zersplitterte Ausgabe des Buchs Hopalong Cassidy aus seiner Tasche."Sehen Sie mal, das ist ein altes Buch aus seiner Jugendzeit. Das zeigt alles". Er schlug die letzte Seite auf und hielt mir das Buch hin. Auf der leeren Seite stand in Druckbuchstaben das Wort STUNDENPLAN und das Datum 12. September 1906." (152)
Auf dem Stundenplan war die gesamte Tagesstruktur minutiös aufgelistet. Darauf war der Vater stolz. Auf die Leistung seines Sohnes, auf das, was er materiell besitzt. Der Vater trauert nicht wirklich um seinen Sohn, sondern mehr um den gehobenen Menschen, den er noch hätte werden sollen, wäre da nicht der Tod zuvorgekommen.

Das Buch ist arm an menschlichen Werten, vielmehr die Figuren darin, nicht das Buch selbst. Nicht nur Nick hat diese menschlichen Werte vermisst, ich ebenso. Deshalb schließe ich nun meine Aufzeichnungen zu dem Buch.

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Gelesene Bücher 2013: 47
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86





Samstag, 20. Juli 2013

Der große Gatsby / F. Scott Fitzgerald

Klappentext
Der große Gatsby ist ein gesellschaftskritischer Roman, der im New York der 1920er Jahre spielt. Im Mittelpunkt steht die Verkörperung des amerikanischen Traums, das Streben nach Geld, Macht und Liebe, und schließlich dessen Scheitern.


Autorenportrait
Mit dem großen Erfolg seines Romanerstlings 'This Side of Paradise' und mit 'The Great Gatsby' wurde F. Scott Fitzgerald (1896-1940) zum literarischen Wortführer jener Ära, für die er das Schlagwort 'Jazz Age' prägte. Er hat das glitzernde New York der Zwischenkriegsjahre, das sich für die Rhythmen von Duke Ellington und Louis Armstrong begeisterte, zeitdokumentarisch eingefangen, ohne die Frage auszublenden, ob dieser Glanz trügerisch sei. Seine Helden, kaum verhüllte Porträts Fitzgeralds, strotzen vor Selbstbewußtsein und leiden zugleich an ihrem Ausbeuten der eigenen Seele.

Von dem Autor habe ich auch  Der seltsame Fall des Benjamin Button gelesen, wobei mir erst die Buchverfilmung in die Hände geriet, die mir nicht gefallen hatte. Anschließend besorgte ich mir das Buch, von dem ich wiederum sehr angetan war.
Aufmerksam wurde ich auf das Buch über andere Bücher, das mich neugierig stimmte.





Donnerstag, 18. Juli 2013

Mohammed Hanif / Eine Kiste explodierender Mangos (1)

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Eine Buchbesprechung der o. g. Lektüre

Das Buch ist interessant geschrieben und ebenso recht belastend, was ja auch das Thema mit sich bringt, deshalb werde ich mich zu diesem Buch nur kurz halten. Denn mich hatte das Buch arg deprimiert. Aber weggucken, das wollte ich auch nicht.
Der Titel ist recht interessant und hat eine starke, symbolische Bedeutung, auf die ich aber nicht eingehen möchte, um die Spannung oder vielmehr die Neugier nicht vorwegzunehmen.

Pakistanische Kriegsliteratur, herrschende Militärdiktatur, Kalter Krieg; was mich schon auf den ersten einhundert Seiten recht betroffen gestimmt hat.
Der Ich-Erzähler, Luftwaffenkadett Ali Shigri, befindet sich in Vernehmungshaft. Es geht um ein abgestürztes pakistanische Militärflugzeug  des Präsidenten Zia ul-Haq. Es wird nun untersucht, ob der Absturz die Folge eines Attentats ist. In dem Militärflugzeug befand sich auch der US-Botschafter Arnold Raphael und verschiedene Generäle.

Es steht erst einmal jeder unter einem Generalversacht, der in irgendeiner Weise mit dem Flugzeugabsturz zu tun hatte.
Die Militärpolizei versucht herauszubekommen, welche Abneigungen bzw. menschliche Schwächen die Inhaftieren haben, um sie damit zu foltern. Ali Shigir z. B. hasst öffentliche Toiletten. Und in genau einer wird er eingesperrt, die eklig, unsauber ist. Shigir verbringt die Nacht in der Toilette stehend, um sich nicht auf den ekelhaften Boden zu legen. Stehend, gehend, groß war der Raum nicht. Ich stelle mir das schrecklich vor. Eine ganze Nacht stehen zu müssen.
"Ich strecke meine Arme und konzentriere mich auf die Lektüre."
Lektüre? Ein wenig sarkastisch gemeint. Mit Literatur bezeichnet Shigir das mit Kot und Blut versehene Geschreibsel an den Wänden. Menschen, die hier ebenso gefangen waren, schreiben über ihr Leid... .
Inhaftierte müssen sich auch psychologische Tests unterziehen, um an das Innenleben derjenigen Menschen einzudringen. Diese Tests werden von Ärzten gestellt und in der Ausführung betreut. Gibt man absichtlich falsche Antworten an, kann es zu einem falschen Persönlichkeitsbild führen, und das Leben nochmals existentiell gefährden... .
Wenn eine Frau vergewaltigt wurde, dann muss sie dem Gericht beweisen, dass sie schuldlos war. Mädchen, die durch die Vergewaltigung entjungfert wurden, müssen beweisen, dass sie vor der Vergewaltigung noch Jungfrau waren. Überhaupt ist die Frau in dem Buch immer eine Schuldperson, unabhängig davon, wie sie sich verhält. Ein Beispiel mit First Lady, die abwehrende Haltung ihres Mannes ihr gegenüber, und sie selbst, weil sie es nicht anders kennt, die abwehrende Haltung westlicher Frauen gegenüber:
Der Informationsminister schickte ihr die Ausschnitte, die sie meist vor ihrem Mann versteckte, weil er stets etwas an ihrer Erscheinung auszusetzen hatte. Wenn sie Make - up truck, beschuldigte er sie, westliche Frauen nachzuäffen. Trat sie ungeschminkt auf, mäkelte er, sie sehe eher tot als eine First Lady aus. Unentwegt predigte er ihr, dass sie als First Lady eines islamischen Staates ein Vorbild für andere Frauen sein müsse. (...) Das erste, was die First Lady an einem Bild schockierte, war die Masse von dem nackten Fleisch, das aus der Bluse der weißen Frau quoll. Sie wusste sofort, dass dieses Weib eines dieser neuen BHs mit Drahtbügelverstärkung trug, die die Brüste anhoben und größer scheinen ließen. Mehrere der anderen Generalsgattinnen hatten solche BHs, besaßen jedoch zumindest den Anstand, hochgeschlossene Blusen darüber zu tragen, so dass die verbesserte Form sich nur andeutete. Die Frau auf dem Bild hingegen trug eine Bluse, die so weit ausgeschnitten war, dass die Hälfte ihrer Brüste frei lag, und zwar derart hoch gedrückt und zusammen gepresst, dass der diamante Anhänger um ihren Hals beinahe in ihrem Dekollté verschwand.Und daneben ihr Gemahl - der Mann der Wahrheit; der Mann des Glaubens; der Mann, der den Frauen zur besten Sendezeit Anstand predigte; der Mann, der Richterinnen Nachrichtensprecherin feuerte, weil sie sich weigerten, einen Dupatta um den Kopf zu tragen; der Mann, der nicht gestattete, dass in einer Fernsehserie zwei Kissen nebeneinander auf einem leeren Bett lagen; der Mann, der die Kinobetreiber dazu zwang, jedes ungedeckte Stückchen Arm oder Bein auf den Filmplakaten zu übermalen-, dieser Mann saß da und starrte so entrückt und selbstvergessen auf die beiden Kugeln aus weißem Fleisch, dass man meinen konnte, seine eigene Frau sei ohne ein solches Paar auf die Welt gekommen, (124f).
Wenn man solche Bücher liest, dann muss man aufpassen, dass man nicht alle Menschen aus dieser Welt als altmodisch und rückständig betrachtet. Denn auch in dieser Welt gibt es Menschen, die sich nach religiöser, politischer und gesellschaftlicher Freiheit sehnen. Und das sind nicht einmal wenige.

