Dienstag, 31. Dezember 2013

Markus Walther / Buchland

Klappentext

Das muss auch die gescheiterte Buchhändlerin Beatrice feststellen, als sie notgedrungen die Stelle im staubigen Antiquariat des ebenso verstaubt wirkenden Herrn Plana annimmt. Schnell merkt sie allerdings, dass dort so manches nicht mit rechten Dingen zugeht:Wer verbirgt sich hinter den so antiquiert wirkenden Stammkunden „Eddie“ und „Wolfgang“? Und welche Rolle spielt Herr Plana selbst, dessen Beziehung zu seinen Büchern scheinbar jede epische Distanz überwindet?Doch noch ehe Beatrice all diese Geheimnisse lüften kann, gerät ihr Mann Ingo in große Gefahr und Beatrice setzt alles daran, ihn zu retten. Zusammen mit Herrn Plana begibt sie sich auf eine abenteuerliche Reise quer durch das mysteriöse Buchland. Dort treffen sie nicht nur blinde Buchbinder, griechische Göttinnen und die ein oder andere Leseratte, auch der Tod höchstpersönlich kreuzt ihren Weg.Und schon bald steht fest: Es geht um viel mehr, als bloß darum, Ingo zu retten. Vielmehr gilt es, die Literatur selbst vor ihrem Untergang zu bewahren!
Markus Walther, der Autor der Kurzgeschichtensammlungen „EspressoProsa“ und „Kleine Scheißhausgeschichten“, entführt den Leser nun mit seinem ersten Roman in die phantastische Welt des Buchlandes. Ein Muss für jeden Bibliophilen!

Autorenporträt
Markus Walther, geboren 1972 in Köln, lebt seit 2006 mit seiner Frau und zwei Töchtern in Rösrath. Als ausgebildeter Werbetechniker begeisterte er sich bald für die Schriftgestaltung und machte sich 1998 als Kalligraph selbstständig. Der Schwerpunkt seiner schriftstellerischen Arbeit liegt in der Gattung der Kurz- und Kürzestgeschichte. Die Gratwanderung zwischen Klischee und Pointe, Independent und Mainstream führt ihn seither quer durch sämtliche Genres der Bücherwelt.
Den Autor kannte ich bisher gar nicht. Kennengelernt habe ich ihn durch meine Literaturfreundin Brigitte, die mich auf den Geschmack gebracht hat. Nun bin ich selbst ganz neugierig, wie es mir gefallen wird. Auf der ersten Seite habe ich schon ein recht schönes Zitat gefunden, hebe es mir aber für meine spätere Buchbesprechung auf.



Montag, 30. Dezember 2013

Pascal Mercier / Nachtzug nach Lissabon (1)


Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Ich denke, ich werde Pascal Mercier auf meine Favoritenliste setzen, er entpuppt sich immer mehr zu meinen LieblingsautorInnen. Mann kann ja mehrere Lieblinge haben. Ich finde seinen Schreibstil wiederholt einfach nur gut. Tiefgründig, fantasievoll, und poetisch.
Vieles brachte mich zum Nachdenken, werde aber nicht alles hier einbringen, lasse aber bestimmte Blättchen auf den Buchseiten liegen, und immer wenn ich wieder in eine bestimmte Lebenssituation gerate, lese ich in diesem Buch nach, indem ich die betereffende Seite aufschlage…

In dem Buch findet man viele philosophische, aber auch psychologische Gedanken vor. Eines möchte ich nur bemängeln, was mir aber schon im letzten Buch von ihm aufgefallen ist. Pascal Mercier verfügt über mehrere Fremdsprachen. Wenn diese in seinen Werken zur Geltung kommen, muss man damit rechnen, dass diese Textstellen nicht übersetzt werden. Ich hatte mit dem Französischen keine Probleme, dafür aber mit dem Portugiesischen. Der Autor setzt voraus, dass seine LeserInnen auch über Kenntnisse jener Fremdsprache verfügen. Französische Textstellen werden gar nicht übersetzt, lateinische, griechische oder portugiesische dagegen nur ab und an. Dies bemängele ich…

Und nun zum Inhalt:

Zur Erinnerung hier noch einmal der Klappentext:
Mitten im Unterricht verlässt ein Lehrer seine Schule und macht sich auf den Weg nach Lissabon, um den Spuren eines geheimnisvollen Autors zu folgen. Immer tiefer zieht es ihn in dessen Aufzeichnungen und Reflexionen, immer mehr Menschen lernt er kennen, die von diesem Mann, den ein dunkles Geheimnis umgibt, zutiefst beeindruckt waren. Eine wundervolle Reise – die vergeblich sein muss und deren Bedrohungen der Reisende nicht gewachsen ist. Endlich kann er wieder fühlen, endlich hat er von seinem Leben zwischen Büchern aufgeblickt – aber was er sieht, könnte ihn das Leben kosten 
Ich finde es sehr originell, dass ein Gymnasiallehrer einfach seine Stunde verlässt, mit der Absicht, nach Lissabon zu verreisen. Den Impuls dazu erhielt Raimund Gregorius von einer portugiesischen Frau, mit der er köperlich zusammengestoßen ist, und sie ihm eine portugiesische Telefonnummer auf seine Stirn schrieb.

Aber die Frau verschwindet wieder aus seinem Leben… Aber Gregorius fühlt sich zu Portugal so hingezogen, dass es ihn in ein Antiquariat hinzieht. Der Antiquar drückt ihm ein altes Buch in die Hand, ein Buch eines portugiesischen Autors, der aber nicht mehr am Leben ist. Gregorius begibt sich auf Spurensuche, da er von der Intelligenz und der Weisheit des Autors so angetan ist, dass er davon nicht mehr loslassen konnte. Gregorius ist Altphilologe, der einst als Student die alten Sprachen in Lissabon studiert hatte.

In dem Buch gibt es zwei Protagonisten. Neben dem Altphilologen dreht sich viel um den Autor des Buches. Manchmal habe ich die beiden verwechselt und denke, dass beide eine große intellektuelle und eine persönliche Ähnlichkeit besitzen. Der Autor des Buches ist ehemaliger Arzt von Beruf gewesen, der nicht mehr lebt. Eine hochbegabte Persönlichkeit, die schon als Schüler alles Wissen in sich hatte, was andere erst noch erlernen mussten. Dieser Schüler war Amedeu de Prado und stammt aus einer Adelsfamilie:

Als Amadeu ein Junge war, und das Gymnasium zum ersten Mal besuchte, kam er von der Uhrzeit her nicht nur zu spät zum Unterricht, sondern auch noch einen Tag zu spät. Amadeu fiel in seiner neuen Klasse sofort auf, da er als einziger in der Klasse mit einem Gehrock gekleidet war und ohne Schultasche erschien. Als wollte er sagen, er trüge sein ganzes Wissen mit sich in seinem Kopf. Amadeu ist ein hochbegabter junger Mensch, dem sogar sein eigener Vater, Jurist von Beruf, nichts hätte vormachen können. Mit vier Jahren konnte er schon lesen, und im Alter von sechs Jahren waren ihm Kinderbücher schon zu langweilig und so begann er, Bücher für Erwachsene zu lesen. Amadeu war kein gewöhnliches Kind.

Selbst Amadeus Lehrer zeigten sich über seine hohe Bildung in dem Alter recht erstaunt:
"Wenn Amadeu ein Buch liest", sagte ein anderer Lehrer, "dann hat es nachher keine Buchstaben mehr. Er verschlingt nicht nur den Sinn, sondern auch die Druckerschwärze." Und so war es auch: Die Texte schienen ganz und gar in ihm zu verschwinden, und was nachher im Regal stand, waren nur noch leere Hülsen. Die Landschaft seines Geistes in der unverschämt hohen Stirn weitete sich mit atemberaubendem Tempo, von Woche zu Woche bildeten sich darin neue Formationen heraus, überraschende Formationen aus Ideen, Assoziationen und fantastischen sprachlichen Einfällen, die uns stets von Neuem in Erstaunen versetzen. Es kam vor, dass er sich in der Bibliothek versteckte und die ganze Nacht über mit einer Taschenlampe weiterlas. Beim ersten Mal geriet seine Mutter in helle Panik, als er nicht nach Hause kam. Doch mehr und mehr gewöhnte sie sich mit einem gewissen Stolz daran, dass der Junge dazu neigte, alle Regeln außer Kraft zu setzen. (247)
Der erwachsene Amadeu hatte zum Schriftstellern eigentlich nur wenig Zeit. Tagsüber praktizierte er bis spät in den Abend hinein. Er litt unter massiven Schlafstörungen, sodass er die schlaflosen Nächte nutzte zum Nachdenken und zum Schreiben. Schon als Kind wandte er Methoden an, alle seine Gedanken jeweils auf kleine Zettelchen zu schreiben. Gregorius findet in dem Buch diese vielen Gedanken, die auch ihn beschäftigen…

Oft wird die Frage gestellt, was für ein Wesen Mensch er sei? Wer bin ich? Darf ich so sein, wie ich bin? Wie viele Anteile von mir dürfen gelebt und entfaltet werden?
Wenn es so ist, dass wir nur einen kleinen Teil von dem leben können, was in uns ist - was geschieht mit dem Rest? (36)
Der Rest wird wohl in uns selbst verkümmern, im Inneren brachliegen, lautet meine Antwort darauf, und wartet darauf, bis diese unerwünschten Anteile gelebt werden dürfen. Doch warum nicht gleich? Verpassen wir nicht diese Gelegenheiten und leben an uns vorbei? Dies sind Gedanken, die sich auch der Lehrer Gregorius gestellt hatte, weshalb er den Sprung waghalsig wagte, ohne Rücksicht auf den Beruf und dessen KollegInnen. Familie hatte er ja keine, war geschieden. Es gab auch keine Kinder, auf die er hätte Rücksicht nehmen müssen.
Jeder von uns ist mehrere, ist viele, ist ein Übermaß an Selbsten. Deshalb ist, wer die Umgebung verachtet, nicht derselbe, der sich an ihr erfreut oder unter ihr leidet. In der weitläufigen Kolonie unseres Seins gibt es Leute von mancherlei Art, die auf unterschiedliche Weise denken und fühlen. P. M. zitert (Fernando Pessoa)
Auf Seite 313 ist zu entnehmen, dass die Wahrheit über sich selbst zu erfahren, zumutbar für den Menschen sei.

