Samstag, 31. Oktober 2015

Magali Robathan / Die Frau von Shearwater Island (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch habe ich mit großem Interesse gelesen. Den Background, auf dem sich die Story abspielt, fand ich sehr schön. Ich konnte mich leicht in die Umgebung hineinversetzen. Das Meer, die Wellen, die Klippen, etc. Das hat mir geistig sehr gutgetan.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Alice lebt auf Shearwater Island, einer kleinen Insel vor der Küste Englands. Sie liebt die raue, wilde Schönheit der Landschaft, und sie schätzt die Abgeschiedenheit, in der sie sich in Sicherheit glaubt. Seit sie Zeugin eines brutalen Verbrechens war, vertraut sie niemandem mehr. Doch der Inselrat entscheidet, dass ein gefeierter Schriftsteller bei ihr einzieht: Patrick, der seinen nächsten Roman auf der Insel schreiben möchte. Der attraktive Londoner bringt Alice dazu, ihm die Geschichten der Insel zu erzählen. Von Rivalität und Neid, von Liebe und Eifersucht, von der Untreue ihrer Mutter – und von sich selbst. Alice

verliebt sich rückhaltlos in ihn. Doch das enge Zusammensein auf kleinem Raum und Alices Unsicherheit ihren eigenen Gefühlen gegenüber bringen ihre Welt zum Einstürzen.
Mich interessierten die Lebensweisen der InselbebewohnerInnen, ihre Komplexität an menschlicher Psyche in deren Denk- und Lebensweise, doch die Protagonistin Alice Fisher schien mir mit ihren sechsunddreißig Jahren merkwürdig naiv zu sein, auch wenn sie zum Schluss hin aus ihren Fehlern und aus den Fehlern ihrer Nachbarn lernt, und sie dabei ihr Leben kritisch hinterfragt und Pläne schmiedet, ihr Leben in eine andere Richtung zu lenken. Trotzdem nervte sie mich doch irgendwie. Der Schluss hatte mich mit ihr nicht aussöhnen lassen. Ihre Naivität ist mit der einer fünfzehnjährigen Pubertierenden zu vergleichen. Nicht nur für den Schriftsteller Patrick Fox war sie recht schnell zu durchschauen, nein, auch für mich als Leserin. Wie das Dornröschen wartete sie auf den Mann ihres Lebens, der sie von der langweiligen und öden Insel holen und wegbringen sollte. Es entstand nämlich in mir der Eindruck, Alice liege in einem langwierigen Schlummerschlaf und nur ein Mann könne es schaffen, sie davon zu erlösen. Gibt es heutzutage tatsächlich noch Frauen, die so naiv sein können? Nicht nur, dass sie Patrick innerhalb kürzester Zeit ihr ganzes Leben und das Leben ihrer Nachbarn offenlegt, nein, sie schläft auch mit ihm, so ganz ohne Prävention, und wird auch recht schnell schwanger. Und das alles innerhalb weniger Monate. Eine recht absurde Persönlichkeit. Mit sechsunddreißig Jahren sollte man sich auch mit Verhütungsmitteln auskennen ...  Eigentlich so rund um Alice als Hauptfigur eine recht primitive Geschichte, die wenig Tiefgang hat. Nun ja, die partnerschaftliche Liebe verhält sich oftmals in ihren emotionalen Facetten noch recht primitiv. Dieses Auf und Ab an Gefühlen ... Deshalb mag ich auch keine klassischen Liebesromane lesen.  Der emotional wenig entwickelte Mensch scheint sich noch immer auf der Stufe der Primaten zu befinden.

Richtige Tiefe hat, wie schon gesagt, diese Frau nicht. Am Schluss ist es indirekt doch wieder der Mann, der sie aus ihrer Not rettet, auch wenn es nicht Patrick selber ist. Friede, Freude Eierkuchen. So habe ich den Schluss erlebt. Ein wenig kitschig und rührselig. Deshalb fand ich den Schluss wenig realistisch und arg sentimental.

Interessant fand ich dagegen die beiden Figuren Cathy und Laurence.

Cathy und Laurence sind vom Verwandtschaftsgrad her Cousine und Cousin. Cathys Mutter Isabella litt an einer starken Depression und nahm sich das Leben, als Cathy acht Jahre alt war. Sie wurde von ihrer Tante, Laurences Mutter namens Elsie, aufgezogen. Einen Vater gab es nicht. Elsie war die Schwester von Isabella. Dadurch, dass Cathy, verglichen mit Laurence, kaum Ansprüche an Elsie stellte, nahm sie, was sie bekam, da sie schon recht früh die Härte des Lebens erfahren durfte. Dadurch wurde sie von der Tante bevorzugt und Laurence vernachlässigt. Elsie wollte eigentlich kein Kind. Sie konnte keinerlei Muttergefühle in sich spüren und neidete Alices kinderloses Singleleben. Laurence, zwei Jahre jünger als Cathy, suchte permanent die Zuwendung seiner Mutter. Elsie fühlte sich durch ihn eingeengt. Dadurch, dass sie Cathy mehr Nähe zukommen ließ als ihrem Sohn, entwickelte sich zwischen den beiden Kindern eine tiefe Feindschaft, eine Rivalität, die noch Jahrzehnte später zu spüren war. Je mehr Laurence sich um die Liebe und die Aufmerksamkeit seiner Mutter bemühte, desto mehr wurde er benachteiligt und zurückgewiesen. Und Cathy nutzte das später, mit zunehmendem Alter, schamlos aus ... Cathy wird erwachsen und wandert nach Amerika aus. In Amerika erlangt sie allerdings nicht den Erfolg, den sie sich erwünscht hatte, und kommt Jahre später wieder nach England auf die Insel zurück. Ganz zum Leidtragen ihres Cousins.

Und im Folgenden dazu noch ein Ereignis, das mich mehr als betroffen gestimmt hat:
Cathy und Elsie zogen ihren Sonntagsstaat an und machten sich auf den Weg zur Kirche. Cathy sah aus, als wäre sie am liebsten unsichtbar; sie hatte die Schultern hochgezogen und hielt die Arme eng an den Körper gepresst. Als sie in der Frühlingssonne nebeneinander hergingen, legte Elsie den Arm um Cathy. Für einen Moment erstarrte die Kleine, dann lehnte sie sich an Elsie und Tränen rollten über ihre Wangen. Als sich Elsie noch einmal zum Haus hindrehte, sah sie Laurence oben am Fenster stehen, mit einem finsteren Ausdruck im Gesicht. Sie kamen erst in der Abenddämmerung nach Hause zurück. Laurence war verschwunden. Cathy ging nach oben in das Zimmer, das sie mit ihrem Cousin teilte. Elsie hörte einen schrecklichen Aufschrei und eilte zu ihr. Cathys sämtliche Kleidungsstücke waren auf ihrem Bett verstreut, alle zerrissen, und auf dem Boden lag ein zerbrochener Bilderrahmen. Cathy kniete zwischen den Scherben, in der Hand das Schwarzweißfoto, auf dem Isabella sie als Baby im Arm hielt.Elsie presste die Lippen zusammen und verließ wortlos das Haus. Drei Stunden lang suchte sie die gesamte Insel ab, bis sie Laurence in einer Scheune fand. Er fing an zu weinen, sobald er sie sah. >>Es tut mir leid<<, schluchzte er, die braunen Augen flehentlich aufgerissen. >>Mama, es tut mir so leid.<<
Elsie packte ihn am Arm und zerrte ihn nach Hause. Sie sagte kein Wort, außer >>sei still und hör auf zu flennen<<. Laurence wurde in dieser Nacht nicht bestraft (…).Als er (allerdings) am nächsten Tag herunterkam, war der Küchentisch leer, nur ein hölzernes Schmuckkästchen stand darauf. Laurence hatte es mithilfe seines Großvaters für seine Mutter zum Geburtstag gebastelt. Einen Monat lang hatte er jeden Abend hingebungsvoll daran gearbeitet. Die ersten beiden Versuche waren ihm nicht gut genug erschienen, und so hatte er Stunde um Stunde weiter gefeilt und geschliffen, poliert und lackiert. Er hatte die Scharniere sorgfältig geölt, damit sich der Deckel leicht öffnen und zuklappen ließ, und hatte seinen Großvater gebeten, Elsies Namen einzugravieren. Es war das Schönste, was er in seinem jungen Leben zustande gebracht hatte. >>Gestern hast du etwas Kostbares zerstört, was Cathy gehört hat<<, sagte sie zu ihm. >>Heute wirst du erleben, wie es sich anfühlt, wenn etwas zerstört wird, das dir viel bedeutet.<<Sie griff nach einem Hammer. Laurence wollte etwas sagen, aber die Worte blieben ihm im Hals stecken, als er das Gesicht seiner Mutter sah. Dann saß er schluchzend daneben, während sie auf das Kästchen einschlug, bis nur noch winzige Holzsplitter übrig waren.>>Jetzt entschuldige dich bei deiner Cousine und geh mir aus den Augen<<, befahl Elsie.

