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Montag, 22. August 2022

Catalin Dorian Florescu / Der Feuerturm (1)

Ich schreibe und lese weiter, dabei In Gedenken an die Kriegsopfer; an alle Menschen und Tiere. Ich fordere eine ganzheitliche Bildung für Herz und Verstand!
___________________________

Eine neue Art von Denken ist notwendig, 
wenn die Menschheit weiterleben will. 
(Albert Einstein)

Was für ein fulminantes und sehr gut recherchiertes Werk, das 
hundert Jahre Geschichte dieses Vielvölkerstaates Rumänien umfasst. Mich hat das Buch dermaßen bewegt, dass ich Abstand benötigt habe, so sehr konnte ich mich in die politischen Nöte der Menschen hineinversetzen. Ich hätte jede Menge aus dem Buch zitieren können ... 

Man bekommt ein recht lebendiges Geschichtsbuch geliefert, das mich dermaßen bereichern konnte, und sämtliche Lücken, die ich bisher zu diesem Land besaß, durften zum großen Teil geschlossen werden. Das Buch fordert heraus, weiter zu forschen. 

Die vielen historischen Fakten kurz wiederzugeben gelingt mir nicht, da ich innerlich politisch so stark mit den Figuren verbandelt bin, dass es mich überfluten würde an Daten und an Eindrücken, weshalb ich am Ende dieser Besprechung eine Verlinkung aus der FAZ einsetzen werde, der literaturwissenschaftlich besser gelingt, die gesamte hundertjährige Epoche in Kurzform zu beschreiben.  

Viele Szenen sind dermaßen heftig, dass ich den Schmerz der Menschen tatsächlich an meinem eigenen Körper spüre. Während des Lesens, nach dem Lesen und jetzt durch das Schreiben wiederholt. Ich bin aus Eigenschutz gezwungen, vieles nach der Besprechung wieder zu vergessen, zumindest teilweise und möchte mir nur die historischen Fakten im Hinterkopf behalten.

Hier geht es zum Klappentext, Autorenporträt, zu den ersten Leseeindrücken und zu den vielen Kommentaren. 

Die Handlung
Im Mittelpunkt dieser Geschichte steht eine Familiendynastie aus sechs Generationen namens Stoica und deren Feuerturm. Ich zähle die sechste mit, sie gehört dazu, wenn auch in einer passiven Form, aber sie gehört dazu, sie kann man nicht ignorieren, da Kinder die traumatischen Erlebnisse ihrer Vorfahren unbewusst bis zu drei Generationen psychogenetisch tradiert bekommen.

       
Der Feuerturm, mit seinen 42 Metern Höhe das höchste Gebäude der Stadt, besitzt nicht nur die Funktion, Feuer aus der Ferne zu sichten, um sie schnellstmöglich löschen zu können, sondern der Familie auch abschottend Schutz zu bieten vor den vielen politischen Unruhen und Umbrüchen ihrer Zeit. Den ganzen Stolz und Ehrgeiz setzen die männlichen Vertreter dieser Familie im Löschen der (politischen) Brände, während die Frauen ständig in der Sorge, ihre Männer während ihrer heißen Löschaktion zu verlieren, die sozialen Kämpfe zu stemmen versuchen.

Die Geschichte wird mit einer Legende, die bis ins 15. Jhr. zurückreicht, eingeläutet, die die Leser*innen auf die kommenden politischen Problematiken vorbereitet. Und was ein kolossaler Brand in dieser Legende für Auswirkungen brachte, als eine rechtzeitige Warnung durch den Waldbewohner Iane missverständlich angegangen wurde, zeigt folgendes Zitat: 

Der Schlamm auf Straßen und Wegen war zäh und tief, man erzählte sich, ganze Kutschen könnten darin versinken, und hoffte, dass mit diesen auch ihre Besitzer, die Bojaren, verschlingen würden, die vom Volk lebten. Oder die Armee der Osmanen, wenn sie wieder wie vor wenigen Jahrzehnten hier auftauchen sollte. Damals hatte sie die Stadt, die diese Bezeichnung noch kaum verdiente, belagert und in Brand gesetzt. Es war die erste in einer langen Reihe von Katastrophen gewesen, die jahrhundertelang wiederkehren sollten und bei denen der Teufel stets die Oberhand behielt. (5, 2022). 

Die Legende beschreibt die Konflikte, die Bukarest vor der Unabhängigkeit und danach noch zu bewältigen hatte; Konflikte zwischen Kirche - Gott und dem Staat - Teufel; Fremdherrschaft durch verschiedene Länder wie z. B. Ungarn, Russland, Türkei ... Willkür und Korruption durch die eigene Regierung, dazu verschiedene Naturkatastrophen wie Erdbeben, Pest, Hunger etc., in einem Land, das schon politisch reichlich angeschlagen war.

Ein Volk, das sich dadurch immer in Habachtstellung befand, stets vorbereitet sein zu wollen vor weiteren Eindringlingen und Invasionen: 

Wer auch immer aus dem Wald käme, würde sicher plündern, schänden, niedermachen. Also beschlossen die einen, zum Fürstenhof zu gehen, um in der Festung Schutz zu finden, die anderen, das Weite zu suchen. Während die Kirchenglocken Gefahr läuteten, leerte sich die Stadt, die Festung nahm ein Teil der Bewohner auf, dann schlossen sich wieder ihre Tore. Der Wald war großzügiger.
Bald legte sich eine trügerische Stille über die Gassen. Wer noch in den Häusern ausharrte, spitzte die Ohren, um rechtzeitig den Lärm einer herannahenden Armee oder einer wilden Reitertruppe zu erkennen. Auf den Laufgängen der Palisaden standen der Fürst, der Vel Vornic, die Offiziere und Soldaten und spähten nach verdächtigen Bewegungen am Waldrand. (10)

Siehe hierzu auch Seite 13.  

Die eigentliche Geschichte beginnt im nächsten Kapitel einige Jahrhunderte später, 1892, mit der Kindheit des zehnjährigen Darie Stoica, der Großvater des 1932 geborenen Icherzählers Victor, der die politischen und tragischen Geschichten seiner Vorfahren so authentisch wieder gibt, als habe er sie selbst erlebt. 

Der kleine Darie hatte es nicht wirklich eilig, in die Fußstapfen seiner Väter zu treten, um die Familientradition als zukünftigen Feuerwehrmann fortzusetzen. Daries Großvater Grigorie füllte die Seele des Jungen mit zahlreichen Gerüchten, mit biografischen und politischen Geschichten, und dass er in dessem Alter selbst schon kleine Feuer zu löschen wusste:

Grigorie berichtete von Attentaten, Putschen, Regierungsstürzen, Straßenkämpfen und Morden. Er ersparte dem Kleinen nichts, das Jahrhundert war reich an Unrast gewesen, ihre Stadt ganz besonders.

Zuerst eine Russische Besatzung,  dann eine türkische Belagerung und als Zugabe die Pest, oder andersrum, (35). 

Victor ist der einzige von den Ursöhnen, der sich geweigert hat, Feuerwehrmann zu werden und entschließt stattdessen, an der Universität Geschichte zu studieren. Er bricht somit die Familientradition. Zufall? Oder kein Zufall? Denn der Feuerturm verliert zum Leidwesen der Familie durch die politischen Umstände seinen Brauch, auch, weil er durch eine Modernisierung der Stadt nicht mehr zeitgemäß ist und wird zu einem verwaisten Museum umfunktioniert. Der einst so wichtige und lebendige Feuerturm wirkt nur noch wie ein abgestoßenes und dadurch sterbendes Gemäuer. 

Victor erzählt, bis seine eigene tragische Geschichte dran ist ... Doch welche politischen und dramatischen Umstände ihm selbst widerfahren sind, sind hauptsächlich dem Buch zu entnehmen. Auf kleine Einzelheiten beziehe ich mich allerdings in den unteren Punkten.

