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Mittwoch, 3. November 2021

J. M. Coetzee / Schande

Lesen mit Tina

Eine gute Nachricht für heute Abend. Tina und ich lesen wieder gemeinsam ein Buch. Ende November beginnen wir damit. Durch widrige Umstände war es ein wenig 
eingeschlafen. Unser gemeinsamer SuB, siehe hier,  ui, so musste ich heute feststellen, der ist schon fast vollständig runter gelesen. Wir haben fast alle Bücher durch. Das hiesige Buch ist noch übrig geblieben, das wir uns nun vornehmen werden.

Liebe Tina, welcome back 💙💓💚💛💜. 

Klappentext  
Davie Lurie, Literaturprofessor in mittleren Jahren und zweimal geschieden, ist in Ungnade gefallen: eine Affäre mit einer seiner Studentinnen ist an die Öffentlichkeit gedrungen. Der peinlichen Befragung entzieht er sich durch ein Schuldbekenntnis. Er quittiert seinen Dienst und verläßt Kapstadt, um für eine Weile zu seiner Tochter aufs Land zu ziehen. Lucy, die keinerlei Ambitionen in der Welt ihres Vaters hat, versucht auf einem entlegenen Stück Land eine kleine Farm aufzubauen. Zunächst scheint es, als könnten der Einfluss Lucys und der natürliche Rhythmus des Farmlebens Davids aus den Fugen geratenem Leben neuen Halt geben, doch dann werden Vater und Tochter Opfer eines brutalen Überfalls, in dessen Folge der grundlegende existentielle Konflikt zwischen beiden offen zutage tritt.

»Die fortwirkende Erbschaft von Hass und Rachsucht, die das formelle Ende der Apartheid noch lange überdauern wird, beschwört J. M. Coetzee in lakonischer Sprache - und mit der Bannkraft von Weltliteratur.« Der Spiegel

Ausgezeichnet mit dem Booker-Preis 1999 

Autor*inporträt

J. M. Coetzee, der 1940 in Kapstadt geboren ist und von 1972 bis 2002 als Literaturprofessor in seiner Heimatstadt lehrte, gehört zu den bedeutendsten Autoren der Gegenwart. Er wurde für seine Romane und sein umfangreiches essayistisches Werk mit vielen internationalen Preisen ausgezeichnet, u. a. zweimal mit dem Booker Prize, 1983 für ›Leben und Zeit des Michael K.‹ und 1999 für ›Schande‹. 2003 wurde ihm der Nobelpreis für Literatur verliehen. Coetzee lebt seit 2002 in Adelaide, Australien.

 

Meine ersten Leseeindrücke

Werden noch nachgeliefert. Auf jeden Fall hat das Buch vom Klappentext her eine brisante Thematik zu bieten.

Buchdaten

  • Herausgeber: ‎ S. Fischer; 5. Auflage, Sonderausgabe (1. September 2006)
  • Sprache: ‎ Deutsch
  • Gebundene Ausgabe: ‎ 352 Seiten
  • ISBN-10: ‎ 3596509513


Hier geht es zur Verlagsseite von Fischer.

Hier geht es zu meiner späteren Buchbesprechung.

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Kurze Buchbesprechung
Leider hat mich das Buch so gar nicht angezogen, und das hat auch nichts damit zu tun, dass ich derzeit zusätzlich mit anderen Dingen beschäftigt bin, wie ich dies erst zu  entschuldigen versucht hatte. Schon die ersten Kapiteln schienen mir sehr fragwürdig, doch für eine Meinungsbildung war es mir noch zu früh, und wartete auf die folgenden Seiten, und schließlich wartete ich dann auf das Ende, um in mir ein gerechtes Urteil entstehen lassen zu können. Meine Meinung hat sich nicht geändert. Die Thematik hat mich überhaupt nicht überzeugt, und deshalb hat sich das Lesen bei mir recht schleppend entpuppt. Und den Buchtitel fand ich alles andere als gelungen, wenn hier von Schande zu sprechen wäre, dann ist das der katastrophale Tierschutz, das Töten unsäglicher nicht vermittelbarer Hunde, die am Ende nach ihrer gnadenlosen Exekution würdelos in die Säcke gesteckt wurden, um anschließend ins Verbrennungslager gefahren zu werden. 

Nein, mit Schande wurde eine Affäre gemeint, die sich zwischen einem Literaturprofesser, 51 Jahre alt, und seiner jungen Studentin, Anfang 20, zugetragen hat. Die Studentin ist eine erwachsene Frau, die sehr wohl weiß, auf was sie sich einlässt, wenn sie freiwillig ihre Hüllen fallen lässt. 
Unsympathisch war mir der Professor, der Frauen als ein Bedienobjekt behandelt; die Schönheit einer Frau dürfe z. B. nicht der Frau selbst gehören, sondern den Männern ... Der Professor degradiert unschöne Frauen in die unterste Schublade, betrachtet sie als wertlos ...  Der Professor, ein Feingeist, der seine sexuellen Triebe nicht in den Griff bekommt ... 

Der Autor ist mir unsympathisch, weil er ältere Menschen auch als wertlos beschreibt. Für die Sexualität zu alt, zu alt für neue Ideen, zu alt, für neue Erkenntnisse, zu alt, sich zu verändern, zu alt für das Leben selbst ... Ich kenne so viele Rentner, die richtig aktiv sind, dass sie eher unter Zeitnöte leiden als unter Langweile. Einige darunter lernen im Rentenalter noch ein Musikinstrument. Auch wenn sie keine Profis aufgrund ihres Alters mehr werden können, haben sie Spaß an dem Instrument, wenn sie darauf auch nur einfache Stücke spielen können ... Hier in dem Werk wird ein ganz großes Klischee alten Menschen gegenüber forciert, das in der Gesellschaft schon vorurteilsbehaftet verbreitet ist. 

Mit Tina findet noch ein Austausch statt, sie ist ja schon längst durch, ich hinke hinterher, aber ein paar Sätze haben wir über WA gewechselt, und sie sieht es ähnlich. 

Auf weitere Schilderungen verzichte ich gerne, überhaupt ein Wunder, das Buch nicht abgebrochen zu haben. wo bei mir die Zeit sowieso zu knapp ist, bei den vielen anderen interessanten Dingen, die mich beschäftigen.