Das Buch erhält von mir acht von zehn Punkten.

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Auch nach der schwärzesten Nacht geht immer wieder die Sonne auf.
(Agatha Christie)

Gelesene Bücher 2015: 62
Gelesene Bücher 2014: 88
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Montag, 26. Oktober 2015

Magali Robathan / Die Frau von Shearwater Island

Klappentext
Alice lebt auf Shearwater Island, einer kleinen Insel vor der Küste Englands. Sie liebt die raue, wilde Schönheit der Landschaft, und sie schätzt die Abgeschiedenheit, in der sie sich in Sicherheit glaubt. Seit sie Zeugin eines brutalen Verbrechens war, vertraut sie niemandem mehr. Doch der Inselrat entscheidet, dass ein gefeierter Schriftsteller bei ihr einzieht: Patrick, der seinen nächsten Roman auf der Insel schreiben möchte. Der attraktive Londoner bringt Alice dazu, ihm die Geschichten der Insel zu erzählen. Von Rivalität und Neid, von Liebe und Eifersucht, von der Untreue ihrer Mutter – und von sich selbst. Alice verliebt sich rückhaltlos in ihn. Doch das enge Zusammensein auf kleinem Raum und Alices Unsicherheit ihren eigenen Gefühlen gegenüber bringen ihre Welt zum Einstürzen.


Autorenporträt
Magali Robathan, geboren in London, hat Psychologie und Journalismus studiert. Seit über zehn Jahren arbeitet sie als Journalistin, zuletzt als leitende Redakteurin für Leisure Management. Sie lebt mit ihrem Mann und den zwei Kindern in Bristol.

Nun habe ich mich schon ein paar Seiten reingelesen und es gefällt mir recht gut. Mal schauen, wie sich der Inhalt noch weiter entwickeln wird.

Die Autorin ist mir unbekannt.





Sonntag, 25. Oktober 2015

Don Miguel Ruiz / Die vier Versprechen


Buchvorstellung und Buchbesprechung finden aus bestimmten Gründen hier auf dieser Seite statt.

Klappentext
Don Miguel Ruiz enthüllt in seinem Bestseller einen praktischen und leicht nachvollziehbaren Weg, um uns aus dem kollektiven Alptraum von Angst, Missbrauch und Gewalt zu befreien. Den Traum von Freiheit, Freude und Liebe kann jeder verwirklichen. Vier einfache, aber kraftvolle Versprechen sind der Schlüssel zur innerenTransformation.


Autorenporträt
Don Miguel Ruiz wurde in eine Familie mexikanischer Curanderos (Heiler) und Naguals (Schamanen) geboren. Er folgte dem ihm vorgezeichneten Weg jedoch zunächst nicht, sondern studierte Medizin und wurde Chirurg. Eine Nahtod Erfahrung nach einem Autounfall änderte sein Leben. Er widmete sich fortan dem Studium der Lehre seiner Vorfahren. Sein Lehrer wurde sein verstorbener Großvater, der ihn in Träumen unterwies. Ruiz´Bücher sind in Mexiko und den USA bereits zu Bestsellern geworden. 

Ich weiß selber noch nicht, was ich von diesem Buch halten soll, aber es wurde mir von einem Greenpeace-Mitarbeiter empfohlen, den ich  im Ökoladen Alnatura kennengelernt habe. Unser Thema war die Ausbeutung unseres Planeten, besonders auf Tiere und die Natur bezogen, was schlussendlich sich auch an den Menschen rächt, der diese Ausbeutung verursacht und zu verantworten hat.

Ein paar Seiten habe ich schon gelesen, und es stimmt mich recht nachdenklich, wobei mir die Theorien darin nicht sooo neu sind aber immer mal wieder gut, daran erinnert zu werden.


Buchbesprechung (1)

Das Buch ist in einer einfachen psychologischen Sprache geschrieben. Für Menschen, die bisher noch nicht viel mit Psychologie zu tun hatten, mag es hilfreich sein.

Auch ist es esoterisch angehaucht, was typisch ist, wenn gewisse spirituelle Theorien das menschliche Denken mit vorgegebenen Lösungen vereinfachen und sie verallgemeinern.

Der Autor wiederholt sich recht oft ...

Trotzdem kann ich das Buch weiterempfehlen an Menschen, die nach schnellen Lösungen suchen und gerne auch an sich selbst arbeiten. Diesbezüglich gibt das Buch jede Menge Denkanstöße und Anregungen weiter, um einen persönlichen inneren Frieden zu erlangen, der sich nach außen hin weiter ausstrecken kann bis weit ins Universum. Man würde also damit auch dem Planeten etwas Gutes tun, kollektiv mit allen Lebewesen eins sein. Was Gut und was Böse ist wird hier relativiert.

Ich habe überlegt, die vier Versprechen hier einzugeben, habe mich aber entschlossen, es doch sein zu lassen, da man auch die Hintergründe dazu kennen müsste, um sie zu verstehen.

Das Buch erhält von mir sieben von zehn Punkten ...

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Auch nach der schwärzesten Nacht geht immer wieder die Sonne auf.
(Agatha Christie)

Gelesene Bücher 2015: 59
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Freitag, 23. Oktober 2015

Patrick Süskind / Die Geschichte von Herrn Sommer (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre. 

Es ist ein dünnes Büchelchen gewesen von gerade mal 130 Seiten und davon jede Menge schöne, bunte Illustrationen von dem 1932 geborenen, bekannten französischen Zeichner und Karikaturist Sempé, der mit Süskind eine tiefe Freundschaft pflegt.

Es geht hier um eine recht skurrile männliche Figur namens Sommer. Herr Sommer leidet unter Klaustrophobie und das aus dem Grund, weil er im Ruhezustand permanent Zuckungen zu ertragen hat. Ein Mensch, von dem man den Eindruck gewinnt, er renne vor sich selber davon, indem er den ganzen Tag bei Wind und Wetter durch die Gegend hastet.

Da die Erzählung recht kurz ist, fokussiere ich den Inhalt auf eine für mich sehr schöne, komische Szene, die natürlich ein wenig spaßig ist, aber auch ein wenig ernst, wenn man sich in die Situation eines kleinen Jungens und dessen Probleme mit der Welt hineinversetzt.

Die Geschichte wird aus der Ichperspektive dieses Jungen erzählt, dessen Name den LeserInnen unbekannt bleibt. Da der Junge sehr naturverbunden ist, verbringt er viel Zeit im Wald. Er liebt Bäume, klettert viel und hat sich schon verschiedene Baumhäuser gebaut. Dadurch macht er auf eine höchst distanzierte Art und Weise die Bekanntschaft mit Herrn Sommer, ohne dass dieser sie bemerkt. Weil er mit seinem großen Stock und seinen mit Butterbroten und Regenjacke gefüllten Rucksack durch die Gegend flitzt, hauptsächlich auch durch die Wälder, erfährt der kleine Junge eine ganze Menge über den sonderbaren Herrn Sommer …

Der Junge verbringt viel Zeit mit sich allein. Er wirkt sehr zurückhaltend und schüchtern. In der Schule zählt er allerdings zu den Klassenbesten. Er hat sich in seine Klassenkameradin Carolina Kückelmann verguckt, als er eines Tages seine gesamte Schüchternheit über Bord wirft und er sie fragt, ob sie nicht Lust habe, ihn am Montag nach der Schule nach Hause zu begleiten. Er beabsichtigte, ihr sein Baumhaus zu zeigen und ihr seine Kletterkünste vorzuführen. Zu seiner Überraschung sagte Carolina zu. Doch am darauffolgenden Tag sagte sie der Einladung wieder ab …

Der Junge wird für den Klavierunterricht bei einer recht alten Lehrerin angemeldet. Um dort hinzukommen benötigt er ein Fahrrad. Der Junge lernt dadurch recht spät Fahrrad fahren. Als er es schließlich beherrscht, aber kein eigenes Fahrrad bekommt, wird ihm das Fahrrad seiner Mutter gestellt, das eigentlich für ihn viel zu groß ist. Er kann sich nicht auf das Fahrrad setzen, nein, er kann es nur stehend bedienen. Dadurch fühlt er sich unsicher und kann das Rad nicht so steuern, wie er es gerne möchte. Er muss oft vom Rad absteigen, vor allem, wenn Passanten vor ihm herlaufen, da er dadurch die Sicherheit verliert. Er kommt zu spät zum Musikunterricht und die Lehrerin wirft ihm alle möglichen Laster vor. Für den wahren Grund seines Zuspätkommens zeigte sie keinerlei Interesse ... Er wurde von einem Hund aufgehalten, der permanent nach ihm bellte …

