Montag, 26. Oktober 2020

Walter Moers / Prinzessin Insomnia und der alptraumfarbene Nachtmahr

Klappentext  

Prinzessin Dylia, die sich selbst »Prinzessin Insomnia« nennt, ist die schlafloseste Prinzessin von ganz Zamonien. Eines Nachts erhält sie Besuch von dem alptraumfarbenen Nachtmahr Havarius Opal: Der ebenso beängstigende wie sympathische Gnom kündigt an, sie in den Wahnsinn treiben zu wollen. Vorher nimmt er die Prinzessin aber noch mit auf eine abenteuerliche Reise durch die Welt des Denkens und Träumens, die für beide immer neue und überraschende Wendungen bereithält, bis sie schließlich zum dunklen Herz der Nacht gelangen ...

Autor*inporträt

Walter Moers wurde am 24. Mai 1957 in Mönchengladbach geboren. 

Er hat sich mit seinen phantastischen Romanen, weit über die Grenzen des deutschen Sprachraums hinaus, in die Herzen der Leser und Kritiker geschrieben. Alle seine Romane wie »Die 13 ½ Leben des Käpt'n Blaubär«, »Die Stadt der Träumenden Bücher«, »Der Schrecksenmeister« und zuletzt »Prinzessin Insomnia und der alptraumfarbene Nachtmahr« waren Bestseller.

Neben dem Kontinent Zamonien mit seinen zahlreichen Daseinsformen und Geschichten hat Walter Moers auch so erfolgreiche Charaktere wie den Käpt'n Blaubär, das Kleine Arschloch und die Comicfigur Adolf, die Nazisau geschaffen.

Meine ersten Leseeindrücke

Nach einhundert gelesenen Seiten kann ich leider nicht behaupten, dass mich dieser Fantasieroman, zu dem ich mich hingezogen gefühlt habe, fesselt. Es scheint kein Buch für Erwachsene zu sein, sondern mehr für Kinder ab zehn Jahren. Mich langweilt diese Lektüre, hoffe auf eine Wende und dass ich es zu Ende lesen kann. Es gibt Kinderbücher, die ich auch als Erwachsene noch gerne lese, aber ich mag keine Kinderbücher mit großen Belehrungen.

Mal schauen, was mir das Buch zum Ende hin noch bringen wird.

Buchdaten

·         Gebundene Ausgabe : 344 Seiten

·         ISBN-10 : 3813507858

·         24,99 €

·         Herausgeber : Albrecht Knaus Verlag (28. August 2017)

Hier geht es zur Verlagsseite von Knaus / Penguin.

Abbruch, 28.10.2020

Ich kann das Buch nicht weiter lesen. Es raubt mir nur meine kostbare Zeit. 

Gestern Abend nahm ich am Bloggertreffen von Diogenes via Zoom teil, in dem das Frühjahrprogramm vorgestellt wurde. Wieder mal so viele interessante Bücher in der nahen Zukunft. Interessante Bücher, die sich schon bei mir zu Hause gegenwärtig auf meinem SuB stapeln. 

Ich habe so viele andere kurzfristige Pläne. Blogbeitrag zu Proust schreiben. Am Samstag mit Anne ein Halloween Buch lesen. Blogbeitrag zu virtuellen fbm und Bloggertreffen schreiben. Ich habe definitiv keine Zeit für Moers.

Falsche Zeit für Fantasie?

Nein, ich hatte wirklich das Bedürfnis, mein Lesegenre etwas abzuwechseln. Aber dies ist nun das zweiter Buch, das ich von dem Autor abbrechen musste. Ich schließe mit Walter Moers nun endgültig ab. Schade, dass diese nicht an die Bücher Die Stadt der träumenden Bücher und Das Labyrinth der träumenden Bücher heranreichen

Obiges Buch reicht noch nicht einmal für einen Verriss.  

Dieses Buch hatte ich vor zwei Jahren auf der fbm käuflich erworben.


Dienstag, 20. Oktober 2020

Alexander Gosztonyi / Betrachte dich mit den Augen der Liebe (1)

Foto: Pixabay
Deine Seele ist kein unbeschriebenes Blatt

Der Wissende weiß, dass er glauben muss.
(Friedrich Dürrenmatt)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre  

Mir hat auch dieses Buch von Alexander Gosztonyi sehr gut gefallen. Gelesen hatte ich kürzlich von ihm Das große Buch der Seele. Am Ende dieser Buchbesprechung gibt es eine Verlinkung dahin. Vieles, was er schreibt, konnte ich mir selbst auch denken, da es bei mir seit meines Lebens etliche Überlegungen in diese Richtung schon gab. Außerdem hatte ich selber schon häufigen Kontakt nach oben, deshalb kann ich gar nicht anders, als daran zu glauben ... Doch auch in diesem Buch haben sich mir jede Menge Aha-Erlebnisse aufgetan. Es ist sehr eindrucksreich geschrieben. Die sieben Entwicklungsstufen fand ich spannend und sprachlich sehr anschaulich dargestellt. Ich glaube, dass jeder, der kritisch mit sich umgeht, seine Entwicklungsstufe in diesem Buch wird finden können, wenn ich auch eine Sache vermisst habe, auf die ich in später kurz eingehen werde. Da ich in meiner letzten Buchbesprechung desselben Autors mich sehr ausführlich in meiner Rezension ausgelassen habe und sich hier manches nochmals wiederholen würde, habe ich eher das Bedürfnis, in kurzer Form über einzelne Punkte dieses Buch zu diskutieren. Ich werde mich hier aber hauptsächlich auf die dritte Entwicklungsstufe auslassen, weil dies die Stufe ist, die mich in diesem Leben am meisten beschäftigt.

