Posts mit dem Label Erich Kästner werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Erich Kästner werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Mittwoch, 15. Mai 2019

Erich Kästner / Der Gang vor die Hunde

Klappentext   
Fabian ist Erich Kästners Meisterwerk. Doch das Buch wurde vor seinem Erscheinen 1931 verändert und gekürzt, denn der junge Kästner hatte in seinem ersten Roman alle Register gezogen. Das machte das Manuskript für den Verlag zu einem Sprengsatz, den das Lektorat mit spitzen Fingern entschärfte. Das Buch erschien schließlich entgegen Kästners ursprünglicher Intention unter dem Titel Fabian. Jetzt liegt der Roman zum ersten Mal so vor, wie ihn Kästner geschrieben und gemein hat – unter dem Titel, den Kästner ursprünglich vorgesehen hatte: Der Gang vor die Hunde.

Autorenporträt
Erich Kästner, 1899 in Dresden geboren, begründete gleich mit zwei seiner ersten Bücher seinen Weltruhm: Herz auf Taille (1928) und Emil und die Detektive (1929). Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurden seine Bücher verbrannt, sein Werk erschien nunmehr in der Schweiz im Atrium Verlag. Erich Kästner erhielt zahlreiche literarische Auszeichnungen, u. a. den Georg-Büchner- Preis. Er starb 1974 in München.

Meine ersten Leseeindrücke

160 Seiten habe ich seit Sonntag gelesen. Mir gefällt das Buch recht gut, wobei ich auch die gekürzte Fassung Fabian vor mehreren Jahren gelesen habe. Manche Episoden kamen mir bekannt vor. Kästner besitzt genau den Humor, der zu meinem passt. Sehr satirisch geschrieben. Gefällt mir gut. Ich muss aber auch sagen, dass ich ein wenig Zeit gebraucht habe, bis ich in die Geschichte reingekommen bin. Mit dem ersten Band habe ich nicht so lange gebraucht. Aber egal, mir gefällt dieses Buch trotzdem gut.

Fabian habe ich im April 2013 gelesen und war auch davon sehr angetan. Auf meinem Blog gibt es hier dazu eine Buchbesprechung.

Und es werden zukünftig noch weitere Buchbesprechungen erfolgen, da ich Kästner auch zu meinem Leseprojekt, einer von vielen, gemacht habe. Ich liebe diesen Autor inbrünstig. Vielleicht, weil er meine Jugend mitgeprägt hat. Seine Kinderbücher fand ich faszinierend. So voller Liebe an die Jugend geschrieben. Nun bin ich erwachsen und beabsichtige seine Bücher zu lesen, die an Erwachsene gerichtet sind. 

Weitere Informationen zu dem Buch
·         Verlag: Atrium Verlag AG (10. Februar 2017)
·         Sprache: Deutsch, 12,- €
·         ISBN-10: 3038820016

Hier geht es zu der Verlagsseite von Atrium.

Kurze Buchbesprechung
Da ich schon Fabian gelesen und recht ausführlich besprochen habe, erspare ich mir hier die Rezension. Im Anhang habe ich entnommen, dass der Roman ein satirischer ist, so, wie ich ihn auch erlebt habe. Nicht jeder satirischer Roman erkenne ich als eine Satire an, bei Kästner war er für mich nicht zu übersehen. Hat mir Freude bereitet neben Fabian auch dieses Buch zu lesen, wenn auch die Menschenschicksale traurige und skurrile Figuren abgaben. Das Ende fand ich sehr dramatisch. Ebenso das Schicksal von Stephan Labuse fand ich ergreifend. Hierüber hätte ich Lust zu diskutieren, aber ich verzichte, denn sonst nimmt man anderen Leser'innen zu viel an Spannung ab. Vielleicht ergibt sich über die Kommantarfunktion eine Möglichkeit darüber zu sprechen. 
________________
Gelesene Bücher 2019: 19
Gelesene Bücher 2018: 60
Gelesene Bücher 2017: 60
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86


Montag, 10. Dezember 2018

Erich Kästner / Als ich ein kleiner Junge war (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre  

Eine wunderschöne Erich-Kästner-Autobiografie, die nicht nur mich glücklich macht, sondern auch meine Lesegruppe. Ich liebe Kästners Humor, der uns schon im Vorwort erfüllt hat. Seine Art zu schreiben finden wir genial. Auffällig sind auch die vielen geduldigen Aufzählungen, die mich jedes Mal zum Lachen gebracht haben.