Sonntag, 17. Januar 2021

Sy Montgomery / Einfach Mensch sein - Von Tieren lernen

 Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre 


Ein wundervolles Buch, das ich vor ein paar Tagen ausgelesen habe. Meine ersten Leseeindrücke haben sich bis zur letzten Seite halten können, sodass ich vorab zwei weitere Werke von der Autorin mir bestellt habe, die ich am Ende noch vorstellen werde.

Das Schöne an der sehr feinfühligen Autorin ist, dass sie ihre Tierliebe nicht auf die üblichen Tiere wie Hunde und Katzen, etc. begrenzt, sondern sie sogar auf viele Exoten ausweitet. Ich konnte viel von ihr lernen, speziell was ihre Liebe auch zu Spinnen und Insekten betrifft.

Ein Buch über den respektvollen Umgang mit anderen Lebewesen, die uns, wenn wir es zulassen, so auch die Autorin, vom inneren Wesen her recht ähnlich sind. 

An einem einzigen Beispiel habe ich durch die Autorin das Bedürfnis verspürt, auch über meine eigene Erfahrung mit meinen Vierbeinern zu schreiben. Seelenverwandte? Finde ich draußen in der realen Welt unter den Menschen sehr wenige. Und dabei gibt es sie sehr wohl. Das hinterlässt für mich einen tröstlichen Charakter.

Hier geht es zum Klappentext, zum Autorenporträt, zu den ersten Leseeindrücken und zu den Buchdaten.

Die Handlung
Sy Montgomery erzählt in einem narrativen Schreibstil von ihrem Leben mit Tieren, dessen Weichen schon recht früh entgegen der Mutter in ihrer Kindheit gelegt wurden. Während ihre Mutter aus ihr ein adrettes Mädchen zu formen versucht hatte, geht sie dennoch ihren eigenen Weg. Sie fühlt sich zu Tieren dermaßen hingezogen, dass sie diese zu ihren einzigen Spielgefährten machte. Begonnen hatte alles mit einer Scotchterrier – Hündin namens Molly. In dieser Kindheit träumte sie schon ihren Traum, aus ihrem Umfeld auszuziehen, um mit den Tieren in der Wildnis leben zu können. Obwohl ihre gut situierten Eltern mit ihr andere Pläne hatten, begannen ihre Träume mit 26 Jahren Gestalt anzunehmen, indem sie beschloss, ihren eigentlichen Beruf als Journalistin aufzugeben und in die Tierforschung zu gehen, um das Verhalten verschiedener Tierarten zu ergründen.

Vorbilder fand sie schon in ihren Kinderbüchern. Sie las Jane Goodall, die berühmte Primatologin und Verhaltensforscherin. Weg von den verborgenen Beobachtungen, und rein in die Sukzessive, um auf die Tiere zuzugehen und deren Verhalten aus der Nähe zu beobachten. Der Terminus  wäre  hierzu Empirie bzw. Feldforschung. Dies waren Goodalls Methoden, die Montgomery übernommen und in ihre Arbeit integriert hatte. 

Sy Montgomery bereiste dadurch mehrere Kontinente, um ihre Forschungsprojekte anzugehen. Doch sie führte als Tierforscherin auch ein Privatleben mit eigenen Tieren wie Hühner, Border – Colly, ein Schwein etc. und auch alle ihre Tiere bekamen einen Namen ... Doch selbst die Goliath – Wolfsspinne aus der Forschung erhielt den Namen Clarabelle und der Oktopus hieß Octavia.

Ihre eigenen Tiere nahm sie bei sich auf, die gehandicapt waren …

Welche Szene hat mir nicht gefallen?
Mir hat nicht gefallen, dass Sy Montgomery von den Eltern enterbt wurde, nachdem sie einen Mann ihrer eigenen Wahl geheiratet hat. Ihr Mann ist Schriftsteller von Beruf und in den Augen ihrer Eltern nicht angesehen genug. Weitere Beispiele hierzu siehe unten.

Welche Szene hat mir besonders gut gefallen?
Es waren jede Menge Szenen, doch bei einer Szene musste ich an Goethe denken, der das Buch über die Wahlverwandtschaft geschrieben hat, weshalb ich diese Szene unbedingt aufschreiben möchte, denn man kann durchaus auch Tiere zu Wahlverwandten machen, wenn man erkennt, dass diese Geschöpfe wie man selbst auch beseelte Wesen sind.

Die Autorin selbst hat sich mehr zu Tieren als zu Menschen hingezogen gefühlt. Wie ich oben schon geschrieben habe, war ihre Zuneigung zu Tieren schon mit der Geburt mitgegeben. Ihren damaligen ersten Hund erhielt sie im Alter von drei Jahren. Diese Hündin bezeichnete sie als ihre Schwester. Deshalb die Bezeichnung Wahlverwandtschaft, die mich an Goethe zurückdenken ließ, in der die Seelentiefe bei der Wahlverwandtschaft stärker ausgeprägt sein kann als bei der Blutsverwandtschaft. An diesem Beispiel wird deutlich, dass die innere Entwicklung eines Menschen nicht unbedingt von der Erbmasse abhängig gemacht werden muss. Natürlich ist die physische Anatomie davon ausgenommen. Obwohl man die Gene der Eltern in sich trägt, ist man dennoch mit völlig anderen Vorlieben und Bedürfnissen ausgestattet.

Nach einem bewegten Leben voller Umzüge erdete er mich. Und nachdem meine Eltern mich verstoßen hatten, war es Christopher, der aus einem bunten Gemisch von Wahlverwandten eine richtige Familie entstehen ließ, die nicht den Genen zu verdanken ist, sondern allein auf Zuneigung beruht. (77)

Welches Einzelkind kommt schon auf die Idee, sein Haustier als ein Geschwister zu betrachten?

Viele kleine Mädchen vergöttern ihre älteren Schwestern. Mir ging es nicht anders. Nur dass meine ältere Schwester eine Hündin war. Hilflos stand ich da, in dem Rüschenkleidchen und den Spitzensöckchen, in die meine Mutter mich gesteckt hatte. Ich wollte sein wie Molly: wild. Unerschrocken. Nicht zu halten. (15)

Probleme bereitete es der Mutter, da ihr sog. Prinzessinnenkind sich zu einem Wildfang entpuppte.