Ich weiß, dass ich mich mit dieser Buchbesprechung für gewisse Leser*innen weit aus dem Fenster hinauslehnen werde, für andere dagegen kann diese kleine Diskussion wertvolle Impulse beinhalten, aber ich möchte nur ein Zeichen setzen und Mut machen, verkrustete Verhaltens- und Denkweisen durch's kritische Hinterfragen aufzubrechen. Man findet immer Argumente, eine Besprechung wie diese rational abzulehnen, insofern geht es mir nicht darum, recht haben zu müssen, sondern nur um neue Sichtweisen möglich zu machen. Niemand ist gezwungen, sie zu übernehmen.

Hier geht es zum Klappentext, zum Autor*inporträt, zu den ersten Leseeindrücken und zu den Buchdaten.

Ich möchte gerne begründen, weshalb ich mich für diese transzendentalen Themen interessiere, die der Autor thematisch aufgreift. Weil ich das Bedürfnis habe, Dinge besser zu verstehen, die unser menschlicher Verstand nicht zu erfassen in der Lage ist, und er aus diesem Grund vieles negiert und rational abwehrt. Aber was ist eigentlich unter einer Transzendenz zu verstehen?

Tranzendental (neulat. überschreitend) heißt diese zweite Art von Intelligenz, weil sie den Menschen dazu verhilft, über die bloße Erscheinungswelt, über das Materielle und auch über das nur rational Erfassbare hinauszugelangen und das Wesensmäßige unmittelbar zu erfassen. (143)

Zum einen, weil ich selber neugierig bin zu erfahren, auf welcher Entwicklungsstufe ich mich befinde, und zum anderen, weil ich Antworten auf kosmopolitische Fragen suche, die mir die Naturwissenschaft schuldig bleibt. Wir orientieren uns häufig an die Lehren der Wissenschaft, doch nicht nur, dass die Wissenschaft an ihre Grenzen stößt, sondern sie hat sich selber häufig geirrt und falsche Theorien in die Welt verpflanzt. Ich erinnere mich an die Anfänge meines Studiums, als im Hörsaal der Dozent damals zu uns sprach, dass das, was wir heute hier lernen, sich morgen als falsch herausstellen könnte.

Die sieben seelischen Entwicklungsstufen in diesem Buch bezeichnet der Autor als das innere Alter der Seele und vergleicht sie mit der Entwicklung eines Menschen vom Säugling bis zum Erwachsenen. Wie die Seele ist auch die Psyche ist nicht sichtbar, sie lebt im Körper. Niemand kann die Psyche eines Menschen sehen, und doch wissen wir alle, dass es sie gibt.

Ich habe in der Buchvorstellung geschrieben, dass ich glaube, dass unsere Gesellschaft sich größtenteils in der dritten Entwicklungsstufe befindet, das ist die Stufe der Rationalität. Damit möchte ich nicht ausdrücken, dass wir alle gleich sind. Jeder Mensch lebt sie auf seine Art aus. Aber wie komme ich darauf? Weil auf die Herzensbildung kaum Wert gelegt wird, und viele Themen werden regelrecht mit der Ratio kaputtgeredet. Jeder bildet sich zu allem eine private Meinung, ohne zu fühlen, was der Kopf denkt. Die Kinder werden schon in der Grundschule geimpft, die ersten Weichen werden hier gestellt, wenn nicht schon im Kindergarten, dass nur das Abitur zu einem beruflichen und gesellschaftlichen Erfolg führen würde. Und naturwissenschaftliche Berufe stehen bei uns in der Gesellschaft ganz hoch oben in der Beliebtheitsskala, was die Wertschätzung und der Arbeitslohn betreffen. Oder der Rassismus. Noch immer wird z. B. über die Hautfarbe oder über die Herkunft eines Menschen und dessen Rechte diskutiert, statt sich in diesen Menschen hineinzuversetzen, empathisch zu ergründen, was dieser Mensch in einer sog. „homogenen Gesellschaft“ durchmacht. Ein Mensch, der sich auf empathischer Ebene weiterentwickelt hat,

Wird sich Klarheit darüber verschaffen, wie es in einem Menschen in dieser oder jener Situation innerlich aussieht, was er jeweils empfindet, fühlt, denkt, welche Gefühlslage sich hinter seinen Worten, seinem Benehmen verbirgt, er wird auf Ton und auf Gebaren achten, um die Hintergründe zu verstehen, um bis zur Quelle von Leid, Verzweiflung in der großen, großen Angst zu kommen. Dabei wird er tunlichst vermeiden, eine Diskussion auf der Verstandesebene zu suchen, etwas >beweisen< oder >widerlegen< zu wollen, um das Wesentliche, das Gefühl und die Stimme des Herzens, totzureden. (180)

Gefühle werden häufig als Schnulzen und als Sentimentalitäten abgetan, als wenig sachlich, mag sicher auch bei dem einen oder anderen zutreffen, doch es kommt auf den Menschen darauf an, wie er sie äußert, aber auch auf der Verstandesebene können Gedanken auf einer niederen und unreifen Ebene ausgedrückt werden. Auch hier kommt es auf den Menschen an, wie er sein Denken formuliert und wo er sich in seiner Entwicklung gerade befindet. Aber es kommt auch auf das Gegenüber an, wie dieser Gefühle beim anderen bewertet.