In meiner Besprechung werde ich nicht alle autobiografische Daten aufzählen, sondern nur das Notwendigste.

Hier geht es zum Klappentext, Autorenporträt, zu meinen ersten Leseeindrücken und zu den Buchdaten.

Die Handlung
Bevor der kleine Erich 1899 in Dresden geboren wird, bekommt man es erst mal mit Leuten zu tun, die für ihn später eine große Rolle spielen werden. Genannt werden hier die Augustins und die Kästners. Nicht, dass diese beiden Familien aus Liebe zueinanderfanden, speziell was die werdenden Eltern des kleinen Erichs betrifft. Aber sie fanden zueinander und das ist die Hauptsache, denn sonst gäbe es auch keinen Erich … Die Mitglieder der Familie Kästner kamen alle aus verschiedenen Handwerksberufen.

Die Herkunft
Christian Gottlieb Kästner, der Großvater, kam aus einer sächsischen Kleinstadt und lebte mit seiner Frau in Penig und war Tischlermeister. Sie hatten elf Kinder, wovon fünf im Kleinkindalter gestorben sind. Emil Kästner, Erichs Vater, 1867 geboren, erlernte das Sattler und das Tapezierhandwerk.

Ida Amalia Kästner, Erichs Mutter, 1871 geboren, kommt auch aus einer sächsischen Familie und hieß mit Mädchennamen Augustin. Auch sie stammt mit sieben Brüdern und vier Schwestern aus einer Großfamilie, die in einem Bauernhaus wohnten.

Ida wurde mit 16 Jahren Stubenmädchen und verrichtete dadurch sämtliche im Haus anfallenden Hausarbeiten.

Mit zwanzig Jahren lernte sie Emil Kästner kennen, als ihre Tante den 24-jährigen jungen Mann ins Haus einlud. Obwohl Ida keinerlei Liebe für Emil empfand, ließ sie sich dennoch auf eine Bindung ein, da die Liebe, laut der Tante, sich in der Ehe noch entwickeln könne.

Am 31.07.1892 wurden Ida Augustin und Emil Kästner in einer protestantischen Dorfkirche getraut. Auch wenn es keine Liebesheirat war, und mehr eine Zweckehe, wäre Erich niemals geboren, wenn sich das Paar nicht füreinander entschieden hätte. Siehe dazu passendes Zitat am Ende dieser Besprechung.

Hierbei fällt mir parallel dazu ein Spruch aus der diesjährigen Frankfurter Buchmesse ein:
Die Welt kann so schlecht nicht sein. Denn sie hat uns Erich Kästner geschenkt. 
So schlecht kann also auch diese Heirat nicht sein ... 
Das Ehepaar verließ die Heimat, da Emil als Sattlermeister nicht mehr genug verdiente. Sie zogen nach Dresden zu Emils Onkel, der seinem Neffen bessere berufliche Aussichten versprach.

Emil und Ida wünschten sich Kinder, doch leider wollte es damit nicht sofort klappen. Erst Jahre später wurde Ida schwanger. 1899 brachte sie schließlich ihr erstes und letztes Kind zur Welt, als sich mit Erich ihr Kinderwunsch erfüllte. Die Eltern liebten ihren Sohn über alles. Erstrecht, weil sie die Erfahrung machen mussten, dass es für sie nicht so leicht war, Kinder zu bekommen.

Aber das Geld reichte nicht, und so wollte Ida mit zum Lebensunterhalt beitragen. Ein Zimmer in ihrer Wohnung wurde an einem Lehrer untervermietet. Jahre später erlernte Ida das Friseurhandwerk und machte sich nach der Ausbildung damit selbstständig.