Menschen, die sich mit westlicher Literatur befassen, leben gefährlich. Werden solche Bücher bei ihnen gefunden, dann kommen sie ins Gefängnis, werden gefoltert und angeklagt. Dabei muss ich immer wieder an Franz Kafka denken, denn diese Welt in dem Buch hat starke Kafkaeske Züge. Was Menschen aus der westlichen Welt innerlich an Bedrohung erleben, erleben andere äußerlich. Ich kenne viele Leute, die Kafka für pessimistisch hielten. Ohne wirklich etwas getan zu haben, kommen Menschen in den Knast, nur weil eine Regierung das für richtig hält. Nichtige Gründe, banale Gründe kann Menschen in die existentielle Not bringen. Grundlos. Kafka ist alles andere als pessimistisch. Kafka ist durch und durch real.

Andersdenkende jeglicher Art sind vom Militär nicht erwünscht. Abfälliges Verhalten gegenüber Menschen anderer Kulturen wird in dem Buch mehrmals beschrieben, während die eigene Kultur glorifiziert wird.
General Zia hatte zugesehen, wie ihn die Indiras in einen weißen Baumwollsari gehüllter Leib Feuer fing. Einen Moment lang hatte es gewirkt, als würde sie aufstehen und davonlaufen, aber dann war ihr Schädel explodiert. Der General dankte Allah, dass er ihnen Pakistan geschenkt hatte und ihre Kinder diese Hölle auf Erden nicht jeden Tag mit ansehen mussten. (80)
Mit diesem Zitat beende ich somit meine Gedanken zu dem Buch. Wie gesagt, obwohl uns hier vieles bewusst ist, was die Lebensweise arabisch - islamisch gesitteter Länder betrifft, stimmt es mich nach wie vor betroffen, und es mir immer wieder von neuem deutlich wird, wie viele Verbrechen unsere Menschenwelt trägt... . Wie viele Morde tagtäglich weltweit verübt, wie viele Verletzungen zugefügt werden. Eine Hölle nach dem Tod? Ein Fegefeuer? Für mich ist die Erde das Fegefeuer und die Hölle. Eine schlimmere Hölle kann ich mir nicht mehr vorstellen.
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Mit den guten Dingen im Leben ist es wie mit der Geburt eines Kindes. Neunzig Prozent sind Warten.
(James A. Michener)

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Freitag, 12. Juli 2013

Mohammed Hanif / Eine Kiste explodierender Mangos

Klappentext
Am 17. August 1988 explodiert wenige Minuten nach dem Start in Richtung Islamabad das Flugzeug des pakistanischen Präsidenten Zia ul-Haq. An Bord befinden sich neben dem Militärdiktator und treuesten Verbündeten der USA im Afghanistankrieg auch einige seiner ranghöchsten Generäle und der US-Botschafter Arnold Raphel. Bis heute ist es eine der großen offenen Fragen in der gewaltreichen Geschichte Pakistans, ob es sich bei dem mysteriösen Absturz um einen Unfall oder um ein Attentat handelte.Mohammed Hanif greift dieses Ereignis auf und entwickelt daraus einen Roman mit anarchischer Komik und schwarzem Humor. Hatte der CIA seine Finger im Spiel? Waren es pakistanische Generäle, unglücklich über ihre bevorstehende Pensionierung? Geschah es wegen des Fluchs einer blinden Frau? Oder durch ein Geschenk der All Pakistan Mango Farmers Cooperative?Auch könnte der Erzähler, der Luftwaffenkadett Ali Shigri, verantwortlich sein, der seine eigenen Pläne verfolgt. Ebenso sein Freund Obaid, der jede Frage des Lebens mit einem Spritzer Eau de Toilette und einem Rilke-Zitat beantwortet und plötzlich verschwindet. Oder ist es am Ende doch Leutnant Bannon, der aus seinem Vietnamtrauma in Marihuanaträume fällt?»Eine Kiste explodierender Mangos« ist eine vielschichtige und brillant erzählte Satire über Männer, Macht und Militär, die vor dem historischen Hintergrund auch die Verstrickungen der gegenwärtigen globalen Politik aufdeckt.

Autorenportrait
 Mohammed Hanif, geboren 1965 in Okara/Pakistan, war Pilot der pakistanischen Luftwaffe, bevor er eine Karriere als Journalist einschlug. Ende der neunziger Jahre übersiedelte er mit seiner Familie nach London. Er schrieb Theaterstücke und Drehbücher und absolvierte das renommierte Creative Writing Programme der University of East Anglia. Im Herbst 2008 kehrte er nach Pakistan zurück und arbeitet dort als Korrespondent der BBC. Er lebt in Karachi.»Eine Kiste explodierender Mangos« ist sein erster Roman, der bereits kurz nach Erscheinen für den Man Booker Prize nominiert wurde.
Das ist das zweite Buch, das ich von dem Autor lese. Gelesen habe ich  Alice Bhattis Himmelfahrt, das mir recht gut gefallen hat. Entdeckt habe ich den Autor auf der Frankfurter Buchmesse 2012. Und so sowohl dieses als auch das Cover des anderen Buches fand ich recht originell.