Dies fand ich auch ein schönes Zitat, nur stellt sich mir die Frage, was die Wahrheit selbst ist, und wie man zu ihr gelangt?
Auf den folgenden Seiten wird recht deutlich, dass sie in das Hineinhorchen in sich selbst erfahrbar gemacht werden könne, doch für viele Menschen diese Stille nicht aushaltbar sei und sie permanent damit beschäftigt seien, sich nach außen hin abzulenken. Viele hätten Probleme, mit sich in Berührung zu kommen.

Amadeu war eine Persönlichkeit, die nie viel gesprochen hat. Selbst sein Vater, der Jurist ist, sprach nicht viel. Über Gefühle schon mal gar nicht. Und gerade dies wird ihnen beiden in der Beziehung zwischen Vater und Sohn zum Verhängnis…
Amedeu hat die Sprache verachtet, die ihm so abgenutzt und abgedroschen erschien:
Wenn ich Zeitung lese, Radio höre oder im Café darauf achte, was die Leute sagen, empfinde ich immer öfter Überdruss, ja Ekel ob der immer gleichen Worte, die geschrieben oder gesprochen werden - ob der immer gleichen Wendungen, Floskeln und Metaphern. Und am schlimmsten ist es, wenn ich mir selbst zuhöre und feststellen muss, dass auch ich die ewig gleichen Dinge sage.  (…) Oft redeten die Menschen nur, um zu reden. (…) Sie beim Wort nehmen zu wollen - das sei etwas, was nur einem Philologen einfallen könne, namentlich einem Altphilologen, der den ganzen Tag mit unverrückbaren Worten zu tun habe, mit Texten eben, und noch dazu mit solchen, zu denen es Tausende von Kommentaren gebe. (49ff)
Amedeu ist ein sehr belesener Mensch, und ich glaube, dass viel belesene Menschen auch sehr einsame Menschen sind, und dadurch nicht viel reden.

Nun komme ich noch einmal auf die Vater – Sohn – Beziehung zu sprechen: Amadeus Vater spürte den Druck seines Sohnes. Amadeus verachtete seinen Vater als Richter, da er eine Autorität sei, die über andere Menschen urteilt, sie bestraft und sie ins Gefängnis schickt. Der Vater war dem Sohn kein Vorbild, Amedeu wünschte sich, der Vater wäre besser Verteidiger geworden, statt Richter und so gewinnt Amedeu aus Trotz Sympathien zu Dieben. Was beide voneinander nicht wussten, ist, dass jeder für sich dem anderen Briefe geschrieben und ihre Anklagen mit Worten laut werden ließen. Eine Aussprache, aber niemand hatte den Mut, die Briefe auch zu überreichen, aus Angst vor zu viel Emotionalität. Amedeu litt sehr stark unter der emotionsarmen Beziehung seines Vaters. Gefühle durften nicht sein, und dementsprechend konnte auch Amadeu sich nicht wirklich öffnen. Beide hatten Probleme in der Balance zwischen Nähe und Distanz, auch im Umgang mit Freunden. Ein kleiner Auszug aus dem Brief des Vaters:
Mein geschätzter, mein lieber Sohn, ich habe über die Jahre so viele Briefe an dich angefangen und weggeworfen, dass ich nicht weiß, der wie vielte dieser ist. Warum ist es so schwer?Kannst du dir vorstellen, wie es ist, einen Sohn zu haben, der mit soviel Wachheit und so vielen Begabungen gesegnet ist? Einem wortgewaltigen Sohn, der dem Vater das Gefühl gibt, dass ihm nur die Stummheit bleibt, um nicht wie ein Stümper zu klingen? (…) Wie schwer ist es für einen Vater, vor seinen Kindern zu bestehen! Und wie schwer ist der Gedanke zu ertragen, dass man sich mit all seinen Schwächen, seiner Blindheit, seinen Irrtümern und seiner Feigheit in ihre Seelen einschreibt! (…) Ich sah zu, wie du groß wurdest, ich bestaunte den Sprühregen deines Geistes, ich hörte deine Flüche über Gott. (…) Neidisch war ich auch wegen deines Schultextes, wegen der Selbstständigkeit des Denkens und wegen des aufrechten Gangs, die aus jeder Zeile sprachen. Sie waren wie ein leuchtender Horizont, den ich auch gerne erreicht hätte, den ich aber nie würde erreichen können, dazu war die bleierne Schwerkraft meiner Erziehung zu groß. Wie hätte ich dir meinen stolzen Neid erklären können? Ohne mich klein zu machen, kleiner noch und gedrückter, als ich ohnehin schon war? Manchmal schien es, als gehörten die Bücher zu dir wie die Hände, die sie hielten. (…) Ich habe dich als Lesenden geliebt, ich habe dich sehr geliebt. (470 f)
Amadeu überrascht den Vater, als er im Gerichtssaal sitzt, und seinen Vater bei der Urteilsverkündung beobachtet:
Ich spürte die Angst, als ich dich im Gericht sah. Ich musste die Diebin verurteilen und ins Gefängnis schicken, das Gesetz verlangt es so. Warum hast du mich bei Tisch angesehen wie einen Folterknecht? Dein Blick klemmte mich, ich konnte nicht darüber sprechen. Hast du etwa eine bessere Idee, was wir mit Dieben machen sollen? (472f)
Im späteren Brief fragte ihn der Vater, ob ihm sein Tod reichen würde? Was damit gemeint ist, lest einfach selbst. Zumindest löste der Vater im Sohn damit Schuldgefühle aus… Der Vater litt unter schweren körperlichen Schmerzen, die unheilbar waren.

Ich beende nun somit meine Buchbesprechung. Worüber ich hier geschrieben habe, sind nur kleine Ausschnitte und empfehle, sich den Inhalt des Buches selbst anzueignen. Es wird nie langweilig. Auf jeder Seite befinden sich wunderbare und tiefgründige Gedanken und für jedem sind gewisse Themen, die so zahlreich sind, unterschiedlich bedeutsam…

Was mit dem Altphilologen nun letztendlich wurde, was er aus dem Buch von Amadeu de Prado nun gemacht hat, nachdem er Kontakte mit all den Menschen geknüpft hatte, die eng in Beziehung zu dem Autor standen, möchte ich nicht verraten. Ist Gregorius wieder zurück in seine Heimatstadt Genf gefahren? Welche Erkenntnisse erschlossen sich ihm persönlich?

Lest selbst. Wie schon gesagt, da mir die Zitate dieses Buches so wichtig sind, habe ich meine Klebezettel zwischen den Seiten haften lassen, damit ich sie zu jeder Zeit nachschlagen kann. Und das werde ich tun, da auch mein Leben oft mit einigen Ausschnitten und Lebensthemen des Buches geprägt ist und ich mich zu der Denkweise des Amadeu de Prados hingezogen fühle.

Kann man Bücher lieben? Ja, man kann. Ich liebe dieses Buch, als hätte ich einen Menschen vor mir. Auch wenn ich meine Bücher nicht literaturwissenschaftlich bespreche, ich bin keine Philologin, diese Aufgabe überlasse ich gerne den Literaturexperten, die dafür auch bezahlt werden, liebe ich das Buch auf meine Weise... .

Das Buch erhält von mir 9,5 von zehn Punkten.
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Ich habe ein Jahr gebraucht, um herauszufinden, wie lang ein Monat ist. 
(Pascal Mercier)

Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86

Freitag, 27. Dezember 2013

Pascal Mercier / Nachtzug nach Lissabon

Klappentext

Mitten im Unterricht verlässt ein Lehrer seine Schule und macht sich auf den Weg nach Lissabon, um den Spuren eines geheimnisvollen Autors zu folgen. Immer tiefer zieht es ihn in dessen Aufzeichnungen und Reflexionen, immer mehr Menschen lernt er kennen, die von diesem Mann, den ein dunkles Geheimnis umgibt, zutiefst beeindruckt waren. Eine wundervolle Reise – die vergeblich sein muss und deren Bedrohungen der Reisende nicht gewachsen ist. Endlich kann er wieder fühlen, endlich hat er von seinem Leben zwischen Büchern aufgeblickt – aber was er sieht, könnte ihn das Leben kosten …

Autorenporträt
Pascal Mercier, geboren 1944 in Bern, heißt im richtigen Leben Peter Bieri und ist Professor für Philosophie an der Freien Universität Berlin.

Von Pascal Mercier habe ich Lea gelesen, das mir sehr gut gefallen hat. Bin jetzt neugierig auf dieses Buch. Die ersten einhundertfünfzig Seiten habe ich schon durch und es gefällt mir recht gut. Es fühlt sich so an, als entwickle sich der Autor zu einem meiner Favoriten.