Erich wusste recht schnell, was er später für einen Beruf ergreifen wollte. Er wusste so ziemlich genau, dass er sich zu einem künftigen  Lehrer berufen fühlte. Vorbilder hatte er schließlich durch die Untermieter genug. Zog ein Lehrer wieder aus, zog ein anderer Lehrer ein …

Erich liebte Bücher und lernte recht schnell die Welt der Buchstaben kennen.
Ich las, als wäre es Atemholen. Als wäre ich sonst erstickt. Es war eine fast gefährliche Leidenschaft. Ich las, was ich verstand und was ich nicht verstand. >>Das ist nichts für dich<<, sagte meine Mutter, >>das verstehst du nicht!<< Ich las es trotzdem. Und ich dachte: >>Verstehen denn die Erwachsenen alles, was sie lesen?<< Heute bin ich selber erwachsen und kann die Frage sachverständig beantworten: Auch die Erwachsenen verstehen nicht alles. Und wenn sie nur läsen, was sie verstünden, hätten die Buchdrucker und die Setzer in den Zeitungsgebäuden Kurzarbeit. (2017, 82)

Erich war nicht nur ein intelligentes Kind, er war auch ein sehr empathischer kleiner Mensch, der ziemlich genau die Stimmung seiner Mutter wie ein Schwamm in sich aufnahm. Die Mutter litt an einer Depression und war dadurch suizidgefährdet. Mehrmals versuchte sie über eine Brücke zu springen, wäre nicht ihr Sohn gewesen, der das zu verhindern wusste … Das machte Erich sehr traurig, und besorgt suchte er den Rat eines Arztes auf, der seine Familie gut kannte. Ein wundervoller Arzt, der Kinder ernst zunehmen wusste.
>>Sie erzählen ihr nicht, dass ich hier war?<< >>Na, erlaube mal! Natürlich nicht“<<  >>Und Sie glauben nicht, dass sie wirklich von der Brücke … vielleicht ... eines Tages…?<<  >>Nein<<, sagte er, >>das glaube ich nicht. Auch wenn sie alles um sich her vergisst, wird ihr Herz an dich denken.<< Er lächelte. >>Du bist ihr Schutzengel.<<

Leider stand die Mutter doch mehrmals auf der Brücke, aber es war immer Erich, der das Schlimmste zu verhindern wusste. Wie der Arzt schon sagte, Erich war der Schutzengel seiner Mutter.

Zum Schreibkonzept
Auf den 189 Seiten ist Erich Kästners Kindheit und Jugend in sechzehn Kapiteln und Unterkapiteln unterteilt. Es gibt ein Vorwort und ein Nachwort. Sehr schön fand ich im Vorwort die Anrede an die Kinder und an die Nichtkinder 😃. Kästner spielt mit der Sprache, und lockert damit auch schwere Themen auf. Eine flüssige und leicht verständliche Autobiografie. Schade, dass sie so früh schon aufhörte. Mich hätte es noch interessiert, wie Erich als Erwachsener seinen Weg machte und was aus seinen Eltern geworden ist.

Cover und Buchtitel  
Die Zeichnung auf dem Cover finde ich witzig, aber im Buch gibt es eine Szene, die genau dieses gezeichnete Kind beschreibt.

Eine besondere Szene, die mir gefallen hat
Das Kapitel Folgeschwere Hochzeiten fand ich richtig spannend, als Erichs Mutter, erfolgreiche Friseurin, von einer unbekannten Kundin namens Fräulein Strempel aufgesucht wurde. Aufgrund ihrer Heiratspläne vereinbarte das ältere Fräulein mit Erichs Mutter einen Frisiertermin, der an dem Hochzeitstag bei der Kundin für acht Uhr bei sich zu Hause angesetzt war, um zehn Damenköpfe festlich herrichten zu können. Als Frau Kästner das Fräulein zum vereinbarten Termin aufsuchte, und an der Türe klingelte, wurde sie von einer unbekannten Dame abgewiesen, da hier kein Fräulein Strempel wohnen würde. Ida Kästner wurde gefoppt. Niedergeschlagen ging sie wieder nach Hause. Ein Verlustgeschäft musste nun materiell und immateriell verkraftet werden, wäre nicht Erich, der das Ganze wieder ins Lot bringen konnte. Erich hatte sich nämlich das Gesicht dieser Dame eingeprägt. Durch Zufall läuft sie ihm eines Tages über den Weg und Erich spioniert ihr unauffällig hinterher. Detektivisch bekommt er heraus, dass sie in einem Kaufhaus in einer Damenabteilung arbeitet … Erich sucht den Geschäftsführer auf, und erzählt ihm von dem Betrug. Der Geschäftsführer schickt die Verkäuferin mit Erich nach Hause, damit sie mit der Mutter eine Ratenzahlung vereinbaren konnte, um für den Schaden aufzukommen.