Historisch beschäftigt sich der Roman mit allen Formen von Diktaturen:

- Königsdiktatur durch Karl II:  (1938-1940) 
- Militärdiktatur: Ion Antonescu (1940-1944)
- Kommunistische Diktatur: Nicolae 
Ceausescu. (1965-1989)

Im 19. Jahrhundert kämpften die Landwirte mit einer Bauerndiktatur:

Man konnte das Ende der Kolonne nicht sehen, es mussten mehrere hundert Männer sein, schmutzig und ausgemergelt, die zu Boden blickten, dass sie offenbar wussten, dass sie auf keine Sympathien zählen konnten. Stumm zogen sie dahin und aus Kutschen und von Fenstern aus wurden sie beschimpft und verspottet. Einer rief: >>Erschießt sie doch an Ort und Stelle!<<
>>Wer sind die?<<, fragte Vater.
>>Das sind Bauern<<, antwortete Rosi.
>>Und was haben die getan?<<,
>>Die haben Genug davon gehabt, arm und immer hungrig zu sein.<<.
>>Verteidigen Sie sie nicht auch noch<<, empörte sich eine Frau neben ihnen. >>Das sind Lumpen, Plünderer; wenn man Hunger hat, muss man doch nicht gleich alles kurz und klein schlagen und an die Häuser der Landbesitzer Feuer legen. Die Stadt ist doch voll von Flüchtlingen, die ihr Land verlassen mussten, man weiß gar nicht mehr, wo man sie unterbringen soll.<<
>>Die Bauern hungern aber nicht erst seit gestern, Gnädigste, sondern seit Jahrzehnten, nur hat es niemanden interessiert. Geduld haben Sie genug gehabt<<, entgegnete ein Mann.
>> Ach, Hunger, Hunger, ich kann dieses Wort gar nicht mehr hören. Faul sind sie, und sie sind wohl ein Sozialist.<< (180)

Weiteres ist dem Buch selbst zu entnehmen. 

Welche Szene hat mir besonders gut gefallen?
Darüber habe ich schon in meinen Kommentaren der Buchvorstellung geschrieben. Mir hat besonders gefallen, dass Ecaterine Waisenkinder nicht als fremde Kinder betrachtet hat. Elternlose Kinder bezeichnete sie als die Kinder aller. Dazu ist mir erneut Albert Einstein eingefallen: 

Es gibt keine großen Entdeckungen und Fortschritte, solange es noch ein unglückliches Kind auf Erden gibt.
                              (Albert Einstein)

Welche Szene hat mir nicht gefallen?
Der Verrat zwischen den Familienmitgliedern an die Herrschenden. 

Ganz makaber fand ich am Ende die Szene durch ein Gesetz erlassen die pietätlose Umverlegung eines Friedhofs ... 

Welche Figur war für mich Sympathieträgerin?
Iane aus der Legende. Ecaterina. Rosi. Victor. Magda. 

Welche Figur war mir antipathisch?
Stelian und dessen Sohn Tiberiu? Oder Victors älterer Bruder Alex? Vielleicht hätten sie es verdient. Aber es gelingt mir nicht, diese Namen hier hinein zu platzieren, da sie Opfer ihrer Zeit waren. Allerdings Alex, der am eigenen Leib keine sozialen Nöte kannte, mir vom Charakter her und durch seine egozentrische Art sehr abgebrüht erschienen ist; er wäre sogar über die Leiche seines eigenen Bruders gegangen. Für Stelian und Tiberiu, auf ihre Weise auf einer versteckten Art politisch aktiv, müsste dagegen aus meiner Sicht vom psychologischen und von der familiären Herkunft her mehr Verständnis aufgebracht werden. Von der sozialen und gesellschaftlichen Rangordnung standen sie auf der untersten Stufe ... 

Meine Identifikationsfigur?
Entweder keine von ihnen oder sie alle. 

Cover und Buchtitel 
Vor dem Lesen des Buches stand ich dem Cover recht neutral  gegenüber, aber nach dem Lesen hatte sich eine innere Verbindung entwickelt. Ich fand beides absolut passend und ansprechend. 

Zum Schreibkonzept
Der Roman besitzt einen Seitenumfang von 356 Blättern. Darauffolgend gibt es einen Glossar und im Anschluss eine übliche Danksagung, die ich in der Regel am Ende meist gar nicht lese oder nur überfliege. Dieses Mal musste ich sie lesen, hat mich irgendwie gezogen, und bin sehr froh darum. Denn was Florescu über seinen Lektor Martin Hielscher geschrieben hat, deckt sich absolut mit meiner Beobachtung aus der digitalen Buchprämiere im Lifestream, nachzulesen in den Kommentaren der Buchvorstellung. Ich zitiere Florescu:

Meinem Lektor Martin Hielscher danke ich für die einfühlsame und kritische Begleitung und die stets bereichernden Textgesprächen. (361)

Der Schreibstil ist flüssig, kreativ, empathisch, fantasievoll und historisch sehr informativ. Das Erzählmuster des Victors wechselt häufig zwischen Vergangenheit und der Gegenwart der jeweiligen Epochen. 

Meine Meinung
Mich hatte zu Beginn des Buches schon die ersten Zeilen beschäftigt. 

Der Wald umschloss die kleine Stadt wie eine Faust. Ob es die Hand Gottes war oder die des Teufels, wusste niemand so genau. (5)

Erst dachte ich, dass das ein Buch über den Aberglauben sein wird, aber je tiefer ich in die Geschichte gedrungen bin, desto mehr zeigte sich für mich das Gesicht des Teufels. Wer war damit gemeint? Für mich ganz klar, dass dies eine politische Figur war, die gewandert ist über hundert Jahre rumänischer Geschichte und hoffe, meine Interpretation findet ihre Berechtigung. Die politischen Zustände waren für mich fast alle satanisch. Politische, kopflastige Menschen, Herrscher, die sich rational und mental vom Teufel berieseln haben lassen. Sie haben dadurch das Dunkle auf Erden gebracht und vielen Menschen geschadet, die unter ihnen standen. Der Teufel steht für mich als ein Sinnbild für all das Dunkle, das jeder Mensch neben dem Guten in sich trägt. Meist werden in solch einem Wahn und der Gier nach Macht- und Profit die guten Anteile überschattet. Wenn der Mensch nichts dagegen unternimmt, wird er seelisch selbst von diesen ausgepresst bzw. ausgesaugt, als würde er innerlich austrocknen, weshalb ein Mensch dieser Art meist anderen gegenüber empathie- und herzlos auftritt. Am Ende schadet er sich damit früher oder später auch sich selbst. Ich meine das damit nicht nur spirituell, sondern auch psychoanalytisch. Auf diesem Gebiet habe ich berufsbedingt in psychiatrischen Kliniken schon viele kopflastige Menschen leiden sehen, die sich im Laufe ihres Lebens seelisch nicht weiterentwickeln konnten.

Parallel und im Gegensatz dazu steht Gott und die Kirche, eigentlich das Haus der Seele und der Liebe. Hier verstehe ich Gott als einen Zuflüsterer in den Herzen der Menschen und verbinde damit weniger den Aberglauben, auch wenn man es bei vielen zwischen Gott und dem Teufel dennoch als Aberglauben bezeichnen konnte. Meist waren es Frauen, die versuchen, an das Gute zu glauben, wenden sich Gott zu, um darin Halt und Hoffnung zu finden. 