Dass andere Menschen meine Vorstellung von unserer Beziehung nicht teilten, merkte ich erst, als meine Mutter anfing, uns beide zu zähmen. (27)

Die Autorin hat schon recht früh begriffen, dass Tiere eine Persönlichkeit besitzen, Individuen sind, auf ihre Lebensweise bezogen sogar denken können und auch Gefühle haben. Was sie als Kind unbewusst schon wusste, schärfte sich in ihr durch die Tierforschung noch verstärkt ein. Sie schaffte es sogar mit Spinnen, Quallen … eine Beziehung aufzubauen.

Nähere Bekanntschaft mit jemand aus einer anderen Spezies zu machen, bereichert einen Menschen auf erstaunliche Weise. Alle Tiere, denen ich - und sei es nur flüchtig - begegnet bin, haben mein Leben verändert. (...) Ich (kann) davon erzählen, dass es immer und überall Lehrmeister gibt, mit vier, zwei, acht oder auch gar keinen Beinen, einige mit Skelett, andere ohne. Alles, was wir tun müssen, ist, sie als Lehrer zu erkennen und uns zu öffnen für ihre Wahrheiten. (10f) 

Sehr anschaulich fand ich auch das Exempel mit den Emus, die Montgomerys erstes Forschungsprojekt in Australien abgaben. Ich fand es phänomenal, wie diese Tiere mit ihr auf einer nonverbalen und telepathischen Art kommuniziert haben. In Hawaii und Kalifornien untersuchte Montgomery sogar die Tiersprachen. Und hier, bei den Emus, erschien es mir so, als hätten diese Tiere in ihren Gedanken gelesen, ihre Fragen aufgeschnappt und sie die Tierforscherin in eine Richtung gelenkt haben, die Montgomery zu Antworten verhalfen. Außerdem erinnerten mich ein paar Szenen dazu an den italienischen Biologen Stefano Mancuso, der über die außergewöhnliche Reise der Pflanzen geschrieben hat.

Sind Emus möglicherweise Samenverbreiter? Welche Pflanzen fressen sie? Können die Samen aus den Emus-Ausscheidungen besser keimen? (2019, 42) 

Die Antwort darauf findet man auch bei Mancuso, welchen Einfluss Tiere bei der Migration von Pflanzen haben. Fand ich genial, sie hier nochmals zu finden.

Hier im Nebelwald hatte ich jene Urkraft wiederentdeckt, die uns geistig und körperlich gesund erhält: ungebrochenen, köstlichen Lebenshunger. (140)

Welche Figur war für mich eine Sympathieträgerin?
Sy Montgomery und ihr Gatte Howard.

Welche Figur war mir antipathisch?
Das war mir die Mutter, die ich aber nicht verurteilen möchte. Sie konnte eben nicht aus ihrer Haut und versuchte nur ihr Prestigeverhalten an ihre Tochter weiterzugeben, damit diese ein bestmögliches Leben mit allen Privilegien führen könne. Irgendwie tun doch die meisten Menschen in allen Kulturkreisen dasselbe. Gesellschaftliche Normen und Regeln einhalten, um dazuzugehören, um von der Gesellschaft nicht ausgestoßen zu werden. Den Maßstab an Werten an die nächste Generation weiterzuvererben, sehen viele in der Erziehung als ihre Hauptaufgabe an. Glücklicherweise gibt es aber Menschen, die man nicht einfach in eine vorgegebene Richtung erziehen kann. Still oder rebellisch, egal wie, gehen sie doch ihren ureigenen Weg, der von ihrer Anlage her für sie bestimmt ist. Wem es nicht sofort gelingt, erreicht sein eigenes Leben über Umwege. Aber besser Umwege gehen, als kein eigenes Leben zu haben. 

Meine Identifikationsfigur
Sy Montgomery. Sie hat alles für ihre Tiere getan. Hat mich an meinen Momo erinnert, den ich als einen heimatlosen Kater zu mir genommen habe. Er war traumatisiert und litt unter Verlustängsten. Dadurch bin ich nicht mehr in den Urlaub gefahren. Zehn Jahre lang. Und viele konnten nicht verstehen, dass ich wegen eines Tieres auf meine Reisen verzichtet habe. Immerzu haben sie mich bezichtigt, dass das nur eine Ausrede sei, und meinten, dass mein Kater nur vorgeschoben wäre, dass mir die Reisen in Wirklichkeit nicht wichtig genug seien. Das waren aber alles Menschen, die selbst keine Haustiere hatten. Nun lese ich Montgomery und mir fällt es wie Schuppen vor den Augen. Nein, das waren keine Ausreden, mein Kater war nicht vorgeschoben. Bekanntlich hätte die Autorin in meiner Lage dasselbe getan, da auch sie für ihre Tiere Bürden auf sich genommen hat. Und sie hätte mir geglaubt, dass ich aus Liebe zu meinem Kater gerne auf meine Reisen verzichtet habe. Warum müssen Menschen andere Lebensweisen immer so kritisch hinterfragen und zerreden? Im Grunde genommen verstehen sie es nicht. Alle Jahre diese störenden wiederkehrenden Fragen in saisonalen Urlaubszeiten wie z. B. Bist du weggefahren? (…) Und jedes Jahr kam dieselbe peinliche absagende Antwort. Und schon war ich abgeschrieben. Man hat sich lieber mit anderen ausgetauscht, die große Reiseerlebnisse aus ihren Urlaubsorten mitbrachten. Wegen der Tiere auf etwas zu verzichten? Uns werden häufig anthropomorphe Verhaltensweisen vorgeworfen in der Form, dass wir Tiere vermenschlichen würden. Das mag bei einigen Menschen wohl der Fall sein, die mit ihren Haustieren irgendeine innere Lücke kompensieren. Aber echte Tierliebe hat nichts damit zu tun. Denn in der Tierliebe geht es ausschließlich darum, den Tieren ein glückliches und erfülltes Leben zu ermöglichen. Dass Tiere den Menschen bei guter Behandlung mit einer tiefen, freundschaftlichen Geste bereichern, ist außer Zweifel. Selbst mit einem Oktopus erlebte die Autorin eine besondere Beziehung, weil sie fähig war, sich ganz auf dieses Tier einzulassen.

Wer Tiere nur als Lückenfüller benutzt, ist zu solch einer Fähigkeit schon gar nicht in der Lage.