James A. Michener / Dresden Pennsylvania (1)


Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre


Das Buch ist interessant aufgebaut und erzählt aus der Perspektive von vier Menschen, die man alle als BibliophilInnen bezeichnen kann.
Zu Beginn erzählt der Schriftsteller Lukas Yoder, der dabei ist, sein drittes Buch zu vermarkten, später werden es vier und man bekommt das ganzen Prozedere mit zwischen Verlagswesen, Lektorin und Leserschaften.
Lukas Yoder kommt aus Pnnsylvania Dutsch Country und man erfährt, dass die Menschen, die dort leben, ehemals aus Deutschland kamen und versuchen in Amerika an ihre Traditionen festzuhalten. Dies fand ich schon interessant, es hat mich an viele AusländerInnen in Deutschland erinnert, die auch ein kleines Asyl bilden und halten darin an ihren Traditionen fest und merken mit der Zeit gar nicht, dass die Traditionen im eigenen Land sich schon längst verändert haben. Oftmals werden diese Menschen von vielen Deutschen als rückständig bezeichnet. Gut zu wissen, dass Deutsche im Ausland auch nichts anderen tun, als die AusländerInnen hier. Ausgewanderte Menschen, die zwischen Tradition und Moderne stehen, stellt sich oftmals als ein Prozess heraus, der konfliktreich erlebt werden kann, aber nicht unüberwindlich ist. Lukas Yodar entscheidet sich am Ende des Romans für die Moderne.
Dieses Kapitel fand ich ein wenig zäh, weil alles, was mit dem Vertreiben des Buches so minutiös berichtet wurde, die ganzen Details aus dem Verlagswesen wurden geschildert, dass es mich ein wenig gelangweilt gestimmt hatte. Die Wende kam schließlich mit dem zweiten Kapitel, ohne Lukas Yoder aus den Augen zu verlieren.

Das Leben der Lektorin Yvonne Marmelle wird in diesem Kapitel vorgestellt, das ich richtig spannend fand. Sie erzählt von ihrer Kindheit und wie sie es geschafft hat, in das Verlagswesen bei Kinetic als ganz junger Mensch ohne jegliche Vorkenntnisse hineinzukommen und sich innerhalb kürzester Zeit zu einer beliebten und kompetenten Lektorin hochgearbeitet hat. Eigentlich hätte sie in die Fußstapfen ihres Vaters treten sollen, und in der Textilindustrie arbeiten, nach dem man sie aus finanziellen Nöten vorzeitig von der Schule nahm:
In so ein Leben lasse ich mich nicht ein zwängen. Es gibt eine Welt der Bücher, der Ideen, und ich werde mir den Zutritt in dieser Welt erkämpfen. Ich floh aus dem Bezirk mit seinen belebten Straßen und der enormen Vitalität. Ich hatte keine Ahnung, wo ich mich jetzt nach einer Stelle umsehen sollte. Da kamen mir vage die Worte eines Dozenten in den Sinn, der in Professor Fineschreibers einen Gastvortrag gehalten und dabei gesagt hatte: "An der Madison Avenue gibt es diese Anhäufung von Verlagen, die bestimmen den geistigen Kurs der Nation" . (149)
Yvonne Marmelle besitzt eine besondere Fähigkeit; sie setzt sich für ihre AutorInnen ein, die sie entdeckt. Sie entwickelt ein echtes Gespür für gute Bücher und ist in der Lage, aus einem Stapel abgelehnter Manuskripte noch gute herauszufischen. Und sie bringt all ihre Kraft auf, die von ihr entdeckten AutorInnen verantwortungsvoll zu begleiten und zu fördern.
Durch sie lernt man viele AutorInnen kennen. Darunter befanden sich Persönlichkeiten, die das Zeug zum Schreiben zwar hatten, sie sich aber selbst so sehr im Wege standen, dass schließlich das Buchprojekt platzen musste. Narzisstische Persönlichkeiten, die nicht in der Lage waren, konstruktive Kritik anzunehmen.

Anschließen lernt man den Literaturkritiker Karl Streibert kennen. Ein begabter Wissenschaftler, der recht schnell sich hocharbeiten konnte. Er dozierte an verschiedenen Universitäten und hatte die Absicht, junge, begabte AutorInnen zu fördern. Sein Ziel war, ihnen das Schreiben nicht auszureden, sondern sie darin zu ermuntern.
Wenn Sie sich die Empfindungen nicht vorstellen können, die Ihre Figuren bewegen, und sich nicht mit ihnen zu identifizieren vermögen, wird nie ein Schriftsteller aus Ihnen, ganz gleich, wie scheußlich ihr Verhalten, wie edel, wie aufopfernd, wie banal, Sie müssen sich dahin bringen, nicht nur die Situation, sondern auch das Innenleben eines Charakters zu spüren.(236) (...) ein Künstler ist ein schöpferischer Mensch und darf kein normales Leben führen. Er sollte seine geistige Nahrung bei Freunden und Vertrauten finden, die so sind wie er. Seine Aufgabe besteht darin, die Gesellschaft mit einem frischen und notwendigerweise manchmal bittereren Bild ihrer selbst zu konfrontieren und das höchste Gut in dieser Welt das Verhalten in dem ein Mensch gemessen wird, ist unverbrüchliche Treue zu seinen Freunden - was immer die Konsequenzen sein mögen. (266)
Das muss man dem jungen Professor lassen, über die Technik weiß er Bescheid, ist darin Fachmann, ein wahrer Experte.