Während des Klavierunterrichts kommt es zwischen dem Jungen und der Musikpädagogin zu einem heftigen Eklat. Die Lehrerin, die, nach der Erzählung des Jungen, steinalt zu sein scheint, und die wenig Geduld mit Kindern hat, obwohl sie über jede Menge Erfahrungen verfügt, wird mit dem Jungen einfach nicht fertig. Eigentlich ist diese Musikpädagogin eine richtige Furie, die wenig Verständnis für die Fehler ihres jungen Schülers aufzubringen weiß. Sie schreit und schimpft und tobt, verliert völlig die Kontrolle mit dem Kind. Der Junge macht immer wieder dieselben Fehler und die Lehrerin verliert nun völlig die Nerven, fühlt sich von dem  Schüler auf den Arm genommen. Plötzlich fängt sie an heftig zu niesen und lässt ihren Nasenschleim auf die Klaviatur fliegen, auf die Fis-Taste, sodass der Junge psychisch in eine richtige Krise gerät, und er nach der Musikstunde Suizidgedanken hegt, und macht viele Menschen dafür verantwortlich:
Ich zitterte am ganzen Körper. Meine Knie schlotterten so sehr, dass ich kaum gehen, geschweige denn Fahrrad fahren konnte. Mit bebenden Händen klemmte ich die Noten auf dem Gepäckträger fest und schob das Rad neben mir her. Und während ich schob, kochten die finsteren Gedanken in meiner Seele. Was mich in Aufruhr versetzte, was mich in diese bis zum Schüttelfrost gehende Erregung getrieben hatte, war nicht das Donnerwetter von Fräulein Funkel gewesen; nicht die Androhung von Prügel und Hausarrest; nicht Angst vor irgendetwas. Es war vielmehr die empörende Erkenntnis, dass die ganze Welt nichts anderes war als eine einzige, ungerechte, bösartige, niederträchtige Gemeinheit. Und schuld an dieser hohen Gemeinheit waren die anderen. Und zwar alle. Insgesamt und ohne Ausnahme alle anderen. Angefangen von meiner Mutter, die mir kein anständiges Fahrrad kaufte; meinem Vater, der ihr immer beipflichtete; meinem Bruder und meiner Schwester, die hämisch darüber lachten, dass ich im Stehen Rad fahren musste. Und dem widerlichen Köter von Frau Dr. Hartlaub, der mich immer belästigte; den Spaziergängern, die die Seestraße verstopften, sodass ich notwendigerweise zu spät in die Musikstunde kommen musste; dem Komponisten Häßler, der mich mit seinen Fugen anödete und quälte; dem Fräulein Funkel mit ihren verlogenen Beschuldigungen und ihrem ekelhaften Nasenpopel auf dem Fis… bis zum lieben Gott, ja auch dem sogenannten lieben Gott, der, wenn man ihn einmal braucht und flehentlich um Beistand bat, nichts Besseres zu tun hatte, als sich in ein feiges Schweigen zu hüllen und dem ungerechten Schicksal seinen Lauf zu lassen. Wozu brauche ich diese ganze Bagage, die sich gegen mich verschworen hatte? Was ging mich diese Welt noch an? In einer solchen Welt der Niedertracht, da hatte ich nichts verloren. Sollten doch die anderen an ihrer eigenen Gemeinheit ersticken! Sollten sie ihre Rotze doch hinschmieren, wo sie wollten! Ohne mich! Ich spiele da nicht länger mit. Ich würde dieser Welt Ade sagen. Ich würde mich umbringen. Und zwar sofort.  (…)
Der Junge sucht sich einen Baum aus, klettert hinauf und…
 … langsam ließ ich mich in die Knie, setzte mich auf den Ast, lehnte mich an den Stamm und verschnaufte. Bis zu diesem Moment war ich gar nicht dazu gekommen, darüber nachzudenken, was ich eigentlich zu tun im Begriffe war, so sehr hatte mich die Ausführung der Tat selbst in Anspruch genommen. Nun aber, vor dem entscheidenden Augenblick, kamen die Gedanken wieder, sie drängten sich heran, und ich lenkte sie, nachdem ich nochmals die ganze böse Welt und alle ihre Bewohner in Bausch und Bogen verdammt und verflucht hatte, auf die sehr viel anheimelndere Vorstellung meiner eigenen Beerdigung. Oh, es würde eine prächtige Beerdigung werden! Die Kirchenglocken würden klingen, die Orgel würde brausen, der Friedhof (…) könne die Menge der Trauernden kaum fassen. Ich läge auf Blumen gebettet im gläsernen Sarg, ein schwarzes Rößlein würde mich ziehen, und um mich wäre nichts als ein großes Schluchzen zu hören. Es schluchzten meine Eltern und meine Geschwister, es schluchzten die Kinder aus meiner Klasse, es schluchzten Frau Dr. Hartlaub und Fräulein Funkel, von weit her waren Verwandte und Freunde zum Schluchzen gekommen, und alle schlugen sich, während sie schluchzten, vor die Brust und brachen in Wehklagen aus und riefen: >>Ach! Wir sind schuld, dass dieser liebe, einzigartige Mensch nicht mehr bei uns ist! Ach! Hätten wir ihn doch besser behandelt, wären wir doch nicht so böse und ungerecht zu ihm gewesen, dann würde er jetzt noch leben, dieser gute, dieser liebe, dieser einzigartige und freundliche Mensch!<< Und am Rande meines Kraters stand (meine große Liebe) Carolina Kückelmann und warf mir einen Strauß Blumen und den allerletzten Blick nach und rief unter Tränen mit schmerzgequälter heiserer Stimme: >>Ach, du Lieber! Du Einzigartiger! Wäre ich doch damals am Montag mit dir gegangen!<< 
Herrlich, diese Fantasien! Ich schwelgte in ihnen, ich spielte die Beerdigungen in immer neuen Varianten durch, von der Aufbahrung bis zum Leichenschmaus, bei dem rühmende Nachreden auf mich gehalten wurden, und schließlich war ich selbst so gerührt davon, dass ich, wenn ich nicht schluchzte, so doch feuchte Augen bekam. Es war die schönste Beerdigung, die man je in unserer Gemeinde gesehen hatte, und noch Jahrzehnte später würde man in wehmütiger Erinnerung davon erzählen … Jammerschade nur, dass ich selbst nicht wirklich würde daran teilnehmen können, denn ich wäre ja dann tot. Daran war bedauerlicherweise nicht zu zweifeln. Ich musste tot sein bei meiner eigenen Beerdigung. Beides war nicht auf einmal zu haben: die Rache an der Welt und das Weiterleben in der Welt. Also die Rache!
Nun ist Herr Sommer während dieser Szenen keineswegs aus meinen Augen geraten. Er wird hier, ohne dass er es selber weiß, noch eine recht bedeutungsvolle Rolle spielen, die ich aber nicht verraten möchte.

Das Buch erhält von mir zehn von zehn Punkten.

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Auch nach der schwärzesten Nacht geht immer wieder die Sonne auf.
(Agatha Christie)

Gelesene Bücher 2015: 58
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Donnerstag, 22. Oktober 2015

Patrick Süskind / Die Geschichte von Herrn Sommer

Klappentext
Zu der Zeit, als ich noch auf Bäume kletterte, lebte in unserem Dorf, keine zwei Kilometer von unserem Haus entfernt, ein Mann mit Namen ›Herr Sommer‹. Kein Mensch wusste, wie Herr Sommer mit Vornamen hieß, und kein Mensch wusste auch, ob Herr Sommer einem Beruf nachging. Man wusste nur, dass Frau Sommer einen Beruf ausübte, und zwar den Beruf der Puppenmacherin. Obwohl man über die Sommers und insbesondere über Herrn Sommer so gut wie nichts wusste, kann man doch mit Fug und Recht behaupten, dass es im Umkreis von mindestens sechzig Kilometern um den See herum keinen Menschen gab, Mann, Frau oder Kind – ja nicht einmal einen Hund –, der Herrn Sommer nicht gekannt hätte, denn Herr Sommer war ständig unterwegs. Es mochte schneien oder hageln, es mochte stürmen oder wie aus Kübeln gießen, die Sonne mochte brennen, ein Orkan im Anzug sein, Herr Sommer war auf Wanderschaft.


