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Montag, 28. März 2016

Mirellas Leseprojekte Erich Maria Remarque

In meiner knapp vierjährigen Bloggerkarriere habe ich ein paar Leseprojekte veranstaltet, habe mir aber nie ein Label dazu angelegt. Dies noch nachträglich aufzuholen, wäre sehr zeitaufwendig, da sich mittlerweile sehr viele Bücher angehäuft haben. Deshalb habe ich überlegt, mir nun eine Liste zu erstellen, auf der alle meine Leseprojekte festgehalten sind, damit sie nicht versanden. Anfangs hatte ich noch keine Blogerfahrung, ich konnte noch nicht wissen, welche Schwerpunkte sich mir beim Lesen ergeben würden. Viele AutorInnen kannte ich zwar schon, aber viele kannte ich auch nicht. Wenn ich von gewissen AutorInnen sehr angetan war, hatte ich beschlossen, mir so viele Bücher wie nur möglich von diesen anzuschaffen und sie auch zu lesen.  Nun habe ich diese Liste doch gestückelt. Hier auf dieser Seite geht es um Erich Maria Remarque.


 Erich Maria Remarque

Gelesen habe ich, 
  1.  Arc de Triomphe
  2.  Der schwarze Obelisk
  3. Drei Kameraden
  4. Ein militanter Pazifist
  5. Im Westen nichts Neues
  6. Liebe Deinen Nächsten
  7. Zeit zu leben und Zeit zu sterben 
Ähnlich wie Hans Fallada zählt auch Erich Maria Remarque zu den sensiblen männlichen Autoren seiner  Zeit, der ebenso kriegserfahren war und unter den Folgen des entmenschlichten politischen Systems zu leiden hatte.  


Donnerstag, 10. Januar 2013

Erich Maria Remarque / Liebe Deinen Nächsten (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Eine Herzensbildung, ein Plädoyer für mehr Menschlichkeit, so habe ich es erlebt... .
Ich habe mir so viele Textstellen markiert und muss davon eine Auswahl treffen, sonst gibt es ein zweites Buch, und das habe ich nicht vor zu schreiben.

Bildung auf der Ebene der Menschlichkeit, weil es in dem Buch an Menschlichkeit fehlt und das Formale ganz oben steht und nicht die Person selbst. Das heißt, der Mensch auf dem Papier dominiert, und wer keine Papiere hat, der existiert schon mal gar nicht. In vielen Teilen von Europa wurden die Flüchtlinge von Grenze zu Grenze abgeschoben, niemand fühlte sich für ihre existentiellen Nöte verantwortlich, da war sich jeder selbst am nächsten...

(...) Und all das nur, weil ihnen und den gelangweilten Beamten hinter dem Schreibtisch ein Stück Papier trennte, Pass genannt. Ihr Blut hatte die gleiche Temperatur, die gleiche Farbe, ihre Augen hatten die gleiche Konstruktion, ihre Nerven reagierten auf die gleichen Reize, ihre Gedanken liefen in den gleichen Bahnen - und doch trennte sie ein Abgrund, nichts war gleich bei ihnen, das Behagen des einen war die Qual des andern, sie waren Besitzende und Ausgestoßene, und der Abgrund, der sie trennte, war nur ein kleines Stück Papier, auf dem nichts weiter stand als ein Name und ein paar belanglose Daten.

In dem Roman bekommen mehrere Figuren die Hauptrolle und im Anhang habe ich entnehmen können, dass Remarque selbst betroffen war, nicht als Jude aber als Intellektueller, der den Nationalismus nicht unterstützden konnte und dadurch in die Schweiz emigrierte, später in die USA. Von den Nationalsozialisten wurde er ausgebürgert. Als Exilant lernte er viele Flüchtlinge kennen, die ihm ihr Leid beklagten und Remarque neben seine eigenen Erfahrungen viele gehörte Geschichten in seine Bücher hat einfließen lassen. Remarque galt als ein geduldiger Zuhörer.

Es gab Betroffene, die ihren Humor nicht verloren haben und versuchten ihre Lebenssituation von der besten Seite zu sehen. Ludwig Kern, Protestant und Jude zugleich, ist eine von den Hauptfiguren, die sich sagte, dass alles noch besser sei als der Tod. Josef Steiner war der Auffassung, dass alles besser sei als der Krieg und so versuchten sie ihre schwere Lebenslage in Relationen gesetzt zu akzeptieren... .

Viele flüchtende Menschen versuchten an falsche Papiere dran zu kommen, die von Profis für viel Geld illegal ausgestellt wurden. Und nicht jeder besaß dieses Geld... . Josef Steiner hatte das Glück, der in Österreich einen Pass bekommen hat von einem Verstorbenen namens Johann Huber:

Johann Huber! Arbeiter! Du bist tot und verfaulst irgendwo in der Erde von Graz - aber dein Pass lebt und ist gültig für die Behörden. Ich, Josef Steiner, lebe; aber ich bin ohne Pass tot für die Behörden. (…) Tauschen wir, Johann Huber! Gib mir dein papierenes Leben und nimm meinen papierlosen Tod! Wenn die Lebenden uns nicht helfen, müssen die Toten es tun.

Ich fand dieses Zitat total makaber, weshalb ich es mir aufschreiben musste.

Was sind denn im zweiten Weltkrieg noch die Werte gewesen? Auch dies fragen sich viele aus ihrer Heimat Vertriebenen:

Ein rauhes Zeitalter. Der Frieden wird mit Kanonen und Bombenflugzeugen stabilisiert, die Menschlichkeit mit Konzentrationslagern und Pogromen. Wir leben in einer Umkehrung aller Werte. Der Angreifer ist heute der Hüter des Friedens, der Verprügelte und Gehetzte der Störenfried der Welt. Und es gibt ganze Völkerstämme, die das glauben!

"Und es gibt ganze Völkerstämme, die das glauben!" (Das ist ja heute oftmals auch immer noch so. Zu schnell werden von Politiker Feindbilder geschaffen, die kaum einer hinterfragt).

Jeder musste um sein Überleben kämpfen, und sei es, dass Mittellose sich an Mittellose vergreifen. Der gutmütige Ludwig Kern lässt einen Bettler in sein Zimmer und überlässt ihm sein Bett, in dem er zu seiner Freundin ins Zimmer geht und sich zu ihr legt. Kern lässt seinen Koffer aber mit wenigen Habseligkeiten im Zimmer zurück, weil er dem Bettler nicht das Gefühl geben wolle, als misstraue er ihm. Seine paar Kröten waren in dem Koffer einer Tasche eingenäht, für andere nicht sichtbar... . Kern wurde ausgeraubt. Der Bettler schlief gar nicht in dem Bett, er war nur auf sein Geld aus. Und er hatte problemlos die eingenähte Geheimtasche finden können. Zwei Tage später trifft Kern den Dieb in einem Lokal und konfrontiert ihn mit dem Diebstahl, fordert sein Geld zurück. Ich gebe die "Philosophie" des Diebes wieder:

"Ich brauche das Geld selbst. Sie sind billig davon gekommen. Sie haben für vierzig Franken die größte Lehre empfangen, die es im Leben gibt: Nicht vertrauensselig zu sein."