Dennoch entwickelt er sich aus meiner Sicht zu einem ganz gewöhnlichen Literaturkritiker, der Bücher nach seinen Maßstäben beurteilt. Ich fand diese Figur unsympathisch. Ich finde es überraschend, dass Charles Dickens, William Makepeace Thackery, John Steinbeck, Ernest Hemingway zu den minderwertigen Autoren bezeichnet werden. Da war ich recht verblüff.
Als Kontrast zu den vier guten Schriftsteller
haben wir vier Schriftsteller, die einige Popularität erreicht haben, deren Werk jedoch unter ästhetischen Gesichtspunkten minderwertig erscheinen. Wiederum in chronologischer Reihenfolge: Sinclair Lewis, Pearl S. Buck, Ernest Hemingway, und John Steinbeck.
Thackery wird ein paar Seiten vorher als minderwertig beschrieben. Gar nicht einfach, Schriftsteller zu sein, wenn man bedenkt, welchen Urteilen man ausgesetzt wird. Literaturkritiker sind aus meiner Sicht oftmals die Schlimmsten.
Hemingway war ein großer Poseur, kein großer Schriftsteller. Er tat bescheiden und als ob er in der Öffentlichkeit nicht erkannt werden wollte - trug jedoch einen unverkennbaren Bart. Er posierte als unverletzbarer Macho - aber als es hart wurde, beging er Selbstmord. Er hat verdient zu bleiben, wo er jetzt ist. Junge Autoren sollen hören, was ich über ihn zu sagen habe. (301)
Professor Karl Streibert hatte auch einen Lehrer, zu dem er hinaufschauen konnte. Er wurde stark von Professor Devlan beeinflusst. Zwischen ihnen entwickelte sich auch eine Freundschaft, da sie sich in ihrem Wesen sehr ähnelten. Was das kreative Schreiben anbelangt, erfuhr Karl Streibert von seinem Freund folgenden Ratschlag:
Sieh zu, dass du zunächst einmal die Figuren ganz klar vor Augen hast und dass sie authentisch sind. Führe sie dann durch die Verwicklungen des Handlungsgeschehens. Lass sie durch ihr Handeln die großen Wahrheiten entdecken, auf denen der Roman beruht - nach allem, was du mir erzählst, Karl, tust du das nicht. Du stellst deine Aussage, deine Ideen vornan. (327f)
Doch auch dieser so hochbegabte Mensch ist Prüfungen ausgesetzt und hat die Absicht, selbst auch Romancier zu werden. Seine Bücher sind dermaßen intellektuell, dass sie in der Gesellschaft wenig Beliebtheit erfahren. Ab wann ist ein Buch gut? Wenn kaum einer sie versteht? Karl Streiberts Bücher werden hauptsächlich von Universitätsprofessoren gelesen und anerkannt. Doch er macht auch die bittere Erfahrung, dass er als Romanautor nichts taugt und so frage ich mich, ob da nicht ein wenig Neid dahinter steckt, und dadurch andere AutorInnen aggressiv attackieren und herabsetzen muss, die nicht seinem Standard entsprechen? Die Bücher von Lukas Yoder wertet der Professor als trivial, sentimental und mittelmäßig ab, doch da ist die Lektorin Yvonne Marmelle, die sich für Yoder einsetzt, und ihn wie ein Löwe verteidigt.

Als nächstes lernt man die große Leserin Jane Garland kennen. Neben Jane Garland gibt es noch ihren Neffen, Vollwaise, ein hochbegabter junger Mann, der schon im Alter von 22 Jahren an der Universität einen Lehrauftrag zum Kreativen Schreiben erhalten hat. Sein Name ist Timothy Tull. Timothy ist ein begnadeter Schriftsteller, der von Professor Streibert hochgelobt und in die sichere Schriftstellerbahn gelenkt wird.
 Jane Garland steht für Yoder ein, die alle seine Bücher gelesen und zu schätzen gelernt hat und verteidigt diese vor dem Kritiker ebenfalls vehement.
Es kommt zu einer Begegnung dieser vier Menschen, die alle unmittelbar miteinander zu tun bekommen, und es sich im Laufe der Zeit zwischen ihnen zu einer interessanten und tiefen freundschaftlichen Beziehung entwickelt. Selbst der Professor entwickelt sich zu einer Person, die auch mir sympathisch werden könnte. Und diese Entwicklung fand ich recht schön.
Fast am Ende angelangt, wird man noch im Hause Garland von einem dramatischen, kriminellen Ereignis erfasst, auf das ich nicht eingehen werde, um nicht zu viel vorwegzunehmen.

Jane Garland finde ich auch eine recht interessierte Persönlichkeit, die durch den Kontakt mit obigen Personen viel dazugelernt hat und macht folgende Selbsterkenntnis, nach dem sie von ein paar schweren Schicksalsschlägen eingeholt wurde, die mit tiefen menschlichen Verlusten einhergehen, als sie zusätzlich Trost in den Büchern fand:
In meinem schmerzlichen Verlust fiel mir auf, dass zwei Dinge in den Vordergrund zu treten schienen. Wie in jeder Lebenskrise fand ich auch diesmal Erleichterung durch Lesen, und ich hielt mich einmal an Lieblingsbücher, die mich in anderen Lebensphasen bezaubert hatten (…). Es waren, wenn ich so sagen darf, Bücher mehr oder weniger gleicher Art, Geschichten in der großen Form herkömmlichen Erzählens mit einer traditionell verwendeten Sprache und stammten allesamt von europäischen Schriftstellern. Als Ausgleich las ich die neuesten, gut besprochene Romane junger amerikanischer Autoren, und einige waren so frisch und entzückend, und sogar gewagt, dass ich ein intellektuell befriedigendes Leben führte. Auf Ratgeber zum Leben im Schmerz oder zum Überleben nach dem Verlust eines geliebten Menschen war ich nicht angewiesen. Ich bezog meine Therapie aus den großen Gedanken und Abenteurern, wie sie in Weltsprachen erzählt worden sind. Der zweite Faktor, der mir half, nicht den Verstand zu verlieren, war ein überraschendes Moment.
Ich war in einer anständigen Familie groß geworden, hatte einen anständigen Mann geheiratet, der in einer anständigen Firma arbeitete und in einer anständigen amerikanischen Stadt wohnte. Ich war auch, könnte man meinen, im gesellschaftlichen Sinn verarmt, denn zu meinem Freundes und Bekanntenkreis gehörten keine Schwarzen, keine Juden und sehr wenige Katholiken. In meiner Familie gab es keine Vorurteile gegenüber solchen Menschen, auch nicht gegenüber Slaven und Polen, aus denen die Arbeiterschaft der Stahlhütte bestand; meine Eltern erzogen mich nur so, dass ich diese Menschen ignorierte. Ich fand nicht einmal Gefallen an den doch recht amüsanten Pennsylvaisch-Deutschen  am Rande unserer Gesellschaft." (505f)
Hier beende ich nun meine Aufzeichnungen, und kann jedem empfehlen, der oder die Bücher liebt und sich gerne über das Leben anderer BücherliebhaberInnen beschäftigen möchte, ob es nun AutorInnen oder LeserInnen sind.

Ich gebe dem Buch acht von zehn Punkten. Auch wenn ich anfangs ein wenig ungeduldig war, so ist es dem Autor gelungen, mich wieder in voller Konzentration zurückzuholen. Es ist eben Geschmackssache. Die einen mögen es, das ganze Prozedere eines Schriftstellers mit zu erleben,
anderen wiederum wird es mit der Zeit langweilig. Ich gehörte zu der zweiten Kategorie.