Autorenporträt
Patrick Süskind, geboren 1949 in Ambach am Starnberger See, studierte in München und in Aix-en-Provence mittlere und neuere Geschichte und verdiente seinen Lebensunterhalt zunächst mit dem Schreiben von Drehbüchern. 1984 erschien sein Ein-Personen-Stück ›Der Kontrabaß‹, 1985 sein Roman ›Das Parfum‹, der 2005 von Tom Tykwer verfilmt wurde. 1987 folgte die Erzählung ›Die Taube‹ und 1991 ›Die Geschichte von Herrn Sommer‹, mit Illustrationen von Jean-Jacques Sempé. Patrick Süskinds Werk ist in über fünfzig Sprachen übersetzt.

Von Patrick Süskind habe ich gelesen:

Die Taube und Das Parfüm. Aber da liegen bestimmt mehr als zwei Jahrzehnte dazwischen, als ich diese beiden Bände gelesen hatte. Vor allem Die Taube war wundervoll. Die Geschichte werde ich nie vergessen. Kann ich sehr empfehlen. Das Parfüm habe ich auch als Verfilmung im Kino genossen. Die Verfilmung wurde sehr buchnah gedreht. Schade, dass man so wenig von Süskind hört.

Und die vorliegende Erzählung? Sehr originell kann ich nur sagen. Passt zum Autor. Süskind bleibt seinem interessanten Schreibstil treu.




Mittwoch, 21. Oktober 2015

Francesca Marciano / Stimmen aus Glas (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Ich fühle mich so richtig hin- und hergerissen von dem Buch. Man hat es hier mit mehreren Nationalitäten zu tun, die teilweise recht klischeehaft beschrieben werden …
Das führt bei mir gleich zu einem Abzug von zwei vollen Punkten …

Andererseits ist der Schreibstil recht interessant und fantasievoll. Es sind nur die Gedanken der italienischen Autorin, die mir oftmals zu einfach sind und mir nicht behagen. Ist mir zu wenig reflektiert, was die Herkunft von Menschen betrifft, die sie in Rassen einteilt. Man weiß doch heute, dass der Mensch mehr als nur das Produkt seiner Erbmasse ist und dass der Begriff Rasse heutzutage, zumindest hier in Deutschland, in der Zuteilung von Menschengruppen kaum noch Verwendung findet, wegen der diskriminierenden und stereotypen Art, mit denen man Menschen dummerweise festlegt. Ich würde eher von verschiedenen Ethnien sprechen ... Kulturverständnis wie z.B. die Aneignung einer Muttersprache, u.a.m. ist keinesfalls genetisch bestimmt und angeboren. Das Erlernen dieser kann über leibliche Eltern geschehen, oder aber auch über Adoptiveltern einer anderen Muttersprache.


Das wird nicht per se über die Genetik gesteuert, nur weil jemand eine dunkle Hautfarbe hat, oder helle Haare, oder einen fremdländischen Namen trägt ... Auch die Identität ist keine genetische Angelegenheit.

Oftmals sind mir die Dialoge zu sentimental, gerade zum Ende hin, das mir auch nicht gefallen hat. Stichwort: Schuldgefühle.
Auch die Reise nach Afghanistan fand ich trotz der absolvierten Kurse in London wenig professionell und wenig vorbereitet. Stichwort: Plastikgeld/Bargeld.

Gefallen hat mir, wie die Autorin über Afghanistan schreibt. Sehr authentisch  geschrieben. Es ist ihr gelungen, die Problematik der afghanischen Frauen aufzugreifen, über deren Unfreiheiten zu sprechen.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Zwei Frauen, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten: die zurückhaltende, in einer Lebenskrise befangene Maria Galante aus Mailand und die extrovertierte Imogen Glass aus London. Ein gefährlicher Auftrag führt die beiden zusammen nach Afghanistan: Sie sollen zwangsverheiratete Frauen in den abgelegenen Dörfern porträtieren. Der Weg dorthin führt durch ein zerrissenes Land, das den Militärs, Söldnern und Waffenhändlern wehrlos ausgeliefert scheint.
Vieles, was sie über Afghanistan schreibt, vor allem über die Lebensweise der jungen und alten Frauen, ist mir nicht neu. Alle Länder der westlichen Welt setzen sich damit auseinander. Aber auch die Stellung, die afghanische Männer über westliche Frauen beziehen, fand ich äußerst interessant. Beide Seiten haben allerdings der anderen Kultur gegenüber eine etwas arrogante Haltung gezeigt.

Maria habe ich als eine recht empathische Fotojournalistin erlebt, die sich wunderbar mit ihrer Kollegin Imo ergänzt hat.
Maria verhielt sich den Frauen gegenüber eher vorsichtig und zurückhaltend, Imo war eher fordernd. Beide Energien empfand ich ergänzend sehr wichtig …

Und hier ein sehr schönes Zitat. Zeigt ein wenig die Kaltblütigkeit der JournalistInnen: Maria berichtet über ihre Erfahrungen mit Menschen anderer Kulturkreise, die alle recht problembehaftet sind.
Ich mache Reportagen über albanische Immigranten, Aidsopfer in Afrika, Transsexuelle in Indien, streikende Fabrikarbeiter, aber es waren alles traurige Geschichten, bei denen ich mir wie ein Dieb vorkam, der den Kummer der Leute ausnutzt und wie ein Geier die richtige Sekunde abwartet, um auf den Auslöser zu drücken. 
Diese Hemmnis, den Fotoapparat wie ein Schießgewehr zu nutzen, macht sich über das ganze Buch breit.

Maria und Imo begeben sich in die Gesellschaft mehrerer afghanischer Frauen, die sich sehr ängstlich gegenüber den beiden westlichen Damen zeigen. Imo führt das Interview und Maria sollte Fotos machen, ohne die Frauen darauf vorzubereiten. Das ist aus meiner Sicht typischer Journalismus. Als Maria die Kamera aus ihrer Handtasche zückt, lehnen sich die Frauen dagegen auf. Sie haben Angst, in die Zeitung zu kommen und von ihren Ehemännern anschließend verprügelt zu werden.

Es geht um ein junges Mädchen, das mit einem Mann, der dreimal so alt war wie es selbst, zwangsverheiratet werden sollte. Das Mädchen zeigte Widerstand, wollte sich mit dem Feuer suizidieren und liegt nun mit schweren Verbrennungen im Krankenhaus. Die Mutter des Mädchens gibt an, dass ein Mädchen sich erst den Wünschen des Vaters und später den Wünschen des Ehemannes zu fügen habe. Ansonsten drohe Mord.

Imo und Maria besuchen das Mädchen im Krankenhaus. Die Frauen dort waren aufgebracht, als Maria versuchte, das Mädchen zu fotografieren. Man habe nicht das Recht, sich in ein Krankenhaus zu schleichen, um ein Foto zu machen, ohne um Erlaubnis zu fragen.

Beide Frauen, Maria und Imo, stehen unter Druck. Es müssen Fotos her, egal wie. Das allein verlangt schon die Presse, für die sie arbeiten.
Ich war wütend auf Imo, noch mehr als auf mich. Gewiss, aus rein professioneller Sicht hatte ich gleich bei meinem ersten Einsatz versagt-und das tat weh; andererseits aber verdross es mich, dass sie so tat, als wüsste sie nicht, welch ein räuberischer Akt es gewesen wäre, ein Foto von der Mutter des Mädchens zu machen.In früheren Zeiten war ich mit anderen Journalisten schon in ähnliche Schwierigkeiten geraten. Ich hatte mich mit meiner Kamera in schmerzliche Situationen drängen müssen-in Krankenhäusern, Elendsquartieren, in Slums-und hatte draufgehalten, ungeachtet der Wut derer, die ich ablichtete. Hatte ich mich damals schon so gefühlt, als richtete ich eine Waffe auf sie, so konnte ich es diesmal nicht ertragen, wieder der rücksichtslose Scharfschütze zu sein. 
Teilweise respektlos verliefen diese journalistischen Sitzungen ab, die Ärger verursachten. Maria schlägt vor:
Es ist besser, wir stellen uns erst vor. Wir können nicht einfach so reinmarschiert kommen und Fotos machen. Das ist ja wie ein Überfall, (…). Außerdem hat das arme Mädchen wirklich gelitten, glaube ich.
Sie versuchen den Frauen klar zu machen, wie wichtig es sei, weltweit auf ihre Problematik aufmerksam zu machen, damit sie eines Tages mehr Freiheit erlangen können.

Diesen Gedanken finde ich ein wenig naiv, denn die Westlerinnen kommen, um den Frauen zu sagen, wie man ein richtiges Leben führt.