Die Feuerwehrmänner vergruben sich in ihren Löschaktionen und riskierten damit ihr eigenes Leben. Ihre Arbeit war deren ganzer Stolz, als ginge ihnen die Politik nichts an; sie verhielten sich politisch neutral. Mit dem Löschen der Brände glaubten sie, genug Einsatz und damit viel Gutes für ihre Stadt zu tun. Lieber Brände löschen, als sich politisch zu engagieren. Die Brände sind kalkulierbar, Feuer könne man i. d. Regel bezwingen, während die Politik unberechenbar und scheinbar nicht einzuschränken sei. Und tatsächlich. Der Autor selbst spricht von einer Krise dieses Landes, die in diesem Buch hundert Jahre währte. Ein politischer Brand, der, metaphorisch gedacht, in Wirklichkeit hundert Jahre lang nicht zu löschen war.

Auch die Frauen hielten sich politisch passiv und neutral. Während der Aufstände besuchten sie die Kirchen, um zu beten, beteiligten sich an Prozessionen. Man hatte das Gefühl, dass diese Menschen auf ihre Weise zu überleben versucht haben, ohne sich politisch in Gefahr begeben zu wollen. Manche von ihnen taten dennoch Gutes für ihre Mitmenschen. 

Richtig heftig fand ich Victors eigene Lebensgeschichte. Hat mich stark an den hochsensiblen und vorausschauenden Franz Kafka erinnert. Victor wird 1957 aus dem Hörsaal gerufen und abgeführt. Grundlos wird er für mehrere Jahre ins Gefängnis gesteckt. Er gilt als Konterrevolutionär und als Klassenfeind. Fällt der Willkür zum Opfer, da ein Staat wie dieser immer Gründe findet, einen Menschen zu isolieren, um ihn als Verbrecher zu entlarven. 

Niemand gab mir eine Antwort auf meine Frage nach dem Grund meiner Verhaftung, und so hoffte ich, dass sie bald ein Einsehen haben und mich freilassen würden. In dieser Zeit glaubte ich noch an Logik und Gerechtigkeit und an ein Schicksal, das mir wohlgesinnt wäre. Sobald ich die Gelegenheit hätte, mich zu erklären, würde sich das Missverständnis im Nu auflösen. Schließlich waren wir eine Familie von Feuerwehrleuten, keine Bourgeoisie, keine Politiker, keine Agenten des Königs oder Legionäre.  

Wir hatten niemanden verfolgt, wir hatten keine kritische Meinung gehegt oder jedenfalls keine, die in den Zeitungen gestanden hätte. Wir hatten seit Generationen Feuer gelöscht, die Stadt mehrfach gerettet und viele Leute aus brennenden Wohnungen gezogen, bestimmt auch einige Kommunisten. Wir besaßen kein Land, keine Aktien, hatten nicht mit einem Fuß in Paris und mit dem anderen in Berlin gelebt. Wir hatten keine Minister, Advokaten oder Zeitungsmacher unter uns. (...) (I)m Oktober, einen Monat früher, hat sich das ungarische Volk gegen die Sowjetmacht und den Kommunismus erhoben. Zu Hause hatten wir Tag und Nacht die Nachrichten westlicher Radiosender gehört, wir verstanden nur das Wenigste, aber was wir verstanden, reichte schon aus, um enthusiastisch zu werden. Vielleicht kamen sie doch noch, die Amerikaner. (286f)

Selbst nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis blieb Victor für den Rest seines Lebens posttraumatisiert im Geiste ein Häftling.

Betroffen hat mich auch folgendes Zitat gestimmt und mich an unser eigenes politisches Verhalten in Deutschland erinnert:

Wir haben früh gelernt, bei Carol II., bei Antoniescu, vielleicht noch früher, bei den Großgrundbesitzern, den Osmanen, den Russen, den Habsburger, den Ungarn, wie wertvoll es ist zu schweigen. Es rettet Leben, in erster Linie das eigene. Sich zu ducken, in die Wälder zu flüchten, sich unsichtbar zu machen, klagen, ohne sich aufzulehnen, sich mit teuflischen Verhältnissen zu arrangieren, das hat dafür gesorgt, dass wir zwar erobert, aber nicht ausgelöscht wurden. (257)

... sich mit teuflischen Verhältnissen zu arrangieren. Auch wir dulden hier alles Politische, nehmen jegliche Ungerechtigkeit hin, und wer demonstriert, wird von vielen Politiker*innen und den Medien entweder als Querdenker*in oder als Wutbürger*in bezeichnet. Mit diesen Begriffen verbindet man mittlerweile eine negative Konnotation. Diese soll uns abschrecken und Politikern gegenüber milde stimmen, ganz gleich, was sie anstellen.

Auch Rumänien ist neben Russland ein Land, das ungewollt von einer Diktatur in die nächste geschlittert ist. 
Diese Buchbesprechung habe ich mit Einsteins Zitat begonnen und beende sie somit auch mit Einstein. Das untere Zitat erinnert mich etwas auch an Andrej Kurkow. Er schreibt, dass das eigentliche Böse nicht die Bösen selbst sind, die die klassischen Verbrechen verüben und dafür aus der Gesellschaft genommen und weggesperrt werden, sondern als Böse gelten die Normalen in einer Gesellschaft, die Braven, die sich angepasst an jede Regel halten, ohne diese über Sinn und Unsinn zu hinterfragen. Durch die Anpassung unterstützen sie die politischen Verbrechen, die Menschen gegenüber verübt werden. Politische Verbrechen, die im schlimmsten Fall einer ganzen Nation schaden, Verbrechen, auch gegenüber einzelner Menschengruppen. Bei Einstein ist es ein wenig abgewandelt, aber mit ähnlichem Sinninhalt:

Die Welt wird nicht bedroht von den Menschen, die böse sind, sondern von denen, die das Böse zulassen. (Albert Einstein) 

Mein Fazit / Abschlussgedanken
Ein wichtiges und wertvolles Buch, das neben Andrej Kurkow auch Florescu mir geholfen hat, unsere eigenen politischen Umstände in Deutschland noch besser zu verstehen. Nicht mit einem Fingerzeig über die Probleme anderer Länder lesen, sondern durch die Probleme anderer Länder die eigenen gespiegelt zu bekommen, um sie besser erkennen und bestmöglich auflösen zu können. 

Noch wird hier in Deutschland niemand getötet oder eingesperrt, wenn man sich gegen schädigende Gesetze auflehnt ... Und trotzdem sind wir hier größtenteils alle politisch passiv. Dies möchte ich nur zu denken geben. 

Nochmals danke, danke, danke an den Autor und an den Verlag für jene Lehren. Ich bin so wahnsinnig dankbar für diese neuen Aha-Erlebnisse gegenüber dem Land Rumänien. Nun ist mir bewusst, warum Rumänien zu den ärmsten Ländern Europas zählt.

Ich wünsche Rumänien ganz viel Glück und allen anderen Ländern, die ebenfalls durch korrupte Politiker*innen aus einem Dauerschlaf ihrer Regierungskriese nicht aufwachen können. Es fehlt an fähigen Politiker*innen, und damit ist nicht die mangelnde Bildung gemeint, denn die meisten verfügen über mindestens einen Universitätsabschluss. Alles hochstudierte Menschen. 

Schaue ich mir im Vergleich zu den Krisenländern unsere Politiker*innen hier an, ist es mittlerweile auch nicht besser bestellt, was die Auswahl der zu wählenden Kandidaten betrifft. Und das stimmt ohnmächtig.

Zum ersten Mal mache ich mir wegen der schleichenden toalitären Entwicklung richtige Sorgen um Deutschland. 

Was viele Deutsche gerne hören, wenn Politiker*innen uns immer wieder vollsülzen, dass bei uns alles besser laufen würde als im Ausland. Das erlebe ich seit Jahren als das neue "Opium für das Volk". Wir sind besser, stärker, fortschrittlicher als andere. Wow, das geht runter wie Öl. Balsam für die Seele, auch wenn es nur eine Lüge ist. In Wirklichkeit werden damit die politischen Schwächen im eigenen Land erfolgreich manipulativ verschleiert. Und weil wir das gerne glauben, besser, stärker und fortschrittlicher als andere zu sein, fallen wir auf diese Beweihräucherung häufig rein, laufen damit Gefahr, langfristig nicht nur uns selbst damit zu schaden, sondern auch anderen. 