Der Wert oder Unwert solcher Ergründung ist an ihrem Erlebnisgehalt ablesbar. Beruht die Erklärung auf einer immanent logischen Konzeption mit Voraussetzungen, die nur rein theoretisch >erarbeitet< wurden, so schwebt die Argumentation unverwurzelt in der Luft und hat zur echten Wirklichkeit keinen Bezug. Die Realität, die sie darstellt, ist zwar auch eine, jedoch eine rein abstrakte Denkrealität. Sie besteht nur insofern, als sie er-und gedacht wird, darüber hinaus hat sie keine Bedeutung auch nur für eine der Wirklichkeitsspähren. Es ist ein Abenteuer des sich selbst überlassenen Verstandes, der seine Eroberungszüge durchführt, ohne vom eroberten Land echten Nutzen ziehen zu können. Die erdachte Theorie erweist sich als Schal, sobald sie mit der Wirklichkeit konfrontiert oder in der irdischen Realität umgesetzt wird. (219) 

Ich denke dabei auch an den Mathematiker und Philosophen René Descartes, der mit seinen Lehren Theorien verbreitet hatte, die für bestimmte Lebewesen bis heute noch fatale Folgen mit sich brachte. Er bezeichnete Tiere z. B. nur als Maschinen, und sie dadurch keine fühlenden und denkenden Wesen seien. Wie konnte Descartes sich nur so täuschen? Ist er es nicht gewesen, der gefühllos war und er seine Gefühllosigkeit auf die Tiere übertragen hatte? Jedes Tier, dem man Schmerz zufügt, von dem lassen sich laute Schreie vernehmen, und es wird dadurch ganz deutlich, dass Tiere sehr wohl wie wir Menschen Schmerzen und in Stresssituationen auch Ängste empfinden. Dafür benötige ich keinen Mathematiker, der mir dies erklärt.

In der Stufe der Rationalität ist auch häufig kein Platz für Immaterielles. Wir glauben häufig nur an das, was man sehen und anfassen kann.

Die Identifikation des Lebens schlechthin mit dem Leben in der irdisch grob-stofflichen Materie gilt noch auf der dritten Entwicklungsstufe. Auf dieser Stufe stellt der Mensch rational erfasste, oft nur er dachte Ordnungen auf und versucht, auch die Lebenserscheinungen systematisch einzuordnen, zu rationalisieren. Da er aber nur das als wirklich existierend betrachtet, was eine irdisch-materielle Erscheinungsweise hat, reduziert er im Grunde alles Erfassbare auf das Materielle. Eine Folge davon ist, dass nur das als >wissenschaftlich< gilt, was auf der irdisch-materiellen Ebene zugänglich ist; was mit Instrumenten der Physik nicht messbar ist, gilt als nicht-existent, und alle seelisch-geistigen Vorgänge werden auf die Funktion des Gehirns zurückgeführt. Und die Tatsache, dass der Mensch und jedes Lebewesen eine Seele hat, gehört dann selbstverständlich zu den Ammenmärchen. (39)

Das genau sind die Gründe gewesen, weshalb es mich zu diesen Büchern der Geheimwissenschaft hingezogen hat. Ist der Mensch tatsächlich die Krone der Schöpfung und andere Mitseelen wie Tiere und Pflanzen nur Zufallsprodukte, die man nach Belieben ausbeuten kann? Wenn mir Mitmenschen auf meine Frage antworten, ob ihnen das Leid der Tiere nichts ausmachen würde, bekomme ich häufig zu hören, dass die Tiertötung des Fleisches wegen völlig normal sei, weil dies schließlich alle Menschen auf der Welt tun würden, und so höre ich sie aus der Ratio heraus sprechen. Sich aber in die Tiere hineinzuversetzen, welche Pein sie erdulden müssen, nur damit der Gaumen des Menschen befriedigt wird, würde es den Tieren mithilfe der Empathie deutlich besser gehen.

Es ist mir dennoch schwergefallen, mich über eine Rezension dieses Buches zu entscheiden, in dem die Grenzwissenschaft in den Fokus gerückt wird. Warum? Weil man schon im Alltag Schwierigkeiten hat, diese Themen in Diskussionen miteinzubeziehen. Es fällt den meisten schwer, an eine Welt zu glauben, die mit den Händen nicht greifbar ist, obwohl sich diese geistige Welt, dieses Wissen in uns allen befindet.