Cover und Buchtitel  

Auf dem gebundenen Cover sind die Hühner abgebildet, die Montgomery von einer Freundin geschenkt bekam. Es waren acht Hühner, die sie als Die Ladys bezeichnet hatte. Das Cover auf dem Taschenbuch trägt einen Hund, der Tess darstellen müsste.

Der Buchtitel hält auch, was er verspricht.

Bald erkannte ich, dass ich in meinem Bemühen, einfach Mensch zu sein, noch viele Lektionen zu lernen hatte. (192) 

Ihre Lehrmeisterinnen waren die Tiere. Selbst von dem kleinen Ferkelchen namens Christopher Hogwood, das bei ihr und ihrem Mann bis zu seinem Lebensende glücklich leben durfte, konnte Montgomery Weisheiten entlocken:

Er war ein großer dicker Buddha, der uns lehrte zu lieben, was das Leben uns gibt. (66)

Sich innerlich öffnen können ist dabei eine Kunst, denn …

(U)nsere Welt bietet eine unermessliche Vielfalt, welche die menschlichen Sinne kaum zu erfassen vermögen. Das hat mir (auch) die Freundschaft mit einem Oktopus gezeigt. (173)

Zum Schreibkonzept
Eine Kurzwidmung zu Beginn des Buches ist enthalten. Anschließend folgt ein Inhaltsverzeichnis. Weiter geht es mit einer recht interessanten Einleitung, die sehr vielversprechend ist. Daraufhin folgen elf weitere Kapitel. Das Buch endet mit einem Nachwort und einer Danksagung. Mit jedem neuen Kapitel ist eine Illustration mit dem betreffenden Tier und einem Spruch abgebildet. Weitere Illustrationen findet man auch mitten in den Geschichten. Sehr schön gemacht. Der Schreibstil ist ein empathischer. Hier bestätigt mir die Autorin, dass die emotionale Intelligenz genauso wichtig ist wie die kognitive. Sy Montgomery ist nicht einseitig gebildet, Kognition oder Emotion, sondern als Wissenschaftlerin auf beiden Ebenen, sowohl Kognition als auch Emotion. Welch ein enormer Reichtum.

Das Nachwort ist von Donna Leon, die das ganze Buch nochmals zusammengefasst hat. Warum eigentlich?

Meine Meinung
Ich habe dieses Buch sehr genossen zu lesen. Nicht nur was das Zwischenmenschliche im Zusammenleben mit den Tieren betrifft, spannend fand ich auch das Fachwissen, an dem uns die Autorin ebenso teilhaben lässt. Gerade was die Berichte zu anderen Tierarten betreffen, habe ich viel Neues dazulernen können.

Mein Fazit
Mein Fazit schließe ich mit einem Zitat:

Um das Leben jeglicher Tiere zu verstehen, braucht man nicht nur ein gehörig Maß an Neugier, Wissen und Verstand. (...) Ich würde nicht nur mein Gehirn öffnen müssen, sondern auch mein Herz. (57)

Wer also Tiere verstehen will, muss es mit Herz und Verstand tun. Gilt aber auch im Umgang mit Menschen im eigenen Land und in anderen Ländern.

Wie ist das Buch zu mir gekommen?
Nun, eigentlich war es Tina, die mir dieses Buch empfohlen hat. Sie selbst besitzt die Taschenbuchausgabe. Ich kannte die Autorin Sy Montgomery bisher überhaupt noch nicht. Und bin der Tina unsagbar dankbar für diesen Wink, denn durch die Autorin verstehe ich mein Verhalten zu meinen Tieren nun viel besser, sodass ich mir vorgenommen habe, die Autorin mit zu meinen Lesefavoriten anzureihen und habe vor, alle Bücher von ihr nach und nach zu lesen. Eine wunderbare Möglichkeit, mein Leseprojekt Den Tieren eine Stimme geben mit dieser Autorin weiter zu füllen.

Mit der Autorin setze ich in den nächsten Monaten mit zwei weiteren Werken fort. Ich habe mich für die Bücher entschieden, die die Exoten behandeln, weil ich so gerne mehr dazulernen möchte. Später schaffe ich mir noch die Bücher zu dem Schwein Chris, zu ihren Hunden und zu den Katzen an. 


Meine Bewertung / 14 Punkte

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Empathisch und sachlich)
2 Punkte: Differenzierte, facettenreiche Charaktere in Mensch und Tier
2 Punkte: Authentizität der Geschichte; autobiographische Erzählweise
2 Punkte: Anregung zur Vertiefung, zum weiteren Erforschen und zur Erkundung
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein

2 Sonderpunkte wegen des Lesehighlights.

________________

Gelesene Bücher 2021: 02
Gelesene Bücher 2020: 25
Gelesene Bücher 2019: 29
Gelesene Bücher 2018: 60
Gelesene Bücher 2017: 60
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86

Lesen mit Herz und Verstand!
Um die Welt, Menschen und Tiere
besser zu verstehen.


Freitag, 1. März 2019

Ferdinand von Schirach / Verbrechen

Lesen mit Tina

Klappentext
Die Wahrheit. Nichts als die Wahrheit.
Ferdinand von Schirach hat es in seinem Beruf alltäglich mit Menschen zu tun, die Extremes getan oder erlebt haben. Das Ungeheuerliche ist bei ihm der Normalfall. Er vertritt Unschuldige, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten, ebenso wie Schwerstkriminelle. Deren Geschichten erzählt er – lakonisch wie ein Raymond Carver und gerade deswegen mit unfassbarer Wucht.

Autorenporträt
Der SPIEGEL nannte ihn einen »großartigen Erzähler«, die NEW YORK TIMES einen »außergewöhnlichen Stilisten«, der INDEPENDENT verglich ihn mit Kafka und Kleist, der DAILY TELEGRAPH schrieb, er sei »eine der markantesten Stimmen der europäischen Literatur«. Ferdinand von Schirachs Erzählungsbände »Verbrechen« und »Schuld« und seine Romane »Der Fall Collini« und »Tabu« wurden zu millionenfach verkauften internationalen Bestsellern, die bisher in mehr als 40 Ländern erschienen sind. Sein erstes Theaterstück »Terror« wurde parallel am Deutschen Theater Berlin und am Schauspiel Frankfurt uraufgeführt. Schirach wurde mit mehreren – auch internationalen – Literaturpreisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Kleist-Preis. Seinen Erfolg erklärt die französische LIBÉRATION so: »Schirachs Meisterleistung ist, uns zu zeigen, dass – egal wie monströs dessen Taten zunächst scheinen mögen – ein Mensch doch immer ein Mensch ist.« Ferdinand von Schirach lebt in Berlin.