Ich halte nun noch zwei Gedanken fest, und zwar, wie die Männer, in diesem Fall ist es Malik, der stellvertretend für alle Männer seines Landes spricht, westliche Frauen in ihrer Lebensweise einschätzen:
Malik sagt, dass die Westler glauben, ihre Kultur sei der unseren überlegen, weil die Frauen keinen Schleier zu tragen brauchen. Er sagt, was ihr Westler nicht versteht, ist, dass muslimische Frauen sich freiwillig verschleiern, weil bei uns das Äußere einer Frau nichts mit ihrem Platz in der Gesellschaft zu tun haben sollte. (…) In unserer Kultur hat eine Frau, je mehr sie altert, desto mehr Weisheit, Autorität und Macht in der Familie. Im Westen dagegen ist eine Frau, die ihre Schönheit verloren hat, wertlos und hat keinen Platz in der Gesellschaft. (…) Bei euch liegt der Wert einer Frau nur in ihrer Erscheinung, bei uns dagegen liegt er eher in ihrer Seele und in ihrem Herzen. Dem Koran zufolge gehört die Schönheit einer Frau allein ihrem Ehemann, und sie ist ein Geschenk, das nur für seine Augen bestimmt ist, während sie im Westen wie eine Ware ist, etwas, mit dem man handelt und das man ausstellt wie auf dem Markt.  
Imos Reaktion:
Also, erstens, wir haben die Wahl und es ist nicht wahr, dass im Westen der Wert einer Frau nur in ihrer Schönheit liegt, (…). Unsere Frauen haben einen Platz in der Regierung, lehren an Hochschulen, sind Richterinnen, Staatsanwältinnen. (…) Und sie sind Reporterinnen, wie Maria und ich. Mit anderen Worten, Frauen tragen dazu bei, die Geschicke des Landes zu lenken. 
Das Argument, die Schönheit verheirateter Frauen gehöre nur ihren Männern, klingt in meinen Ohren recht hohl. Was ist mit hübschen Männern? Na, nun her mit den Schleiern auch für die Männer ...


Mein Fazit?

Die Frauen in diesen streng patriarchalisch geführten Ländern müssen psychosozial, politisch, familiär und gesellschaftlich … eine Menge bewältigen. Nicht jede Frau hat die Kraft, sich dem zu widersetzen, mit dem sie ihr Leben existentiell gefährden würde. Frauen aus der westlichen Welt können nur froh sein, dass es ihnen in ihrer relativ autonomen Lebensweise verhältnismäßig gut geht. Es gab genug Vorreiterinnen, die nicht nur für sich selbst, sondern hauptsächlich auch für die Frauen der Nachwelt den Kampf um mehr Frauenrechte geführt haben. Ich fordere mehr Respekt auf beiden Seiten. Ich fordere für die muslimischen Frauen, die nicht die Kraft haben, sich für ein besseres System einzusetzen, mehr Toleranz und Empathie und man sollte aufhören, sie mit der Arroganz der westlichen Welt noch weiter seelisch zu kränken und sie symbolisch zu verstoßen. Wir sollten aufhören, sie als rückständig zu betrachten. Sie haben es in ihrer von Männern dominierten Welt schon schwer genug. Ich fordere eine Solidarität mit allen Frauen, mit oder ohne Kopftuch, denn die westliche Frau  kann gar nicht wissen, wie sie sich selbst, wäre sie in ein solches System hineingeboren, verhalten würde.

Solidarität mit allen muslimischen Männern, die ebenso unter diesem Regime leiden, und die versuchen, es ihren Frauen wenigstens innerhalb ihrer gegründeten Familie leicht zu machen. Und deshalb bin ich gegen Verallgemeinerungen. 

Was wissen wir schon von den inneren Erfahrungen muslimischer Frauen und deren Männern? Was wissen wir überhaupt von den inneren Erfahrungen eines Menschen, der uns gegenüber steht?

Das Buch erhält von mir sieben von zehn Punkten.

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Auch nach der schwärzesten Nacht geht immer wieder die Sonne auf.
(Agatha Christie)

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Sonntag, 18. Oktober 2015

Mein Besuch auf der Frankfurter Buchmesse / 17.10.2015, Gastland Indonesien

Der Morgen verlief nicht wirklich nach Plan. Ich hatte mich am Abend zuvor recht ausführlich auf die Buchmesse vorbereitet, indem ich mir eine Skizze erstellte. Welche von mir favorisierten AutorInnen würden vertreten sein, und in welchen Foren bzw. an welchem Stand kann man an deren Lesungen teilnehmen?

Mein Zug sollte um 9:25 Uhr vom Darmstadt Hauptbahnhof abfahren, doch er kam mit zehnminütiger Verspätung. Als er dann schließlich anrollte, und eine Masse an Fahrgästen in den Zugabteilen sich hineinzwängten, fuhr der Zug dann so allmählich ab. Aber im Schneckentempo. Um 10:30 Uhr wollte ich an der Lesung von Paul Maar teilnehmen. Eigentlich benötigt man mit der Regionalbahn nur zwanzig Minuten bis nach Frankfurt. Das war heute nicht so. Leider kam ich verspätet an der Lesung an.


Auf dem Darmstädter Hauptbahnhof fand ich wie in den anderen Jahren zuvor erneut schicke Literaturfiguren. Eine hat mir besonders gut gefallen und so durfte ich mit ihrer Erlaubnis ein Foto schießen und in meinen Blog platzieren.


Für mich war sie Madame Bovary, geschrieben und literarisch porträtiert von Gustave Flaubert. 






Gut, dass ich für die Buchmesse vorbereitet war, so musste ich nicht erst suchen, wo ich Paul Maar finden konnte. Überall standen, auch an den Infoständen, lange Schlangen. Trotzdem war ich von der Fülle an Menschen arg überwältigt. Es ging größtenteils nur mit Trippelschritten voran. Das ist nicht jedes Jahr so gewesen. Am liebsten wollte ich mich wieder verkriechen, s. Foto unten. Ich hoffte anfangs, ich würde durch die AutorInnen schon noch entschädigt werden und bat mich selbst um Geduld. 




Ich komme nun zu Paul Maar, der wieder über seine Bücher gesprochen hat. Wie sei es dem Autor möglich, Kinderbücher zu schreiben, wo doch seine Kindheit schon so lange zurückliegen würde? Und die Kinder heute wachsen in einer digitalen Welt auf, ganz anders also als die Kinder vor zwanzig Jahren.

Paul Maar erwiderte, dass er tiefe Wurzeln in der Vergangenheit haben würde. Er bestätigte, dass sich die Kindheit heute gewandelt habe, aber es würden auch Themen existieren, die zeitlos seien, wie z. B. die Hierarchie unter den Geschwistern, oder die Trennung der Eltern, ect.

Was PC-Spiele betrifft, so kann auch Paul Maar ein Lied davon singen. Er musste alle seine Spiele vom PC löschen, sosehr ergriffen wurde auch er davon.


Die nächste Frage lautete, woher er seine Figuren und Ideen nehmen würde? „Meine Figuren wissen ganz genau, wann sie zu kommen haben. Wenn ich mich an den Schreibtisch setze, dann kommen sie auch.“

Paul Maar würde sehr viel Fanpost von seinen jungen LeserInnen erhalten, und er würde auch jeden Brief beantworten.
Was sind die blauen Punkte auf Sams Nase? 
Das sind Wunschpunkte.
Ein Beispiel eines kleinen Mädchens, das von ihrem dicken Kater schrieb, der an Krebs erkrankt sei. Sie fragte, ob Sams auch Krebs habe, weil auch er so dick sei. Nein, erwiderte Paul Maar, Sams habe keinen Krebs, er sei einfach  nur verfressen. Die junge Leserin fragte, ob sie auch einen Wunschpunkt haben könnte, um sich den Kater gesund zu wünschen. 


Weiter geht´s zu Mario Adorf. Ich habe noch ein wenig Zeit und kann in Ruhe den Stand aufsuchen, während ich zwischendrin mir noch Bücher anschaute.

Mario Adorf habe nicht nur schauspielerisches Talent, nein, er sei auch mit einer großen Portion Schreibtalent ausgestattet.
Seine erste Rolle erhielt er schon als Kind. Eine Zwergenrolle, er spielte den kleinsten Zwerg.

Mario Adorf war zu seiner Schulzeit der Klassenclown. Auch ahmte er gekonnt seine Lehrer nach, bei denen


er sich unbeliebt machte. Kann ich mir sehr gut vorstellen, hihihi.