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Mit den guten Dingen im Leben ist es wie mit der Geburt eines Kindes. Neunzig Prozent sind Warten.
(James A. Michener)

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Samstag, 6. Juli 2013

James A. Michener / Dresden, Pennsylvania



Hintergrund
Dresden Pennsylvania - James A. Michener ---> Die Pennsylvania Dutch (Deutsche) im östlichen Pennsylvania haben eine faszinierend bewegende Geschichte. Die Amischen, wie sie in USA genannt werden, sind in ihrem Festhalten an den alten Traditionen und einer "simplen", naturgemäßen Lebensweise vielleicht dem Untergang geweiht. Aber haben sie einen eigenen Charm und üben auf den modernen Stadtmenschen mit seinem erfolgsorientierten Streben eine große Anziehungskraft aus und wecken Sehnsüchte... - Hier spielt Micheners Roman, im westlich von New York gelegenen Dresden, im Herzen von Pennsylvania, eine Gründung deutscher Einwanderer. Hier lebt auch der Schriftsteller Lukas Yoder, der in ländlicher Abgeschiedenheit gerade seinen letzten großen Roman fertiggestellt hat. Doch der Frieden trügt. Die Veröffentlichung seines Werkes wird zu einer dramatischen - und tödlichen - Auseinandersetzung um ein neues Lebensgefühl zwischen Tradition und Moderne. Eine erbitterte literarische Fehde, begletet von einem mysteriösen Mord...

Autorenportrait auf Wikipedia
Micheners Eltern sind unbekannt. Laut seinen Papieren wurde er am 3. Februar 1907 in New York geboren, jedoch sind tatsächlich weder sein Geburtsdatum noch sein Geburtsort bekannt.[1]Als Waise wuchs Michener bei seiner Pflegemutter Mabel Michener inDoylestown, Pennsylvania auf. Er arbeitete zunächst als Lehrer und als Lektor. ImZweiten Weltkrieg, während seines Einsatzes im Südpazifik, entstand auf dervanuatuischen Insel Espiritu Santo sein erstes Buch Die Südsee, eine Sammlung von lose zusammenhängenden Kurzgeschichten. Für dieses Buch erhielt er 1948 den Pulitzer-Preis.

Das Buch habe ich diese Woche von meiner Literaturfreundin Anne geschenkt bekommt, die es kürzlich selbst auch gelesen hatte und sie von dem Inhalt sehr angetan war. Sie ist der Meinung, dass das Buch mir auch gefallen könnte, und so hat sie mich darauf recht neugierig gestimmt.

Der Autor ist mir unbekannt.


Freitag, 5. Juli 2013

Hans Fallada / Bauern, Bonzen und Bomben





Klappentext
Falladas erster großer Roman: Das Psychogramm einer Staatsbefindlichkeit.In diesem Buch erfährt man, wie Politik auf dem Lande in der Weimarer Republik aussehen konnte, im Spannungsfeld einer politisch hellhörig gewordenen Gesellschaft zwischen Linken und Rechten, Arbeitern und Bauern.


Autorenportrait im Klappentext
RUDOLF DITZEN alias HANS FALLADA (1893–1947), zwischen 1915 und 1925 Rendant auf Rittergütern, Hofinspektor, Buchhalter, zwischen 1928 und 1931 Adressenschreiber, Annoncensammler, Verlagsangestellter, 1920 Roman-Debüt mit "Der junge Goedeschal“. Der vielfach übersetzte Roman "Kleiner Mann – was nun?" (1932) machte Fallada weltberühmt. Sein letztes Buch, „Jeder stirbt für sich allein“ (1947), avancierte rund sechzig Jahre nach Erscheinen zum internationalen Bestseller. Weitere Werke u. a.: »Bauern, Bonzen und Bomben« (1931), »Wer einmal aus dem Blechnapf frißt« (1934), »Wolf unter Wölfen« (1937), »Der eiserne Gustav« (1938).»Alles in meinem Leben endet in einem Buch.«

Gelesen habe ich von Fallada:

1. Damals bei uns daheim
2. Der Trinker                                                
3. Ein Mann will nach oben                                                          
4. Jeder stirbt für sich allein                                                        
5. Kleiner Mann – großer Mann – alles vertauscht                    
6. Kleiner Mann, was nun?                                                            
7. Wer aus dem Blechnapf frißt
8. Wolf unter Wölfen


Ich fand alle Bücher gut geschrieben.
Mit obigem Titel konnte ich aber nicht wirklich warm werden. Hatte es schon mal angelesen und wieder abgebrochen. Ich möchte es jetzt noch einmal versuchen.


Nachtrag, Sa. 06.07.2013, 12:23 Uhr 
Das Buch habe ich nun ein zweites Mal wieder abgebrochen und weiß nun, woran das liegt. Es treten in dem Roman nur Männer auf, und nur ganz selten eine Frau, und dann auch nur im Hintergrund. Mir ist diese Männerwelt einfach zu trocken.
Schon der Titel ist irgendwie mit Männlichkeit überfrachtet, wenn ihr versteht, was ich meine. Weiß nicht, wie man das noch besser ausdrücken könnte.








John Irving / In einer Person (1)

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Eine Buchbesprechung der o. g. Lektüre


Zu dem Buch habe ich außerhalb meines Blogs vierundzwanzig Beiträge verfasst, die ich nun hier auf dieser Seite in Tagebuchform übertragen werde. Das Buch hat in mir widersprüchliche Gefühle ausgelöst, dass ich gar nicht vor hatte, es bis zum Ende zu lesen. Das Thema erlebe ich als recht anstrengend. Es stellte sich mir die Frage, weshalb ich mich mit dieser Thematik auseinandersetzen möchte, wo ich doch so keine Vorurteile diesen Menschen gegenüber habe? Und muss ich denn über die Gefühle diese Menschen so genau Bescheid wissen? Nun, dann kam es doch anders, siehe Beiträge unten.
Der Protagonist und der Ich - Erzähler dieses Buches ist Billy Abbot. Er ist Schriftsteller, siebzig Jahre alt und schreibt aus seiner Perspektive über sein Leben als Transgender auf, das bis weit in seine Jugend von dreizehn Jahren reicht.

Sonntag, 30.06.2013, 14:24 Uhr
In dem Buch nimmt man an vielen Literaturgesprächen teil und viele AutorInnen sind mir sogar bekannt. Alle Ibsen Dramen werden besprochen und sollen im Laientheater First Sister Players in Vermont, New - England, aufgeführt werden. Von Ibsen habe ich auch alle Stücke gelesen, weiß also, von was die Menschen in dem Buch reden.
Interessant fand ich, dass der Autor die Bronté Bücher Sturmhöhe und Jane Eyre nicht als Frauenliteratur abtut.
Es geht um den jungen William, gerufen wird er Billy, der 13jährig in der Pubertät steckt, und Bücher sucht, die ihm die Möglichkeit geben, sich mit dem Inhalt des Buches zu identifizieren.
Billy hatte bisher so keinen Bezug zur Literatur, da die Mutter hauptsächlich billige Abenteuer- und Liebesromane gelesen hatte, für die sich Billy alles andere als begeistern konnte. Billy ist von Charles Dickens  Buch Große Erwartungen sehr angetan und sieht in Dickens ein großes Vorbild zum Schriftsteller. Erst sein Stiefvater Richard schafft es, dem jungen Menschen weitere interessante Bücher nahe zu bringen. In den von der Bibliothekarin Miss Frost empfohlenen Bronté-Bücher könnte man Geschichten finden, ohne sich in Sciencen-Fiktion zu flüchten, und man musste weder Western noch Liebesromane lesen, um zu träumen.