Donnerstag, 26. Dezember 2013

Margaret Mazzantini / Das Meer am Morgen (1)

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Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Es ist ein politisches Buch und passt wunderbar in die Gegenwart, was die Flüchtlingsproblematik Italiens betrifft. Wie aus dem Klappentext zu entnehmen ist, begeben sich Menschen aus Afrika mit einem Boot auf die Flucht, wohl wissend, dass sie auf offener See ihr Leben riskieren. Und trotzdem sind die Menschen voller Hoffnung, dass sie in Europa empfangen werden, und sich dort eine neue Zukunft aufbauen können.

Das sind Wunschbilder. In Wirklichkeit sind sie überhaupt nicht erwünscht. Man übersieht die Flüchtlinge sogar absichtlich, wenn ein Schiff aus Europa an ihnen vorbei zieht, obwohl die Flüchtlinge um Hilfe rufen.

Zur Erinnerung noch einmal der Klappentext:
Farids Weg über das Meer – ein Schicksal Libyen, Sommer 2011: Jamila entgeht knapp Gaddafis Truppen. Mit ihrem kleinen Sohn Farid flieht sie quer durch die Wüste bis ans Meer. Ihre Ersparnisse überlässt sie einem Schlepper, der sie in ein überfülltes Boot verfrachtet. Jamila hofft auf eine Zukunft in Europa, doch schon bald mangelt es an Trinkwasser und Benzin. Schließlich hat sie nur noch einen Wunsch: länger durchzuhalten als ihr Sohn, um ihn nicht allein sterben zu lassen. Auf Sizilien geht der achtzehnjährige Vito am Strand spazieren und findet eine Kette, wie sie arabische Kinder tragen. Er denkt an seine Mutter Angelina, die in Libyen aufgewachsen ist. Als Gaddafi an die Macht kam, musste sie nach Italien fliehen, aber die Sehnsucht nach der früheren Heimat lässt ihr keine Ruhe: Sie reist nach Tripolis und macht sich auf die Suche nach Ali, ihrer ersten großen Liebe. Doch Ali ist inzwischen beim libyschen Geheimdienst. Bestürzt kehrt Angelina nach Italien zurück, wo sie den Ausbruch des Bürgerkriegs und die Bombardements der NATO am Bildschirm verfolgt.
Farid wartet auf den Sonnenaufgang. Wartet auf Italien. Dort laufen die Frauen ohne Kopfbedeckung herum, und im Fernsehen gibt es unendlich viele Sender. Sie werden im Scheinwerferlicht von Bord gehen, irgendwer wird Fotos von ihnen schießen. Man wird ihnen Spielzeug schenken, wird ihnen Coca - Cola schenken und Pizza. (34)
Diese Vorstellung, dass Menschen vierzehn Tage und vierzehn Nächte sich auf offener See bewegen, stimmt mich betroffen. Habe Gänsehaut bekommen bei dem Bild, dass die Flüchtlinge nichts anderes vor Augen hatten als nur Wasser. In der Nacht verwandelt sich die Wasserwelt in ein rabenschwarzes Monster, das, wenn das Wetter schlecht ist, laufen die Flüchtlinge Gefahr, von den starken Wellen verschlungen zu werden. Bei diesem Bild bekam ich echt Gänsehaut. Das Meer schwarz wie die Nacht.

Wer würde sich schon freiwillig auf solch ein Abenteuer begeben? Hauptsächlich Menschen, die sich in einer existenziellen Not befinden. Andere Seereisende begeben sich auf ein Schiff.

Farid ist der Protagonist dieses Romans. Ein Kind, das sich mit seiner Mutter auf dieses Boot begibt. In der Heimat dieser Menschen herrscht Krieg, der, wie alle anderen Kriege auch, kein Halt vor der zivilen Bevölkerung macht. Nicht vor Kindern, nicht vor Frauen, nicht vor Männern, die nichts mit dem Krieg zu tun haben. Ihre Wohnstätte wird in wenigen Sekunden platt gemacht. Nichts existiert mehr für diese Menschen. Ihnen bleibt nur die Flucht.

Es gibt auch italienische Flüchtlinge, die während des Zweiten Weltkriegs einst in die arabischen Länder geflohen sind. Viele darunter waren Juden. Sie kehren nach Italien zurück, als der Krieg vorbei ist. Doch auch diese Menschen sind nicht erwünscht, als sie sich den italienischen Behörden vorstellten:
Wozu seid ihr denn zurückgekommen? Um den anderen Italienern die Arbeit wegzunehmen, den richtigen Italienern, die hier geboren und aufgewachsen sind? Um in den Arbeitslosenstatistiken ganz nach vorn zu kommen? (73)
Dieses Zitat fand ich recht interessant. Hier wird Rassismus gegen das eigene Volk betrieben.

Eines Nachts erkrankt ein Somalier auf dem Schiff und entwickelte Aggressionen gegenüber der westlichen Welt:
Der Somalier spuckt ins Meer, brüllt, schuld an seiner Krankheit sei das Meer, sei der weiße Dreck, der auf dem Wasser von Mogadischu schwimme, sei der Abfall, der von den Schiffen der reichen Welt tonnenweise verklappt werde. (111)
Menschen, die nirgendwo dazugehören, die nirgendwo zu Hause sind, Menschen, denen man die Heimat geraubt hat. Menschen, die niemand haben will und niemand sie vermisst, sollten sie auf der See verunglücken.

Das Buch erhält von mir zehn von zehn Punkten. Es ist von der politischen Sachebene klar beschrieben, und auch der literarische Sprachstil ist gut getroffen.

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Man muss dem Schicksal Zeit geben, sein letztes Wort zu sagen
(Metin Arditi)

Gelesene Bücher 2013: 80
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86

Dienstag, 24. Dezember 2013

Margaret Mazzantini / Das Meer am Morgen

Klappentext
Farids Weg über das Meer – ein Schicksal
Libyen, Sommer 2011: Jamila entgeht knapp Gaddafis Truppen. Mit ihrem kleinen Sohn Farid flieht sie quer durch die Wüste bis ans Meer. Ihre Ersparnisse überlässt sie einem Schlepper, der sie in ein überfülltes Boot verfrachtet. Jamila hofft auf eine Zukunft in Europa, doch schon bald mangelt es an Trinkwasser und Benzin. Schließlich hat sie nur noch einen Wunsch: länger durchzuhalten als ihr Sohn, um ihn nicht allein sterben zu lassen.Auf Sizilien geht der achtzehnjährige Vito am Strand spazieren und findet eine Kette, wie sie arabische Kinder tragen. Er denkt an seine Mutter Angelina, die in Libyen aufgewachsen ist. Als Gaddafi an die Macht kam, musste sie nach Italien fliehen, aber die Sehnsucht nach der früheren Heimat lässt ihr keine Ruhe: Sie reist nach Tripolis und macht sich auf die Suche nach Ali, ihrer ersten großen Liebe. Doch Ali ist inzwischen beim libyschen Geheimdienst. Bestürzt kehrt Angelina nach Italien zurück, wo sie den Ausbruch des Bürgerkriegs und die Bombardements der NATO am Bildschirm verfolgt. 

Autorenporträt
Margaret Mazzantini, 1961 in Dublin geboren als Tochter eines italienischen Vaters und einer irischen Mutter. Ihre Karriere begann sie als Theaterschauspielerin. Ihre Romane ›Die Zinkwanne‹ und ›Geh nicht fort‹ (DuMont Taschenbuch 2010) wurden zu internationalen Bestsellern. Allein ›Geh nicht fort‹ wurde in Italien über 1,5 Millionen Mal verkauft, in 32 Sprachen übersetzt und 2004 mit Penélope Cruz verfilmt. ›Das schönste Wort der Welt‹ wurde ausgezeichnet mit dem Premio Campiello 2009. Margaret Mazzantini ist mit dem Schauspieler und Regisseur Sergio Castellitto verheiratet. Sie haben vier Kinder und leben in Rom.
Die Autorin ist mir unbekannt, habe sie im Restseller Buchladen Jokers entdeckt. Aus meinem großen SuB hat es mir meine Buchfreundin Anne für mich ausgesucht.


Montag, 23. Dezember 2013

Metin Arditi / Tochter des Meeres (1)

 Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Ob mir das Buch gefallen hat, kann ich für mich noch gar nicht beantworten. Stehe dem eher mit gemischten Gefühlen gegenüber. Obwohl mir an einer Textstelle die Tränen flossen einerseits und andererseits lehnte meine Vernunft diejenige Textstelle ab... .
Nervend fand ich die vielen Todesfälle, zwei Mal sogar in doppelter Form... .

Es geht wieder einmal um ein griechisches Fischerdorf, das mit der Türkei den Krieg geführt hatte. In dem Dorf war es üblich, dass Geschwisterpaare den Bund der Ehe eingingen, weil es nicht mehr genug attraktive Frauen oder Männer gab... . Der Krieg verschluckte auch hier viele weibliche und männliche Opfer... .

Ein Inzucht treibendes Fischervolk Griechenlands, aus denen Kinder entstehen. Dadurch aber, dass die Kirche Inzucht als schwere Sünde begreift, sind es wieder mal die Frauen, die eine schwere Last auf ihren Schultern tragen, die sie ungewollt an ihre Kinder weitergeben.