Glücklicherweise gab es bei der Polizei einen Angestellte, der auf indirekte Art und Weise den gefassten Flüchtling zur Flucht verholfen hat. Mir hat es so gut gefallen, dass ich diese Textstelle auch unbedingt aufschreiben und festhalten möchte:

Es hat keinen Zweck! Zwar habe ich ein verstautes Bein und kann nicht hinter Ihnen herlaufen, aber ich würde sie sofort anrufen und dann meinen Revolver ziehen, wenn sie nicht stehen bleiben. (...) Das dauert natürlich seine Zeit. (…) Sie können mir vielleicht inzwischen entwichen, besonders an einer Stelle, an die wir gleich kommen werden, da sind allerhand Gässchen und Ecken und von Schießenkönnen ist da nicht viel die Rede. Wenn Sie da fliehen würden, könnte ich Sie tatsächlich nicht fangen. Ich müsste Ihnen höchstens vorher Handschellen anlegen.

Natürlich legte er ihm keine Handschellen an... .

Flüchtlinge galten und gelten heute noch immer als kriminell, wenn sie illegal in ein anderes Land einreisen. Das Gesetz machte sie zu Verbrechern. Sie waren Vertriebene und hatten keine andere Wahl, als zu flüchten, wenn sie ihr Leben retten wollten. Sie wurden regelrecht
 in die Illegalität getrieben. Die Grenzen wurden zur Heimat. Ein Bauer in der Schweiz wundert sich, dass Menschen von der Polizei gesucht werden, die nichts verbrochen haben. Ludwig Kern und seine Freundin Ruth suchen bei einem Bauer in der Schweiz Unterschlupf. Ludwig Kern macht dem Bauer ihre Situation deutlich:

Der Bauer schüttelte den Kopf. " Und Sie haben nichts getan? Nichts ausgefressen?"" Wir haben keine Pässe und können keine bekommen, das ist alles."" Das meine ich nicht. Sie haben nicht irgendwo etwas gestohlen oder jemand betrogen oder so etwas?"" Nein."" Und trotzdem jagt man hinter Ihnen her, als wäre ein Steckbrief auf Sie ausgeschrieben?"" Ja."Der Bauer spukte aus." Das verstehe, wer kann, ein einfacher Mann versteht es nicht."

Ludwig Kern wird immer mal wieder von der Polizei gefasst. Dem Richter versucht er deutlich zu machen, dass Menschen wie er nicht anderes können, als gegen das Gesetz zu verstoßen. Es sei schließlich das Gesetz, das sie zu Verbrechern machen würde. Andere Menschen, die in ihrer Heimat bleiben können, kommen erst nicht in diese Lage, das Gesetz zu brechen. Oftmals werden die gefassten Flüchtlinge sogar vorbestraft... .

Remarque beschreibt auch einen Flüchtling, der müde geworden ist, ständig auf der Flucht zu sein und wünscht sich nichts anderes mehr als den Knast. Er begeht in einem Juwelierladen absichtlich einen Diebstahl, damit er eingesperrt wird und nicht mehr flüchten muss. Auch muss er dann als Gefängnisinsasse nicht mehr hungern und nicht mehr frieren. Makaber so eine Handlung aber verständlich, wenn ein Mensch so getrieben wird.

Auch ein Richter denkt an nichts anderes, als an seine Pflicht, an seine berufliche Pflicht, sich an die Gesetze zu halten und Flüchtlinge ohne Papiere zu bestrafen. Kern bekommt von dem Richter ein paar persönliche Fragen gestellt, nach dem das Urteil von ihm ausgesprochen war:

"Glauben Sie noch an irgendetwas?""O ja; ich glaube an den heiligen Egoismus! An die Unbarmherzigkeit! An die Lüge! An die Trägheit des Herzens!"" Das habe ich befürchtet. Wie sollten Sie auch anders…""Es ist noch nicht alles", erwiderte Kern ruhig. "Ich glaube auch an Güte, an Kameradschaft, an Liebe und an Hilfsbereitschaft! Ich habe sie kennengelernt. Mehr vielleicht als mancher, dem es gut geht."

Ich möchte jetzt noch ein letztes Zitat einbringen, das mir auch gut gefallen hat, es geht noch einmal um die Werte, die nicht stark genug waren, den Nationalsozialismus zu besiegen:

Es lebe die Vernichtung des Individuums! Bei den alten Griechen war Denken eine Auszeichnung. Dann wurde es ein Glück. Später eine Krankheit. Heute ist es ein Verbrechen. Die Geschichte der Kultur ist die Leidensgeschichte derer, die sie schufen.

Ich bin jetzt nicht auf die einzelnen Schicksale der Protagonisten eingegangen, habe mich stattdessen ein wenig allgemein gehalten, weil mir die Kernbotschaft einzelner Zitate so wichtig waren.

Die Protagonisten in dem Buch werden nicht einfach mit der letzten gelesenen Seite stumm. Nein, denn sie lebten nicht nur im Nationalsozialismus, sie leben heute noch weiter, in anderen Kriegsländern und oder Krisenländern... oder ähnliches und immer noch werden Menschen aus den verschiedensten Gründen aus ihrer Heimat vertrieben und in die Illegalität getrieben und nach wie vor will niemand diese Menschen haben... . Deshalb ist das Buch nicht nur ein Appell an vergangene Zeiten, nein, der Appel zu mehr Nächstenliebe, zu mehr Menschlichkeit ist bis heute noch gültig, bis morgen, solange wie es an Menschlichkeit in unserer Welt mangelt.


__________

„Musik ist eine Weltsprache“
         (Isabel Allende)

Gelesene Bücher 2013: 03
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86







Donnerstag, 2. August 2012

Erich Maria Remarque / Ein militanter Pazifist (1)


Eine Buchbesprechung der o. g. Lektüre

Ich habe das Buch heute Morgen auf meinem Dienstweg im Bus zu Ende bekommen. Was es doch für Vorteile hat, kein Auto zu fahren... . 

Mir hat das Buch, eine Denkschrift, ein Plädoyer, sehr gut gefallen, und freue mich, dass ich Remarque richtig eingeschätzt habe. Remarque geht es einzig und allein um die Menschlichkeit, um die Würde des Menschen... . Beides verliert der Soldat im Krieg. Menschlichkeit und die Würde... . 