Mo. 01.07.2013, 11:45 Uhr
John Irvings Hauptthemen betreffen meist die Sexualität, so wie auch in diesem Buch. Alles Figuren, die anders sind. Homosexuelle, Transvestiten, Bisexuelle. Transgender in einem Begriff  ausgedrückt... . Ich verstehe nun auch, was mit dem Buchtitel In einer Person gemeint ist. Bei einem Bücherkauf lese ich nicht immer die Klappentexte, lasse mich eher vom Buchtitel gerne überraschen.
In dem Laientheater Sister Player werden die weiblichen Rollen hauptsächlich von männlichen Schauspielern gespielt.
Ich weiß ehrlich gesagt immer noch nicht, wie ich selbst zu dem Buch stehe. Ist das ein Thema für mich? Weckt es meine Neugier? Ehrlich gesagt nicht besonders. Ich habe keine Probleme, diese speziellen Menschen zu akzeptieren, speziell sind wir irgendwo doch auch alle, aber ich habe nicht so viel Lust, zu sehr in diese Thematik einzusteigen. ... .
Interessant finde ich die These, dass in jedem Menschen beide Pole vorhanden sind, und dass jeder Mensch in der Lage wäre, sich auch im selben Geschlecht zu verlieben, wären da nicht die gesellschaftlichen Konventionen. Auch damit habe ich keine Probleme. Meine mich zu erinnern, dass Simone de Bouvoir dieselbe These vertritt, siehe Buch Das andere Geschlecht.
Das Thema hatte mich mit Anfang zwanzig gestreift, und ich mich damit auseinandergesetzt habe. Irgendwie bin ich damit durch, das glaubte ich.

Di. 02.07., 09:48 Uhr
In dem Buch werden alle Intimitäten offen ausgelebt. Tabus? Kennt der Autor nicht. :) Und die ewige Suche nach der wahren sexuellen Identität wird hier beschrieben.
Billy interessiert sich nicht nur für Männer, sondern auch für reife Frauen mit kleinen Brüsten. Seinem Großvater bekennt er, dass er eine sexuelle Neigung zu Männern habe, und er fühle sich gleichzeitig zu reifen Frauen hingezogen, doch dies verschweigt er ihm. Der Großvater, der Verständnis für seinen Neffen zeigt, ihn sogar vor der wütenden Mutter beschützt, weiß aus eigener Erfahrung, was sein Neffe durchmacht, da er selbst zu den Transgendern zählt. Und so empfiehlt er seinem Neffen, sich an die Bibliothekarin Miss Frost zu wenden, die ihm Bücher zur Homosexualität empfehlen kann.
Als Billy Miss Frost kennenlernt, fühlt er sich zu ihr sexuell hingezogen. Doch nicht nur zu ihr. Ebenso für Eiaines Mutter entwickelt er sexuelles Interesse.

11:43 Uhr
Billy bekommt von seinem Stiefvater Richard ein Dutzend Kondome geschenkt. Sicherheitshalber, damit nichts passiert. Er kann noch nicht wissen, dass Billy dafür keine Verwendung hat, obwohl er gelegentlich in eines masturbieren wollte. Die restlichen wollte er seiner Jugend- und Sexfreundin Elaine schenken.
Billy und Elaine haben sich in erste sexuelle Versuche begeben, während Billy dabei an Miss Frost, die Bibliothekarin und Elaine an den Schüler Kittredke dachte, in dem Elaine eigentlich verliebt ist.
Billy stiehlt den BH von Elaine. In seinem Zimmer legt er sich den BH an und geht damit zu Bett, als er von seiner Mutter überrascht wird. Die Mutter ist schockiert, teilte ihm aber mit, das Elaine schwanger ist. Billy rechtfertigte sich, dass nicht er für die Schwangerschaft verantwortlich sei, so erhält er von der Mutter eine Ohrfeige. Sie hätte es lieber gesehen, Elaine wäre von Billy schwanger geworden. Für die Mutter wäre Elaines Schwangerschaft das kleinere Übel, ein Zeichen dafür, dass ihr Sohn normal ist. Diese Szene fand ich wenig authentisch.

12:05 Uhr
Kittgens Mutter, so wird von Elaine durch verschiedene Beobachtungen vermutet, habe bis zu seinem Alter von 15 Jahren Sex mit ihrem Sohn gehabt.
In dem Buch gibt es nichts, was nach gesellschaftlicher Sitte normal wäre. Elaine und Billy reden über diese Inzucht, als wäre es das Normalste von der Welt. Keine Empörung, kein Entsetzen.
Elaine bekundet Billy, dass sie nie eine lesbische Beziehung eingehen würde. Recht widersprüchlich, als sie schließlich zugibt, dass sie doch "damit experimentierte, lesbisch zu sein", wie auch immer sie diese Experimente auslebte.
Auch Elaine wird von Billy ein wenig maskulin im Erscheinen beschrieben, worauf er abfährt. Haare kurz, männliche Züge im Gesicht, aber das Weibliche dominiert. In einer Person. Kein Mensch ist nur weiblich oder nur männlich.

13:07 Uhr
Erstaunlich sind für mich Irvings sexuelle Phantasien, speziell Frauen gegenüber. Schließlich ist er der Schriftsteller und legt in seinen Figuren gewisse Phantasien hinein. Elaine geht zusammen mit Kittredkes Mutter nach Europa, um das Kind abzutreiben. Mrs. Kittredkes kennt keine Grenzen. Nach der Abtreibung kontrolliert sie permanent Elains Körper, speziell auch ihre Genitalien und legt ihr Binden in die Hose, die auch immer wieder von ihr inspiziert werden, mit der fadenscheinigen Begründung, sie wolle nur sehen, wie stark die Blutungen seien, und ob sich diese noch im Normbereich befinden würden. Elaine, die sich bei Billy über diese für sie unangenehme Erfahrung ausspricht:
Ich war mit keinem anderen Menschen je so intim wie mit dieser schrecklichen Frau. Ich werde nie wieder mit jemandem so nahe sein. (...) Sie hat mich fürs Leben gezeichnet. 
Da fragt man sich als Leserin, weshalb sie das hat mit sich machen lassen?
Ich finde diese Szene dermaßen unpassend und geht konform mit vielen sexuellen Männerfantasien. Bin ein wenig darüber enttäuscht.