Der verwunderte, unpolitische und angepasste Victor hat uns gezeigt, dass es jeden treffen kann.

Wie ist das Buch zu mir gekommen?
Ich bin durch die digitale Buchprämiere auf den Autor und auf das Buch aufmerksam und neugierig geworden. 

Vielen herzlichen Dank an den C.H. Beck Verlag für das Breitstellen des Leseexemplars. 

Wie versprochen hier die Verlinkung zur Buchbesprechung der FAZ.

Meine Bewertung - 14 Punkte

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Empathisch, fantasievoll) 2 Punkte: Differenzierte Geschichten und Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichten
2 Punkte: Anregung zur Vertiefung, zum weiteren Erforschen und zur Erkundung
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein
2 Sonderpunkte wegen des Lesehighlights.

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Ich hamstere kein Speiseöl,
keine Hefe,
kein Mehl
und sonstige Lebensmittel!
Ich hamstere stattdessen:
Bücher
Musiknoten
Notizhefte
leere Tagebücher
Stifte
Musik;
obwohl ich weiß,
dass man Papier nicht essen und nicht trinken kann.
Aber die Buchstaben und die Musiknoten beruhigen mich nun mal 🙈.
Sie nähren meine Seele und meinen Geist von innen!

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Stoppt die Milliarden für die Aufrüstung!
Investiert  die Milliarden in Bildung und Menschlichkeit!
Für einen Wohlfühlort für alle!
Soldaten! Hört auf Bomben zu werfen! 
Werft Weizensamen! (Andrej Kurkow)

Soldaten; nieder mit den Waffen! (M. Gandhi)
Alle!
Nie wieder Krieg! (Käthe Kollwitz)
Kriegswillige Politiker an die Front!
Empathische Frauen und Männer an die Macht!
Solidarität mit Ukrainer*innen und allen friedliebenden
Menschen dieser Erde!
Solidarität mit russischen Kriegsgegner*innen!
Schluss mit Diskriminierungen!
Liebe für alle! Hass für keinen! (Ahmadiyya-Muslime)
Kriege entstehen aus dem Scheitern,
das Menschsein der Anderen zu verstehen.
(Dalai Lama)
Wir brauchen keinen Krieg! Krieg brauchen diejenigen, 
denen Gerechtigkeit fremd ist und die die Völker versklaven wollen.
(Andrej Kurkow)
Der Mangel an Gefühl ist das gefährlichste Gefühl von allen.
(Elif Şafak)

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Ein Wettrennen mit der Zeit
Fazit: Je schneller man das Leben lebt,
desto weniger Zeit kommt dabei heraus.

Neues Fazit:
Ich habe keine Zeit mehr, keine Zeit zu haben.
Es gibt zu viel zu tun! In meinem
 Tempo!

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Imprecht für alle!
Impfzwang für keinen!

Partnerschaft zwischen
Wissenschaft und Intuition!

Lesen mit Herz und Verstand!
Um die Welt, Menschen und Tiere
besser zu verstehen.

Mitgefühl für alle Mitseelen / Mitgeschöpfe
Deine Probleme könnten meine Probleme sein,
und meine Probleme könnten Deine Probleme sein.
Mein Schmerz, Dein Schmerz
Dein Schmerz, mein Schmerz.
Wir sind alle fühlende Wesen.
(Den Tieren eine Stimme geben)

Klopf an dein Herz, denn dort sitzt 
das Genie!
(Alfred de Musset)

Auch Expertenwissen ist subjektiv!
(Tom Andersen / Psychiater und Syst. Therapeut)

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Gelesene Bücher 2022: 07
Gelesene Bücher 2021: 17
Gelesene Bücher 2020: 24
Gelesene Bücher 2019: 29
Gelesene Bücher 2018: 60
Gelesene Bücher 2017: 60
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86

Ich höre:
Rudolf Steiner: Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?
Ulrike Guérot: Wer schweigt, stimmt zu
Fjodor F. Dostojewski: Der Idiot
Carsten Henn: Der Buchspazierer
Spencer Wise: Im Reich der Schuhe

Montag, 29. März 2021

Paula Stern / Tage des Aufbruchs - Die Kaffeedynastie (1)

Bildquelle: Pixabay
Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre 

Das Beste zuerst; das Buch ist groß im Herzen, was mir gut gefallen hat. Es ist gefüllt mit einer tiefen Empathie, die in großen Nöten zur wahren Menschlichkeit führt. Sowohl in der Politik, in der Freundschaft, als auch in der eigenen Verwandtschaft der Protagonistin, ohne dass es kitschig oder sentimental gewirkt hat.

Was mir nicht gefallen hat; mir war das Buch in den Zwischenetappen zu seicht. Es hat signifikant an Tiefe in den Charakteren gemangelt, sodass es definitiv zu glatt auf mich gewirkt hat, wie ich weiter unten noch besser ausführen werde. Außerdem hatte ich mir etwas ganz anderes unter dem Titel vorgestellt, und so wurden meine Erwartungen leider nicht erfüllt. Es mit dem Werk von Thomas Mann Die Buddenbrooks zu vergleichen, war ein großer Fehler. Die Kaffeedynastie ist ein reiner Unterhaltungsroman. Nicht mehr und nicht weniger.

Achtung Spoiler: Wer nicht zu viele Details erfahren möchte, so verweise ich, sich auf die Handlung zu begrenzen, auf die ersten Leseeindrücke, oder auf die allgemeine Buchbewertung am Ende dieser Besprechung.

Hier geht es zum Klappentext, zum Autorenporträt, zu den ersten Leseeindrücken und zu den Buchdaten.

Die Handlung
Die noch im Elternhaus lebende Hauptfigur Corinne Ahrensberg, Ende zwanzig, ist eine junge Frau, die genau weiß, was sie möchte. Als ihr Vater Günther wegen eines schweren Schlaganfalls nicht mehr rehabilitiert werden kann und zu einem Pflegefall wird, möchte die Mutter Esther, dass Corinne zusammen mit ihrem acht Jahre älteren Bruder Alexander in das Familienunternehmen Ahrensberg einsteigt. Dadurch bekommt sie zusammen mit Alexander die Verantwortung für die Firma übertragen. Corinne hat große ideelle Pläne, möchte in die Fußstapfen ihres längst verstorbenen Großvaters Eberhard Ahrensberg treten, der Neuheiten und Wagnisse liebte, während Alexander es eher in die Fußstapfen des Vaters treibt. Ihm geht es mehr um hohe Verkaufszahlen als um Qualität, und dass Altbewährtes bleibt, wie es ist. Corinne dagegen möchte mehr Qualität und Individualität in die Kaffeebranche einbringen und setzt auf Neuerungen wie z. B. die Entwicklung und die Einführung von Fairtrade - Kaffee. Dadurch gibt es Reibereien mit dem despektierlichen Verhalten ihres Bruders, dem sie sich zu widersetzen versucht und sie sich hilfesuchend externen Rat eines anderen Fachkollegen einholt, nachdem ihr von Taktgefühl getragenes Einlenken regelrecht versagt hatte.

Welche Szene hat mir besonders gut gefallen?
Besonders gut hat mir gefallen, dass es Corinne mit viel Liebe und Geduld gelungen ist, ihrem Bruder sämtliche Fassaden von ihm abzulösen, sodass er die Chance bekam, sich in seiner Eigenart zu outen
.

Welche Szene hat mir nicht gefallen?
Eigentlich gab es gar keine Szene, die mir nicht gefallen hat, ironisch ausgedrückt. Die Protagonist*innen waren alle so verständnisvoll und gefügig. Viele Probleme wurden recht schnell gelöst, da die Figuren alles machten, was sich die zartfühlige Corinne von ihnen gewünscht hat.