Kaum dass ein junger Mann erwachsen geworden ist, steht er an der Front und wird mit dem Gräuel eines Krieges konfrontiert:

Bildet euch nicht ein, dass Deutschlands Jugend aus Patriotismus, für "Kaiser und Reich", stirbt und leidet. Das fegt nur aus eurem Herzen heraus. :D Patriotismus haben nur Kriegsgewinnler und Reklamierte! Außerdem ist der Patriotismus, mit dem ihr die Zeitungen füllt, Anzeichen von Heldentum, und kein Zeichen freien Geistes. Ist das denn eine Tat, wenn ich für eine absurde Idee, für eine Dummheit von Staatsmännern, für einen Menschen, dem Geburt und Angewohnheit, die ich längst nicht gutheiße, eine Stellung gaben, mein Leben wage und gebe? Ist dieser Krieg nicht eine totale Verkehrung der Natur? Eine Minderheit diktiert, befiehlt der großen Mehrheit: Jetzt ist Krieg!
Remarque war erst achtzehn Jahre alt, als er im ersten Weltkrieg an den Händen und am Hals durch Granatsplitter schwer verwundet wurde, so schwer, dass Remarque, der eine Musikerkarriere anstrebte, seine beruflichen Ziele in dieser Richtung aufgeben musste. Der Krieg hatte ihn dermaßen geprägt, dass er zu einem Pazifisten geworden ist, und zwar zu einem militanten :D. Eine gewisse Ironie steckt in dieser Bezeichnung...

Gestern hatte ich eine lange Aussprache mit einem Kameraden, (…). Was mir bis dahin unbestimmt vorgeschwebt hatte, bekam festere Gestalt. Nämlich der Gedanke, die Jugend Deutschlands, diese prachtvolle, stahlharte Jugend aufzurufen nach dem Kriege zum Kampfe gegen das morsche und faule und oberflächliche in Kunst und Leben. (…) Sturm gegen veraltete Erziehungsmethoden, (…) Kampf für bessere Lebensbedingungen des Volkes, Bodenreform, vor allem Kampf gegen die drohende Militarisierung der Jugend, gegen den Militarismus in jeder Form seine Auswüchse. (…) Vor allen Dingen: Streben nach innerer Wahrheit und Ernst in allen Dingen, Kampf gegen Kleinigkeiten niederes unter allen Umständen.

Remarque spricht auch oft von einer Gewissensbildung, denn mit einem dumpfen Gewissen ist der Mensch nicht mehr sensibilisiert genug gegen Unrecht und Leid...  . Gewissensbildung auch noch nach dem Kriege. Sich mit diesen Kriegserlebnissen auseinanderzusetzen, statt diese schnell zu vergessen... , nur so könne der Mensch aus der Geschichte lernen. Ich denke dabei auch an Alexander Mitscherlich, der das Buch geschrieben hat: "Die Unfähigkeit zu trauern". Auch er schrieb ähnliches: Wenn der Mensch unfähig ist zu trauern, besteht die Gefahr, dass sich die Geschichte wiederholt... . Aus Remarques Bücher geht deutlich hervor, dass die zurückgekehrten Soldaten unter dem Erwartungsdruck der Gesellschaft standen. Trauer war nicht erlaubt... . Der zurückgekehrte Soldat befand sich mit seiner Trauer und mit seinen zahlreichen Verlusten allein... .


Auch Familienmitglieder Remarques wurden von dem Krieg bedroht und tödlich getroffen. Im zweiten Weltkrieg wurde Remarques Schwester von den Nationalsozialisten wegen des Widerstandes mit einem Handbeil hingerichtet. Remarque selbst wurde von den Nazis ausgebürgert, er lebte in der Schweiz, wo er aufgrund seiner Popularität ohne Bedrohung leben konnte, während seine geschiedene Frau, die ebenfalls ausgebürgert und staatenlos war, aus der Schweiz ausgewiesen worden wäre, hätte Remarque sie nicht ein zweites Mal geheiratet, um sie vor der Ausweisung zu schützen. Er hatte hier eine richtig gute Tat begangen.

Deutschland, das Volk der Dichter und Denker, dies dementiert Remarque in seiner Denkschrift vehement, nach dem die Konzentrationslager nach Kriegsende aufgelöst wurden:

"Das Volk der Dichter und Denker, dass es niemals war, - das Volk der Mörder und Henker"-

In der Nachkriegszeit, Mitte der fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts, warf Remarque den Kriegsländern vor, nichts von den Kriegskatastrophen gelernt zu haben, da weiterhin Waffen erfunden und  produziert werden würde ... 

Die Welt liegt weder im fahlen Licht der Apokalypse, der Geruch des Blutes und der Staub der letzten Zerstörung sind noch nicht verflogen, und schon arbeiten Laboratorien und Fabriken aufs neue mit Hochdruck daran, den Frieden zu erhalten durch die Erfindung von Waffen, mit denen man den ganzen Erdball sprengen kann.- Den Frieden der Welt! Nie ist mehr darüber geredet und nie weniger dafür getan worden als in unserer Zeit.

 Remarque stellt sich oft die Frage, wie Menschen vom Krieg abgeschreckt werden könnten... . Er selbst hegt keinerlei Rachegefühle gegen die Feinde  des Landes, stattdessen aber ruft er: "Nie wieder."
Remarque hegt idealistische Ansichten, und wendet sich mit seinem Appell an die Jugend, und an die Institution Schule, um so viele junge Leute wie nur möglich ansprechen zu können:

Unterricht und Geschichte muss nicht auf die Nation begrenzt werden wie bisher, sondern auf internationale Geschichte erweitert werden, um die Abhängigkeit aller Länder voneinander und damit das Verbrechen des Krieges unter zivilisierten Nationen aufzuzeigen. Die Jugend braucht Helden, aber es gibt genug Helden in der Wissenschaft, der Medizin, Helden des persönlichen Opfers für menschlichen Fortschritt, der Erforschung der Welt, selbst im Sport, um die Generale zu ersetzen. Die schrecklichen Verluste in den Kriegen sollten betont werden - die Verluste an menschlichem Leben, andererseits, durch Zerstörung von Kunstwerken, an nationalem Einkommen etc. Es sollte gezeigt werden, dass, wenn das Geld, das für die Kriege ausgegeben wurde, stattdessen in Fortschritt, Zivilisation und vorrangig tätig investiert worden wäre, die Welt leicht zu etwas wie ein Paradies sein könnte.
Man sollte das mit Tabellen und Fakten untermauern. Man sollte beweisen, dass in einer Zeit, wo ein Flugzeug in wenigen Stunden alle europäische Grenzen überqueren kann, kein Konflikt zwischen europäischen Nation so unlösbar sein kann, dass sie einen Krieg mit seinen Schrecken rechtfertigt. Es sollte gezeigt werden, dass ein zukünftiger Krieg selbst diesen letzten zu einem Kinderspiel machen würde; dass ganze Länder und Völker zerstört werden würden und dass sich ein Krieg noch nie ausgezahlt hat - nicht einmal für den Sieger.