Meine ersten Leseeindrücke

Leider musste ich das Buch wieder abbrechen, da es mir zu gewaltträchtig ist und noch dazu viel zu blutrünstig. Ich finde es sehr schade, da mir der Schreibstil sehr gut gefällt. Aber ich habe keine Lust, meine Seele mit diesen grausamen Geschichten zu füllen. Es gibt genug Gewalt auf der Welt, ich muss sie nicht noch literarisch haben.

Sicher schreibt Schirach Geschichten als Jurist aus seiner Berufspraxis. Ich muss aber nicht überall Bescheid wissen, wie es auf der Welt an Grausamkeiten zugeht. Ich habe wirklich hohen Respekt vor Menschen, die sich dieser Materie annehmen. 

Eine Geschichte habe ich geschafft, eine zweite nicht mehr.

Tina findet den Schreibstil ein wenig reserviert, und auch ihr hatte die Gewalt ein wenig zugesetzt, aber sie hat ausgehalten. Tina ist verglichen zu mir eine echte Krimileserin, während ich Krimis nur sehr selten lese. Die Geschichten hinter der Gewalt findet Tina gut.

Hier geht es zu Tinas Buchbesprechung.

Weitere Informationen zu dem Buch

·         Taschenbuch: 246 Seiten
·         Verlag: Piper Taschenbuch (1. September 2011)
·         Sprache: Deutsch, 10,00 €
·         ISBN-10: 3492272436


Mittwoch, 23. Januar 2019

Rosemarie Marschner / Das Bücherzimmer (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre  

Gleich vorneweg gesagt, wow was für ein Buch. Supergut geschrieben, die Thematik ist zwar eine ernste, aber historisch gesehen sehr gut recherchiert, sehr gut in eine literarische Sprache gepackt, es gibt sehr empathische Figurenbeschreibungen mit differenzierten Charakteren. Ich habe die ganze Geschichte sehr authentisch erlebt. Von der ersten bis zur letzten Seite hat die Autorin mich und Tina gepackt. Dies ist das erste Werk von Rosemarie Marschner, das ich gelesen habe. Ich werde mir diesen Namen unbedingt merken.

Den Nationalsozialismus mal aus der Perspektive der Österreicher betrachtet, immerhin ist Adolf Hitler Linzer, fand ich hoch interessant. Außerdem noch spannend waren die komplizierten verstrickten Familienbiografien und das Einzelschicksal eines jungen Mädchens. Auch wenn dieses Buch als ein Frauenbuch deklariert ist, möchte ich sagen, dass dies kein Schnulz-Liebesromanbuch ist. Es ist ein Buch über starke Frauen, aber auch ein Buch über starke gesellschaftliche Zwänge, wo man Frauen, die nicht der Norm entsprechen, ihre Existenzberechtigung nimmt …

Hier geht es zum Klappentext, zum Autor*inporträt, zu meinen ersten Leseeindrücken und zu den Buchdaten.

Die Handlung
Mira Zweisam hat 1918 ein uneheliches Kind namens Marie auf die Welt gebracht. Dadurch ist Mira von der Dorfgemeinschaft abgeschnitten, da sie Schande über sie gebracht habe. Mira wird ausgegrenzt, sodass sie zusammen mit ihrem Kind ein einsames Leben fristet. Es gibt nur einen Angehörigen, es ist der Bruder von Mira, der Kontakt zu ihr und der Marie hält. Auch ist er der Vormund von Marie. Er entscheidet über Maries Zukunft.

Marie wächst auf dem Land auf. In der Schule ist sie Musterschülerin. Der Lehrer setzt sich für das Kind ein, damit sie nach der Schulpflicht eine höhere Schule besuchen kann. Sowohl die Mutter als auch der Vormund lehnen ab, denn mit Marie sind andere Pläne vorgesehen.

Mit 14 Jahren wird Marie fortgeschickt, und man weiß als Leserin noch gar nicht wohin. Man erfährt, wie Marie von der Mutter an den Bahnhof begleitet wird und ohne große Abschiedszeremonien geht die Mutter wieder zurück nach Hause. Schwer trägt sie den inneren Abschiedsschmerz, den sie der Tochter nicht zeigen möchte, um ihr die Trennung zu erleichtern. Marie ist nun auf sich selbst gestellt. Mit einer fremden Adresse in der Hand fährt sie nach Linz, um dort die adlige Familie Horbach in der Villa aufzusuchen. Bei dieser Familie wird sie als Dienstmädchen eingestellt werden ... Marie steht am Tor der Horbachs, und man wollte ihr erst nicht aufmachen, da man sie mit einer Bettlerin verwechselt hat …

Marie lernt die gleichaltrige Elvira kennen, das einzige Kind der Horbachs. Elvira besucht eine Privatschule. Marie würde alles geben, selbst auch noch eine Schule besuchen zu dürfen. Elvira verhält sich ihr gegenüber überheblich und behandelt sie von oben herab, schikaniert sie vor ihren Freund*innen, vor dem Geschwisterpaar Ohnesorg, die sich allerdings recht einfühlsam Marie gegenüber verhalten und weisen Elvira in ihre Schranken ….
Am Beispiel von Elvira hatte Marie beobachtet, dass ein Leben, selbst ein ganz junges, eine klar festgelegte Linie haben konnte. Von Elvira wurde erwartet, dass sie ihre Schule abschloss und dann eine passende Ehe ansteuerte. Künftige Bewerber zeigten sich bereits. Sie würde heiraten und dann das gleiche Leben führen wie ihre Mutter. Ein Leben, das zumindest gesichert und behaglich war. (2012, 47)
Nach einem behaglichen Leben träumte auch Marie. Auch sie hatte Bewerber. Sogar einen, der wirklich zu ihr gepasst hätte, wenn das Schicksal sie zusammen geführt hätte. Zusätzlich hat sich in Marie ein junger Bäcker verliebt, der ihr später mit seinem Motorrad bis aufs Land folgt, als sie von jetzt auf gleich ihre Zelte bei den Horbachs abbrechen musste …

In dem Haushalt ist Amelie eingestellt, die für das Kochen und für die Wäsche zuständig ist. Amelie ist Maries Vorgesetzte, und erlebt durch sie verschiedene nachdenkenswerte Ereignisse.