Zur Erinnerung noch einmal der Klappentext:
Es ist Sommer 1957 auf Spetses, ein Sommer, dem die junge Näherin Pavlina lange entgegengefiebert hat. Mit ihrem Cousin fährt sie Touristen auf einem Boot zu den schönsten Stränden der kleinen griechischen Insel. Auf dem Meer zu sein ist Pavlinas größtes Glück, vor allem in Begleitung ihres angehimmelten Cousins. Umso schwerer wiegt die Enttäuschung, als sie feststellt, dass er ihre Gefühle nicht erwidert. Als es trotzdem zu einer Liebesnacht kommt, nimmt das Verhängnis seinen Lauf: Pavlina verliert zwei Menschen, an denen ihr Herz hängt.
Pavlina ist die Protagonistin dieses Romans. Als junges Mädchen von siebzehn Jahren verliebt sie sich in ihren Cousin ersten Grades. Dieser Cousin aber ist homosexuell und ist dadurch für Pavlinas Liebe nicht empfänglich. Er empfindet ihr Gegenüber eine andere Form von Liebe. Eine Zuneigung in der Art von Bruderliebe.

Pavlina wird von ihrem Vater abgöttisch geliebt. Er nimmt sie frühzeitig mit raus aufs Meer, sodass Pavlina, obwohl sie ein Mädchen ist, alles dort an Kunststücken erlernt und beherrscht, die auch Männer können. Pavlina wird immer größer, und dem Vater fällt auf, dass das Kind mehr Ähnlichkeit zu seinem Bruder als zu ihm hat. Indem er schließlich seine Frau zur Rede stellt, erfährt er schließlich, dass Pavlina nicht seine Tochter ist, sondern die seines Bruders. Das verkraftet der Vater nicht, und begeht Selbstmord, treibt aber gleichzeitig auch seinen Bruder mit in den Tod. Pavlina weiß nichts davon, dass der Vater nur der Aufziehvater ist. Erst in den späteren Jahren erfährt sie vom Pfarrer, dass sie das Kind ihres Onkels ist.

Pavlina kann von ihrem Cousin Aris nicht loslassen, schafft es, dass er sich doch mit ihr sexuell einlässt, um sie nicht zu verletzen. Kurze Zeit darauf stirbt auch Aris und Pavlina wird von ihm schwanger. Pavlina darf das Kind nicht behalten, da sie und ihre Mutter zu arm sind, für das Kind zu sorgen. Der Pfarrer hilft Pavlinas Mutter, eine Lösung zu finden. Gegen Pavlinas Willen wird das Kind nach der Geburt zur Adoption frei gegeben. Gleich nach der Geburt nimmt man ihr das Kind fort.
Pavlina begibt sich siebzehn Jahre lang auf die Suche nach ihrer Tochter. In der Schweiz macht sie Bekanntschaft mit einem Mädchen, das am selben Tag und im selben Jahr Geburtstag hat wie ihr Kind. Auch körperlich findet sie Ähnlichkeiten zu ihrer Tochter... . Sie ist sich sicher, ihre Tochter gefunden zu haben... .

Als Pavlinas Mutter stirbt, wird sie vom Pfarrer, der ihre Adresse hatte, angeschrieben und bittet auch um eine wichtige Unterredung. In der Unterredung mit dem Pfarrer erfährt Pavlina vier Geheimnisse. Ein Geheimnis war, dass Aris nicht ihr Cousin war, sondern ihr Bruder, da die Mutter mit dem Onkel verkehrt hatte. Pavlinas Tochter wäre demnach auch das Kind ihres Bruders gewesen.

Ein wenig verzwickt das Ganze.

Aber am Ende findet der Pfarrer doch ein wenig Weisheit, mit der er auf die Menschenwürde und auf die Barmherzigkeit hinweist, so wie auf die Liebe zum Menschen... . Im Folgenden ein Zitat:
Was die Würde eines Menschen ausmacht, (…) ist die Fähigkeit, mit seinen Sünden zu leben. Ihnen aufrecht zu begegnen.  (…). Der Herr verurteilt uns nicht für unsere Fehler, sondern für mangelnde Barmherzigkeit. Es gibt Sünden, aus denen ein wunderbares Strahlen der Liebe erwächst. (…) Die Barmherzigkeit ist nicht nur das Werk Gottes. Jeder muss sie in sich suchen und darf um ihretwillen den Nächsten nicht verurteilen. Muss versuchen, ihn zu verstehen. In seinem Herzen suchen. Das in den Falten seiner Sünden verborgene Strahlen der Liebe finden. Und ihn schließlich lieben. Ihn trotz allem lieben. Ihn von ganzem Herzen lieben, wie er sich wünscht, dass man ihn liebte, auch wenn er mit Schande bedeckt wäre. (237)
Fand ich sehr schön gesprochen, auch wenn ich mich ein wenig an dem Begriff Sünde störe, aber zu der damaligen Zeit zählte dieser Begriff zu dem Vokabular eines Priesters.

Es gibt dem nichts mehr hinzuzufügen. Finde in dem Zitat alle meine Gedanken zu dem Schicksal der Romanfiguren wieder.

Deshalb beende ich nun mit diesem Zitat  meine Buchbesprechung und hoffe, ich konnte ein wenig auf das Buch neugierig machen.

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Man muss dem Schicksal Zeit geben, sein letztes Wort zu sagen
(Metin Arditi)

Gelesene Bücher 2013: 79
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86

Sonntag, 22. Dezember 2013

Metin Arditi / Tochter des Meeres

Klappentext

Es ist Sommer 1957 auf Spetses, ein Sommer, dem die junge Näherin Pavlina lange entgegengefiebert hat. Mit ihrem Cousin fährt sie Touristen auf einem Boot zu den schönsten Stränden der kleinen griechischen Insel. Auf dem Meer zu sein ist Pavlinas größtes Glück, vor allem in Begleitung ihres angehimmelten Cousins. Umso schwerer wiegt die Enttäuschung, als sie feststellt, dass er ihre Gefühle nicht erwidert. Als es trotzdem zu einer Liebesnacht kommt, nimmt das Verhängnis seinen Lauf: Pavlina verliert zwei Menschen, an denen ihr Herz hängt.Ein Roman, der von tragischer Liebe und von Sehnsucht erzählt und dabei voller Lebensfreude ist, erfüllt von der Sonne und den Farben Griechenlands.




Autorenporträt
Metin Arditi wurde 1945 in Ankara geboren und lebt seit seiner Kindheit in Genf. Er studierte Physik und Wirtschaftswissenschaften und ist heute als Immobilienmakler, Präsident des Orchestre Suisse Romande und als Begründer einer Stiftung für Hochschulabsolventen tätig. Tochter des Meeres ist sein fünfter Roman, der in Frankreich mit dem Prix Version Femina ausgezeichnet wurde, zum Bestseller avancierte und von Luc Besson verfilmt werden wird. Die Übersetzerin Claudia Steinitz studierte Französisch und Italienisch. Sie ist seit fünfzehn Jahren als Literaturübersetzerin tätig und übertrug u. a. Gabriele D'Annunzio, Alice Ferney, Jean-Christophe Rufin, Véronique Olmi, Gilles Rozier, Bertina Henrichs und Isabelle Condou ins Deutsche.http://de.wikipedia.org/wiki/Metin_Arditi

Der Autor ist mir schier unbekannt. Entdeckt habe ich das Buch beim Restseller Jokers und war stark reduziert. Das Buch gibt es derzeit auch als Taschenbuch.

Samstag, 21. Dezember 2013

Jeffrey Eugenides / MIddlesex (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es ist so geschrieben, als habe der Autor das alles selbst erlebt ... .
Ein wenig hat er mich von der Thematik her zu den außergewöhnlichen geschlechtlichen Identitäten an John Irving erinnert, wobei mir Eugenides authenitischer schreibt. Bei Irving kommt mir vieles gekünstelt und einseitig intellektuell vor, dass ich manchmal davon unangenehme Gänsehaut bekommen habe.

Eugenides lässt seine Figuren auch aus der Seele heraus sprechen und gerade dies hat mir recht gut gefallen, weil es sich für mich einfach glaubwürdig liest.

Ich habe für das Buch lange gebraucht, weil es kein Buch ist, das man so einfach runterlesen kann. Vieles musste erst mal sacken. Und was den literarischen Aspekt betrifft, fand ich ihn gut getroffen, aber auch das Fachlich- Medizinische kommt recht fundiert rüber. Es ist eines der besten Bücher, die ich in diesem Jahr gelesen habe.



Ich hatte mich bisher mit der Thematik Intersexualität noch nicht wirklich befasst.

Unter dem Buchtitel Middlesex hatte ich erst gar keine Vorstellung, was damit gemeint sein könnte. Nach ein paar gelesenen Seiten wagte ich meine ersten Vermutungen, die aber daneben trafen. Ich verrate aber jetzt nicht, was mit dem Titel gemeint ist.

Als ich das Buch das erste Mal begonnen hatte, brach ich es schon nach den ersten Seiten wieder ab, da der Protagonist Cal, das ist der Ich-Erzähler, von seinen Geburten sprach. 1959 kam er erst als Mädchen auf die Welt, 1973 als Junge. Das war mir too much. Habe das Buch dann abgebrochen. Beim zweiten Anlauf hielt ich durch und später wurde dann deutlich, was es mit den zwei Geburten auf sich hatte... .

Damit ich mich nicht wiederhole, gebe ich zur Erinnerung noch einmal den Klappentext rein:
In einem kleinasiatischen Bergdorf fängt alles an. Ein junger Mann und eine junge Frau, Bruder und Schwester, fliehen vor den Türken nach Smyrna und, als die Stadt brennt, nach Amerika. Es ist das Jahr 1922. Auf dem Schiff heiraten sie und lassen sich später in der Autostadt Detroit nieder. Niemand ahnt das Geheimnis dieses Paares, doch nach Jahrzehnten hat der Tabubruch der beiden ungeahnte Folgen.
Der Roman erzählt von einer Familie, die aus drei Generationen besteht. Cal, die / der in seiner Mädchenzeit Calliope Helen Stephanides hieß, verwandelte später den Mädchennamen um in einen männlichen Namen, der Cal gerufen wird. Obwohl er / sie noch gar nicht geboren wurde, erzählte er / sie das Leben seiner Großeltern, Eltern und später sein eigenes Leben.