 Remarque selbst hatte mit einer Ausbildung zum Volksschullehrer begonnen, an der er allerdings scheiterte, weil er mit den Vorgaben und mit den veralteten Erziehungsmethoden alles andere als zurecht kam. Er sträubte sich gegen konservative Hierarchien und deren Lehrpläne.

Aus dem Buch geht auch hervor, dass Remarques Bücher keine Erfindungen seien, sondern alles Erlebnisse, die er in seinen Büchern verpackt hat. Er schrieb keine Kriegsbücher, stattdessen schrieb er für die Menschlichkeit. Obwohl aus seinen Büchern schwere Kriegserlebnisse hervorgehen, ist Remarque alles andere als ein Pessimist.

Der Mensch ist gut, trotz allem. Sonst wäre die Atombombe die einzige Lösung.

Mit diesem Zitat beende ich meine Buchbesprechung und freue mich auf weitere Bücher von Remarque, von denen ich mir vor ein paar Monaten einen Vorrat angelegt habe... . 

Anmerkung: Die in Fettdruck hervorgehobenen Textstellen sind durch mich entstanden.

 __________________
„Die rechte Vernunft liegt im Herzen“ (Theodor Fontane)

Gelesene Bücher 2012: 56
Gelesene Bücher 2011: 86





Montag, 18. Juni 2012

Erich Maria Remarque / Der schwarze Obelisk (4)

Vierte und letzte Buchbesprechung zu o. g. Lektüre



Ich habe das Buch nun durch, aber außer mit dem Ich-Erzähler und der Isabell konnte ich mit den anderen Romanfiguren nicht wirklich warm werden, was ich bei den anderen beiden Werken von Remarque so nicht erlebt habe. In meinem Inneren konnte kein Platz für sie gefunden werden :D. Wahrscheinlich hat das etwas mit dem Thema zu tun, aus der die Figuren stammen. schon allein dieser schwarzen Obelisk schreckt mich ab.
Isabell ist ja nur der Fantasiename und heißt in der Roman-Wirklichkeit Genevieve Terhoven. Sie ist, nachdem die Ursache ihrer Erkrankung beseitigt wurde, tatsächlich von ihrer Schizophrenie geheilt... . Ludwig Bodem, der in diese junge Frau verliebt war, stimmte die Heilung recht kritisch, da sie nun alle ihre innere Wirklichkeiten mit der Behandlung eingebüßt hat... . Genevieve hatte irgendwie Weitblick. Sie spürte eine familiäre Veränderung, noch ehe sie eingetroffen war. Sie sprach von der Pflicht, recht bals sterben zu müssen, und es stellte sich heraus, dass mit der Heilung Isabell selbst gestorben ist. In ihrer Erkrankung gelangte sie an so viel Weisheit ... . Auch was das Gottesbild betrifft und die momentane politische Lage im Land, als sich Ludwig, der von ihr mit dem Namen Rudolf gerufen wird, mit ihr um das Thema Richtig und Falsch austauscht:

"Ach Rudolf, nichts ist falsch."
"Nein?"
"Natürlich nicht. Falsch und Richtig weiß nur Gott. Wenn er aber Gott ist, gibt es kein Falsch und Richtig. Alles ist Gott. Falsch wäre es nur, wenn es außer ihm wäre. Wenn aber etwas außer oder gegen ihn sein könnte, wäre er nur ein beschränkter Gott. Und ein beschränkter Gott ist kein Gott. Also ist alles richtig, oder es gibt keinen Gott. So einfach ist das."

Das passt ein wenig zu meiner Sichtweise, dass Gott nicht für die Verbrechen belangt werden kann, die die Menschen verüben. Wenn Menschen Kriege benötigen, weshalb sollte Gott sie daran hindern, dieses Bedürfnis auszuleben, wenn sie daraus eine nützliche Erfahrung ziehen können? Ich weiß, das klingt grotesk… .

Witzig fand ich, als Isabell erkennt, dass Ludwig gar nicht Rudolf heißt und fragt ihn nach seinem richtigen Namen, er antwortet:

"Ludwig", sage ich überrascht. Es ist das erste Mal, dass sie mich danach fragt.
"Ja, Ludwig, bist du deines Namens niemals müde?"
 Ich wäre nie auf die Idee gekommen, den Vornamen, den man ein Leben lang trägt, überdrüssig zu werden. Von der Idee her finde ich es richtig originell, so dass ich mich tatsächlich frage, weshalb sind wir es nicht Leid, immer denselben Vornamen zu tragen? 

So, ich gehe jetzt über zu einem anderen Zitat, das recht zynisch ist und mich trotzdem amüsiert hat. Es geht um die Zeit, wo sich Hitler in das Land einschleicht und sich die Nazis so langsam herausbilden. Ein neues Deutschlandbild formiert sich langsam. Männer mit kahlen Köpfen, die kommen, um zu philosophieren, nachdem nun die von Gewalt geprägte Kaiserzeit und der Erste Weltkrieg, die Inflation
überwunden ist. Ludwig Bodmers Eindruck allerdings zu den Kahlköpfen ist ein anderer:
"Da wirst du ein sehr einsames Leben vor dir haben. Die Zeit sieht nach Schlagen aus."
Ein Hinweis wohl, auf den zukommenden Nationalsozialismus und den Genozid an Juden, u.a.m.

Ich möchte noch ein paar wenige Gedanken zu dem schwarzen Obelisk schreiben, zu dem ich mich bis jetzt noch gar nicht geäußert habe, da ich noch nicht richtig sicher war, was er symbolisieren sollte, und, wie oben schon gesagt, ist das Bild für mich recht abschreckend.


Remarque bezeichnet das deutsche Volk als etwas hochmütig, vernunftbetont und prinzipientreu, ein Volk, das immer im Recht sein muss:

"Last uns unsere Vernunft feiern, aber nicht zu stolz auf sie sein und ihrer nicht zu sicher! (…) Recht zu haben ist jedes Mal ein Schritt dem Tode näher. Wer immer recht hat, ist ein schwarzer Obelisk geworden! Ein Denkmal!"
Aus dem Anhang ist zu dem Obelisk zu entnehmen:
"Der schwarze Obelisk wird im Roman an einer Stelle als der finstere Steinfinger, der aus der Erde in den Himmel zeigt, beschrieben. Ein vielleicht prophetisch zu nennendes Bild Remarques für Interkontinentalraketen mit atomaren Sprengköpfen? Natürlich steht das Symbol des schwarzen Obelisken für vieles und andere mehr, aber vielleicht doch zentral für den fortdauernden, todbringenden Rüstungswahn der Menschheit."