Mario Adorf, Jahrgang 1930, war auch Mitglied in der Hitlerjugend. Doch die Ernsthaftigkeit hatte er aufgrund seines jungen Alters damals noch nicht erfassen können. Für ihn war die HJ nur ein Spiel. Mit dreizehn Jahren meldete er sich zum freiwilligen Kriegsdienst, zu dem es aber schlussendlich nicht gekommen sei.

Adorf über seine Schreib- und Erzählkunst. Schreiben sei eine viel strengere Disziplin als das Erzählen. Adorf habe während des Schreibens immer das Publikum vor Augen. Er schreibe auch nur für das Publikum, nie für sich selbst. Sein Ziel sei immer, Helligkeit und Heiterkeit in das Dunkle zu bringen. 

Und nun weiter zu Ilja Trojanow. Ein sehr ruhiger und recht sympathischer Schriftsteller. 

Trojanow liest aus seinem neuesten Roman: Macht und Widerstand. In dem Buch geht es um einen totalitären Staat Bulgariens, der schwer zu überwinden sei. Die Menschen seien so schwer traumatisiert, dass sie es nicht wagen würden, über ihre Erfahrungen, bzw. über ihren Schmerz zu erzählen. Dominanz würde in der Stille, im Schweigen liegen. Wenn geredet werden würde, dann nur über das Unwesentliche, um vom Wesentliche abzulenken. Wie könne es sich eine Gesellschaft leisten, über die eingeprügelte Gewalt zu schweigen? 

Trojanow bezeichnet das Volk in Bulgarien zwar als machtlos, aber es sei nicht ohnmächtig. 
Die Kostümierung von Macht und Herrschaft würden abfallen, wenn man genug Humor aufbringen könne. Die Herrscher würden alles andere als Humor mögen ... 

Ich habe beschlossen, mir auch dieses Buch von dem Autor zu beschaffen.

Nach der Lesung hatte ich bis zur nächsten Lesung ein klein bisschen Zeit und schaute mir die Bücher aus den verschiedensten Verlagen an. Habe zu unserer derzeitigen politischen Lage etwas Schönes gefunden, das ich meinen jungen Neffen zu Weihnachten schenken werde.







Versehentlich bin ich im Anschluss an Trojanow in ein falsches Forum geraten. Ich erwartete Rafik Schami, der nicht kam. Ich wusste allerdings, dass er auch vom Hessischen Rundfunk, ARD, eingeladen wurde. Also begab ich mich erneut auf die Tour und suchte das F0 - Forum auf.



Rafik Schami kann man schlecht sehen auf dem Foto aber zumindest konnte ich ihn live erleben und das Interview hat dazu geführt, dass ich sein neuestes Buch in der Frankfurter Bahnhofsbuchhandlung käuflich erwerben konnte.


Ich hätte das Foto zuschneiden können, aber das wollte ich in diesem Fall nicht. Ich möchte die Wirklichkeit in der Buchmesse so festhalten, wie sie war. 

Man hatte aber auch die Möglichkeit, das Interview in dem Forum während der Live-Übertragung über TV zu verfolgen.

Rafik Schami äußerte sich recht ausführlich über die europaweite Flüchtlingswelle und dass Deutschland den Namen Mutter Theresa verdient habe, während andere Länder Stacheldraht oder Mauern hochziehen würden, die damit den Flüchtlingsstrom aber nicht abreißen würden können. 

Ganz so einseitig sehe ich diese sog. Willkommenskultur nicht, denn ich kenne genug andere Leute, die auf hohem Niveau jammern, dass man so viel für die Fremden tun würde und zu wenig für das eigene Volk. Es gibt relativ viele treue Merkel-WählerInnen, die die Absicht haben, sie bei der nächsten Bundestagswahl abzuwählen. Es herrschen ja diesbezüglich Unruhen auch in anderen Teilen Europas. Rafik Schami gab ein paar hilfreiche Statements von sich, wie man diesen Flüchtlingen innerhalb ihres eigenen Landes und Kontinents helfen-, so dass ein Abwandern verhindert werden könnte.
Schami appellierte an die Menschen mit dem muslemischen Glauben um mehr Toleranz den Menschen der westlichen Welt gegenüber und plädierte für eine Selbstkritik des Islams.

Zwei AutorInnen, Peter Härtling und Verena Luecken sind doch nicht am Wochenende zur Buchmesse erschienen, was ich sehr schade fand, da sie erst angekündigt waren. Aber ganz so traurig bin ich nicht. Es wäre mir vielleicht zu viel geworden. Ich musste schon das Autorenforum platzen lassen.


Nun geht es weiter in das Forum F1, in dem Indonesien gastierte.

Es war recht dunkel in dem Saal, aber angenehm, denn er wurde von vielen schönen Buchseiten, Lampen, beleuchtet. Indonesien bringt viel Licht in das Dunkle. Und teilweise ohne viel Worte und ohne jegliche Buchstaben.





Jede Menge Stände mit landesüblichen Gewürzen. Ich fotografierte aber nur einen Gewürzstand.




Musikinstrumente, die ich zuvor noch nie gesehen habe. 





Jede Menge Comics gab es zu sehen. Wegen der Reizüberflutung habe ich nur einen Band fotografiert. 





Eine Lesung in der Muttersprache. Man begegnete hier recht viele Indonesier mit ihren Familien. Fand ich höchst interessant.




Und hier der deutsche Inselkenner Lothar Reichel und sein neuestes Werk Insel der Dämonen. Mir ist der Autor eigentlich unbekannt. Habe aus dem Klappentext entnehmen können, dass Reichel ein Weltenbummler sei und sich sehr gut in Asien auskennen würde. Er hat zudem jede Menge Krimis verfasst. Das vorliegende Buch scheint wohl auch ein Krimi zu sein, aber es findet alles auf der Insel Bali statt. 


Und zum Abschluss ein Nationalgericht auf einem Bambusteller. Und auch noch alles vegan.

Nach dem Essen begab ich mich auf dem Weg nach Hause. Ich muss schon sagen, ich leide schon ein wenig unter dieser Reizüberflutung, der man auf der Buchmesse ausgesetzt sein kann. Zu Hause musste ich alles von mir abfallen lassen; Taschen, Jacken, Gedanken wie eine zweite Haut von mir abwerfen, und den Kopf wieder frei machen. Habe meinen Fernseher eingeschaltet und mir eine DVD gegönnt, um ein wenig die Buchmesse zu vergessen, die ich, wie anfangs schon berichtet, als sehr anstrengend empfunden habe. Und trotzdem bereue ich es nicht, mich dieser Strapaze ausgesetzt zu haben.

Würde ich jedes Jahr wieder tun. Ich habe mich durch die AutorInnen entschädigt gefühlt.








  

Freitag, 16. Oktober 2015

Francesca Marciano / Stimmen aus Glas

Klappentext
Zwei Frauen, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten: die zurückhaltende, in einer Lebenskrise befangene Maria Galante aus Rom und die extrovertierte Imogen Glass aus London. Ein gefährlicher Auftrag führt die beiden zusammen nach Afghanistan: Sie sollen zwangsverheiratete Frauen in den abgelegenen Dörfern porträtieren. Der Weg dorthin führt durch ein zerrissenes Land, das den Militärs, Söldnern und Waffenhändlern wehrlos ausgeliefert scheint.


Autorenporträt
Francesca Marciano wurde 1955 in Rom geboren. Sie arbeitete zunächst als Schauspielerin, Regisseurin und dann als Korrespondentin des italienischen Fernsehens in New York. Für ihre Filmdrehbücher (z.B. "Ich habe keine Angst", 2003) erhielt sie u. a. den "David-di-Donatello-Preis" sowie eine Oscar-Nominierung. Sie lebte viele Jahre in Kenia, wo sie ihren ersten Roman "Himmel über Afrika" (Blessing, 1998) schrieb. Auch ihr zweiter Roman "Casa Rossa" (2002) wurde ein internationaler Erfolg. Francesca Marciano lebt heute in Rom.

Die Autorin ist mir unbekannt und bin so auf ihr Thema gespannt.


Donnerstag, 15. Oktober 2015

Christa Hein / Der Blick durch den Spiegel (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Meiner Meinung nach ist das Buch recht gut geschrieben. Allerdings hat es mich nicht wirklich gefesselt und ich kann einfach nicht sagen, woran es gelegen haben könnte. Vielleicht das falsche Buch zur falschen Zeit?
Die Autorin schreibt recht authentisch, fantasievoll und sehr reflektiert. Zumindest die Protagonistin dieses Buches bezeichne ich als eine recht reflektierte Persönlichkeit, die   häufig ihr Leben hinterfragt, und vor allem das Leben ihrer Mutter, um nicht in ihre Fußstapfen zu treten. Sie reflektiert ihre Männerbeziehungen und geht recht metaphorisch damit um. 