Der Autor konfrontiert die Leserin mit folgenden Themen.

Historische Ereignisse; der griechisch- türkische Krieg aus dem Jahre 1922. Damit verbunden die Flucht aus dem kleinen griechischen Dorf; die Immigration nach Amerika.
Rassismus in Amerika; verbunden zu nationaler und sozialer Herkunft
und zur geschlechtlichen Identität, androgyner Persönlichkeiten als eine abnorme Form; die Intersexualität, die als das dritte Geschlecht bezeichnet wird.
Die Auseinadersetzung und die Überwindung  oder Nichtüberwindung mit dem Anderssein, beginnend in der ersten Generation, fortlaufend bis zur dritten... .

Jede Menge brisante Themen. Es wird beim Lesen nicht langweilig.

Cals Großeltern schafften es, nach Amerika auszuwandern, allerdings mit falschen Papieren. Süd- und Osteuropäer waren in Amerika nicht willkommen. Sie wurden als die niederen Menschenrassen bezeichnet. Es war schwierig, dort Arbeit zu finden, da die Arbeitsstellen streng nach einem Punktesystem vergeben wurden. Man findet darin schon die erste Form von Diskriminierung.

Die Punkteverteilung auch in der Vergabe von Wohnung / Haus. Auch noch in der zweiten Generation werden persönliche Fragen gestellt und Punkte vergeben. Dadurch, dass es Cals Großeltern finanziell nicht gut geht, sind sie zum erwachsenen Sohn und dessen Frau eingezogen. Ein Nachteil:

Die Maklerin zählt nach der Befragung die Punkte zusammen:
Südliches Mittelmeer. Ein Punkt. Kein gehobener Beruf. Ein Punkt. Religion? Griechisch-orthodoxe Kirche. Das ist doch so etwas wie katholisch, oder? Also auch ein Punkt. Und seine Eltern wohnen bei ihm! Dafür gibts zwei Punkte. Macht-5! Oh, das geht nicht. Das geht überhaupt nicht. Ich muss Ihnen eine Absage erteilen. (357)
Cals Großvater Lefty Stephanides fand als Hilfsarbeiter eine Anstellung in einer Autofabrik. Er wurde verpflichtet, abends einen Sprachkurs zu besuchen. In dem Sprachkurs wurden  den KursteilnehmerInnen gewisse Regeln einverleibt. Eine weitere Form der Diskriminierung:
Arbeiter sollen Zuhause viel Seife und Wasser benutzen. Nichts ist dem richtigen Leben förderlicher als Sauberkeit. Nicht auf den Fußboden der Heimstatt spucken. Keine Fliegen ins Haus lassen. Die Fortgeschrittensten sind die Saubersten. (142)
Die Arbeiter werden zu Hause von zwei Herren im Anzug aus der Fabrik besucht, die sich als Hygieneunterweiser bezeichnen. Sie inspizieren die Lebensweise ihrer Arbeiter und deren Familien. Stephanides müssen verschiedene Fragen beantworten, ob sie sich zum Beispiel die Zähne putzen, und wenn ja wie und mit welchem Gegenstand. Sie wurden über die richtige Nutzung einer Zahnbürste unterwiesen.

Lefty versucht sich zu wehren:
"Wir sind zivilisierte Menschen."
"Verstehe ich das richtig, dass Sie sich der Hygieneunterweisung widersetzen?"
"Hören Sie, die Griechen haben den Parthenon gebaut und die Ägypter die Pyramiden, da haben die Angelsachsen noch Tierfelle getragen."
Nicht nur das. Mir fällt dazu die griechische Mythologie ein und die vielen griechischen Philosophen aus dem Abendland, die unsere literarische Landschaft stark geprägt und bereichert haben. Welch eine Arroganz diese AmerikanerInnen. Schade. Egal welches Buch ich über sie lese, immer wieder werde ich mit deren Überheblichkeit konfrontiert.

Selbst die Essgewohnheit der AusländerInnen wurden mit Argwohn betrachtet. Olivenöl, Knoblauch, eigentlich alles gesundes Gemüse verglichen zu dem ungesunden und fettem Zeug, das die AmerikanerInnen zu sich nehmen. Doch diese Produkte wurden als minderwertig und ungesund bezeichnet. Es gibt auch heute noch Leute, die sich abfällig zu Knoblauch verhalten. Nicht nur in Amerika...

Weiter im Text:
" Punkt eins. Mülleimer in Küche ohne Deckel. Punkt zwei. Stubenfliege auf Küchentisch. Punkt drei. Zu viel Knoblauch in Speise. Verursacht Verdauungsstörung. (…) Wir wollen doch nicht, dass jemand krank wird, nicht wahr? Könnt die Produktion verlangsamen." (148)
Den Migrationsprozess der ersten Generation überstanden die einen durch Assimilation an die amerikanische Gesellschaft, während die anderen in ihrer Herkunftskultur stecken blieben. Desdemona, Cals Großmutter, war es wichtig, ihre kulturelle Identität zu wahren, während ihre Cousine eine Amerikanerin geworden ist. Die Cousine legte das Griechische ab und sprach griechisch nur noch mit einem amerikanischen Akzent.

Ich fand das ganz schön, wie dieser Prozess beschrieben wurde, denn er zeigt, dass jede/r MigrantIn die Migration anders verarbeitet und jeder so frei sein kann, eine neue Identität anzunehmen, die alte zu bewahren, oder ein Mix von beidem zu kreieren, ohne dass daraus gleich ein pathologisches Krankheitsbild entstehen muss. (392)

Und nun zu Cal:

Dadurch, dass sie keine andere Möglichkeit sahen, gemeinsam nach Amerika auszuwandern, sind Cals Großeltern, beide ein Geschwisterpaar, die Ehe eingegangen. Die Not im Herkunftsland war zu groß, um dort weiter leben zu können. Mithilfe falscher Papiere als rechtmäßige Eheleute eingeschrieben, lebten sie auch den Bund der Ehe und betrieben Inzucht, der es zu verdanken ist, dass Cal mit einem "genetischen Defekt" geboren wird. Cals Großmutter, namens Desdemona, plagten ein Leben lang Schuldgefühle religiöser Art, dass sie von ihrem Bruder und Ehemann hat Kinder zeugen lassen. Sie glaubte nun, sie werde von Gott bestraft. Das erste Kind durchlief eine normale Geburt ohne Auffälligkeiten und Desdemona bedankt sich bei Gott und verspricht, sich von dem Bruder kein weiteres Kind machen zu lassen. Nun wusste sie aber nicht, wie man verhütet, lehnt ihren Bruder bei der nächsten sexuellen Annäherung ab. Damit verletzte sie ihren Bruder massiv. Sie hielt den Druck nicht aus und ließ sich doch wieder  mit ihm sexuell ein. Das zweite Kind wurde auch eine Normalgeburt. Dass Schwester und Bruder heirateten und Kinder zeugten, sollte ein Tabu sein und nur die in Amerika lebende Cousine wusste darüber Bescheid. Cals Eltern waren auch Cousine und Cousin ersten Grades.

Als Cal in die Pubertät kommt und eine reine Mädchenschule besucht, wundert er / sie sich, dass ihre Schulkameradinnen alle eine körperliche Veränderung durchliefen, die bei ihm / ihr ausblieb. Keine Menstruation, keine Brüste... . Sie und ihre Eltern nehmen dies als eine körperliche Verzögerung hin, sozusagen eine Spätentwicklung... . Die Zeit vergeht, und bei Cal tut sich nach wie vor nichts. Nun wird Cals Mutter misstrauisch und vereinbart einen Termin bei einem Gynäkologen, der in einer Klinik angestellt ist. Die Klinik ist auf sexuelle Störungen und auf geschlechtliche Anomalien spezialisiert. Auch hier erfährt Cal eine Form von Diskriminierung. Cal trägt einen griechischen Namen, hat aber mit Griechenland wenig am Hut. Die Ärzte, nachdem sie an Cal intensive Untersuchungen und Studien betrieben hatten, fanden heraus, dass Cal zwittrig ist. Sie suchten nach Erklärungen, an denen sie ihre Theorien entwickelten: Die Mehrgeschlechtigkeit käme überwiegend in minderwertigen Kulturkreisen vor, in denen es über Generationen hinweg üblich sei, Ehen innerhalb einer Sippschaft zu schließen und Kinder zu zeugen. Cals Eltern hatten verschiedene Fragebögen auszufüllen und den Theorien des Wissenschaftlers konnten nicht bestätigt werden. Cal war das einzige Kind mit dieser geschlechtlichen Andersartigkeit... . Während dieses ganzen Prozesses weiß noch niemand, dass die Großeltern Geschwister sind. Nun beginnt für Cal und den Eltern unbewusst die Spurensuche und die Suche nach der geschlechtlichen Identität. Die Ärzte raten zu einer Operation, damit Cal ein relativ normales Leben leben könne. Cal sucht Bibliotheken auf, und durchstöbert verschiedene Lexika, um sich zu dem sog.  Krankheitsbild zu informieren. Er /sie ist schockiert, als er / sie aus dem Buch die Bezeichnung liest, dass androgyne Persönlichkeiten mit Monstern verglichen werden. Die Forschung dazu befand sich noch in Kinderschuhen.
Wie geht Cal damit um? Begibt er / sie sich weiterhin in die Hände der Wissenschafler, die ihn / sie zu Forschungszwecken benutzten? Wie reagieren die Eltern auf die Untersuchungsergebnisse und die weiteren Verläufe?