Ich beende nun hier meine Notizen, da ich nun von dem Buch doch recht gesättigt bin, aber es gibt noch sehr viele bedeutsame Stellen darin, die ich nicht erwähnt habe... . Bitte selber lesen!
___________
„Die rechte Vernunft liegt im Herzen“ (Theodor Fontane)

SuB:

Amin: Der Klang der Sehnsucht
Dickens: Schwere Zeiten
Frank: Rücken an Rücken
Kuan: Die Langnasen
Lenz: Die Masken
Leroux: Das Phantom der Oper
Lueken: New-York
Manguel: Die Bibliothek bei Nacht
Mann. T. Erzählungen (1)
Miin: Madame Mao
Muawad: Verbrennungen

Obrecht: Die Tigerfrau
Osorio: Mein Name ist Luz
Rahom: Stein der Geduld
Senger: Kaiserhofstr. 12
Thackeray: Das Buch der Snobs
Zweig: Brennendes Geheimnis

Gelesene Bücher 2012: 43
Gelesene Bücher 2011: 86

Sonntag, 17. Juni 2012

Erich Maria Remarque / Der schwarze Obelisk (3)

Dritte Buchbesprechung o. g. Lektüre


  
Es haben sich auf den letzten fünfzig Seiten jede Menge Zettelchen wieder angesammelt, und ich wieder ein paar bearbeiten möchte, um diese in meinen Literaturmappen zu verewigen. 

Ich möchte noch einmal auf Isabells Mond zurückkommen, den kühlen Mond, den sie getrunken hat und ich mich im Stillen fragte, wo sie den her habe, so habe ich nun eine Antwort gefunden.

Der Mond, der in einem Bach schimmert. Das ist der kühle Mond, den sie getrunken hat... ♥ ♥ ♥ Bin neugierig, wie es mit ihr weiter geht. 

Nun wechsle ich über zu den jungen Männern. Männer, die in den Krieg ziehen. Männer, die wieder zurückkehren. Männer, die gefallen sind.
Die jungen Männer, die den Krieg überlebt haben, sind ein wenig orientierungslos. Ständig auf der Suche nach der Identität, als der Krieg vorbei ist, und sie ihn überlebt haben, aber keine Soldaten mehr sind. Auch die sexuelle Identität ist alles andere als gefestigt, trotz der fünfundzwanzig Jahre, die z.B. Bodmer hat. Doch dazu später mehr. 
Die jungen Männer treffen sich zum Frühstück und kommen so auf den Weltschmerz zu sprechen, den Bodmer äußert. Andere wundern sich darüber und fragen nochmals nach, ob er denn welchen habe?
"Ein anständiger Mensch in meinem Alter hat immer Weltschmerz", erwiderte ich fest. "Es ist das Recht der Jugend."
" Ich dachte, man hätte dir die Jugend beim Militär gestohlen?"
" Stimmt. Ich bin noch immer auf der Suche nach ihr, finde sie aber nicht. Deshalb habe ich einen doppelten Weltschmerz. Sowie ein amputierter Fuß doppelt Schmerz" 
Die Zeit, die Bodmer und seine Kameraden im Krieg durchlebt haben, lässt sich anfühlen wir ein leeres Loch, als wäre etwas aus ihrer Jugend heraus geschnitten worden.
Auf der Suche nach der sexuellen Identität, so geht der Erzähler nochmals zurück in die Zeit, kurz bevor er als Soldat einberufen wurde. Sie suchten ein Bordell auf, und wurden von den feinen Damen allerdings abgewiesen, da sie die jungen Burschen von Kindesbeinen an kannten und jagten sie wieder aus dem Bordell mit der Bemerkung, ein Kontakt mit den feinen Damen sei wie ein Kontakt mit der eigenen Mutter. Ein Junge rebellierte und forderte sein auf Geschlechtsverkehr. Jedoch ohne Erfolg und so zogen viele in den Krieg, ohne je zu wissen, was eine Frau sei. Während des Krieges versuchten sie es erneut, als sie schon Soldaten waren:
Ich bin dann noch einmal im Kriege im Bordell gewesen. Das war am Tage, bevor wir ins Feld mussten. Wir waren knapp achtzehn Jahre alt, einige noch unter achtzehn und die meisten von uns hatten noch nie mit einer Frau etwas gehabt. Wir wollten aber nicht erschossen werden, ohne etwas davon zu kennen.
(…) So kam es, dass viele als Jungfrauen ins Feld zogen und siebzehn von uns fielen, ohne je gewusst zu haben, was eine Frau ist.
Eine wichtige adoleszente Lebensphase eines Jugendlichen, die für die psychische Entwicklung wichtig ist, ist ihnen genommen worden. 

Nach dem Krieg wussten viele junge Männer überhaupt nicht, wie sie sich einer Frau gegenüber zu nähern haben, die ihnen ganz besonders ins Auge fielen. Der militärische Drill steckt ihnen so in den Knochen, dass dies auch zu jenem  Kontakt mit der Frau noch zu spüren ist:

In der Gruppe tauschen sich die jungen Leute über die Liebe aus, und die junge Gerda, die es auf Bondmer abgesehen hat, nimm seine Unerfahrenheit wahr und zieht ihn damit ein wenig auf:
"Du gehst an die Liebe heran wie ein bewaffneter Korpsstudent, der glaubt, es ging zum Duell anstatt zum Tanz. (…) Du Knalldeutscher! und dass nur Idioten glauben, dass eine Nation besser sei als die anderer."
"Und dass nur Idioten glauben, dass eine Nation besser sei als die anderer."
Nun ja, das ist ja heute immer noch so. Hierzulande ganz besonders, dass viele Deutsche hier glauben, die Deutschen seien etwas ganz Besonderes und die Südländer etwas ganz Verwerfliches. :D :D :D
Es folgt nun wieder eine amüsante Szene unter Frauen, und die Art, wie Bodmer, der an dieser Gesellschaft teilnimmt, diese Szene beschreibt, gefällt mir besonders gut. Es geht um die   Wahrnehmungskraft mancher Frauen und auf welche Weise diese Fähigkeit von ihnen genutzt wird:
Die Damen begrüßen sich wie lächelnde Polizisten.
" Welche hübsches Kleid, Gerda", gurrte Renée." Schade, dass ich so etwas nicht tragen kann! Ich bin zu dünn dazu."
"Das macht nichts", erwidert Gerda."Ich fand die vorjährige Mode auch eleganter. Besonders die entzückenden Eidechsenschuhe, die du trägst. Ich liebe sie jedes Jahr mehr."
Ich sehe unter den Tisch. Renée trägt tatsächlich Schuhe aus Eidechsenleder. Wie Gerda das im Sitzen sehen konnte, gehört zu den ewigen Rätseln der Frau. Es ist unverständlich, dass die Gaben des Geschlechts nie besser praktisch ausgenutzt worden sind - zur Beobachtung des Feindes in Fesselballons bei der Artillerie oder für ähnliche kulturelle Zwecke. :D .
Ich sage ja, Remarque lässt keinen aus mit seiner Kritik. Er hat ein großes Gerechtigkeitsempfinden. Er nimmt jeden unter seine Lupe und das zu Recht. Diesmal sind es die Frauen gewesen... Frauen, die ihre Fähigkeiten auf Unwesentliches lenken. 