Dieses Werk hat mich aber stark an Tolstois Buch Anna Karenina erinnert und tatsächlich, hundert Seiten weiter  lerne ich die Dänin Johanna Andersson kennen, die Anna Karenina in den Händen hält und darin liest. Durch die dazukommende Gesellschaft, sie befinden sich alle auf dem Schiff in Richtung Asien, wird sie von der Lektüre unterbrochen. Hatte ich einen guten Riecher? Sicher. Das war nicht das erste Mal, dass mich der Inhalt eines Buches an ein anderes Buch erinnern lässt. Anna Karenina hatte ich vor zig Jahren auch gelesen und dieses Buch hatte mich mehr als gefesselt.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein.
Wir befinden uns in Riga zu Beginn unseres Jahrhunderts: Es ist die Zeit großer Umbrüche. Erzählt wird die Geschichte einer Frau, Sophie Berkholz, Ende Zwanzig, Lieblingstochter ihres Vaters, eines angesehenen Legationsrates. Die selbstbewusste Sophie, groß und schlank, gehörte zu den ersten Frauen, denen es gestattet wurde, ein Mathematikstudium zu absolvieren. Doch trotz hervorragender Ausbildung und ihrer beruflichen Tätigkeit als Dozentin für Mathematik am Rigaer Polytechnikum ist Sophie nicht glücklich: Sie bleibt den vorgegebenen Mustern ihrer Gesellschaftsschicht verhaftet. Auch die Ehe, die sie schließlich mit Albert eingeht, nimmt nach dem euphorischen Beginn schnell bedrückende Züge an: Nach der Geburt der Tochter Lina erkennt Sophie schließlich, dass sie dabei ist, das verhasste Leben ihrer Mutter zu wiederholen. Im Jahre 1903 beginnt Japan mit seiner fieberhaften Aufrüstung gegen das russische Reich. Albert, ein für seine innovativen Ideen gefragter Konstrukteur, wird im militärischen Auftrag des Zaren an die östlichste Spitze des Landes nach Port Arthur ans Gelbe Meer beordert. Sophie entschließt sich gegen den Widerstand der Eltern, ihm zu folgen. In ihrem Gepäck führt sie geheime Unterlagen ihres Mannes mit sich. Eine lange und abenteuerliche Reise mit der gerade fertiggestellten Transsibirischen Eisenbahn beginnt, eine Fahrt voller Ereignisse und folgenreicher Begegnungen, bei der es zu Verwicklungen, Verschwörung, ja sogar zu Mord kommt: bleibende Eindrücke, die Sophies Blick auf die Welt verändern.
Das Buch beinhaltet viele Reiseszenen, man befindet sich auf einer Weltreise, in die man sich gut reinversetzen kann. Sowohl mit dem Zug als auch mit dem Schiff.

Es ist ein historischer Roman und beinhaltet den Krieg zwischen Russland und Japan zu Beginn des Zwanzigsten Jahrhunderts …

Auch ist es ein gesellschaftskritischer Roman, in dem die Protagonistin Sophie Berkholz als Frau eine besondere gesellschaftliche Stellung innehat. Nicht nur beruflich, sondern auch im Bereich der Ehe und Familie. Sophies Wunsch war, als Frau unabhängig zu bleiben, doch die gesellschaftlichen Konventionen holen schließlich auch sie ein. Schon die Eltern stellen an ihre Tochter hohe Anforderungen, endlich eine Ehe einzugehen, Kinder zu bekommen und eine gute Ehefrau und Mutter abzugeben. Dass sie ein Mathematiktalent ist, das ehrt sie keineswegs. Sophie verliert ihre Dozentenstelle an dem Polytechnikum, und etwas später bringt sie in Erfahrung, dass die Eltern etwas mit dieser Kündigung zu tun hatten ...

Die Eltern versuchten Sophie mit einem Engländer namens Ashton zu verkuppeln ...

Doch das Schicksal wollte es anders, hatte ein anderes Leben für Sophie vorgesehen. Sie lernt den dänischen Brückenbauer Albert kennen, der beruflich wegen der vielen Aufträge um die Welt reist … Zwischen Albert und Sophie kommt es ziemlich schnell zu einer Vermählung und ziemlich schnell wird ein Kind geboren. Ein Mädchen namens Lisa. Doch Sophie hatte keine Lust, sich in die Rolle einer Mutter und Ehefrau pressen zu lassen und reist Albert nach Japan nach, obwohl Sophies Eltern davon abgeraten hatten. Das Kind blieb bei den Angehörigen und der Kinderfrau zurück.

Lisa sei schließlich nicht nur ihr Kind, sondern auch das des Mannes.

Auf der langen Reise lernt Sophie den amerikanischen Journalisten Stanton kennen und verliebt sich neu …

Als aus dieser Liebe mehr geworden ist als eine reine Gelegenheitsbeziehung, bekennt Sophie das ihren Eltern, nach dem auch ihr Mann Albert dahintergekommen ist. Sophies Eltern sind entsetzt, Ashton allerdings macht sich neue Hoffnungen und besonders Sophies Mutter fühlt sich von der Tochter angewidert.
Sophie hatte nicht auf ihr Verständnis gehofft. Sie wusste: Die Mutterliebe dieser Frau war eine Pflichtauffassung.
Doch auch bei Stanton war sie nicht bereit, sich ihm anzuschließen, ihm nach Amerika nachzureisen, "um die eigenen Pläne passend zu machen für die Pläne eines Mannes".  

Sophie war eine patente Frau, die ihren eigenen Weg geht, auch mit dem Risiko, auf gesellschaftliche Hürden zu stoßen. Sie hat sich beruflich auch einen völlig anderen Weg aufgebaut und wird Fotojournalistin. Ihren ersten Fotoapparat bekam sie von Albert geschenkt, der in ihr die Fähigkeit, gute Fotos zu schießen, weckte.

Das Buch endet keinesfalls so tragisch wie das von Leo Tolstoi.

Es erhält von mir zehn von zehn Punkten.

_____
Auch nach der schwärzesten Nacht geht immer wieder die Sonne auf.
(Agatha Christie)

Gelesene Bücher 2015: 56
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86

Dienstag, 6. Oktober 2015

Christa Hein / Der Blick durch den Spiegel

Klappentext
Wir befinden uns in Riga zu Beginn unseres Jahrhunderts: Es ist die Zeit großer Umbrüche. Erzählt wird die Geschichte einer Frau, Sophie Berkholz, Ende Zwanzig, Lieblingstochter ihres Vaters, eines angesehenen Legationsrates. Die selbstbewußte Sophie, groß und schlank, gehörte zu den ersten Frauen, denen es gestattet wurde, ein Mathematikstudium zu absolvieren. Doch trotz hervorragender Ausbildung und ihrer beruflichen Tätigkeit als Dozentin für Mathematik am Rigaer Polytechnikum ist Sophie nicht glücklich: Sie bleibt den vorgegebenen Mustern ihrer Gesellschaftsschicht verhaftet. Auch die Ehe, die sie schließlich mit Albert eingeht, nimmt nach dem euphorischen Beginn schnell bedrückende Züge an: Nach der Geburt der Tochter Lina erkennt Sophie schließlich, daß sie dabei ist, das verhaßte Leben ihrer Mutter zu wiederholen.
Im Jahre 1903 beginnt Japan mit seiner fieberhaften Aufrüstung gegen das russische Reich. Albert, ein für seine innovativen Ideen gefragter Konstrukteur, wird im militärischen Auftrag des Zaren an die östlichste Spitze des Landes nach Port Arthur ans Gelbe Meer beordert. Sophie entschließt sich gegen den Widerstand der Eltern, ihm zu folgen. In ihrem Gepäck führt sie geheime Unterlagen ihres Mannes mit sich. Eine lange und abenteuerliche Reise mit der gerade fertiggestellten Transsibirischen Eisenbahn beginnt, eine Fahrt voller Ereignisse und folgenreicher Begegnungen, bei der es zu Verwicklungen, Verschwörung, ja sogar zu Mord kommt: bleibende Eindrücke, die Sophies Blick auf die Welt verändern.


Autorenporträt
Christa Hein, geboren 1955 in Cuxhaven, veröffentlichte in deutscher und englischer Sprache. Sie lebt heute als freie Schriftstellerin und Dozentin in Berlin.
Ihr erfolgreiches Debüt Der Blick durch den Spiegel erschien 1998 in der Frankfurter Verlagsanstalt, es folgten die Romane Scirocco (FVA 2000) und Vom Rand der Welt (FVA 2003). Im Herbst 2015 erscheint ihr neuer Roman Der Glasgarten.
Erworben habe ich das Buch über Bücher-Oxfam. Die ersten Seiten finde ich schonmal recht interessant. Bin neugierig auf Weiteres.