Der Mensch hat das Bedürfnis, die Anziehung des Unsichtbaren in sich zu unterdrücken oder sogar abzutöten, solange er die Stimme des Unsichtbaren nicht vernehmen will oder noch nicht vernehmen kann. Er tut es, indem er mit seinem Verstand, natürlich mit einem einseitig gebrauchten, verabsolutierten Verstand, in sich alles erstickt, was mit dem Übersinnlichen korrespondieren und auf dessen Anruf er mit Resonanz antworten möchte. Er tut es meistens, indem er sich in das Abenteuer der Ratio stürzt. Anstelle der wahren Wirklichkeit setzt er die abstrakte Realität, und er ergeht sich in theoretischen, theologischen und philosophischen, seit der Neuzeit in wissenschaftlichen Ergründungen, die die Stelle der Wirklichkeit des Übersinnlichen und sogar alles Himmlischen einzunehmen haben. (219)

Meine Identifikation mit den Entwicklungsstufen
Auch ich habe mich in der dritten Entwicklungsstufe gesehen, aber mehr in einem Übergang in die vierte Stufe, da ich ebenso über mediale Erfahrungen verfüge, die mit der vierten Entwicklungsstufe beginnen würden. Ich lerne, in diesem Leben tatsächlich zweigleisig zu fahren. Ich arbeite mit meinem Kopf, aber auch mit meinem Herzen. Dennoch fällt es auch mir oftmals schwer, mich vom Herzen her mehr zu öffnen. Auch ich trage die Schwierigkeit mit mir herum, an immaterielle Dingen zu glauben, die mit dem Verstand und mit den Händen nicht greifbar sind. Durch dieses Buch weiß ich nun, dass ich mich in einem Lernprozess befinde, weiterhin mehr auf mein Herz zu hören. Irgendwann wird jeder Mensch lernen, die Balance zwischen Herz und Verstand zu finden, doch zum Licht und zur universellen Liebe ist es das Herz, das uns, wie der Autor sagt, hinführen wird.

Unsere Aufgabe lautet demnach, ein wahrhaftig menschlicher Mensch zu werden und Hochachtung vor jeder Kreatur zu haben. (125) Die Gefühlsfähigkeit ist die Voraussetzung für die echte Liebesfähigkeit. (25)

Bis dahin wird es für viele von uns noch ein weiter Weg sein.

Cover und Buchtitel  

Der Buchtitel war es, der mich neugierig und mich zum Weiterlesen nach dem ersten Werk Das große Buch der Seele gestimmt hat. Mich und meine Mitmenschen mit den Augen der Liebe zu betrachten ist eine Herausforderung, die ich gerne vom Autor vorgelebt haben wollte, und von daher habe ich Cover und Buchtitel nach dem Lesen als recht stimmig empfunden, weil mein Mitgefühl, wie ich weiter unten schon geschrieben habe, durch das Buch deutlich gesteigert werden konnte, wobei ich schon allein durch meinen Beruf mit psychisch kranken Menschen tagtäglich vor dieser Herausforderung gestellt bin.

Der Untertitel Deine Seele ist kein unbeschriebenes Blatt zeigt auf, dass es seine Berichtigung hat, so zu sein, wie man ist, dass die Seele gefüllt ist mit den zahlreichen Vorerfahrungen ihrer Vorleben.

Zum Schreibkonzept
Das Buch beginnt mit einem Vorwort, das Heinrich von Nievergelt verfasst hat. Aber wer ist Heinrich von Nievergelt? Ein Berufskollege? Ich konnte im Internet nicht fündig werden. Danach beschreibt Gosztonyi erstmal allgemein den Weg zur Vollendung. Er bereitet die Leser*innen quasi auf die Hauptthematik vor. Er beschreibt die Etappen der Entwicklung, bis er schließlich in den folgenden Kapiteln auf die unterschiedlichen Entwicklungsstufen von eins bis sieben in sehr ausführlicher aber gut verständlicher Form eingeht. In jeder Entwicklungsstufe gibt es weitere Unterpunkte. Das Buch endet mit einer äußerst interessanten Danksagung durch seine Ehefrau und mit einer Bücherliste.

Es zeigt, dass das Buch sehr gut strukturiert und gegliedert ist. Man merkt deutlich, dass der Autor in seiner Thematik sicherlich auch durch seinen Beruf als Rückführungstherapeut zu Hause ist. Er scheint auch über mediale Erfahrungen aus der Kindheit zu verfügen. Denn in dem Vorwort geht hervor:

Alexander Gosztonyi war noch Schüler in Ungarn, als ihm ein Medium prophezeite: “Du wirst als Erwachsener einmal Bücher schreiben und in deiner nächsten Inkarnation sie selber lesen”.

Gosztonyi ist zudem bibelfest, zitiert häufig daraus, bezieht sich aber auch sehr kritisch zur Heiligen Schrift, was ich zusätzlich noch sehr interessant fand. 

Meine Meinung
In mancherlei Hinsicht erschien mir das Buch sehr negativ. Auf positive Entwicklungen dürfe sich der Mensch nichts einbilden, denn sie seien Geschenke Gottes, doch für die negativen Anteile haben wir Menschen uns durch die Anhäufung von schlechtem Karma von Stufe zu Stufe abzurackern. Wenn man Gosztonyi liest, beschleicht mich am Ende ein Gefühl von einer ewigen Anstrengung durch zahlreiche Leben über die der Reinkarnation. Wenig geht der Autor auf positive Entfaltung eines Menschen ein, die man als gutes Karma bezeichnen könnte. Das leuchtet mir nicht ein. Negatives hat sich der Mensch selbst verschuldet, Positives seien Geschenke Gottes. Aber so hat der Autor das nicht gemeint, es liest sich nur so, weil er auf das Gute, das sich der Mensch erschaffen hat, zu wenig eingeht.