Die Regierung genießt durch die Inflation als einzige ihre Vorteile, denn sie verliert durch die Inflation auf einen Schlag alle ihre Schulden, gleichzeitig aber verliert sie auch ein Großteil ihres Volkes. Wobei ich nicht glaube, dass dieser Volksverlust wirklich betrauert wird.

Morgen folgt die letzte Buchbesprechung zu diesem Werk. Ich habe jetzt noch knapp zweihundert Seiten vor mir.
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„Die rechte Vernunft liegt im Herzen“ (Theodor Fontane)

SuB:

Dickens: Schwere Zeiten
Frank: Rücken an Rücken
Kuan: Die Langnasen
Lenz: Die Masken
Leroux: Das Phantom der Oper
Lueken: New-York
Manguel: Die Bibliothek bei Nacht
Mann. T. Erzählungen (1)
Miin: Madame Mao
Muawad: Verbrennungen
Osorio: Mein Name ist Luz
Remarque: Der schwarze Obelisk
Rahom: Stein der Geduld
Senger: Kaiserhofstr. 12
Thackeray: Das Buch der Snobs
Zweig: Brennendes Geheimnis

Gelesene Bücher 2012: 42
Gelesene Bücher 2011: 86

Erich Maria Remarque / Der schwarze Obelisk (2)


Zweite Buchbesprechung der o. g. Lektüre



Ich befinde mich nun auf der zweihundertsten Seite. 
Interessant finde ich, dass Remarque psychische Erkrankungen relativiert. Es geht um die an Schizophrenie erkrankte junge Frau Isabell, die in ihrer Traumwelt lebt und auf Lebenszeit in einer Psychiatrie untergebracht ist. Mir hat das Bild mit dem trinkenden Mond so gut gefallen:

Sie trinkt den Mond, aber nicht den glühenden Mond, sondern den kühlen. Der Mond würde wie Opal schmecken :D. Sie darf, während der getrunkene Mond durch ihren Körper hindurchscheint, kein Licht anknipsen, denn sonst würde der Mond in ihr verwelken  :D. 
Isabell wirkt alles andere als unglücklich und die Ideen, die ihr in während ihrer Erkrankung erscheinen, sind recht kreativ und recht weitblickend. Die Ärzte allerdings sehen das Krankhafte darin, dass multiple Persönlichkeiten in ihr leben würden, und diese sie zerreißen. Jede Persönlichkeit besitze eine andere Wahrnehmung und eine andere Identität. So flüchtet Isabell in ihre fiktive Welten, weg von der realen Welt. Sie wäre draußen nicht überlebensfähig. Kritisch hinterfragt Ludwig Bodmer das Krankheitsbild:
Hat nicht jeder normale Mensch auch ein Dutzend Persönlichkeiten in Sicht? Und ist der Unterschied nicht nur der, dass der Gesunde sie unterdrückt und der Kranke sie frei lässt? Wer ist der Kranke? 
Da ich ja selbst mit psychisch kranken Menschen zu tun habe und mich diese Frage ständig beschäftigt, sind die Menschen für mich erst wirklich krank, die Seelenschmerzen empfinden und sie aus eigener Kraft nicht mehr herausfinden. Es gibt aber tatsächlich viele Menschen, die auch in meinen Augen ver-rückter erscheinen als die wirklichen Kranken, auch deshalb, weil sie sich nicht in Behandlung befinden und sich selbst nicht hinterfragen, Diagnoselose Kranke bezeichne ich sie. Menschen dieser Art werden sogar in ihrem Umfeld positiv bestätigt, so dass sie ohne Skrupel und ohne Seelenschmerz ihre Unarten weiter ausleben und sie diese nichtsahnend bestimmten Mitmenschen aufdrängen. Ich denke ganz besonders an Leute, die recht erfolgreich in ihrem Leben sind. Menschen in der Politik, Menschen in der Leitungsfunktion, Menschen, die vermögend sind... . Bei diesen Persönlichkeiten ist die Toleranzgrenze von Seiten der Gesellschaft wesentlich höher, und diese Ver-rücktheiten dadurch weniger auffallen. Wenn solche Ver-rückten in ihrem Verhalten bestätigt werden, weshalb sollten sie denn auf die Idee kommen, ver-rückt zu sein?

Bei Isabell habe ich nicht den Eindruck, dass sie an ihrer Erkrankung leidet. Interessant wäre allerdings, ihr Leben außerhalb der geschützten Gemäuer zu verfolgen.

Bodmer verachtet eigentlich auch die Literatur, da sie, aus seiner Sicht, wenig Positives in der Welt bewirkt habe.
"Bücher haben überhaupt keinen Zweck, (…). Wenn man sieht, was hier alles geschrieben ist und wie es trotzdem in der Welt aussieht, sollte man nur noch die Speisekarte in den Lokalen und die Familiennachrichten im Tageblatt lesen."
Ich glaube, dass es in der Welt noch rabiater zugehen würde, wenn wir nicht geprägt wären von der Literatur. Aber (Klein)Krieg führt der Mensch nach wie vor zu jeder Zeit. Geistig gesehen, so meine Meinung, sind wir alles andere als zivilisiert. Eigentlich sind wir immer noch Buschmenschen, Primaten. Im Materiellen hat sich der Mensch natürlich in der westlichen Welt weiter entwickelt.