Und hier mache ich Schluss. Wer mehr wissen möchte, so verweise ich auf das Buch.

Mein  Fazit:

Das Buch hat mich betroffen gestimmt. Und so fragte ich mich erneut, was normal und was nicht normal ist? Meine Antwort:

Wenn jeder Mensch sich nur mit sich selbst vergleichen würde, dann wäre jeder Mensch so wie er ist ein normaler Mensch. Lernen, mit dem Anderssein umzugehen, denn jeder ist anders, statt an sich und an den Erwartungen anderer Menschen zu verzweifeln. Diese Hürde stellt den Menschen vor große Herausforderungen.

Das Buch erhält von mir auch aufgrund seiner Vielfalt an Themen zehn von zehn Punkten.
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Wir alle bestehen aus vielen Teilen, anderen Hälften
(Jeffrey Eugenides)

Gelesene Bücher 2013: 78
Gelesene Bücher 2012: 94 
Gelesene Bücher 2011: 86

Freitag, 13. Dezember 2013

Jeffrey Eugenides / Middlesex

Klappentext
In einem kleinasiatischen Bergdorf fängt alles an. Ein junger Mann und eine junge Frau, Bruder und Schwester, fliehen vor den Türken nach Smyrna und, als die Stadt brennt, nach Amerika. Es ist das Jahr 1922. Auf dem Schiff heiraten sie und lassen sich später in der Autostadt Detroit nieder. Niemand ahnt das Geheimnis dieses Paares, doch nach Jahrzehnten hat der Tabubruch der beiden ungeahnte Folgen.

Autorenporträt
Jeffrey Eugenides, geboren 1960 in Detroit/Michigan, bekam 2003 für seinen weltweit gefeierten Roman „Middlesex“ den Pulitzer-Preis und den „Welt“-Literaturpreis verliehen. Sein erster Roman „Die Selbstmord-Schwestern“ wurde 1999 von Sofia Coppola verfilmt. Außerdem veröffentlichte er den Erzählungsband „Air Mail“ und „Der Spatz meiner Herrin ist tot. Große Liebesgeschichten der Weltliteratur“. Er lehrt Creative Writing an der Princeton University in New Jersey.

Das Buch habe ich antiquarisch beim Bücher - Oxfam erworben. Habe bei Amazon gesehen, dass es das Buch mittlerweile auch als Taschenbuch gibt.

Nach meinem Testlesen ist dies nun mein zweiter Anlauf. Beim ersten Mal musste ich das Buch wieder abbrechen. Jetzt, in Zeitabständen nach dem zweiten Versuch gefällt es mir richtig gut. Hoffe, es bleibt dabei. Man muss mit bestimmten Büchern sich mehr Zeit lassen reinzukommmen. Am besten, wenn man mehr Zeit zur Verfügung hat.

Das Buch hat meine Lesefreundin Anne aus meinem große SuB für mich ausgesucht.






Donnerstag, 12. Dezember 2013

Maria Àngels Anglada / Die Violine von Auschwitz (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre


Das Buch habe ich nun durch. Es hat mir recht gut gefallen. Allerdings bin ich ein wenig müde von der Thematik des Nationalsozialismus geworden. Ich habe viele, viele Bücher darüber gelesen. Der Büchermarkt guter AutorInnen ist voll davon und mich wundert es, dass trotzdem noch immer wieder neue Bücher dazu entstehen. Es zeigt mir, dass diese historischen Ereignisse niemals Ruhe finden werden. Damit möchte ich aber nicht ausdrücken, dass wir vergessen sollen.

Zur Erinnerung noch einmal der Klappentext:
Auschwitz 1944: Der jüdische Geigenbauer Daniel erhält vom Lagerkommandanten den Auftrag, eine Geige nach den Maßen einer Stradivari zu bauen. Eine Aufgabe, die ihn inmitten des Grauens zumindest für kurze Zeit die schreckliche Realität vergessen lässt. Doch bald muss er erfahren, dass der Auftrag Gegenstand einer infamen Wette zwischen dem Lagerkommandanten und dem Lagerarzt ist – und so wird die rechtzeitige Fertigstellung des Instruments nicht nur zu einer handwerklichen, sondern auch zu einer menschlichen Bewährungsprobe.
Es ist ein dünnes Büchelchen und kann es jeder oder jedem weiterempfehlen, die oder der mit der Thematik noch nicht abgeschlossen hat. Ich für meinen Teil weiß nun genug darüber und benötige nicht noch mehr Stoff dazu.

Das Buch erhält von mir zehn von zehn Punkten. Es ist literarisch recht anspruchsvoll geschrieben und der Inhalt entspricht der Authentizität eines historischen Werks.
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Gelesene Bücher 2013: 77
Gelesene Bücher 2012: 94 
Gelesene Bücher 2011: 86



Dienstag, 10. Dezember 2013

Maria Àngels Anglada / Die Violine von Auschwitz

Klappentext
Auschwitz 1944: Der jüdische Geigenbauer Daniel erhält vom Lagerkommandanten den Auftrag, eine Geige nach den Maßen einer Stradivari zu bauen. Eine Aufgabe, die ihn inmitten des Grauens zumindest für kurze Zeit die schreckliche Realität vergessen lässt. Doch bald muss er erfahren, dass der Auftrag Gegenstand einer infamen Wette zwischen dem Lagerkommandanten und dem Lagerarzt ist – und so wird die rechtzeitige Fertigstellung des Instruments nicht nur zu einer handwerklichen, sondern auch zu einer menschlichen Bewährungsprobe.

Autorenportrait
Maria Àngels Anglada, 1930 in Vic geboren, 1999 in Figueres gestorben, gilt als eine der renommiertesten Autorinnen Kataloniens, die sowohl für ihre Prosa als auch für ihre Gedichte, literaturkritischen Studien und Essays verehrt wird und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurde. "Die Violine von Auschwitz" ist ihr bekanntestes Werk, das sich allein in Katalonien über 100 000 Mal verkaufte und in 12 Ländern erscheint.

Ich wollte mich eigentlich nicht schon wieder mit so einem infernomenalen Thema befassen. Aber nun habe ich das Buch und es will auch gelesen haben. Es ist ein dünnes Büchlein, werde aber danach meine Buchbesprechung kurz halten.

Die Autorin selbst ist mir unbekannt.



Sonntag, 8. Dezember 2013

Maarten t´ Hart / Unter dem Deich (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Ich habe das Buch nun durch und es hat mir sehr gut gefallen, auch wenn ich anfangs Mühe hatte, reinzukommen. Ein wenig passt ja die Thematik zu meiner letzten Lektüre. Zur Erinnerung noch einmal der Klappentext:
In »Unter dem Deich« erinnert sich Maarten ’t Hart an sein Maassluis der 50er-Jahre, an ein Kindheitsparadies, wie es nicht mehr lange existieren sollte: Die alten Häuser unter dem Deich sollen abgerissen werden, viele Menschen drohen ihr Heim zu verlieren. In diesem Viertel wohnt auch die begabte junge Clazien, die aus ärmlichen Verhältnissen stammt und keine höhere Schule besuchen kann. Als Aushilfe in einem Lebensmittelladen lernt sie den stillen Piet kennen und beschließt, bei ihm zu bleiben. Die beiden heiraten, doch Claziens Sehnsucht nach gesellschaftlichem Aufstieg lässt sich nicht unterdrücken. Als sie Jan begegnet, einem Lehrer, der neu in die Stadt kommt, sieht sie in ihm einen Seelenverwandten. Sie verlässt Piet und glaubt, es endlich geschafft zu haben. »Unter dem Deich« entführt uns in eine untergegangene Welt und erzählt die tragische Geschichte der Irrungen und Wirrungen einer rastlosen Frau.
Für die Protagonistin Clazien hatte ich tiefes Verständnis. Ein hoch begabtes Kind, dem die höhere Schule vergönnt geblieben ist. Sie stammt aus einer einfachen Familie mit einem niedrigen Bildungsniveau. Dazu noch mittellos. Ein zu kleines und beengtes Haus, das voll mit Möbeln gestellt ist. In einem Schlafzimmer waren alle Familienmitglieder untergebracht. Zu viele kleine Geschwister. Clazien hatte keinen Raum für sich, in dem sie sich entfalten konnte, nicht die notwendige Ruhe, sich auf die Schule vorzubereiten. Sie schaffte es bis zur Fachoberschule. Die Eltern selbst sahen es nicht ein, das begabte Kind auf der höheren Schule zu begleiten und zu unterstützen. Teilweise auch aus versteckten Neidgefühlen, Angst, die eigene Tochter könne mal mehr wissen, als die Eltern. Auch dies hatte sich in letzter Zeit in vielen anderen Büchern wiederholt; neidende Eltern auf ihre begabten Kinder.

In dem Buch werden viele Geschichten aus dem Leben der Menschen erzählt. Manchmal auch mit absolut schwarzem Humor umrandet.