13:29 Uhr
Das Buch behandelt zu hundert Prozent die menschliche Sexualität in all ihren Formen und Facetten. Einerseits verständlich, wenn man bedenkt, wie viel Leid sie weltweit einem Menschen durch die gesellschaftlichen Vorgaben, was richtig und falsch ist, beschert hat, obwohl die Sexualität das Natürlichste von der Welt ist. Wo fängt die Moral an? Und wo hört sie auf? Vielleicht möchte Irving mit seinem Buch provozieren. Doch Menschen, die andere Menschen in ihrem Sosein nicht tolerieren können, lesen solche Bücher erst gar nicht.

13:56 Uhr
Billy ist noch immer in Miss Frost verliebt, mittlerweile ist er 18 Jahre alt und bekennt sich zu ihr:
"Gleichaltrige Mädchen interessieren mich nicht", versicherte ich Miss Frost. "Anscheinend fühle ich mich zu älteren Frauen hingezogen.""Mein lieber Junge", bekam ich wieder von ihr zu hören. "Nicht auf mein Alter kommt es an - sondern darauf, was ich bin."
 Das fand ich ein sehr weiser Gedanke. Miss Frost ist eigentlich diejenige, die Verständnis für den Jungen aufbringt und ermuntert ihn, seine Triebe nicht zu unterdrücken, sondern sie auszuleben. Nur so wäre es möglich, die eigene sexuelle Identität zu finden.

14:25 Uhr
Ich finde es Klasse. In dem Buch tauchen so viele Bücher auf, die ich auch gelesen habe. Billy spricht mit Miss Frost, ob er so weit sei, Madame Bovary zu lesen. Ich erinnere mich sehr gut an das Buch, muss aber zugeben, dass dieses Buch eine alte Schullektüre war, die im Deutsch Leistungskurs behandelt wurde. Deshalb auch die Vorkenntnisse. Emma Bovery heiratet als junges Mädchen einen Mann, der voll den Erwartungen ihres Standes entspricht. Der Mann ist Arzt, und beide bekommen auch schon recht bald ein Kind. Emma wird immer mehr in festgesetzte Bahnen, die die Institution Ehe mitbringt, gepresst, so dass sie sich schon sehr bald darin zu langweilen beginnt. Liebeshungrig und abenteuerlustig wie sie aufgrund ihres jungen Alters ist, begeht sie einen Seitensprung mit einem Mann, der ihr emotional mehr zu bieten hat, als ihr angetrauter Ehemann, der alle gesellschaftliche Normen zwar erfüllt, aber tot langweilig ist. Wohlstand, gehobener Beruf, Heirat und Kinder sollten die Sicherheit geben, die sich ein Mensch dieser Klasse wünscht. Obwohl Emma Boverys Ehemann sich als einen sehr liebenswürdigen Partner erweist, kann sie trotzdem nicht anders, folgt ihren Neigungen, und gerät dadurch auf Abwegen. Ihr Mann Charles übersieht völlig, dass seine Frau in der Ehe unglücklich ist. Er vertraut auf seinen Beruf, auf die Ehe und dass er Familienvater ist. Er ist rundum zufrieden, daher hinterfragt er die diese gesellschaftlichen Regeln nicht, von denen sich Emma Bovery erdrückt fühlt. Madame Bovery verstrickt sich dagegen immer mehr in ihrem Schwarm, und weiß nicht, wie sie da wieder herauskommen soll... . Der Bezug zu Irving ist der, dass seine Literaturfiguren in dem Buch vieles an Sexualität ausprobieren, sie ausleben, so widersprüchlich sie auch sein mögen, bevor sie sich in eine Ehe begeben. Madame Bovery hatte diese Möglichkeit nicht gehabt und stürzte sich mit dem Seitensprung ins Unglück. Sie war Klosterschülerin und nach ihrem Schulabschluss waren die Wege der Ehe durch den Vater für sie schon vorgezeichnet.

20:45 Uhr
Billy setzt sich mit Literatur mancher Autoren auseinander, die ihm helfen, sich zu finden und seine sexuellen Neigungen besser zu verstehen. Er liest James Baldwin, der sich als betroffener schwarzer Amerikaner in seinen Büchern mit Rassismus und der (Homo)-Sexualität befasst. Folgendes Zitat möchte ich gerne festhalten, weil es so sehr die Nöte eines sexualtätigen Menschen beschreibt:
Ja, dieses beunruhigende Hingezogensein zu Knaben und Männern ließ mich den, wie Baldwin es nannte, "furchtbaren Peitschenhieb öffentlicher Moral" fürchten, doch noch viel mehr ängstigte mich die Stelle, in der die Reaktion des Erzählers beschrieben wird, als er mit einer Frau Sex hat - "ihre Brüste jagten mir eine Heidenangst ein, und als ich in sie drang, bekam ich Angst, nie wieder lebendig rauszukommen.
Besonders den letzten Satz fand ich psychologisch betrachtet mehr als beeindruckend. Einfach ein interessantes Bild, diese archaische - unbewusste infantile Angst, die vergleichbar ist mit der kindlichen Angst vor dem Gefressenwerden. Ein Archetyp, ein kollektives Symbol (C. G. Jung), wie man sie oft schon bei kleinen Kindern erfährt.

Eigentlich wollte ich das Buch erst abbrechen, aber jetzt stecke ich zu tief drin, dass ich es zu Ende lesen werde. Ist doch ein recht brisantes Thema, und man nie fertig sein wird, sich mit dieser Thematik weiter zu befassen.

21:45 Uhr
Nun erfahre ich etwas, womit ich so gar nicht gerechnet habe, obwohl ich hätte damit rechnen sollen. Billy kommt dahinter, dass Miss Frost ein Mann war und ist völlig entsetzt. Billy und Miss Frost haben gemeinsam gevögelt, aber Miss Frost wollte vaginal nicht angefasst werden. Ich bin erstaunt. Ich hätte deshalb damit rechnen müssen, weil in dem Buch es nicht eine Figur gibt, die irgendwie so tickt, wie der Durchschnittsbürger sie haben will. Miss Frost besitzt einen Penis.
Billy hat es aber nicht durch Sex herausbekommen, denn er hatte wohl ihre / seine sexuellen Grenzen respektiert, sondern durch ein Jahrbuch der damaligen Schule, die Miss Frost besucht hatte und sie dort ein ER war, ein Jüngling mit männlichem Vornamen Al. Demgegenüber musste sie oder er eine Geschlechtsumwandlung vorgenommen haben. Aber nur teilweise?