Die Horbachs geben jeden Mittwochnachmittag eine Gesellschaft. Marie bekommt frei, weil die feine Dame Beate Horbach Marie nicht dabeihaben möchte. Sie weiß nicht sehr viel mit der freien Zeit anzufangen, mit diesen vielen Stunden draußen umzugehen. Sie kommt sich als Landmädchen in der großen Stadt verloren vor. Sie trauert um ihr Zuhause, sehnt sich nach der Mutter und nach deren Zärtlichkeiten zurück. Sie gerät immer wieder in eine Identitätskrise, und bekommt die Nachteile, die sie in der Gesellschaft als ein uneheliches Kind einzustecken hat, deutlich zu spüren. Marie schaut anderen zu, was sie in ihrer Freizeit treiben, wo sie ausgeschlossen ist, wie z. B. vom Tennisspiel oder vom Besuch der öffentlichen Badeanstalten. Als Dienstmädchen stehen ihr Aktivitäten dieser und anderer Arten nicht zu.

Nicht nur, dass sie ein Bauernkind ist. Sie fühlt sich auch schuldig, ein Bastardkind zu sein, denn als solches wird sie häufig bezeichnet.

Elviras Großvater, ein emeritierter Notar, der sich häufig in seiner Bibliothek verkriecht, entdeckt in Marie eine literarische Begabung. Marie findet in dem Haus eine große Bücherstube und ist von den vielen Büchern recht angetan. Es stellt sich schnell heraus, dass Marie lesen kann, und auch an den Zeitungen interessiert ist …

Der Notar engagiert Marie zu seiner Vorleserin. Durch seine Mithilfe schafft sie es, dass Marie auf seinen Namen einen Bibliotheksausweis ausgestellt bekommt und, sodass sie sich aus der Stadtbücherei Bücher ausleihen konnte ... Es entsteht zwischen dem Notar und Marie eine stillschweigende Bindung. Jeden Nachmittag sollte Marie dem Notar in der Bücherstube vorlesen. Jeden Tag empfand Marie so viel Vorfreude auf diese eine einzige Lesestunde …

Eines Tages holt der Onkel Marie wieder nach Hause, da die Mutter durch eine schwere Erkrankung im Sterben liegt. Die Anstellung bei den Horbachs wird gekündigt.

Nach dem Tod der Mutter fühlt sich Marie alleine auf der Welt. Einsam und verlassen … Der Bäckerjunge Franz Janus schafft es, Marie für sich zu gewinnen. Die Nöte, nirgendwo richtig dazuzugehören, treibt Marie in die Arme dieses jungen Mannes ...

Nachdem der Vormund mit Franzens Eltern alles Notwendige geklärt hat, zieht Marie mit der Familie Janus nach St. Peter, ein Vorort von Linz. Der Familie wurde Maries Herkunft verschwiegen ... Nun hat Marie endlich eine Familie, in der sie dazugehört, doch der Schein trügt. Sie wird von der Schwiegermutter schwer ausgenutzt und zieht einen Keil zwischen diesen beiden Jungvermählten, der sich über mehrere Jahre hinzieht … Imma Janus ist von Hitler angetan und erwirbt einen Parteiausweis und weiß sehr genau ihre politischen Vorteile gegen Marie auszuspielen ...

Welche Szene hat mir gar nicht gefallen?
Ich fand viele Szenen sehr traurig, aber sie haben zu den Ereignissen dazugehört. Allerdings hat mich diese adlige Familie angewidert. Gerade die vornehmen Damen von alt bis jung wissen oftmals nicht ihre Zeit sinnvoll zu nutzen. Beate Horbach, Elviras Mutter, musste sich oft vom Nichtstun erholen. Ihr Job bestand lediglich daraus, die feine Dame zu spielen. Schlimm fand ich, dass die ältere Hauswirtschafterin Amelie sehr krank wurde, und sie die Horbachs ohne Vorwarnung verlassen hat. Man hat sie tot in einem Fluss gefunden, zusammen mit den vielen Kochbüchern der Beate Horbach. Amelie brauchte diese schweren Bücher, die sie alle in ihren Koffer gelegt hatte, sie eine Schnur um den Koffer, und diese wiederum um die Füße gebunden hatte, damit der Koffer sie bei dem Sturz von der Brücke in die Tiefe reißen konnte. Sie hat einen Suizid begannen, und niemand außer Marie trauerte um Amelie. Beate Horbach schimpfte über sie, da sie ihre Kochbücher gestohlen hätte. Könnte man Tote anzeigen, dann hätte sie die gestohlenen Bücher zur Anzeige gebracht. Auch Amelie hatte keine Angehörigen auf der Welt. Deshalb fand ich auch ihr Schicksal sehr traurig.
Es gibt noch viele andere Szenen, die im Umgang mit anderen Figuren grausam waren …

Zur politischen Lage
Auch in Österreich feierte Hitler seine Verehrer aber viele erkannten, dass es ein Fehler war, sich in Hitlers Politik zu begeben. Außerdem wurden nicht nur Juden aus ihren Häusern vertrieben. Es gab viele Österreicher, die ähnlich wie die Juden Land und Haus abgesprochen bekommen haben. Weitere Details sind dem Buch zu entnehmen.

Welche Szene hat mir besonders gut gefallen?
Mir hat gefallen, dass Susanne Ohnesorg Marie die Freundschaft angeboten hatte, obwohl Elvira sie schikaniert hatte.

Welche Figuren waren für mich Sympathieträger?
Marie und Mira Zweisam.

Welche Figur war mir antipathisch?
Emmi Janus.

Meine Identfikationsfigur
Marie Einsam.

Cover und Buchtitel
Hat mich beides angesprochen.