Es ist doch auch schön, auf der Welt zu sein, man hat Freude und Spaß am Leben, was mir etwas in diesem Buch zu kurz gekommen ist. Ich war froh über die Kenntnisse seines Werkes Das große Buch der Seele zu verfügen, denn durch dieses Buch konnte ich besser ableiten, mit wieviel Liebe er sein Wissen in die Bücher gepackt hat, um es uns Menschen weiterzureichen.

Und die Wertung von Gut und Böse würde es im Göttlichen nicht geben, da beides gottgewollt sei und beides neutral. Zur Weiterentwicklung der Seele müsse der Mensch auf beiden Bewusstseinsebenen von Gut und Böse seine Erfahrungen machen. Das sog. Böse sei notwendig, damit der Mensch dadurch aus sich heraus das Gute entfalten könne. Das hieße aber nicht, dass der Mensch tun könne, was er will. Alles Schlechte, was er fabriziert, würde auf ihn selbst zurückfallen.

Die Seelenstufen lesen sich ein wenig wie ein Schubladendenken, aber auch das ist so nicht gemeint. Selbst wenn Menschen einer Gesellschaft in ihren Werten miteinander partizipieren und kooperieren, ist doch jeder Mensch anders und jeder lebt diese Eigenschaften anders aus. In einer Schulklasse gleichen sich auch nicht alle Schüler*innen, obwohl sie alle vor den selben Aufgaben ihrer Klassenstufe gestellt sind.

Hermann Hesse
Eine Brücke zwischen der grobstofflichen und der feinstofflichen Welt
Ich denke oft darüber nach, dass es eine Brücke geben müsste, die diese beiden Welten für uns (suchende) Menschen verbindet. Ich erinnere mich dabei tatsächlich an Hermann Hesse, der sich ebenso sehr intensiv in seinen Büchern 
Das Glasperlenspiel und Siddharta über die feinstoffliche Existenz ausgelassen hat. Auch Hesse äußerte darin eine gewisse Sehnsucht nach einer Brücke dieser Art. Laut Gosztonyi scheint es tatsächlich diese Brücke zu geben, allerdings erst in der siebten Entwicklungsstufe. Hier habe der Mensch wie eine Brücke Verbindung zu beiden Bereichen. Erst in dieser Stufe würde der Mensch dafür diese innere Reife und Stärke erworben haben.

Was hat das Buch in mir bewirkt?
Ich habe mehr Mitgefühl mit meinen Mitmenschen erworben. Mithilfe des Buches wird deutlich, welchen Lebenskampf wir alle führen, und dass es nicht einfach ist, diese Entwicklungsstufen zu erlangen. Anders als mit der menschlichen Entwicklung von Geburt bis zur Bahre verlaufen die seelischen-geistigen Abläufe viel längerfristiger ab. In den unterschiedlichen Entwicklungsstufen würde man immer wieder hineingeboren werden. Nicht, weil der Mensch unfähig oder dumm ist, nein, weil die Erfahrungen erst gemacht werden müssen, die der Mensch auf den verschiedenen Stufen erwerben müsse, um aufsteigen zu können. Erfahrungen als Mann, dann wieder als Frau, Erfahrungen mit Religionen, dann wieder ohne Religionen, Erfahrungen mit den verschiedenen Berufsgruppen, mit den unterschiedlichsten Familien, Erfahrungen mit verschiedenen Kulturen, etc. um nur ein paar Beispiele zu nennen. Die Stufen kann man mit einer Schule vergleichen. Wenn wir innerlich reif sind, werden wir eine Stufe höher steigen, sozusagen versetzt in die höhere Klasse, nur, dass hier die jeweiligen Schuljahre nicht auf zwölf Monate zu begrenzen sind. Wie und wann wir es geschafft haben, diese Schule Erde zu verlassen, das heißt, von dem Reinkarnationszyklus endlich befreit zu werden, möchte ich an folgendem Zitat aufzeigen.

Sein anfänglich noch recht theoretisches Wissen über die Doppelgeschlechtigkeit der Seele, dass sie also zugleich Männliches und Weibliches in sich schließt, begann erst auf den höheren Stufen zur inneren Realität zu werden, als er nämlich anfing, diese beiden Eigenarten menschlichen Seins bewusst zu entfalten. Dazu war nötig, dass er fähig wurde, den Menschen nicht mehr nach der äußerlichen Erscheinung, so auch nicht nach dem biologischen Geschlecht und dem biologischen Alter, sondern nach den menschlichen Qualitäten und nach dem inneren Alter einzustufen. Er musste reif werden, um den Menschen im Menschen und nicht bloß die nach außen erscheinende Person wahrzunehmen. (254)

Niemand wird aus diesem Raster fallen. Es wird niemand im Fegefeuer verschwinden. Der Schöpfer weiß, wie schwer unsere Bürden sind, und dass die schlechten Erfahrungen zu unserer Entwicklung dazugehören, sie sind sogar gottgewollt, weshalb wir immer nach dem physischen Tod wieder mit Liebe empfangen und nach einer Ausruhphase mit Liebe wieder zurück auf die Erde geschickt werden. Immer wieder in einer anderen Rolle, die Erde als Bühne begreifend. An diesem Bild Bühne wird deutlich, wie mannigfaltig die Rollen von Personen sein können, die der Mensch immer wieder abwirft, um später in eine weitere Rolle zu schlüpfen, um sein neues Lebensstück in einer anderen Façon spielen zu können.