Montag, 5. Oktober 2015

J. R. Moehringer / Knapp am Herz vorbei (1)

Lesen mit Anne ...

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Nun bin ich mit dem Buch durch, das sich als eine Biografie zu einem versierten Bankräuber namens Willie Sutton erwiesen hat, der tatsächlich existiert hat. Geboren ist Sutton im Jahre 1901 in Boston, Bundesstaat New-York. Eine sehr interessante Persönlichkeit, die ein wenig den Geist des Robin Hoods besitzt.

Diese Lektüre hat mich nicht mehr losgelassen. Habe jede Seite mit vollem Interesse verfolgt. Der Autor hat mich mit diesem Buch schlichtweg geschwängert an Gedanken, lol. Das sind so viele, die ich hier nicht alle festhalten kann. Ein tolles Buch zu Amerika und seiner Gesellschaft. Amerika, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten … Von wegen. So einfach ist das dann doch nicht. Das Land, das es nur mit den Wohlhabenden gut meint. Das angeblich freie Amerika produziert sowohl Gewinner als auch Verlierer, wobei die Gewinner die Wohlhabenden sind, die ihren Wohlstand  zu vermehren wissen. In der Zeit der Depression, dem Bankencrash, der Weltwirtschaftskrise. Amerika, das parallel dazu mehr als 14 Mio. Arbeitslose bis zum Ende der 1930er Jahre zählte.

Das Buch erinnert mich deutlich an den deutschen Autor Hans Fallada. Die Nöte der Menschen, die aus den unteren Gesellschaftsschichten stammen, haben es schwer, zu überleben.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
New York, Weihnachten 1969. Willie Sutton packt seine Bücher ein und räumt die Zelle. Endlich Freiheit. Nach siebzehn Jahren. Doch die Zeit hat ihre Bedeutung verloren. Mit einem Fotografen und einem Reporter fährt er durch das verschneite New York auf den Spuren seiner legendären Vergangenheit: Die Kindheit im irischen Viertel, der erste Raub, dann 200 Banküberfälle, ohne je einen einzigen Schuss abzufeuern - und immer wieder Bess, die ihm das Herz brach. Wie ein Puzzle setzt sich Seite für Seite Suttons Leben zusammen. Was dabei Wirklichkeit und was Erfindung war, werden wir nie erfahren. Aber was macht das schon. 
In der Welt gibt es keinen Platz für mittellose Menschen. Willie gehört dazu. Nachdem er die Schule beendet hatte, er ging nicht auf eine weiterführende Schule, obwohl er Klassenbester war, da sich die Familie diese nicht leisten konnte, versuchte er auf dem freien Arbeitsmarkt eine Anstellung zu finden.
Immer mal wieder kurze Arbeitsstellen, mit immer neuen Entlassungen, obwohl Willie fleißig war, doch die miese wirtschaftliche Lage konnten neuen Angestellten nur befristete Verträge anbieten.

Willie wälzt sämtliche Stellenangebote durch, doch alle verlangen beste Referenzen und Berufserfahrung. Selbst zum Tellerwäscher werden Kompetenzen und Referenzen eingefordert … Wie soll ein Schulabgänger      Berufserfahrung nachweisen können? Wie, wenn ein Berufsanfänger diese Chance nicht mal bekommt?

Für mich zählt Willie zu den Verlierern der Gesellschaft. Schon seine Kindheit verlief schräg. Seine erste Liebe mit Bess erweist sich auch als recht kompliziert, die genauso wenig Beständigkeit zeigt … Willie fühlt sich zu einer Prostituierten namens Wingy hingezogen, der eher in ihr eine Freundschaft sucht und kein Liebesleben ...

Den ersten Raubüberfall verursachte Willie durch Bess, die ihn dazu brachte, den Tresor ihres Vaters zu knacken …

Willie entwickelte sich zu einem Serientäter. Dadurch, dass er keiner Fliege etwas zuleide tun konnte, erwarb er viel Sympathie unter dem Volk. Während seiner Einbrüche gab es keine Toten und auch keine Verletzten. Und mit dem erworbenen geraubten Geld bereicherte er auch andere bedürftige Menschen. Er lebte nach dem Motto, wenn die Reichen mir keine Arbeit geben können, dann muss ich mir holen, was andere zu viel haben.

Die Einbrüche machte Willie zu seiner Berufung … Er war damit nicht allein. Er hatte Komplizen. Doch Willie erwies sich als der Sanfteste von allen …

Er wusste, dass seine Einbrüche nicht rechtens waren, sie waren falsch, jawohl, das wusste er, aber es sei auch falsch, dass er Hunger hatte, und kein Geld, um sich Nahrung zu beschaffen.

Willie war nicht nur ein Räuber, nein, er war auch eine echte Leseratte. Er konnte ganze Stunden in Bibliotheken zubringen. Er war auch ein Fan von Marcel Proust. Er las alle seine Bände im Knast. Die Journalisten berichteten darüber in den Zeitungen, und so wurden die Buchläden von Lesern bestürmt, die, beeinflusst durch Willie, nun auch alle Proust lesen wollten ...
Als die Bücher im Knast knapp wurden, lernte er ganze Bücher auswendig, um sie für immer im Kopf zu behalten. Eine starke Leistung …

Mein Fazit?
Das Buch liest sich wie ein Krimi, nur ist es besser als ein Krimi. Viel authentischer, während Krimis oftmals szenisch zu künstlich dargestellt werden, weil die Aktionen eher erfunden sind. Moehringer ist durch seine journalistische Tätigkeit näher an kriminalistiche Fälle. Man merkt dem Autor seine Professionalität und seine Erfahrung an. Und er ist nicht irgendein Journalist. Nein, er ist aus meiner Sicht ein ganz besonderer, schreibbegabter und ein empathischer, menschlicher noch dazu, der den Menschen, die es schwer in der amerikanischen Gesellschaft haben, seine Stimme leiht.

Anne ist ebenso von dem Buch angetan. Wir werden uns am kommenden Freitag telefonisch austauschen ...

Annes Buchbesprechung

Geeignet ist das Buch nicht, so seid gewarnt, für VeganerInnen ...  Tieren gegenüber findet man recht heftige Szenarien, die mich schon regelrecht geschüttelt haben, aber Realität pur. Weltweit werden Tiere brutalst geschändet und jedes Land auf eine besondere Art und Weise. Auch die tierhafte Nahrung hat mich geschüttelt. 

Das Buch erhält von mir zehn von zehn Punkten …

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Auch nach der schwärzesten Nacht geht immer wieder die Sonne auf.
(Agatha Christie)

Gelesene Bücher 2015: 55
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86


Freitag, 2. Oktober 2015

J. R. Moehringer / Knapp am Herz vorbei

Lesen mit Anne ...

Es ist wieder Monatsbeginn, Anne und ich lesen gemeinsam ein Buch. Das o. g. Buch habe ich diesmal ausgesucht.


Klappentext
New York, Weihnachten 1969. Willie Sutton packt seine Bücher ein und räumt die Zelle. Endlich Freiheit. Nach siebzehn Jahren. Doch die Zeit hat ihre Bedeutung verloren. Mit einem Fotografen und einem Reporter fährt er durch das verschneite New York auf den Spuren seiner legendären Vergangenheit: Die Kindheit im irischen Viertel, der erste Raub, dann 200 Banküberfälle, ohne je einen einzigen Schuss abzufeuern - und immer wieder Bess, die ihm das Herz brach. Wie ein Puzzle setzt sich Seite für Seite Suttons Leben zusammen. Was dabei Wirklichkeit und was Erfindung war, werden wir nie erfahren. Aber was macht das schon.


Autorenporträt
J.R. Moehringer führte mit seinem ersten Buch ›Tender Bar‹ weltweit monatelang die Bestsellerlisten an. Er wurde 1964 in New York geboren, er studierte in Yale und war Reporter bei der Los Angeles Times. 2000 gewann er den Pulitzer-Preis.
Gemeinsam haben wir von dem Autor auch sein Debüt-Roman Tender Bar gelesen. Und weil es uns so gut gefallen hat, haben wir uns nun auch das hiesige Buch angeschafft. Und leider gibt es keine weiteren Bücher von ihm. Der Autor ist Jahrgang 1964, also noch jung genug, um weitere Bücher zu schreiben. Zumindest hoffen wir das.

Die ersten hundert Seiten haben wir nun durch, und wir sind beide wieder von dem Inhalt des Buches recht angetan.


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