Warum das Fräulein diesen Betrug veranlasst hatte, werde ich nicht verraten.

Meine Meinung
Eine gelungene Autobiografie. Nicht nur der erwachsene Erich Kästner ist mir sympathisch, sondern auch der junge ist mir durch dieses Buch noch mehr ans Herz gewachsen, sodass ich vorhabe, im neuen Jahr ein Erich-Kästner-Leseprojekt mit auf meinem Blog zu nehmen. Mich zieht nicht nur sein Schreibstil an, sondern auch zu seinem Humor und zu seinem Charakter fühle ich mich ganz besonders hingezogen. 
Wenn man sich überlegt, von welchen Zufällen es abhängt, dass man eines Tages in der Wiege liegt (…). Wenn der junge Sattler von Penig nicht nach Döbeln gezogen wäre, sondern beispielsweise nach Leipzig oder Chemnitz, oder wenn das Stubenmädchen Ida nicht ihn geheiratet hätte (…) wäre ich nie auf die Welt gekommen. Dann hätte es nie einen gewissen Erich Kästner gegeben, der jetzt vor seinem Schreibblock sitzt und euch von seiner Kindheit erzählen will! Niemals!Das täte mir, bei Lichte betrachtet, sehr leid. Andrerseits: Wenn es mich nicht gäbe, könnte es mir eigentlich gar nicht leidtun, dass ich nicht auf der Welt wäre! Nun gibt es mich aber, und ich bin im Grunde ganz froh darüber. Man hat viel Freude davon, dass man lebt. Freilich auch viel Ärger. Aber wenn man nicht lebte, was hätte man dann? Keine Freude. Nicht einmal Ärger. Sondern gar nichts! Also, dann habe ich schon lieber Ärger. (38f)

Der kleine Erich hatte Glück, so tolle Eltern zu haben, die zulassen konnten, dass der kleine Mann sein vollstes innere Potenzial entfalten konnte. Es gab und es gibt noch immer viel zu viele kleine Menschen, die von ihren Eltern ihre Ideale ausgeredet bekommen haben.

Mein Fazit
Durch diese Autobiografie kann ich nun auch die Kinderbücher vom Hintergrund her besser verstehen. Vor allem das Buch Pünktchen und Anton brachte mich sehr häufig zum Nachdenken, auch, als dieses Buch später verfilmt wurde. Wie konnte ein kleiner Junge wie Anton seine kranke Mutter versorgen? Er übernahm komplett den ganzen Haushalt, kochte für sie und half in einer Kneipe aus, in der die Mutter arbeitete. Um die Stelle nicht zu verlieren, ersetzte Anton auch hier seine kranke Mutter. Ein kleiner Erwachsener war er für mich und mir diese Rolle zu übertrieben erschien. Aber nun weiß ich, woher dieser Hintergrund stammt. Der kleine Erich hatte sich auch sehr häufig um seine kranke Mutter gekümmert und übernahm wie der kleine Anton jede Menge Aufgaben im Haushalt, bis die Mutter wieder bei Kräften war.

Für mich und für meinen Lesekreis ist dies eine sehr interessante und sehr lesenswerte Autobiografie gewesen. Viele ältere Mitleserinnen konnten Parallelen zu ihrem eigenen Leben ziehen, und man dadurch leicht ins Gespräch kam. Es hat mir großen Spaß gemacht, das Buch mit meiner Runde zu lesen.