Im Folgenden geht es um eine männliche Figur, die zweimal verheiratet war:
"Er sprach immer von seiner ersten Frau." Sie war doch so eine prima Frau schon. Immer genau und sauber. Nie keine Probleme mit ihr gehabt. Was sie auch angepackt hat, die konnte alles. Ich wär wirklich zufrieden, wenn ich' nen Ableger von ihr hätte."
Einen Ableger von seiner Frau, *lol*. Auf so eine Idee muss man erst mal kommen. Prima Frau?, nie Probleme gehabt? *lol*.
Und dann fuhr er fort: "aber die, die ich jetzt hab, die is wie ein Knäuel Wolle voller Kletten. Steigt jeden Morgen mit griesgrämigem Gesicht aus dem Bett, während Janetje hier immer mit beiden Beinen zugleich losgesprungen ist. Womit ich sagen will: nie mit dem verkehrten Bein. Ach, ach, meine Janetje! Sie war wie ein Fahrrad, mit dem man spät zu Bett gehen und trotzdem morgens früh wieder bei der Arbeit sein kann. Sie kommt nie mehr zurück " (110f)
Fand ich ein originelles Zitat.

Die Mutter von Clazien ist Schneiderin. Aber sie nähte keine modischen, sondern eher alltagstaugliche Kleider. Der Vater Onderwater ist Arbeiter.
Die Familie bekommt Besuch und dieser zeigt sich erstaunt über das Auftreten der Familienmitglieder:
"Nachdem wir geklingelt hatten, erschien ein traurig dreinblickender Onderwater, der uns in die Wohnstube führte. Im Halbdunkel bemerkte ich eine Frau, die an einer Nähmaschine saß und sich nicht dazu herabließ, von ihrer Flickarbeit aufzuschauen. Offenbar benutzte sie ihren Mund als Nadelkissen; Dutzende von Nadeln ragten zwischen den Lippen hervor. Beim Ofen saß ein Mädchen in einem Lehnstuhl, das älter war als ich; ich hatte sie wiederholt auf dem Marktplatz mit einem Kreisel spielen sehen. Sie grüßte nicht, sondern guckte, als wollte sie uns für ihre Weihnachtstafel schlachten. Mein Vater schaute sie ebenfalls an, und Onderwater sagte:" Ja, ja, meine älteste Tochter! Wie kann sie so wachsen ohne Wurzeln!"
Auch eine starke Metapher, ohne Wurzeln zu wachsen. Drückt aber aus, dass Clazien keinen Platz in der Familie findet. Und beim weiteren Lesen auf den folgenden Seiten nimmt man als Leserin daran teil, wie Clazien nirgends wirklich in der Welt sich zugehörig fühlt. Ein ganz besonderer Mensch, der anders als andere Menschen ist. Andersartigkeit darf aber nicht sein, auch in der Familie Onderwater, die alles so belassen möchte, wie es ist. Als Arbeiter geboren? Als Näherin geboren? Dann finde dich damit ab. Clazien versucht immer wieder einen Weg für sich zu finden. Die Gesellschaft lässt es nicht zu, dass sie, ein Mitglied der niederen Gesellschaftschicht unten am Deich lebend, sie in die höhere aufzunehmen. Und so erfährt sie selbst mit ihrer engsten Freundin Maud und ihrem zweiten Mann eine Form von Diskriminierung und Ausschluss auf eine passive Art und Weise. Passiv deshalb, weil viel hintenrum passiert, Claczien auszuschließen.

Maud und Clazien befinden sich in einem Café:
"Claczien war sich bewusst, dass sie Messer und Gabel - Besteck, (…) nie so würde benutzen können, wie Maud es tat, die seit Kindesbeinen daran gewöhnt war. Alle ihre Bewegungen kamen ihr hölzern und plump vor, ohne die unübersehbare Grazie, die auf der anderen Seite des Tisches so beiläufig an den Tag gelegt wurde. Sie fühlte, die Ober wussten, sahen, erkannten, dass sie ein Mädchen aus dem einfachen Volk war und immer bleiben würde. Sie wandten sich an Maud, fragten Maud, ob es schmeckte, ließen Maud den Wein kosten, brachten Maud die Rechnung. Sie dachte an Goethes Zeilen. Auf der Fachoberschule hatte Clazien genug Deutsch gelernt, um die Verse mehr oder weniger verstehen zu können.
" Könnte man auch glauben, eine Perücke wurde etwas ändern."

Diese Szene fand ich recht traurig und nachdenkenswert zugleich. Man kann es nicht wirklich verstehen, warum Menschen so ticken.

Clazien bereist mit Maud Paris. Sie wollten die Pariser Mode kennen lernen und auch zu den feinen Damen zu gehören. Clazien ist entsetzt, als sie die vielen obdachlosen Menschen sieht, parallel existierend zu dem Glanz und Glamour:
"Wie feinfühlig die Pariser doch sind! So feinfühlig, dass sie es ganz normal finden, bedient zu werden."
Auch wieder ein Zitat gepackt in einem humoristischen Widerspruch... .

Originell fand ich auch eine andere Szene. Wenn die Feuerwehrleute zu wenig Brände zu löschen hatten, dann wurden aktiv Brände gelegt, damit sie Arbeit hatten und sich die Feuerwehr über Wasser halten konnte. Man nennt sie die "Anzündgruppe".
"Wozu braucht man die denn?"" Schau", sagte ein Feuerwehrmann," wir können doch nicht das ganze Jahr auf dem faulen Hintern sitzen. Es muss doch ab und zu ein Feuerchen geben. Sonst verdienen wir doch nichts." 
"Und die Männer legen dann einfach ein Feuer?"
" Wenn es nicht genug normale Brände gibt."
" Ich glaube dir kein Wort."" So, du glaubst also, das ganze ist ein netter Scherz? (…) Werden die Tage länger, werden die Fröste strenger. " (132)
Über diese Art von Logik musste ich arg lachen. Auch wenn sie ernst gemeint ist.

In dem Buch wird auch viel die katholische Kirche aufs Korn genommen. Ich gehe jetzt darauf nicht näher ein und verweise alles andere auf das Buch.

Die Lektüre beginnt mit einem Prolog und endet logischerweise mit einem Epilog.

Mein Fazit

Überaus positiv fand ich, dass der Autor Partei für die Frau ergriffen hat. Indirekt kritisiert er, dass sie in der Kirche und auch in der Gesellschaft stark benachteiligt ist. Das fand ich schön. Man muss im Leben auch mal für eine bestimmte Menschengruppe Partei ergreifen dürfen. Man kann nicht immer nur neutral sein, nur der Objektivität wegen. Man muss sich einmischen, wenn man ein bisschen die Welt verändern möchte.


Aus einer anderen Szene ging zum Beispiel hervor, wie ein Arbeiter seiner Frau die Lohntüte abgegeben hatte, und sie war es, die das Geld einteilte.

Wegen des literarischen Reichtums an poetischer und fantasievoller Ausdrucksweise erhält das Buch von mir zehn von zehn Punkten.
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Gelesene Bücher 2013: 76
Gelesene Bücher 2012: 94 
Gelesene Bücher 2011: 86

Freitag, 6. Dezember 2013

Maarten ´t Hart / Unter dem Deich

Klappentext
In »Unter dem Deich« erinnert sich Maarten ’t Hart an sein Maassluis der 50er-Jahre, an ein Kindheitsparadies, wie es nicht mehr lange existieren sollte: Die alten Häuser unter dem Deich sollen abgerissen werden, viele Menschen drohen ihr Heim zu verlieren. In diesem Viertel wohnt auch die begabte junge Clazien, die aus ärmlichen Verhältnissen stammt und keine höhere Schule besuchen kann. Als Aushilfe in einem Lebensmittelladen lernt sie den stillen Piet kennen und beschließt, bei ihm zu bleiben. Die beiden heiraten, doch Claziens Sehnsucht nach gesellschaftlichem Aufstieg lässt sich nicht unterdrücken. Als sie Jan begegnet, einem Lehrer, der neu in die Stadt kommt, sieht sie in ihm einen Seelenverwandten. Sie verlässt Piet und glaubt, es endlich geschafft zu haben. »Unter dem Deich« entführt uns in eine untergegangene Welt und erzählt die tragische Geschichte der Irrungen und Wirrungen einer rastlosen Frau.

Autorenporträt
Maarten ’t Hart, geboren 1944 in Maassluis bei Rotterdam als Sohn eines Totengräbers, studierte Verhaltensbiologie, bevor er sich 1987 als freier Schriftsteller in Warmond bei Leiden niederließ. Nach seinen Jugenderinnerungen »Ein Schwarm Regenbrachvögel« erschien 1997 auf Deutsch sein Roman »Das Wüten der ganzen Welt«, der zu einem überragenden Erfolg wurde und viele Auszeichnungen erhielt. Seine zahlreichen Romane und Erzählungen machen ihn zu einem der meistgelesenen europäischen Gegenwartsautoren. Zuletzt erschien von ihm auf Deutsch »Unter dem Deich«.
Dies ist mein erstes Buch von dem Autor. Ich fand es anfangs ein wenig schwierig, in die Thematik reinzukommen. Bin halt in der niederländischen Literatur Ausländerin. Habe noch nicht viel aus dem Land gelesen. Dies ist gerade mein zweites Buch.

Mittlerweile habe ich 150 Seiten gelesen und es gefällt mir recht gut. Der Autor hat einen humoristischen Stil, was mir ganz gut gefällt. Später, wenn ich das Buch durch habe, werde ich mich näher damit befassen.

Aber originell finde ich, wenn die Menschen hin und wieder in Reimen miteinander sprechen. Sie haben für jede Lebenslage passende Verse... .