Welche Figur war für mich eine Sympathieträgerin?
Großvater Eberhard Ahrensberg. Der zartbesaitete Eberhard wurde schon im Alter von 15 / 16 Jahren widerwillig in den Krieg einberufen. Widerstand zu leisten machte keinen Sinn, da sein Vater Anhänger der NSDAP war. Eberhard hatte eine sehr weiche und gutmütige Seele, sodass er überhaupt nicht auf Kämpfen und Morden ausgelegt war.

Wenn es nach ihm ginge, würde er lieber Bücher verschlingen, statt Marschieren und Kämpfen zu üben. (40)

Man nimmt in der Retrospektive an Eberhards Träumen teil, wie der Samen einer eigenen Kaffeeplantage damit im jugendlichen Alter schon gestreut wurde.

Berichte und Geschichten von fernen Ländern faszinierte ihn. Die Farben, Geräusche und Gerüche, die darin beschrieben wurden, lösten eine Sehnsucht nach der weiten Welt in Eberhardt aus. Gerne würde er nach Südamerika reisen, um einmal eine Kaffeeplantage zu sehen. Eines Tages würde er auch genau das tun. Das hatte er sich fest vorgenommen. (...) Seit er vor Jahren in einer Zeitschrift etwas über Kaffeeanbau gelesen hatte, faszinierte ihn das. So war er auch auf sein Sehnsuchtsziel Südamerika gekommen. Mit großer Sorgfalt sammelte er seit damals alles, was er zu Kaffee an Informationen erhaschen konnte. (40f)

Welche Figur war mir antipathisch?
Eigentlich keine. Oder wen soll ich hier auswählen? Eberhards Vater, der der NSDAP verschrien war und damit viele Menschenleben gefordert hat, mitunter auch sein eigenes? Doch ihn habe ich nicht als eine Figur erlebt, sondern nur als eine Beschreibung, an der ein paar Fakten und ein paar Charakterzüge festgemacht wurden.

Meine Identifikationsfigur
Keine.

Cover und Buchtitel  

Ich habe mir etwas ganz Anderes darunter vorgestellt. Als eine Kaffeedynastie im Untertitel habe ich das Buch nicht verstanden. Alles dreht sich um Corinne, während der Einfluss der letzten beiden Generationen viel zu kurz kam, auch wenn der Großvater Eberhard, der eigentliche Gründer dieser Dynastie, in der Lebensgeschichte zwar auftaucht, aber dennoch nur eine Nebenthematik bleibt. Im Fokus stehen eher die Lebensgeschichten der einzelnen Figuren, während die Gründung eines Großunternehmens nur peripher die Handlung widerspiegelt. Hier ging es mehr um das Nazideutschland, und um Eberhards Vater, der sich dem Geist der Nazis angeschlossen hatte. Die Kaffeedynastie kam hier überhaupt nicht zur Geltung. Es hätte, um dem Titel gerecht werden zu können, die Entwicklung eines Familienunternehmens, das aus drei Generationen besteht, mehr in den Vordergrund gerückt werden müssen, und das Nazideutschland, aus dem der Großvater kommt, eher an den Rand. Doch hier werden zwei Hauptthemen vorgestellt, wovon die erste Thematik die Existenzgründung der Corinne behandelt, während die zweite Thematik die Geschichte des Zweiten Weltkriegs mit dem Naziregime umfasst.

Der Hauptitel, Tage des Aufbruchs, passt lediglich in Corinnes Leben.

Das Cover selbst, von der Farbe her getragen einer Nivellierung jener Kaffeebohne, fand ich sehr ansprechend.

Zum Schreibkonzept
Das Schreibkonzept fand ich reizvoll
. Auf der ersten Seite ist eine Widmung zu entnehmen, auf den darauffolgenden Seiten findet man sämtliche Namen aller Figuren bzw. die unterschiedlichen Stammbäume und die Namen von Freund*innen einzelner Hauptfiguren. Anschließend geht es mit dem ersten Kapitel los. 22 Kapitel sind dem Buch insgesamt zu entnehmen. Quellennachweis und eine Danksagung schließen das Buch am Ende.

Die Handlung, die aus zwei Erzählsträngen besteht, wechselt zwischen Gegenwart und Vergangenheit kapitelweise einander ab.

Für alle Kaffeeliebhaber: Es gibt auch ein großes Geschenk an die Leser*innen. Man findet am Schluss der Geschichte jede Menge Rezepte rund um Kaffee und Gebäck.

Das fand ich sehr kreativ fürsorglich. Passt zu der Feinfühligkeit, die das Buch umschließt.

Einzige Bedingung: Man muss Kaffee lieben.

Meine Meinung
Ich finde den Roman nach meinem Geschmack viel zu seicht, obwohl er durchaus supergute Ansätze und wirklich große Themen wie z. B. auch Gegen das Vergessen und Gesellschaftsprobleme aufweist, die die Interaktionen und die Ereignisse zwischen den Figuren beeinflussen. Manche Szenen waren sehr gut und authentisch beschrieben. Vor allem die Szenen mit Isabella Pelzmann, die durch die Nazidiktatur massivste irreparable posttraumatische Störungen mit schwerwiegenden Folgen entwickelt hatte ... Leider konnte die Autorin diese Ebene an Tiefsinn im gesamten Roman nicht halten, weshalb sie immer wieder in dieses Seichte und Oberflächliche abgedriftet ist.

Mit wenigen Ausnahmen verlangten hartnäckige Probleme nach zu raschen Lösungen. Außerdem wurden Beziehungen viel zu schnell geschlossen, was ich als recht künstlich und zu unrealistisch empfunden hatte. Corinne lernt Noah kennen, der selbst auch ein eigenes alternatives Öko - Café besitzt. Schnurstracks waren die beiden ein Herz und eine Seele, und im Nu ein Liebespaar und im Nu lagen alle auch in Mutters Armen.

Die Figuren waren mir alle zu vernünftig, obwohl es in dem Buch große Themen gab, die die Geschichte begleitet hat. Die Fieslinge waren weg. Der Naziurgroßvater stirbt im Krieg. Corinnes dominanter Vater, der von jedermann als der Kaffeebaron bezeichnet wird, erleidet einen schweren Schlaganfall und wird dadurch in der Handlung auch ausgebremst. Der homosexuelle Alexander wird durch die Liebe seiner Schwester gefügig .... Der eifersüchtige Sebastian, der Corinne heimlich liebt, die sich aber für einen anderen Mann entscheidet, gibt sich zufrieden, wenn er schließlich in weiter Zukunft Patenonkel ihres ersten Kindes sein darf … Vermisste Personen aus dem Naziregime werden leicht wiedergefunden. Alles läuft glatt. Das meiste löst sich in kurzer Zeit in Wohlwollen auf und genau dies hat mich nicht überzeugen können. Nein, ich liebe Figuren, die Facetten haben und authentisch sind. Die Autorin hätte mehr aus ihrem Buch machen können.

Und dennoch war ich auch froh, dass das Buch nicht aus billiger Intrige bestanden hat, wie ich in meinen ersten Leseeindrücken befürchtet hatte. Ich präferiere keine Bücher, die mit schwarz-weiß, mit gut-böse Mustern gestrickt sind. Tiefe Facetten zeichnen nämlich den Menschen nicht zu reinen gut und böse, Engel-Teufel-Wesen aus, weil jeder Mensch auf seine Weise, auch wenn es schwer fällt, sich dies vorzustellen, mit diesen Un-Tugenden innerlich behaftet ist. 

Die Kaffeedynastie
Sehr interessant, sie war aber immer nur als eine Nebenthematik erfahrbar. Das Land Brasilien und das ganze Drumherum wurde viel zu wenig in die Geschichte verwoben.