Es gibt wirklich nichts, worüber sich der Ich - Erzähler keine Gedanken macht. Vom Krieg geprägt, ein richtiger Pazifist geworden, hinterfragt er wiederholt die verschiedenen Religionen unter den verschiedenen Soldaten, die alle an verschiedenen Göttern glauben. Und jeder betet zu seinem Gott, er möge den Krieg in seinem Land gewinnen lassen... :D.
Die Pastor segnen das Denkmal ein; jeder für seinen Gott. Ich habe im Felde, wenn wir zum Gottesdienst befohlen wurden und die Pastoren der verschiedenen Bekenntnisse für den Sieg der deutschen Waffen beteten, oft darüber nachgedacht, dass er ebenso englische, französische, russische, amerikanische, italienische und japanische Geistliche für die Siege der Waffen ihrer Länder beteten, und sie haben mir Gott dann so vorgestellt wie eine Art von eiligem Vereinspräsidenten in Nöten, besonders wenn zwei gegnerische Länder des gleichen Bekenntnisses beteten. Für welches sollte Gott sich entscheiden? :D Für das mit den meisten Einwohnern? Oder das mit den meisten Kirchen? Oder wo war seine Gerechtigkeit, wenn ein Land gewinnen ließ, das andere aber nicht, obschon auch dort fleißig gebetet wurde? Manchmal kam er mir auch vor wie ein gehetzter Alter Kaiser über viele Staaten, der dauernd zu Repräsentationen musste und immer die Uniform zu wechseln hatte - jetzt die katholische, dann die protestantische, die evangelische, die anglikanische, die reformierte, je nach dem Gottesdienst, der gerade gehalten wurde, sowie ein Kaiser bei den Paraden von Husaren, Grenadieren, Artillerie und Marine.
Pastoren sind eben auch nur Menschen, die nichts anderes tun, als ihren Beruf zu vertreten und zu verteidigen. Unsere Welt, der Mensch an sich, besteht eben aus Widersprüchen. Allerdings habe ich ein wenig ein Problem, wenn Gott für alle Taten, die der Mensch verübt, verantwortlich gemacht wird. Heißt es nicht in der Bibel, ich schenke euch die Erde und macht sie euch untertan?

Es gibt keine Antworten auf viele Fragen, wobei es viele Männer  damals gegeben hat, die gibt es heute noch immer, die gerne, heroisch und heldenmütig in den Krieg gezogen sind. Es stellt sich mir andersherum die Frage, braucht der Mensch einen Krieg, um die Sinnlosigkeit besser erfahren zu können? Wobei Krieg für viele Länder  nicht wirklich als sinnlos aufgefasst wird ... .

Es gibt auch ein paar Szenen in dem Buch, die mich recht amüsiert haben, auch wenn sie von einem schwarzen Humor geprägt sind. Es geht um einen Tischler, der in Zeiten des Krieges große Geschäfte macht mit dem Bauen von Särgen. viele Menschen bekommen Angst vor ihm, wenn in der Werkstatt ein Sarg herumsteht. Mit der Ausnahme einer älteren und vornehmen Dame, die so frei war, und ein Probeliegen forderte. Der Tischler berichtet aus seiner Erfahrung:
Einmal, in Hamburg, hat sich eine Dame, der war es egal. Es machte ihr sogar Spaß. Sie war scharf drauf. Ich füllte den Sarg halb voll mit weichen weißen Hobelspänen aus Tanne, die riechen immer so romantisch nach Wald. Alles ging gut. Wir hatten mächtigen Spaß, bis sie wieder heraus wollte. Es war irgendwo noch etwas von dem verdammten Leim an einer Stelle auf dem Boden nicht ganz trocken gewesen, die groben Späne hatten sich verschoben, und die Haare der Dame waren in den Leim geraten und festgeklebt. Sie ruckte ein paar Mal, und dann ging das Schreien los. Sie glaubte, es wären Tote, die sie bei den Haaren festhielten. Sie schrie und schrie (...).
Auf den weiteren Seiten werden recht viele Gedanken festgehalten, von Soldaten, die längst aus dem verlorenen Krieg zurückgekehrt sind, aber ihre Köpfe und Ohren auch jahrelang danach noch voller Kriegsgeräusche behaftet sind. Viele leiden an einer Posttraumatischenbelastungsstörung und sind psychiatrisch untergebracht. Viele sogar auf Lebenszeit.
Das Leben in einem Geschöpf zu beenden ist immer wie ein Mord. Zeitlichen Kriege war, würde ich sogar ungern eine Fliege. Trotzdem hat mit der Stück halb heute Abend gut geschmeckt, dass man getötet hat, damit Sie es essen. Das sind die alten Paradoxe und verhindern Schlussfolgerung. Das Leben ist ein Wunder, auch in einem Kalk und in einer Fliege. Besonders in einer Fliege - diese Akrobaten mit ihren tausenden von Augenfacetten. Es ist immer ein Wunder. Aber es wird immer beendet. Warum töten wir im Frieden einen kranken Hund und nicht einen kranken Menschen? Aber wir morden Millionen in nutzlosen Kriegen.
Mit dem Morden von kranken Menschen sind diejenigen gemeint, die das Leben vor lauter  Schmerzen nicht mehr ertragen wollen. Im Krieg sind viele Soldaten so schwer verwundet gewesen, es war abzusehen, dass sie nicht überleben würden, und man ihrem Bedürfnis nach einer Erlösungsspritze nicht nachkommen wollte,  wonach sie so sehr verlangten.

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„Die rechte Vernunft liegt im Herzen“ (Theodor Fontane)


SuB:

Dickens: Schwere Zeiten
Frank: Rücken an Rücken
Kuan: Die Langnasen
Lenz: Die Masken
Leroux: Das Phantom der Oper
Lueken: New-York
Manguel: Die Bibliothek bei Nacht
Mann. T. Erzählungen (1)
Miin: Madame Mao
Muawad: Verbrennungen
Osorio: Mein Name ist Luz
Remarque: Der schwarze Obelisk
Rahom: Stein der Geduld
Senger: Kaiserhofstr. 12
Thackeray: Das Buch der Snobs
Zweig: Brennendes Geheimnis

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Samstag, 16. Juni 2012

Erich Maria Remarque / Der schwarze Obelisk (1)


Erste Buchbesprechung der o. g. Lektüre



Ich bin von dem Buch total angetan. Man hört ja viel über die Inflation, aber Remarque bringt das richtig lebendig rüber. Sich die Zigarette mit einem Hundertmarkschein anzuzünden, das ist schon grotesk. Oder ein Laib Brot, das 1000 Mark kostet ... . Was ich an Remarque besonders schätze und liebe, ist, er ergreift Partei für Menschen, denen es an Gerechtigkeit mangelt, denen es an materiellen Gütern fehlt. Menschen, die durch eine Regierung in existentielle Nöte geraten sind. Menschen, die politisch und gesellschaftlich benachteiligt sind. Ich mag Menschen, die parteiisch sind. ... . Ziemlich schlecht schneidet in dem Buch die katholische Kirche ab. Während die Menschen hungern und nicht wissen, wie sie um den nächsten Tag kommen, sieht bei ihr die Tafel recht prunkvoll aus, wie reichlich deren Tisch gedeckt ist... . Die Rede ist von einer Klinik, die von Ordensschwestern geleitet wird, und der Protagonist, Orgelspieler, dort an der Tafel gemeinsam mit dem Vikar teilnehmen darf als Ausgleich für das geringe Gehalt für sein musisches Engagement.
Remarque schreibt allgemein recht gesellschaftskritisch und nimmt auch das kleine Volk unter seine Lupe... .