Meine Bewertung
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover, Titel und Klappentext stimmen mit dem Inhalt überein
12 von 12 Punkten
_____________
Vertraue auf dein Herz.
Denn dann gehst du niemals allein.
(Temple Grandin)

Gelesene Bücher 2018: 54
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86


Donnerstag, 4. April 2013

Erich Kästner / Fabian (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch habe ich gestern Abend zu Ende gelesen und es hat mir sehr gut gefallen. Ich bin in Kästner ganz aufgegangen. Kästner ist für mich ein Teil seiner Literaturfigur was die Charakterzüge betreffen, und der sich Jakob Fabian nennt. 

Auf jeder Seite gab es etwas anzustreichen. Viele Textstellen sind mit Witz geschrieben. In den Witzen steckt eine großes Potenzial an Absurdität. Die Zeit, aus der Kästner schrieb, Weihmacher Republik bis hin zum Nationalsozialismus, waren viele Handlungen im politischen und gesellschaftlichen System größenteils absurd, mit der Logik einfach nicht zu erklären. Wie kann man sonst eine solche Zeit verstehen und ertragen wenn nicht mit Humor?

Jakob Fabian, knapp über 30, zündet sich in einer Kneipe sitzend eilig eine Zigarette an und rief den Kellner:
"Womit kann ich dienen?" fragte er. 
"Antworten Sie mir auf meine Frage." 
" Bitte schön."
"Soll ich hingehen oder nicht?"
" Wohin meinen der Herr?"
" Sie sollen nicht fragen. Sie sollen antworten. Soll ich hingehen oder nicht?" Der Kellner kratzte sich unsicher hinter den Ohren. Dann trat er von einem Plattfuß auf den andern und meinte verlegen: "Das Beste wird sein, Sie gehen nicht hin. Sicher ist sicher, mein Herr".
Fabian nickte. "Gut. Ich werde hingehen. Zahlen."
" Aber ich habe Ihnen doch abgeraten?"
" Deshalb geh ich ja hin! Bitte zahlen"
" Wenn ich zugeraten hätte, wären Sie nicht gegangen?"
" Dann auch. Bitte zahlen!"
" Das verstehe ich nicht", erklärte der Kellner ärgerlich."Warum haben Sie mich dann überhaupt gefragt?"
"Wenn ich das wüsste", antwortete Fabian. (11f)
Ich stehe auf diese Form von Humor.

Fabian verarscht total den Kleinbürger und den Spießer seiner Zeit. Brachte mich oft zum lachen, obwohl es recht ernst gemeint war.

In dem Buch steckt nicht nur eine große Portion Humor, nein, sondern auch viel Menschlichkeit, wofür Kästner eigentlich auch bekannt ist. In dem Buch ergreift er Partei für die Mitglieder einer Randgesellschaft. Ein Obdachloser, ehemals Bankangestellter, betritt die Kneipe, wird aber von dem Kneipenbesitzer sofort aufgefordert wieder zu gehen. Jakob Fabian setzt sich für ihn ein, und sorgt dafür, dass er bleibt.

Fabian lädt ihn an seinen Tisch ein. Daraufhin der Obdachlose:
"Das geht nicht! Man wird mich vom Tisch wegholen und mich hinausschmeißen."
"Das wird man nicht tun! Nehmen Sie sich zusammen! Bloß, weil Ihr Jackett geflickt ist und weil Ihnen der Magen knurrt, wagen Sie nicht, richtig auf dem Stuhl zu sitzen. Sie sind ja selber mitschuldig, dass man Sie nirgends durch die Tür lässt. (…)" Was sind Sie von Beruf?"
"Bankangestellter, wenn ich mich recht entsinne. Im Gefängnis war ich auch schon. Gott, man sieht sich eben um. Das einzige, was ich noch nicht erlebt habe, ist der Selbstmord. Aber das lässt sich nachholen". Der Mann saß auf der Stuhlkante und hielt die Hände zitternd vor den Westenausschnitt, um das dreckige Hemd zu verbergen. (28)
Das einzige, was ich noch nicht erlebt habe, ist der Selbstmord. Makaber.

Zu dieser Zeit konnte jeder Mensch von heute auf morgen arbeitslos werden.