Stereotypen
Die Deutschen hatten hier mit einer Ausnahme alle blonde Haare und blaue Augen. Obwohl die Autorin Nazigegnerin ist, hat sie bewusst / unbewusst genau den Deutschen porträtiert, den Hitler in seiner Rassentheorie als Arier bezeichnet hat, obwohl Hitler mit seiner Rassentheorie gescheitert ist. Manche wollen es immer noch nicht wahrhaben, dass es viele dunkelhaarige Deutsche gibt. Viele haben sogar von Natur aus einen olivfarbenen Teint. Mich wundert das nicht, denn seit eh und je sind Menschen rund um den Globus gewandert, längst sind alle Menschen vermischt. Selbst der sog. dunkelhäutige Urdeutsche kam einst aus dem Urwald, um das mal ganz platt auszudrücken. Was uns genetisch verändert hat, ist das Klima …

Mein Fazit
Wer einen einfachen Unterhaltungsroman sucht, der kommt hier voll auf seine Kosten, dafür hätte der Roman auch seine volle Punktzahl verdient. Wer aber mehr Anspruch sucht, wird eher enttäuscht werden.  

Wie ist das Buch zu mir gekommen?
Durch die Anfrage beim Verlag. Aufmerksam wurde ich durch den Buchtitel und durch Brasilien, in dem Land, in dem rund um die Kaffeebohne alles begann. Ich wurde neugierig auf die Kaffeeplantage. Ich dachte, dass Brasilien in der Geschichte einen großen Raum einnehmen würde. 

Meine Bewertung

1 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (einfach, fantasievoll)
0 Punkte: Differenzierte, facettenreiche Charaktere; 
1 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Erzähl-und Schreibstruktur
1 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
1 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein.

6 von 12 Punkten

Ein herzliches Dankeschön an den Verlag von HarperCollins für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar.

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Mitgefühl für alle Mitseelen / Mitgeschöpfe
Deine Probleme könnten meine Probleme sein,
und meine Probleme könnten Deine Probleme sein.
Mein Schmerz, Dein Schmerz
Dein Schmerz, mein Schmerz.
Wir sind alle fühlende Wesen.
(Den Tieren eine Stimme geben)

 

Montag, 8. März 2021

Rolf Sellin / Wenn die Haut zu dünn ist - Hochsensibilität vom Manko zum Plus (1)

Bildquelle: Pixabay
Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre 

Ein wundervolles Buch, das mir sehr gut gefallen hat. Ich fühle mich durch diese Lektüre mehr als bereichert und bin erstaunt, dass diese Thematik in Fachkreisen so wenig bekannt ist. Beim Lesen dieser vorkommenden Theorien hatte ich jede Menge Aha-Erlebnisse. Dazu sind die Buchseiten reichlich beklebt mit Post its, die ich, wie sonst auch bei vielsagenden Büchern des Rahmens wegen nicht in der Lage bin, sie alle zu bearbeiten und orientiere mich hauptsächlich auf ein paar Stichpunkten von mir. Die Post its möchte ich dennoch nicht unerwähnt lassen, um damit zu zeigen, wie umfangreich dieses kleine Büchlein doch ist.

Damit keine Verunsicherung aufkommt, taucht in manchen von mir aufgeführten Zitaten das Personalpronomen Wir auf. Rolf Sellin spricht selbst als Hochsensibler häufig in der Wir-Form, um meiner Meinung nach sein Mitgefühl und seine Solidarität mit den Mitbetroffenen zu demonstrieren.

Am Ende der Buchbesprechung gehe ich als Gleichgesinnte auf ein Fallbeispiel in eigener Sache ein, das hauptsächlich meine Denkweise und die Art meiner Buchbesprechungen betrifft.

Des Weiteren gibt es hier eine Verlinkung zu einer weiteren Buchbesprechung dieses Genres auf meinem Blog. 

Hier geht es zum Klappentext, zum Autorenporträt, zu den ersten Leseeindrücken und zu den Buchdaten.

Um was geht es in diesem Buch?
Um nur ein paar wichtige Punkte zu nennen:

Die Auseinandersetzung und die Konfrontation mit der Hochsensibilität und die Definition dazu, was unter einer Hochsensibilität zu verstehen ist und wie sie sich von einer normalen Sensibilität unterscheidet.

Aufgegriffen werden auch die Zusammenhänge zwischen Umwelteinflüssen und den Genen.

Man erfährt, welche Personengruppen von der Hochsensibilität betroffen sind. Des Weiteren werden Stärken und Schwächen deutlich gemacht. Dazu behandelt der Autor entsprechende Energiearbeit, Selbstzentrierung mithilfe von energetischn Übungen in der Ganzheitlichkeit zu Körper, Geist und Seele. Auch wird auf ganz konkrete Alltagshilfen verwiesen. In jedem Kapitel gibt Sellin die Möglichkeit, die Themenpunkte in den jeweiligen Kapiteln bei sich selbst zu reflektieren. Auch werden jeweils Methoden benannt, um die Reflexionen noch etwas zu untermauern. Des Weiteren geht es um die eigentliche Hauptthematik, die Hochsensibilität nicht als Schwäche zu begreifen, sondern als eine Begabung

Für Menschen, die unter ihrer hohen Sensibilität leiden, die es nicht geschafft haben, daraus Potenzial zu schlagen, bekommen hier Anregungen zu diversen Entspannungsübungen und die Auseinandersetzung damit in mannigfaltiger Art. Welche eignen sich für Hochsensible und welche eignen sich weniger? Man wird erstaunt sein zu lesen, dass Sellin besonders Achtsamkeitsübungen für diese Zielgruppe aus den dort benannten Gründen nicht wirklich für erstrebenswert erachtet ...

Hochsensibilität zeichnet sich aus über intensive Reizaufnahme und über die Wahrnehmung auf verschiedenen Kanälen.

Hohe Sensibilität bedeutet zunächst nur, dass ein Mensch mehr Reize aufnimmt als andere und das intensiver. Es sagt nichts darüber aus, ob jemand stark oder schwach ist, introvertiert oder extrovertiert, über welche anderen Begabungen er sonst noch verfügt oder wie intelligent ein Mensch ist, auch wenn deutliche Zusammenhänge zwischen hoher Intelligenz und hoher Sensibilität bestehen. Es gibt alle Arten von Hochsensiblen. Darüber hinaus bleibt offen, wie ein Mensch mit seiner hohen Sensibilität umgeht, ob er sie konstruktiv zu nutzen versteht oder ob er unter ihr leidet. (2020, 19)

Das Ideal für Gerechtigkeit und Menschlichkeit

Die meisten Hochsensiblen sind von dem tiefen Wunsch beseelt, die Welt menschlicher zu gestalten, und sie sind bereit, das Ihre dafür zu bewirken. Und genau darin kann Ihr Beitrag für die Gesellschaft liegen. Denn sie sind es, die als Erste merken, wenn etwas ungerecht ist oder nicht stimmig. Sie erkennen als Erste, was fehlt. Und oft sind sie die Vorreiter, die zuerst die Auswirkung zu spüren bekommen, wenn die Menschlichkeit zu kurz kommt. (17) 

In unserer Gesellschaft leben 15 bis 20 Prozent der Menschen, die als hochsensibel gelten. Viele davon leiden allerdings unter ihrer Hochsensibilität, sodass einige davon Hilfen aus diversen Psychotherapien beanspruchen würden, da sie schon in der Kindheit durch ihre Hochsensibilität in ihrer seelischen Entwicklung beeinträchtigt wurden. Andere dagegen durften sich in ihren Anlagen wunschgemäß so entfalten, wie es ihrer Natur gemäß ist. Der Autor zeigt auf, welchen Einflüssen ein Kind ausgesetzt ist, um entweder geschwächt oder gestärkt zu werden:

Welche Einflüsse sind es, die darüber entscheiden, ob die Anlage der hohen Sensibilität für den Begabten zur Last wird oder zu einer Bereicherung seines Lebens? Denn es gibt sie: Hochsensible, die von vornherein so sein durften, wie sie erschaffen wurden. Sie wurden nicht nur von ihrem Umfeld angenommen, sie waren auch bereit, sich selbst auf das Leben und in seine körperliche Existenz einzulassen. Sie hatten keinen Anlass, die Wahrnehmung ihrer selbst aufzugeben oder zu opfern. (47) 

Hauptsächlich die Art der umfassenden Wahrnehmung macht die Hochsensibilität zu etwas Besonderem:

Der entscheidende Faktor, durch den Hochsensible sich von anderen unterscheiden, ist die Wahrnehmung. (...) Wahrnehmung ist der zentrale Punkt im Leben eines Hochsensiblen. Sie ist seine größte Stärke und Begabung und kann zugleich sein größter Schwachpunkt sein, wenn er nicht gelernt hat, damit umzugehen. Probleme mit der Wahrnehmung haben vor allem die Hochsensiblen, die versucht haben, sich anzupassen und ihre hohe Sensibilität zu unterdrücken. Sie haben dadurch die Wahrnehmung ihrer selbst verloren und damit auch den Bezug zu sich selbst. Sie haben sich auf diese Weise den Reizen der Welt da draußen ausgeliefert. (71) 

HSP (Hochsensible Persönlichkeiten) stellen Dinge infrage, die schon immer so waren, während viele andere diese Dinge einfach so hinnehmen. 

HSP in den Geschlechterrollen
Während man bei Frauen die Hochsensibilität eher herunterspielt, werden sie häufig nicht ernst genommen, da diese Fähigkeit von ihnen als selbstverständlich vorausgesetzt wird. Männer dagegen haben es noch schwerer, da sie als zu weiche Männer bezeichnet werden (Weichei) und sie sich mit dem Vorurteil plagen müssen, keine richtigen Männer zu sein.

Ein konstruktives Muster dafür fehlt, wie man Mann und trotzdem hochsensibel sein kann. Die Betroffenen sind dabei auf sich gestellt. Von den hochsensiblen Vätern können Sie vielleicht das eine oder andere, das sie schätzen, übernehmen. Im Wesentlichen lernen sie von ihnen, wie sie es besser nicht machen sollten.  

Es ist allein unser Denken, das Gegensätze konstruiert. Als gegensätzlich erachtete Eigenschaften können in der paradoxen Wirklichkeit zusammen existieren und müssen sich durchaus nicht ausschließen. Es ist unser Kopf, der sich vorstellt, dass man entweder das eine ist oder das andere, entweder männlich oder sensibel. Und dann ist man nicht fern von den Vorstellungen vom hochsensiblen Weichei oder vom tumben Kraftprotz. Diese Denkweise trägt mit dazu bei, dass sich hochsensible Jungen gegen ihre Begabung entscheiden und glauben, mit Männlichkeit dafür belohnt zu werden, wenn sie ihre Wahrnehmungsfähigkeit unterdrücken und ihre Sensibilität opfern. (56f) 

Sind Hochsensible bessere Menschen?
Man neigt zu glauben, dass Hochsensible bessere Menschen sind. Manche protzen regelrecht damit. Aber eine wahre HSP bleibt bescheiden, benötigt keine Überheblichkeit gegenüber den anderen Mitmenschen. Es würde sie eher beschämen, sich vor anderen aufzuplustern. Man nimmt diese Untugend schon genug bei anderen Mitmenschen wahr. Ich selbst bekomme tatsächlich eine Gänsehaut, wenn sich andere in ihrer Überheblichkeit vor anderen hervorheben. Ich schäme mich für sie, als wäre ich die aufgeplusterte Person. 

Ansonsten aber sind Hochsensible nicht besser oder schlechter als andere Menschen auch. Hochsensible können zum Beispiel ebenso gewalttätig werden wie sonst ein anderer. Wenn Hochsensible z. B. zu sehr in Stress geraten, wenn ihre Energien dadurch nicht richtig zum Fließen kommen, weil sie mit den vielen Reizen nicht umzugehen in der Lage sind, kann es besonders in problembehafteten Familien zu Gewalteskalationen kommen.

Die Denkweise eines Hochsensiblen

Auch beim Denken sind die Hochsensiblen vor die Wahl gestellt, unter unserer Begabung zu leiden, sie als Defizit zu erleben oder Bewusstheit zu entwickeln. Für den Bereich des Denkens heißt das, entweder fremden Denk- und eigenen Anpassungsmustern ausgeliefert zu sein, in einem schwelenden inneren Dauerkonflikt zwischen Anpassung und forcierter Eigenwilligkeit zu leben, sich von alten Denkgewohnheiten beherrschen zu lassen - oder verantwortlich mit dem eigenen Denken umzugehen, aktiv und bewusst zu denken und die Qualitäten dieses Denkens zu entfalten. (123)

Hochsensible in Psychotherapien
Begibt sich eine HSP in eine Psychotherapie, wird sie meist fasch behandelt, da die Hochsensibilität weder ein Symptom sei, noch eine Erkrankung. Sie sei vielmehr eine Begabung, die nicht wegtherapiert werden sollte. Die Hochsensibilität würde in vielen Konzepten der Psychotherapien fehlen. Stattdessen würden viele Menschen in diagnostische ICD-10 Schablonen gepackt werden wie z. B. Depression, Borderline, ADHS, Affektive und Kognitive Störung etc. In vielen Therapien würden die Menschen lernen, was sie eigentlich nicht sollen, sich ein dickeres Fell anzulegen. Andere werden noch zusätzlich mit Psychopharmaka eingedeckt. Die Psychopharmaka sind probate Mittel, die Hochsensibilität noch weiter zu unterdrücken, denn hier werden Gefühle und  der Geist "eingestampft". Die Hochsensibilität wird dadurch zusätzlich erfolgreich kontratherapiert, das heißt, sie würde mit Hilfe der Psychotherapie gegen ihr Naturell arbeiten. 

Eine richtige Therapieform für diese Zielgruppe müsste allerdings so ausgelegt sein, dass die Hilfesuchenden lernen könnten, mit ihrer Fähigkeit konstruktiv umzugehen, dass sie aufhören, sie weiter zu verdrängen, um ein authentisches und selbstbewusstes Leben führen zu können. Rolf Sellin behandelt diese Menschen in eigener Praxis.

Kurze Unterscheidung zwischen der Hochsensibilität und der normalen Sensibilität
Die "normale" Sensibilität ist meist nur auf sich selbst bzw. auf sein näheres Umfeld beschränkt, während die Hochsensibilität ausgeweitet ist auf alle Mitseelen, d. h. auf Mitmenschen aller Länder und Kontinente, auf Tiere und Pflanzen, und auf das gesamte Weltgeschehen auch in spiritueller Form. Mir selbst sind viele Mitmenschen bekannt, die sich als sensibel bezeichnen, aber ein nur geringfügiges Sensorium für ihre Gegenüber besitzen, während viele HSP in der Lage sind, mental aus sich heraus zu gehen, um den Menschen mit den Augen eines anderen zu sehen.

In dem Buch sind zudem Selbsttests abgedruckt, für

1.                      1.   Erwachsene

2.   Kinder

3.   Hochsensible mit High Sensation Seeker. (Das sind Menschen, die neben der Harmoniebedürftigkeit manchmal auch den Kick, Spannung, Aktion benötigen).

Cover und Buchtitel
Beides finde ich gelungen. Vor allem der Buchtitel hält, was er verspricht. Die Einen nutzen die Hochsensibiliät als Begabung, andere dagegen eher als ein Defizit, bzw. als eine lästige Last.