Der Protagonist ist der Ich-Erzähler und heißt Ludwig Bodmer, und macht es dem Leser möglich, in Institutionen hinter die Kulissen zu schauen. 
 Ludwig Bodmer ist fünfundzwanzig Jahre jung und hat schon allerhand erlebt aber er bezeichnet sich für zu jung auf manchem Gebiet. Seine Freunde widersprechen ihm, und betrachten ihn als ein Kriegsprodukt - emotional zu unreif, aber erfahren im Morden ... :D. 

Eine Straßenbahnfahrt, hin und zurück, kostet 1000 Mark. Der Eintritt ins Museum 250 Mark, die Tapeten an den Wänden kann man mit Geldscheinen zukleistern... .
Die wirklichen Verlierer sind die kleinen Leute, die Sparer, die durch die Inflation von heute auf morgen ihre gesamten Ersparnisse verloren haben. Gewinner sind die Aktionäre und die Börsianer... . Also, die Reichen, die wussten, wie man Geld anlegt... . 
Folgende Szene hat mich besonders betroffen gemacht. Es geht um einen Suizidanten, der aufgrund seiner Tat auf dem Kirchhof nicht begraben werden darf. Bodmer kann das gar nicht verstehen und nimmt sich mitfühlend der verzweifelnden, trauernden, hinterbliebenen Ehefrau an:

" Sie meinen, dass er deshalb nicht auf dem Kirchhof beerdigt werden darf?", fragte ich.
" Ja. Nicht auf dem katholischen. Nicht in geweihter Erde."
" Aber das ist doch Unsinn!", sagte ich  ärgerlich." er sollte in doppelter geweihter Erde begraben werden. Niemand nimmt sich ohne Not das Leben. Sind Sie ganz sicher, dass das stimmt?"
" Ja. Der Pastor hat es gesagt."
" Pastoren reden viel, das ist ihr Geschäft. Wo soll er denn sonst beerdigt werden?"
"Außerhalb des Friedhofs. Auf der anderen Seite der Mauer. Nicht auf der geweihten Erde. (…) Und das geht nicht. Er war fromm. Er muss-", Ihre Augen sind plötzlich voll Tränen."Er hat es sicher nicht überlegt, dass er nicht in geweihter Erde liegen darf."
" Er hat wahrscheinlich überhaupt nicht daran gedacht. Aber grämen Sie sich nicht wegen Ihres Pastors. Ich kenne Tausende von sehr frommen Katholiken, die nicht in geweihter Erde liegen."
Sie wendet sich mir rasch zu. "Wo?"
" Auf den Schlachtfeldern in Russland und Frankreich. Sie liegen da beieinander in Massengräbern, Katholiken, Juden und Protestanten, und ich glaube nicht, dass das Gott etwas ausmacht." :D
" Das ist etwas anderes. Sie sind gefallen. Aber mein Mann-" (…) der Pastor behauptet, die Todsünde-".
" Liebe Frau", unterbreche ich sie. Gott ist viel barmherziger als die Priester, das können Sie mir glauben."

Er sollte in doppelter geweihter Erde begraben werden, damit will der Autor zu verstehen geben, dass diese Menschen, die so viel Leid erfahren, es besonders verdienen, geachtet und respektiert zu werden.

Und der letzte Satz könnte von mir sein. Denn auch ich bin der Meinung, dass Menschen viel härter im Urteil sind, was die menschliche Schwäche betrifft, sollte es einen Gott geben. Es ist der Mensch, der sich nach Rache und nach Sühne sehnt, nach einer Hölle für seine Feinde. Es ist der Mensch, der sich nach einem strafenden Gott sich sehnt, aber mein Gottesbild ist davon geprägt, dass Gott nur vergeben will. Es ist ja schließlich nicht so einfach, verglichen mit anderen Lebewesen.

Weiter geht es im Dialog. Die Frau geniert sich, dass sie ihre Trauer einem wildfremden Menschen anvertraut. Doch Bodmer versucht sie zu trösten, dass es für diese kritische Zeiten normal sei, so viel mit Toten zu tun zu haben:

"Ja -aber nicht so-"
" doch", erkläre ich. Das passiert in dieser traurigen Zeit viel häufiger als Sie denken. Sieben allein im letzten Monat. Es sind immer Menschen, die nicht mehr ein noch aus wissen. Anständige Menschen also. Die unanständigen kommen durch." 

Es folgt noch ein anderes Zitat, das mir sehr imponiert hat und mir auch aus der Seele spricht. Es geht um die Grabreden, um Todesanzeigen, die immer so positiv und menschenliebend ausfallen. Dieses Zitat möchte ich gerne festhalten, weil es so schön und treffend ausgedrückt ist und auch heute noch aktuell ist:

"Wenn es nach den Todesanzeigen ginge, wäre der Mensch absolut vollkommen. Es gibt nur perfekte Väter, makellose Ehemänner, vorbildliche Kinder, uneigennützige, sich aufopfernde Mütter, allerseits bedauerte Eltern, Geschäftsleute, gegen die Franziskus von Assisi ein hemmungsloser Egoist gewesen sein muss :D, gütetriefende Generäle, menschliche Staatsanwälte, fast heilige Munitionsfabriken :D - kurz, die Erde scheint, wenn man den Todesanzeigen glaubt, von einer Horde Engel ohne Flügel bewohnt
gewesen sein, von denen man nichts gewusst hat. Liebe, die im Leben wahrhaftig nur selten rein kommt, leuchtet im Tode von allen Seiten und ist das häufigste, was es gibt. Es wimmelt nur so von erstklassigen Tugenden, von treuer Sorge, von tiefer Frömmigkeit, von selbstloser Hingabe, und auch die Hinterbliebenen wissen, was sich gehört - sie sind von Kummer gebeugt, der Verlust ist unersetzlich, sie werden den Verstorbenen nie vergessen - es ist erhebend, das zu lesen, und man könnte stolz sein, zu einer Rasse zu gehören, die so noble Gefühle hat.

Szenenwechsel:


Bodmer befindet sich wieder bei einem seiner Freund, als sie zum gemeinsamen Essen verabredet sind:

" Was gibt es heute bei Eduard?"
" Deutsches Beefsteak." 
" Gehacktes Fleisch also. Warum ist gehacktes Fleisch deutsch?"
" Weil wir ein kriegerisches Volk sind und sogar im Frieden unsere Gesichter in Duellen zerhacken." 

zu dem Fettdruck, von mir erhoben, muss ich nichts mehr sagen, die Textstelle versteht sich von selbst.
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„Die rechte Vernunft liegt im Herzen“ (Theodor Fontane)

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Frank: Rücken an Rücken
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Miin: Madame Mao
Muawad: Verbrennungen
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Remarque: Der schwarze Obelisk
Rahom: Stein der Geduld
Senger: Kaiserhofstr. 12
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