Fabian bekommt ein Zwischenspiel in einem Kaufhaus mit, indem ein kleines Mädchen beim Diebstahl erwischt wird und der Abteilungschef das Kind zum Direkter zerren wollte. Fabian setzt sich auch hier ein, hier für das Kind, und er sich bei ihm erkundigt, weshalb es den Aschenbecher gestohlen habe und erfährt dabei, dass der Aschenbecher das Geburtstagsgeschenk für den Vater sein sollte. Es ging hin und her, dem Abteilungsleiter war es angeblich sehr wichtig, das Kind dem Direkter vorzustellen… Schließlich setzte sich Fabian durch und kaufte den Aschenbecher und schenkte ihn dem Mädchen. Ein echter Pädagoge.

Kästner bricht in dem Buch auch sämtliche Tabus. Ein Beispiel von mehreren ist die Kinderprostitution:
Ein älterer Herr fand in dem Zimmer, das er zu Vergnügungszwecken betrat, zwar, wie er erwartet hatte, ein 16 jähriges entkleidetes Mädchen vor, aber es war leider seine Tochter, und das hatte er nicht erwartet…
Auf Seite 107 fasst Kästner alle Probleme dieser Zeit zusammen:
"Soweit diese riesige Stadt Berlin aus Stein besteht, ist sie fast noch wie einst. Hinsichtlich der Bewohner gleicht  sie  längst einem Irrenhaus. Im Osten residiert das Verbrechen, im Zentrum die Gaunerei, im Norden das Elend, im Westen die Unzucht, und in allen Himmelsrichtungen wohnt der Untergang."
" Und was kommt nach dem Untergang?"
Fabian pflückte einen kleinen Zweig, der über ein Gitter hing, und gab zur Antwort: "Ich fürchte, die Dummheit." (107)
Das Zitat könnte ich noch weiter in die Länge ziehen. Breche es aber ab, und verweise auf das Buch.

Fabian ereilt dasselbe Schicksal wie vielen seiner Zeitgenossen. Er verliert seinen Job, wird arbeitslos und der Kollege, der bleiben durfte, hatte das Glück, dass er weniger qualifiziert war und dadurch auch weniger verdiente und er nur deshalb den Job behielt. Absurd ist dazu noch, dass sich viele Arbeitslose schuldig fühlen, und die Schuld eher bei sich suchen, statt im System. Sie schämen sich in der Gesellschaft, so auch Fabian, der seiner Mutter erst den Verlust seines Arbeitsplatzes verheimlichte, obwohl sich die Mutter ihm gegenüber immer recht gütig verhielt. Sie ist keine Person, vor der man Angst haben müsste. Die Mutter besuchte ihn eines Tages, blieb über Nacht und Fabian tat am nächsten Morgen so, als würde er zur Arbeit gehen. Er verließ das Haus wie jeden Morgen auch… . Interessante Szene.

Fabian trifft eines Tages seinen alten Schuldirektor, der sich erkundigte, was sein ehemaliger Schüler beruflich so mache:
"Arbeitslos?" fragte der Direktor streng." Ich hatte mehr von ihnen erwartet."
Fabian lachte. „Die Gerechten müssen viel leiden", erklärte er.
"Hätten Sie nur damals ihr Staatsexamen gemacht", sagte der Direktor. " Dann stünden Sie jetzt nicht ohne Beruf da." (…)" 
"Auch wenn ich ihn ausübte. Ich kann Ihnen verraten, dass die Menschheit mit Ausnahme der Pastoren und Pädagogen nicht mehr weiß, wo ihr der Kopf steht. Der Kompass ist kaputt, aber hier, in diesem Haus, merkt das niemand. Ihr fahrt nach wie vor in eurem Lift rauf und runter, von der Sexta bis zur Prima, wozu braucht ihr  einen Kompass?"
Der Direktor schob die Hände unter die Flügel seines Gehrocks und sagte: "Ich bin entsetzt. Es gäbe keine Aufgabe für Sie? Gehen Sie und bilden Sie Ihren Charakter, junger Mensch! Wozu haben wir Geschichte geschrieben? Wozu haben wir die Klassiker gelesen? Runden Sie Ihre Persönlichkeit ab!" (233f)
Geschichte geschrieben, Klassiker gelesen, zeigt, wie viel der Direktor von seiner Bildung, die er anderen herangetragen hat, in seinem Leben wirklich umgesetzt hat? So gut wie gar nicht.