Wir kommen nicht um die Entscheidung herum, wie wir mit unserer Begabung umgehen wollen. Immer wieder stehen wir vor der Wahl, zu leiden oder bewusst zu leben und unser Bewusstsein zu entwickeln. Und das in jedem Augenblick. Doch dann werden wir reichlich belohnt: War die Hochsensibilität zuvor oft ein Manko für uns, so wird sie nun zum Plus, das unser Leben und auch das Leben der anderen bereichert. (173)

Zum Schreibkonzept
Das Buch ist auf den 190 Seiten in mehreren Kapiteln mit Unterpunkten gegliedert. Am Ende gibt es eine übliche Danksagung mit Buchempfehlungen. Es beginnt mit einem Vorher und Nachher.

Meine Meinung
Mich hat das Buch sehr überzeugt, weil, wie ich oben schon geschrieben habe, es in mir jede Menge wertvolle Erkenntnisse liefern konnte, für die ich unendlich dankbar bin, weil sie mir zuvor in dieser Form nicht bewusst waren, ich aber eine Ahnung hatte, die sich nur noch nicht hat an etwas fest machen konnte. Durch dieses Buch kam ich ins Nachdenken, ins Schwelgen, ins Meditieren. Ich verstehe nun, warum häufig Gefühle aufkommen, anders zu sein als andere. Vor allem, wenn man Missstände auch in Politik und Gesellschaft aufzudecken versucht und man häufig dabei missverstanden wird. 

Meine besondere Art, Bücher zu lesen und darüber zu schreiben
Hier fokussiere ich mich nun, um am Beispiel zu bleiben, auf meine besondere Art, Bücher zu lesen, um den Bogen nicht auf andere Lebensbereiche spannen zu müssen.

Diese differenzierte Wahrnehmung, von der ich nun häufig auch in anderen Büchern dieses Genre gelesen habe, finde ich enorm. Betroffene nehmen tatsächlich Dinge wahr, die anderen nicht auffallen. Nun verstehe ich auch, weshalb ich Bücher anders lese als die meisten von uns. Ich registriere darin Tatsachen, die für andere nicht auffällig bzw. nicht wichtig zu sein scheinen und schlichtweg überlesen werden. In den belletristischen Büchern kommt es mir selbst auf die Weltanschauung an, die von einer besonderen Humanität geprägt ist. Gerechtigkeit, Ungerechtigkeit und alles, was damit verbunden ist. Oft versteckt zwischen den Zeilen. Mir kommt es nicht auf hochtrabende Gedanken an, die für mich zwar auch wichtig sind, die aber immer eingebettet sind in einem Konstrukt universaler Menschlichkeit. Dadurch wird mir von einigen meiner Bloggerkolleginnen häufig unterstellt, meine Buchbesprechungen seien persönlich. Ich konnte nicht verstehen, was sie unter persönlich meinten? Obwohl meine Thesen immer am Text belegt wurden, hinterließ ich in deren Augen angeblich einen subjektiven und unsachlichen Eindruck, als gäbe es so etwas wie eine objektive Meinung. Objektiv bedeutet wohl, etwas zu denken, was auch andere denken, sodass ich mich häufig frage, ob Einzelmeinungen nichts zählen? 

Deshalb ist dieser Begriff Persönlichkeit bei mir mittlerweile, so wie andere ihn hier anwenden, ziemlich negativ besetzt. Persönlich wäre für mich in diesem Zusammenhang, wenn ich mein gesamtes Privat- und Liebesleben in einer Buchbesprechung ausbreiten würde. Zusätzlich sind meine Thesen zu einem Buch immer begründet. Nicht selten wird mir dadurch indirekt unterstellt, das Buch nicht richtig verstanden zu haben, und nur, weil ich andere Facetten aufzudecken in der Lage bin als viele meiner Mitlerserinnen. Aus diesem Grund werden meine Rezensionen häufig als subjektiv (unsachlich) abgetan. Und genau dies ist mit ein der Grund, weshalb ich mich gerne in großen Lesezirkeln via Facebook & Co aus Diskussionen heraushalten möchte. 

Wer hat aber nun recht?
Einige meiner Bloggerkolleginnen besitzen eine andere Form von Wahrnehmung. Daher nehmen sie in den Büchern Dinge wahr, die ihnen wichtig sind. Nicht besser und nicht schlechter als ich, doch mit dem einen Unterschied, dass ich niemals auf die Idee käme, meine Bloggerkolleginnen als persönlich bzw. als unsachlich abzutun. Ich bewerte ihre Schriftstücke nicht in dieser Form, während meine bewusst / unbewusst bewertet werden. Ich nehme meine Bloggerkolleg*innen im Gegenzug ernst, selbst wenn ich eine andere Meinung als sie habe, denn ich habe gelernt, dass es mehrere Wahrheiten gibt. Man könnte die Unterschiede ruhig als eine lehrreiche Ergänzung betrachten. Kurz: Ich lese eben mit einer anderen Brille, und nehme auch dadurch eben anders wahr.

Hierbei hat mir der Autor nun eine Antwort auf meine langjährige Frage geliefert, weshalb ich denke, wie ich denke und weshalb ich so sehr missverstanden werde. 

Das eigene Denken eines Hochsensiblen ist oft radikaler und anderen Menschen fremd, denn es beruht auf einer umfassenderen und oft auch hintergründigen Wahrnehmung, und es misst sich an einem höheren Anspruch an Harmonie, Gerechtigkeit und Vollkommenheit. Es kann sehr subjektiv erscheinen, doch ist es üblicherweise nicht von der eigenen Person und den eigenen Interessen bestimmt. Dadurch ist es in der Lage, altbekannte Positionen grundlegend infrage zu stellen. Selbst wenn es sich um politische Inhalte dreht, kommt dieses Denken für andere oft als viel zu absolut daher, als dass es im engeren Sinne politisch sein könnte. (121)

Auf der Seite 125f finden sich noch einige Punkte. Die wichtigsten davon möchte ich hier noch hinzufügen.

Potentiell vorhandene besondere Qualitäten der hochsensiblen beim Denken

·         Objektiv und unbestechlich denken.

·         Das Denken ist umsichtig und frei von Scheuklappen.

·         Das Denken lässt sich nicht durch Konventionen einschränken.

·         Das Denken respektiert auch die Interessen anderer.

·         Das Denken ist zugleich kritisch und selbstkritisch. 

·         Das Denken lässt sich nicht durch die momentane Machbarkeit einschränken, es kann daher visionär sein.

Häufig und viele Jahre lang hatte ich mir im Stillen selbstkritisch den Kopf zerbrochen und nach Lösungen gesucht, Rezensionen zu schreiben und zu denken wie jedermann auch.

Herzlichen Dank hierfür an den Autor für diese Antworten, nach denen ich so lange gerungen und gesucht habe. Ich werde obiges Zitat in Ehren halten, und wenn wieder ein Kommentar jener Art eintreffen sollte, werde ich obiges Zitat hinterher schieben.

Mein Fazit
Ein sehr lesenswertes Buch für alle Menschen, die glauben, mehr als zartbesaitet zu sein. Ich hoffe, dass ich mit meiner nun doch etwas umfangreicheren Besprechung, die zusätzlich angelehnt an einem eigenen Fallbeispiel, auch das Interesse für dieses Buch bei anderen wecken durfte.

Wie ist das Buch zu mir gekommen?
Durch Eigenrecherchen im Internet und durch die Anfrage beim Verlag.

Meine Bewertung

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck und Verständlichkeit
2 Punkte: Sehr gute Umsetzung der Thematik.
2 Punkte: Sehr gute aufklärerische und kritische Verarbeitung
2 Punkte: Logischer Aufbau, Struktur und Gliederung vorhanden.
2 Punkte: Anregung zur Vertiefung, zum weiteren Erforschen und zur Erkundung
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein

2 Sonderpunkte wegen des Lesehighlights.

14 Punkte

Hierbei ein herzliches Dankeschön an den Köselverlag für das Leseexemplar.

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