Mi. 03.07., 09:47 Uhr
Billy schockiert seine Tante Muriel, Mutters Schwester, als sie sich nach seinem Wohlbefinden erkundigt:
"Ah, hallo, Billy, - wie geht's denn immer so? Hoffentlich sind alle normalen Beschäftigungen eines jungen Mannes in deinem Alter so befriedigend für dich, wie sie sein sollten!" Worauf ich wie aus der Pistole geschossen erwiderte: "Es ist zu keiner Penetration gekommen - mit anderen Worten, nichts von dem, was die allermeisten Leute unter Sex verstehen. So wie ich es sehe, Tante Muriel, bin ich noch Jungfrau."
Na, so ganz stimmt das nicht, dass es in dem Buch nur sexuell Andersorientierte / Transgender gibt. Nein, es gibt auch drei Durchschnittsmenschen. Billys Mutter, die Souffleuse des Theater First Sister Players; ihre Schwester, Billys Tante Muriel und ihre Mutter, also Billys Großmutter.
Billys Mutter stiehlt seinen BH, den er unter seinem Kopfkissen versteckt hielt und zerreist ihn in tausend Stücken. Sie wird mit Billys sexueller Identität nicht fertig, wobei Billy durch das Herumexperimentieren noch immer am Herausfinden ist, wer er ist oder was er ist.

17:35 Uhr
Billy lässt sich von Elaine einen neuen BH schenken. Elaine hat damit absolut keine Probleme, als Billy sie um einen weiteren BH bittet. Im Gegenteil, er könne so viele BHs von ihr haben, so viele er wolle. Eine sehr tolerante Jugendfreundin, die bis ins hohe Alter Bestand hat.
Billy kennt seinen leiblichen Vater Franny noch nicht. Der Vater war ca. fünf Jahre älter als seine Mutter. Billy erfährt, dass der Vater sich auch für Frauenkleider interessierte und auch welche trug. Was ist daran so schlimm? Der Mann muss sich mehr emanzipieren, schließlich gibt es Frauen, die Männerkleider tragen und es heute das Normalste von der Welt ist. Billys Mutter fand das anfangs anziehend, weshalb sie sich mit ihm zusammen tat, heiratete ihn, doch sie stieß hierzu wider Erwarten sehr schnell an ihre Grenzen und ließ sich von ihm wieder scheiden..

Wenn der Mensch seine Triebe nicht unterdrücken würde, so gäbe es mehr sexuell Andersorientierte auf der Welt als wir ahnen können. Ähnlich wie mit den LinkshänderInnen, die umerzogen wurden. Heute wird nicht mehr umerzogen und man sieht mehr LinkshänderInnen als noch vor sechzig Jahren.

Manche Szenen finde ich ein wenig skuril. Miss Frost und Billy liegen nackt im Bett, und mitten in ihrer Konversation halten sie sich gegenseitig den Penis des Anderen / der Anderen in ihren Händen. Nicht, dass ich diese Erfahrung anzweifeln möchte, aber sie klingt in Worte gepackt einfach nur banal.

Do. 04.07.2013, 07:55 Uhr
Billys Großvater ist Witwer geworden. Er ist 84 Jahre alt und verbringt seine alten Tage allein in seinem Haus in der Kleidung seiner verstorbenen Frau. Der Großvater besaß abnehmbare Gummibrüste und eine Perücke.
Auch Billy ist älter geworden, Mittlerweile ist er Ende dreißig. Mit 19 Jahren bekennt er sich zu seiner sexuellen Identität. Auf jeden Fall ist er nicht monosexuell, das fände er mehr als langweilig, sondern eher bisexuell und praktiziert den Sex mit allerlei Geschlecht. Und doch findet er in einer einzigen Person nicht das, was er braucht. Eigentlich wäre Miss Frost die geeignetste Partnerin von allen.
Interessant fand ich auch zu lesen, dass Miss Frost bei der Geschlechtsumwandlung auch weibliche Hormone geschluckt hat... oder noch schluckt.
Billy ist mit 36 Jahren Romanautor und schreibt an sein viertes Buch. Die Bücher behandeln die Themen, die ihn ein Leben lang beschäftigt haben und ihn bis zu seinem Tode noch beschäftigen. Über die verschiedenartige sexuelle Identität. Über die Vorurteile in der Gesellschaft und über die mangelnde Toleranz gegenüber Transgender. Auch schreibt er über die natürlichen Bedürfnisse, wie z.B. Kinderwunsch, die viele Mensch haben. Billy hegte auch den Kinderwunsch, der unerfüllt blieb. Es scheiterte an der geeigneten Partner/in.

14:00 Uhr
Ich befinde mich nun in den letzten Zügen. Noch achtzig Seiten, dann habe ich das Buch durch und bin auf den Iriving Geschmack gekommen, so dass ich unbedingt das Buch noch einmal Gottes Werk und Teufels Beitrag lesen werde.
Doch auf den letzten 180 Seiten, man befindet sich in den 1980er Jahren, wird man regelrecht erschlagen von den vielen (Aids)- Erkrankungen und den Todesfällen der sexuell andersoriendierten Menschen.

Tatsächlich nehmen in dem Buch Transvestiten Östrogene ein. Welchen Gefahren sich so ein Mensch aussetzt, gibt mir stark zu denken, da Östrogene durch üble Nebenwirkungen ernsthafte Erkrankungen hervorrufen können. Werden diese weiblichen Hormone abgesetzt, setzt z.B. der Bartwuchs wieder ein und macht deutlich, dass sie ein Leben lang auf Östrogene angewiesen sind, trotz der starken Nebenwirkungen und macht den Konflikt deutlich, dem diese Menschen ausgesetzt sind. Ich empfinde es als ganz schön anstrengend, über eine weibliche Person zu lesen, deren Seele in einem Männerkörper steckt, und deshalb bin ich nun froh darüber, mit dem Buch durch zu sein.

Mein Fazit?
Schwierig. Das Laientheater ist für mich ein Symbol zur realen Welt, die eine Bühne ist, in der die Menschen ihre Rollen (aufgedrückt) bekommen und diese bestmöglich ausführen. Manche Rollen sind harmlos, manche weniger. Doch in dem Buch gibt es so gut wie keine harmlose Rolle und finde dadurch das Buch ein wenig einseitig.
 Irgendwie fand ich manche Szenen nicht wirklich gut dargestellt. Ein wenig zu überspitzt, zu stark sexualisiert, wohinter ich typische Männerfantasien vermute. Nach meinem Geschmack oftmals nicht wirklich authentisch genug. Ein zweites Mal würde ich das Buch keinesfalls lesen. Aber ich bin so neugierig geworden, dass ich mich mit anderen Büchern von Irving versuchen möchte, um diese Bücher miteinander zu vergleichen. Das spornt mich an. Im nächsten SuB-Spiel ist Irving demnach wieder dabei.
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Die meisten verlassenen Stätten der Kindheit werden mit der Zeit nicht farbiger, sondern blasser.
(John Irving)

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