Am Schluss des Buches, vielmehr im beigefügten Anhang, entnehme ich ein Plädoyer für mehr Menschlichkeit und das Recht auf Leben.
Im Dialog mit dem Direktor seines neuen Arbeitgebers, der erfährt, dass Fabian noch einem Nebenberuf nachgeht, regiert dieser völlig entsetzt:
"Sie, Sie haben einen Nebenberuf? Dachte ich mir doch! Was tun Sie denn?"
"Ich lebe", sagte Fabian.
"Leben nennen Sie das?" Schrie der Direktor." In Tanzsälen treiben Sie sich rum! Leben nennen Sie das? Sie haben ja keinen Respekt vorm Leben!"
„Nur vor meinem Leben nicht, mein Herr!" rief Fabian und schlug ärgerlich auf den Tisch."Aber das verstehen Sie nicht, und das geht Sie nichts an! Es besitzt nicht jeder die Geschmacklosigkeit, die Tippfräuleins über den Schreibtisch zu legen. Verstehen Sie das?" (259f)
Ich mache nun hier Schluss, habe viele Textstellen unerwähnt gelassen, um nicht zu viel aus dem Urprungstext herauszuschneiden. Wer sich von dem Inhalt angesprochen fühlt, so verweise ich diese auf das Buch.
__________
 „Wo viel Liebe ist, kann sich das Böse nicht verbreiten“
         (Aus der Zauberflöte, Mozart)

Gelesene Bücher 2013: 24
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86






Montag, 1. April 2013

Erich Kästner / Fabian

Die Geschichte eines Moralisten



  • Taschenbuch: 264 Seiten
  • Verlag: Deutscher Taschenbuch Verlag; Auflage: Jubiläums-Edition. (1. Oktober 2011)
  • Miniformat, gebunden, 10,00 €
  • ISBN-10: 3423195215


Klappentext
Berlin zu Beginn der 30er Jahre: Jakob Fabian streift durch seine Stadt. In möblierten Zimmern, Bars und gewissen Etablissements mit den dazugehörigen Damen entdeckt er die Liebe und die Verlogenheit der Menschen. Am Beispiel des arbeitslosen Germanisten Fabian beschreibt Erich Kästner bissig und schonungslos den Untergang der Weimarer Republik und ihrer politischen und gesellschaftlichen Ideale. Die Welt steht kopf, moralische Normen haben ihre Gültigkeit verloren, politische Extreme befehden einander - und inmitten dieses Durcheinanders steht Fabian, der Moralist, als Beobachter und studiert das Leben. 

Autorenportrait im Klappentext
Erich Kästner wurde 1899 in Dresden geboren und starb 1974 in München. Der Schriftsteller, Satiriker, Dramatiker und nicht zuletzt Autor der berühmten Kinderklassiker ›Das doppelte Lottchen‹, ›Das fliegende Klassenzimmer‹, ›Pünktchen und Anton‹, ›Emil und die Detektive‹ und ›Die Konferenz der Tiere‹ wurde mit zahlreichen Preisen bedacht (u.a. mit dem Büchner-Preis und der Hans-Christian Andersen-Medaille).
»Erich Kästner war ein wehmütiger Satiriker und ein augenzwinkernder Skeptiker. Er war Deutschlands hoffnungsvollster Pessimist und der deutschen Literatur positivster Negationsrat. War er ein Schulmeister? Aber ja doch, nur eben Deutschlands amüsantester und geistreichster. Er war ein Prediger, der stolz die Narrenkappe trug.« Marcel Reich-Ranicki
Erich Kästner zählt neben Atrid Lindgren u.a.. zu meinen beliebtesten KinderbuchautorInnen, wobei mir Kästner auch durch seine Gedichte, die mit scharfer Messerspitze geschrieben sind, bekannt ist. Wage mich nun an die obige Satire.

Schon auf den ersten Seiten geht es recht absurd und komikhaft zu, so dass ich mir kaum das Lachen verkneifen konnte.