Mein Fazit
Ein sehr zu empfehlendes Buch, das zum Weiterforschen anregt. Allerdings setzt das Buch unbedingt eine gewisse geistige Aufgeschlossenheit voraus. Aber wer sie nicht mitbringt, der wird diese Besprechung sowieso mittendrin wieder abbrechen. 

Wie ist das Buch zu mir gekommen?
Gosztonyis Werk Das große Buch der Seele hat mich dermaßen erfüllt, dass ich unbedingt auch dieses Buch lesen wollte. Auf der letzten Seite sind sämtliche Buchtitel des Autors aufgelistet.

Wer Interesse zur Buchbesprechung Das große Buch der Seele bekommen hat, der kann sie  hier nachlesen.

Meine Bewertung Sachbuch

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck und Verständlichkeit
2 Punkte: Sehr gute Umsetzung der Thematik.
2 Punkte: Sehr gute aufklärerische und kritische Verarbeitung
2 Punkte: Logischer Aufbau, Struktur und Gliederung vorhanden.
2 Punkte: Anregung zur Vertiefung, zum weiteren Erforschen und zur Erkundung
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein

Zwölf von zwölf Punkten.

Vielen herzlichen Dank an den Windpferd - Verlag für das Leseexemplar.

_____________

Jeder kann die Welt mit seinem
Leben ein kleinwenig besser machen.
(Charles Dickens)

Gelesene Bücher 2020: 19
Gelesene Bücher 2019: 34
Gelesene Bücher 2018: 60
Gelesene Bücher 2017: 60
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86

Ich lese mit Herz und Verstand!
Um die Welt, Menschen und Tiere
besser zu verstehen.

Die Herkunft eines Menschen
Die Wurzeltheorie verdammt Menschen zu ewigen Ausländer*innen, nur, weil sie eine andere Hautfarbe, eine andere Religion oder einen anderen Namen tragen.

Bäume haben Wurzeln, doch Menschen haben Beine, und der liebe Gott wird sich schon bei der Einrichtung der Welt auf diese Weise etwas gedacht haben. Im Grunde sind wir nicht dazu da, ortsfest wie ein Baum zu leben“.
(Denis Scheck im Interview mit Iris Wolf, aus ARD-Buchmessenbühne)

Es lebe die menschliche Vielfalt in Deutschland und überall.
(M. P.)

 

Donnerstag, 15. Oktober 2020

Alexander Gosztonyi / Betrachte dich mit den Augen der Liebe

 Klappentext   

Hast Du Dir schon einmal die Frage gestellt, weshalb für den einen Menschen töten legitim erscheint, während ein anderer sich in liebevoller Hingabe für Menschenleben einsetzt? Weshalb beobachten wir so unterschiedliche Lebensweisen in dieser Welt und welchem Zweck dienen sie?

Das letzte Buch von Alexander Gosztonyi beschäftigt sich mit den tiefgreifenden Entwicklungsphasen des Menschen. Darin zeigt er auf, welche Stadien der Entwicklung die Seele eines Menschen zur Liebe hin durchlaufen muss und weshalb all die Erfahrungen auf der Erde von besonderer Wichtigkeit sind.

Möchtest Du wissen, in welcher Entwicklungsstufe Du Dich gerade befindest? Wer Alexander Gosztonyis frühere Werke kennt, weiß, mit welcher Sorgfalt und Tiefe er dieses Thema aus seinen über 50 Erfahrungsjahren als Lebensberater und Rückführungstherapeut behandelt.

Ein Buch für alle, die wertvolle Impulse auf ihrem Weg zur vollkommenen Liebe hin finden möchten..

Autor*inporträt

Alexander Gosztonyi, Dr. phil. (1925-2011), führte 40 Jahre lang eine Praxis als Lebensberater und Rückführungstherapeut in Zürich. Er veröffentlichte zahlreiche Publikationen über naturwissenschaftliche Themen, Philosophie, Psychologie, Theologie und Religionsgeschichte, die ihn international bekannt machten.
Aus seinem Lebenswerk wurden von seiner Witwe Rita Gosztonyi die letzten beiden Werke vollendet, dessen zwei Bände im Herbst 2016 und im Herbst 2017 erscheinen werden. Sie kann zu Fragen seines umfassenden Werkes, das neben Büchern auch Mitschnitte seiner Vorträge umfasst, kontaktiert werden unter www.ritamaria.ch oder ritamaria.go@bluewin.ch.