Zum Schreibkonzept
Auf den 414 Seiten ist dieses Buch in drei Büchern unterteilt. Und jedes Buch beginnt erneut mit dem ersten Kapitel … Zu Beginn der Lektüre bekommt man einen Prolog zu lesen, aber ohne dass es mit einem Prolog betitelt wurde. Hier ist Marie eine alte Frau, die ein Testament an ihren Neffen Thomas hinterlassen hat, der nun auf ihren Spuren wandelt. Mit dem ersten Kapitel lernen wir Maries Kindheit und Jugend kennen, später Marie als eine junge Erwachsene. Ganz zum Schluss findet man eine Anknüpfung zur alten Marie aus dem Prolog. Ich habe allerdings bei so vielen Kapiteln ein Inhaltsverzeichnis vermisst. Im Austausch mit Tina war es ein wenig mühsam, da sie das Buch auf einen eReader gelesen hat, und dort keine Seitenzahlen angegeben wurden. Tina war hundert Seiten weiter als ich, was sich erst später herausgestellt hat. Ich hatte keine Ahnung, auf welcher Seite sich ihr Kapitel befand. Nach vielem Rumgeblättere habe ich es schließlich aufgegeben zu suchen. Wir haben uns schließlich dann erst ausgetauscht, nach dem wir beide mit dem Buch durch waren.

Meine Meinung
Vorsicht Spoiler
Was mich und Tina ein wenig gewundert hat, ist, dass Marie einen Enkel besaß, wir aber nicht wissen, wer ihr Kind war? Dem Kontext erschließend hat Marie nach ihrer Scheidung nicht neu geheiratet, obwohl sie einen jungen Mann kennengelernt hat, zu dem sie sich diesmal hingezogen gefühlt hat.

Mein Fazit
Auch wenn wir jetzt nicht wissen, woher dieser Enkel stammt, und die Autorin uns eigentlich eine Antwort schuldig bleibt, kann ich mit dieser Lücke trotzdem leben, weil alles andere den Stoff aufgewertet hat. Sie muss ihre Gründe gehabt haben. Ein superspannendes Buch, das von mir trotz dieser Lücke die volle Punktzahl erhält.

Meine Bewertung
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte, sehr gut recherchiert.
2 Punkte: Sehr gute Übersetzung
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover, Titel und Klappentext stimmen mit dem Inhalt überein
12 von 12 Punkten

Hier geht es zu Tinas Buchbesprechung.

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Vertraue auf dein Herz.
Denn dann gehst du niemals allein.
(Temple Grandin)

Gelesene Bücher 2019: 04
Gelesene Bücher 2018: 60
Gelesene Bücher 2017: 60
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
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Gelesene Bücher 2011: 86



Montag, 24. Dezember 2018

Benedict Wells / Die Wahrheit über das Lügen (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre   

Diese zehn Geschichten habe ich gemeinsam mit Tina gelesen und mich mit ihr rege ausgetauscht. Wir hatten fast zu jeder Erzählung dieselben Gedanken und Eindrücke, lediglich mit der siebenten Geschichte war ich schier überfordert, da ich über keinerlei Hintergrund zu Star Wars verfüge. Ich mag keine Science-fiction, weshalb ich mich für diese Filme nie begeistern konnte.

Die Fliege hat uns beiden nicht gefallen, auch wenn sie uns vom Verständnis her zugänglich war. Uns war durchaus bewusst, dass die Fliege eine Metapher darstellen sollte. Sie hat uns aber trotzdem nicht überzeugen können. Zu flach, zu oberflächlich …

Unsere Buchbesprechung beschränken wir auf jeweils zwei Geschichten, die Tina und ich gemeinsam abgesprochen haben. Sie schreibt über Die Wanderung und über Das Franchine. 

Mich haben die beiden Erzählungen Richard und
Die Nacht der Bücher richtig beeindruckt, über die ich schreiben werde. 

Hier geht es zum Klappentext, Autorenporträt, zu meinen ersten Leseeindrücken und zu den Buchdaten.

Die Handlung

Richard
Mich hat diese Geschichte sehr betroffen gestimmt. Es geht um eine ältere Dame, die im Park auf einer Bank sitzt und sich mit einem Herrn unterhält, obwohl dieser Mann mit seinem Handy beschäftigt ist. Sie erzählt ihm, dass sie gerne am Markt Hähnchenbrust beim Händler kauft, weil Richard sie so gerne mögen würde.

Sie berichtet detailfreudig dem fremden Mann, wie Richard auf das Fleisch reagiert, wenn sie nach Hause kommt, und dass sie erst seine, dann ihre Bedürfnisse befriedigen würde. Bei ihrem Gatten, als er noch gelebt hatte, war sie immer die Erste …

Der fremde Mann, als er seine letzte Nachricht in sein Handy getippt hat, steht auf, wünschte ihr einen schönen Tag und ging fort.

Die alte Dame betrachtet in der Ferne ein junges Paar und denkt dabei an ihren eigenen Mann. Das Leben mit ihm spulte sie jeden Tag in ihrem Hirn wie ein Kopfkino ab.
Wenn ihre Erinnerung ein Kino war, dann waren die Jahre mit ihm ein Klassiker, der noch immer jeden Abend lief. Vielleicht war er nicht mehr ganz so spannend, weil sie jeden Satz aus der Handlung mitsprechen konnte, und vielleicht war auch das Bild inzwischen etwas unscharf geworden und die Tonspur verwaschen, aber das machte nichts. Der Film endete, kurz bevor seine Krankheit begann. (2018, 92)

Plötzlich kamen zwei sprechende Mädchen an die Bank und setzten sich zu der alten Dame. Die Dame lauschte etwas an dem Gespräch der beiden Mädchen. Als sie ihre Bluse glattstrich, holte sie ein Foto ihres Richards heraus, der zu dieser Zeit noch ein Welpe war. Sie zeigte die Fotografie den Mädchen und erklärte ihnen, weshalb sie dem Kater den Namen Richard gegeben habe … Die alte Dame erzählt und erzählt und bemerkt gar nicht, dass die Mädchen sich bedrängt fühlten …
Das eine Mädchen stieß das andere an.>>Ja, also, wir müssen dann mal …<<, sagte es schnell. Sie verabschiedeten sich, und kaum, dass sie einige Schritte entfernt waren, prusteten beide los.<< (97)

Damit endet die Erzählung noch nicht, so lasse ich den Ausgang offen.