Donnerstag, 5. Dezember 2013

Jane Austen / Emma (1)

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Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch habe ich nun durch und habe in den mehr als siebenhundert Seiten viel Geduld und Ausdauer bewiesen. In Jane Austens Büchern wiederholen sich die Themen von Buch zu Buch, auch wenn die Geschichten andere sind. Es wird in den hohen Kreisen viel geklatscht und getratscht, dass ich nach mehr als dreihundert Seiten ein wenig müde davon geworden bin. Es werden naive Theorien zu anderen Menschen entworfen, ohne sie auf die Echtheit hin zu überprüfen. Ob es jetzt Marcel Proust ist, Jane Austen oder Charles Dickens, überall findet man in der gehobenen Gesellschaftsschicht eine lästernde Gesellschaft vor.

Ich habe mir ein paar Szenen gemarkert, damit meine Statements nicht einfach so lose hier stehen bleiben, sonst komme ich mir selbst wie ein Lästermaul vor. Zur Erinnerung noch einmal der Klappentext:
Emma Woodhouse weiß genau, was andere wollen – ohne jemals danach gefragt zu haben. Wohlmeinend mischt sie sich in das Leben ihrer Freunde und Nachbarn ein. Und ein Chaos des Begehrens nimmt seinen Lauf. Die Komödie, die sich daraus entspinnt, ist nicht nur ein pointiertes Porträt der englischen Gesellschaft im 19. Jahrhundert. 
Ja, Emma tut den ganzen Tag nichts anderes, als das Schicksal anderer Leute zu lenken. Sie analysiert auf triviale Art die Charaktere der Menschen ihres näheren Umfelds. Sie versucht Paare miteinander zu verkuppeln, oder andere Bindungen, die in ihren Augen nicht passen, auszureden. Ihr Vater, Mr. Woodhouse, selbst eine skurrile Figur, warnt seine Tochter:
Ach, mein liebes Kind, lass das lieber, dass Ehe stiften und prophezeien, denn alles, was du sagst, trifft ein. Bitte, stifte keine Ehen mehr. (16)
Emma ist eine junge Frau von einundzwanzig Jahren und sie besuchte einst ein Mädchenpensionat, dessen Ziele und Inhalte, wie und in was Mädchen gefördert werden sollten, vielleicht erklärbar macht, weshalb Emma so viel Trivialität an Themen verbreitet und ihre GesprächspartnerInnen wie ein Strudel neugierig mit hineinzieht:
Emma besuchte ein richtiges ehrbares, altmodisches Internat, wo ein vernünftiges Maß an Kenntnissen zu einem vernünftigen Preis geboten wurde; und wo man Mädchen hinschicken konnte, damit sie auf dem Wege seien und sich ein bisschen Bildung aneigneten, ohne die Gefahr, dass sie als Wunderkinder zurückkamen.(31)
Den Mädchen eine Bildung zu ermöglichen, in ein Internat zu stecken, damit sie aus den Füßen seien,  und sie aber gleichzeitig nicht als Wunderkinder zurückkommen sollen, das muss man so richtig in sich setzen lassen... . Das könnte aber erklären, weshalb Emma in ihrem Verhalten so extrem extrovertiert ist. Keinen Gedanken und kein Gefühl kann sie für sich behalten.

Unaufhaltsam sind die Gespräche geprägt von Heiraten mit dem richtigen Partner aus dem gleichen Stand. Emma versucht zwar erst Ehen zu stiften, sie selbst aber hat gar nicht vor zu heiraten. Ihre Freundin Harriet macht sich Sorgen um Emma:
"Du lieber Gott! Aber was wollen Sie denn tun? Wie ihre Zeit verbringen, wenn Sie älter werden?"
"Wie ich mich kenne, Harriet, habe ich einen unternehmenden, regen Geist und mancherlei Interessen, an denen ich einen unabhängigen Rückhalt habe, und ich sehe nicht ein, warum es mir mit vierzig oder fünfzig schwieriger sein sollte, mich zu beschäftigen, als mit einundzwanzig."(132)
Es klingt, als heirateten die Leute aus purer Langeweile... .

Später erfährt man, dass Emma durch ihre Einmischung in die Privatsphären anderer Leute in böse Schwierigkeiten gerät. Aber es ist ja nicht nur Emma, die ihren Kopf voller Gedanken zu anderen Leuten Leben und Gewohnheiten hat, nein, es sind auch andere, die ihren Mund zu voll nehmen. Glücklicherweise sind das nicht nur Frauen, auch Männer tun oftmals in ihren gemeinsamen Gesprächen nichts anderes.
Mit unleidlicher Eitelkeit hatte sich Emma eingebildet, in die geheimsten Gefühle der anderen eingeweiht zu sein, mit unverzeihlicher Überheblichkeit hatte sie die Geschicke anderer Menschen lenken wollen. Nun wurde ihr bewiesen, dass sie sich in allem getäuscht hatte; und sie war nicht einmal untätig dabei gewesen - sie hatte Unheil gestiftet. (622)
Emma zerriss sich um so mehr das Maul, wenn Paare sich aus unterschiedlichen Ständen bildeten. Das durfte gar nicht sein. Und so kam es vor, dass manche Bindung versteckt und ohne ihres Wissens geschlossen wurde.

Sie bringt ihre naive Freundin Harriet, gewollt oder ungewollt, in emotionale Schwierigkeiten. Harriet ist nur eine Freundin, aber keine Frau ihres Standes. Nun hat sich Harriet durch Emmas Einfluss in einen Mann verliebt, der ihr gesellschaftlich weit höher steht als sie selbst und mit der Zeit gerät Emma dadurch in heftige Selbstzweifel, als ein Freund sich über Emmas Verhalten äußerst kritisch zu äußern weiß:
Ach, hätte sie doch niemals Harriet aus ihrer Verborgenheit herausgezogen! Hätte sie sie doch gelassen, wo sie hingehörte, wo sie (...) an ihrem Platz war! Hätte sie doch nicht mit einer Dummheit, die keine menschliche Zunge ausdrücken konnte, verhindert, dass sie den braven jungen Mann heiratete, der sie glücklich machen und ihr ein achtbares Heim in ihrem Stande bieten wollte - dann wäre alles gut, dann wären alle diese schrecklichen Folgen nicht.Wie konnte Harriet jetzt nur so anmaßend sein, ihre Augen zu Mr. K. zu erheben! Wie wagte sie es, sich zu der Einbildung zu versteigen, sie sei die Auserkorene eines solchen Mannes, und fest daran zu glauben! Aber Harriet war nicht mehr so bescheiden, so zaghaft wie früher. Sie hatte offenbar kein Gefühl dafür, wie wenig sie geistig und ihrer Herkunft nach an ihn heranreichte. (…) Ach, war dies nicht Emmas Werk? Wer anders hatte sich so eifrig bemüht, Harriet Rosinen in den Kopf zu setzen, als sie allein? Wer anders als sie selber hat ihr eingeschärft, sie müsse nach oben streben, sie habe Anspruch auf einen höheren gesellschaftlichen Rang? Wenn die einst so bescheidene Harriet eitel geworden war und hoch hinaus wollte, so war auch dies nur ihre eigene Schuld. (625f)
Als dann schließlich doch eine Bindung unterschiedlichen Standes eingegangen wird, gerät Emma in einen schockähnlichen Zustand, weil diese aus ihrer Sicht und aus der Sicht der Gesellschaft aus der Norm gerät.

Zum Ende hin wendet sich doch alles zum Guten. Da es hier nicht um Action und um gekünstelte Spannung geht, erlaube ich mir, mich kurz über das Ende auszulassen. Wie trivial die Dialoge oftmals geführt werden, möchte ich mit einem letzten Zitat darstellen. Zum Ende hin lassen sich Emma und ihr Gesprächspartner über das Aussehen einer guten Bekannten aus:
"Haben Sie einen solchen Teint gesehen, so klar, so zart? Und doch nicht eigentlich hell. Nein, hell kann man's nicht nennen. Ist es nicht ein ganz ungewöhnlicher Teint und dazu ihre dunklen Wimpern und Haare - eine ganz einzigartige Haut? So einzigartig wie die Dame, die darin steckt. Und nur ein Hauch von Farbe, eben so, dass es schön ist."
"Ich habe ihren Teint immer bewundert", erwiderte Emma, "aber ist mir nicht, als hätten Sie einmal an ihm ausgesetzt, er sei zu blass? Als sie zum ersten Mal von ihr sprachen? Haben Sie das ganz vergessen?" (725)
 Warum verhalten sich Menschen derart?


Mein Fazit:

Natürlich ist es nicht die Autorin selbst, die gerne tratscht und polemisiert, nein, es sind ihre ZeitgenossInnen gewesen, die sich damit ihre Zeit vergeudet haben. Jane Austen hält in ihren Büchern den damaligen Menschen höchstpersönlich den Spiegel vor. Ich bezeichne das Buch schon als eine sehr wichtige Literatur, sozial und gesellschaftskritisch, emanzipiert zugleich, und die Fähigkeit beim Aufzeigen bestimmter Verhaltensmuster der Leute. Das Getratsche der Menschen erfolgte aus meiner Sicht nicht, weil sie von Natur aus so gestrickt waren, nein, sie litten eher an einer krankhaften und notorischen Langweile. Sie hatten einfach zu viel Zeit. Sicher haben sie zu viel Hauspersonal gehabt, die die Arbeiten für sie verrichteten, für die sie sich selbst zu schade fanden. Sie hätten mehr arbeiten sollen, das hilft über die Langeweile hinweg. :-).

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit
(Marcel Proust)
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Gelesene Bücher 2013: 75
Gelesene Bücher 2012: 94 
Gelesene Bücher 2011: 86