Meine ersten Leseeindrücke

Ich befinde mich gerade auf der Seite 157. Ich finde das Buch richtig spannend und frage mich, in welcher Entwicklungsstufe ich mich wohl befinde? Es sind sieben, die der Mensch in seiner äonischen Entwicklung durchlaufen müsse, bis er von der Reinkarnation erlöst wird. Sieben klingt wirklich wenig, aber bis man diese Stufen erreicht hat, muss der Mensch unzählige Male wieder geboren werden, weil er sich nur sehr langsam entwickeln würde. Aber die Gesellschaft, in der ich mich befinde, scheint nach meiner Einschätzung in der Entwicklungsstufe drei zu stecken. Das Gros der Leute ist geprägt von Ratio, Vorschriften, Dogmen, Denksystemen, Moral, Belehrungen, Urteil, Perfektion, Grundsätze von Wissenschaft ...  Das mag auf den ersten Blick positiv erscheinen, aber das ist es nicht. Warum? Nicht nur, weil es an Empathie fehlt, die sog. Herzensbildung ... In unserer Gesellschaft denkt man häufig, dass die Intellektualität das Wichtigste sei, mit der man strebend die höchsten Ziele erreichen könne. Nein, ihr werdet euch wundern. Es ist die Intelligenz des Herzens, die uns ins Licht führen wird. Es sind die Weite des Herzens und die seelische Tragfähigkeit, die einen Menschen zur Persönlichkeit machen und seine innere Stärke erkennen lassen. (26) Weitere wichtige Gründe, weshalb die Ratio alleine für die Entwicklung einer Menschenseele nicht ausreichend ist, bespreche ich später in meiner Rezension. 

Das Gute dabei? Wir werden alle irgendwann erkennen, dass uns die Ratio alleine nicht befreien wird. Zu unterschiedlichen Zeiten werden wir alle aus uns hinauswachsen und mit dem Herzen dem Licht entgegenstreben. 

Dabei sind auch die Aspekte von Gut und Böse interessant ... Aber dazu später mehr.

Puh, ich könnte schon jetzt loslegen, über das Buch zu sprechen, weil der Autor mir teilweise aus der Seele spricht, da ich selbst in meinem Leben jede Menge Eingebungen hatte. 

Mittlerweile befinde ich mich auf der Seite 220 und denke so allmählich meine Stufe gefunden zu haben. 

Buchdaten

·         Taschenbuch : 280 Seiten, 14,95 €

·         ISBN-10 : 386410159X

·         Herausgeber: Windpferd Verlagsgesellschaft mbH; 1. Auflage 2017 (14. September 2017)

Hier geht es zur Verlagsseite von Windpferd.

Hier geht es zur Buchbesprechung.


Sonntag, 11. Oktober 2020

Proust und die Frage, wer sich hinter dem Rezensenten Louis Chevreuse verbirgt?

Auf den folgenden Seiten bekommt der Pariser Roman immer mehr Kontur. 

Foto: Journalist und Schriftsteller Robert Dreyfus, 1873 - 1939
sucht Anregungen oder Tipps bei seinem Freund Georg de Lauris bezogen auf die Figuren der Guermantes. Ach, wie vertraut mir doch dieser Name Guermantes nur ist. Aber 
die Antwort bleibt aus und Proust bohrt nach. (631)

Auf der Seite 648 gibt Proust seinem Freund Georges de Lauris am Ende seines Briefes bekannt, dass sein Roman kurz vor dem Abschluss stehen würde. Ui, denke ich mir, niemals kann die Recherche schon beendet sein. Ich bin so gespannt, wie sich dieser Prozess, von dem Proust selbst noch nichts ahnt, sich entwickeln wird. 

Leben Sie wohl, lieber Georg, ich schlafe nicht mehr, ich esse nicht mehr, ich arbeite nicht mehr, gibt noch vieles andere, was ich nicht mehr tue,  und zwar schon lange nicht mehr. Trotzdem, mit ein wenig Schwung wäre mein Buch in zwei Monaten fertig, aber werde ich diese zwei Monate je haben. (Februar 1911)

Irgendwo habe ich mal gelesen, dass die Recherche sein Lebenswerk war. Kurz vor seinem Tod hatte er sie beendet. Hier ist er erst Ende 30 und gestorben ist er mit 51 Jahren.

Doch es gab einen Brief, der mich positiv schmunzeln ließ, als einer seiner besten Freunde unter einem Pseudonym einen lobenswerten Artikel zu Prousts Übersetzung über die Bible d`Amiens geschrieben hatte. Es ist charmant zu lesen, wie verblüfft Proust war, als sich herausstellte, wer sich hinter diesen Decknamen verbarg. 