Als ich die Geschichte anfangs zu lesen begonnen hatte, dachte ich, dass Richard ihr Mann sei. Aber es klärte sich schnell auf, dass mit Richard ihr Kater gemeint war.

Ich fand diese Erzählung dermaßen authentisch, dass sie mich lange noch beschäftigt hat. Jede Figur wirkte real. Der Mann mit dem Handy, die beiden Mädchen, sie alle waren mit ihrem Leben beschäftigt, und hatten keinen Platz, das Leben der alten und sehr vereinsamten Dame für eine Weile in sich einzulassen ... 

Die Nacht der Bücher
Eine Weihnachtsgeschichte

Das war für mich von allen die allerschönste Geschichte. Hier wird Bezug genommen zu Wells Roman Vom Ende der Einsamkeit, die Figur daraus namens Jules, der dieses Märchen verfasst hat Weitere Details sind dem Buch zu entnehmen.

Der 58-jährige Mister Stanley hatte in einer staatlichen Bibliothek am Heiligabend Nachtwache, obwohl er kein Mensch war, der gerne Bücher liest. Die Bibliothek, eine ziemlich alte, die auf mich einen nostalgischen Eindruck hinterlassen hat, befand sich in Marylborne, ein Vorort von London. Als Mr. Stanley seinen Rundgang macht, und durch die Gänge und Flure zieht, hört er Geräusche, die er nicht einzuordnen wusste. Nach dem Störenfried Ausschau haltend staunte er über die Vielzahl an Büchern, die nicht zu zählen waren.
Die gesamte Bibliothek war nichts als ein gigantischer Bahnhof voller Figuren und Geschichten. (…) Schon eigenartig. Immer an Weihnachten war ihm, als würde es in der Bibliothek spuken, als hörte er seltsame Geräusche, die sofort verschwanden, wenn er die Tür aufmachte. (105)

Er blickte auf die vollgestopften Regale, wo er glaubte, müssten die Geräusche zu lokalisieren sein. Es war aber ganz ruhig. Und so ging Stanley wieder zurück in sein Dienstzimmer.
Lange Zeit blieb es in der großen Halle still. Die Bücher wollten auf Nummer sichergehen. Dieser alte Mister Stanley war ein misstrauischer alter Knochen, da musste man auf der Hut sein. Dann aber konnte man ein leises Rascheln hören. Ganz vorsichtig hatte sich Jules Verne umgedreht. Es war in 80 Tagen um die Welt. (ebd)

Die vielen bekannten Autor*innen kamen ins Gespräch, viele alte und neue Klassiker, und so entstand langsam Leben in den Regalen. Werke von Tolstoi, von Flaubert, Shakespeare, sogar die Buddenbrooks von Thomas Mann regten sich. Sie alle wunderten sich über Mr. Stanley. Carson McCullers hatte Mitleid mit dem Nachtwächter, Dostojewski hielt ihn für einen traurigen Narren, da er jedes Jahr zu Weihnachten Dienst habe, und fragt sich, wieso er das macht? Doch auch unter den Büchern fanden erst mal keine hochtrabenden Gespräche statt, sie führten Small Talk, bis sie sich einigen konnten, eine Weihnachtsgeschichte vorgelesen zu bekommen. Der Name Dickens fiel, doch Dickens konnte sich nicht rühren, da er, wie jedes Jahr zu Weihnachten auch, ausgeliehen wurde.
>>So ein Pech, das ist jetzt schon das dritte Jahr hintereinander!<<Ein hundertfaches Aufstöhnen ging durch die Halle, denn nichts hätte in dieser Nacht die Bücher mehr gefreut, als wenn ihnen Dickens endlich wieder die Geschichte des alten Ebenezer Scrooge erzählt hätte. (108)

Ein Hin und Her an Stimmen, die aus den Buchseiten fielen, machten sich breit. Es rührte sich Marcel Proust, der sich über den Lärm beschwerte, und er aus den Träumen gerissen wurde und machte sich bei den anderen unbeliebt. >>Halt die Schnauze, Marcel, auf dir liegt eh schon Staub!<< Ruft Hemingway ihm lakonisch zu …
.
Hier mache ich Schluss, um nicht alles zu verraten. Aber ich könnte die ganzen Dialoge zitieren, die so perfekt und so natürlich konstruiert sind. Die ganze Geschichte war total authentisch. Man spürte, dass die Bücher und deren Autor*innen mit demselben Geist beseelt waren, wie man sie aus den Büchern heraus kannte. Besser hätte es ein Walter Moers auch nicht ausdrücken können. Jede Menge bekannte Autor*innen sind hier vertreten, auch Harry Potter, auf den neidvoll geblickt wurde, da er verglichen mit Shakespeare ein Jüngling sei und weltweiten Ruhm genoss, während Shakespeare über eine Schullektüre nicht hinauskommen würde …   

Unbedingt selber lesen.

Cover und Buchtitel
Das Cover gefällt mir sehr, sehr gut, weil es wie ein Kunstgemälde ausschaut. Und es lässt jede Menge Spielraum zu für eigene Interpretationen. Den Buchtitel finde ich auch gelungen, hilft, die Geschichten besser einzuordnen.

Meine Meinung
Benedict Wells kann wirklich supergut schreiben. Lange habe ich mich mit Tina ausgetauscht, und wir finden beide, dass er aber sein Potenzial in Romane stecken sollte.

Die Geschichte mit den sprechenden Büchern fand ich noch besser als die von Walter Moers. Richtig genial. Schade, dass sie so schnell geendet hat.
Die Richard-Geschichte war mir wichtig, sie hier auf meinem Blog vorzustellen, um die Leser*innen mit dieser Thematik ein wenig zu sensibilisieren. Bei 200 bis 300 Besucher*innen pro Tag möchte ich mithelfen, sie ein wenig zu verbreiten.

Mein Fazit
Mit den zehn Kurzgeschichten der letzten zehn Jahre bedient sich Wells verschiedener Genres. Das macht sie so spannend. Klare Leseempfehlung.

Meine Bewertung

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover, Titel und Klappentext stimmen mit dem Inhalt überein

12 von 12 Punkten

Hier geht es zu Tinas Buchbesprechung.

Ein herzliches Dankeschön an den Diogenes Verlag für das Bereitstellen des Leseexemplars.
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Vertraue auf dein Herz.
Denn dann gehst du niemals allein.
(Temple Grandin)

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