An Robert Dreyfus
8. Oktober 1910, Proust ist hier 39 Jahre alt

Ich hätte ja nichts dagegen, wenn Du mich weiterhin für scharfsinnig hieltest, aber ich muss doch der Wahrheit die Ehre geben: Nicht eine Sekunde lang habe ich vermutet, dass Du Chevreuse bist, und habe völlig naiv an Dich geschrieben, ohne zu ahnen, dass ich an Chevreuse schreibe. Besonders töricht war es, dass ich mir zwar dachte, es könne ein Pseudonym sein, dass hinter diesem Pseudonym Bonnard, Beaunier (...) stecken könnten (ein sehr elastisches Pseudonym) und dass jedes Mal, wenn man sich irrt, mir nicht einmal die bloße Möglichkeit, dass Du es sein könntest, in den Sinn kam. Es ist mir im Traum nicht eingefallen! Vielleicht weil ich, da Du schon als D. sehr nett zu mir gewesen bist, gedacht habe, damit wäre es genug für das ganze Leben und Du würdest nie wieder auf die Idee kommen, meinen Namen zu erwähnen. (...) Was Du gesagt hast, ist überaus nett, aber vor allem ist es überaus nett, dass gerade Du es gesagt hast. Gewiss, es ist schmeichelhaft, unbekannte Freunde zu haben. (...) Und dieser Chevreuse, der an der Bible d`Amiens Gefallen fand - ich habe Dich zwar gefragt, ob das nicht das Pseudonym von jemanden sei, den ich kenne, aber im Grunde habe ich doch gehofft, dass es jemand ist, den ich nicht kenne, jemand ungeheuer Talentiertes, der die Bible d`Amiens so sehr mochte, dass er es unbedingt mitteilen musste. Aber eigentlich bin ich doch nicht enttäuscht, dass dieser sympathische Chevreuse mit jemandem verschmolzen ist, dessen Beifall nur ein Beweis seiner Freundschaft ist. Ich habe dem Unbekannten nicht nachgeweint, ich habe mich lebhaft gefreut, dass es der Freund war. So preise ich Dich, liebe Dreifaltigkeit, in drei Personen, ich bin D. und Chevreuse äußerst dankbar, aber Robert Dreyfus ist mir von den dreien der Liebste. (636f) 

Aus der Fußnote ist zu entnehmen, dass Proust am 6. oder 7. Oktober in einem Brief seinen Freund Robert Dreyfus um Auskunft bat, wer die Person Louis Chevreuse denn sei?

Prost fragten in einen Brief an Dreyfus, den Dreyfus gerade beantwortet hatte: > Wer ist ein gewisser Monsieur Louis Chevreuse, der mich kürzlich ( ...) auf sehr liebenswürdige Weise zitiert hat, in einem äußerst interessanten Artikel über die Kathedrale von Straßburg. Ist es ein Pseudonym, ist es jemand, den ich kenne? < (638)

In den weiteren Briefen ging es wieder recht geistreich zu. Proust hat ein Theatrophon abonniert, das er allerdings wegen der schlechten Hörqualität wenig nutzen würde. Von zu Hause aus konnte er Opern und Theaterstücke verfolgen, ohne das Haus verlassen zu müssen. Mit dem Theatrophon wird nochmals deutlich, wie krank er ist, und immer wieder liest man in seinen Briefen, dass er wochenlang oder gar monatelang das Haus nicht verlassen hat.

Aber bei den Opern Wagner, die ich fast auswendig kenne, machen mir die Unzulänglichkeiten der Akustik nicht viel aus. (648)

Erstaunlich, dass er Wagners Opern zum großen Teil auswendig kennt. Er tauscht sich mit seinem Musikerfreund Reynaldo Hahn im März 1911 über verschiedene Opernstücke aus. Ich wusste nicht, dass Goethes Werther auch zu einer Oper komponiert wurde.

Und man liest viel Schmeichelhaftes. Reynaldo Hahn würde mehr Tiefgang haben als der große Wagner. Das war sicher wieder so eine Schleimerei von Proust.

Aber Proust kann auch sehr empathisch sein. Sein Freund Reynaldo Hahn hat am 09.11.1910 seinen Bruder Henri im Alter von 54 Jahren verloren, der in seiner Wohnung verstarb. Der ganze Brief an seinen Freund ist wundervoll geschrieben, ich aber nur die letzten Zeilen zitieren möchte.

Wenn ich etwas für Dich tun kann, sag es mir. Selbstlosigkeit ist ein Ablenkungsmittel für ohnmächtige Zuneigung. Was das Unglück selbst angeht, so kannst Du Dir all die Fragen denken, die ich mir stelle. Aber da ich sie nur Dir stellen will und in diesem Augenblick um nichts auf der Welt will, dass Du mir antwortest, begnüge ich mich damit, in Gedanken Deine Hand in der meinen zu halten und (nicht nur in Gedanken) mit Dir zu weinen. Dein tief trauriger Marcel Proust (642)

Puh, Proust ist nie um Worte verlegen. Er findet selbst in solchen schwierigen Momenten eines Menschen den richtigen Ausdruck, wo manch andere lieber schweigen würden.

Weiter geht es nächstes Wochenende von Seite 653 – 663.

______________

Proust Zitate

Man kann nur über das gut schreiben,
was man liebt.
(Marcel Proust zitiert Ernest Renan)

Kennzeichen wahrer Originalität ist,
über ein nichtssagendes Thema nichts zu sagen.
(Brief an Georg de Lauris)

Es genügt, mit den Menschen zusammen zu sein, die man liebt; man kann träumen, mit ihnen sprechen, nicht mit ihnen sprechen, an sie denken, an unwesentlichere Dinge denken, in ihrer Gesellschaft ist das alles gleich. Wenn man mit den Menschen zusammen ist, die man liebt, ist es ganz gleich, ob man mit ihnen spricht oder nicht.
(Marcel Proust zitiert 
Jean de La Bruyère)


Dienstag, 6. Oktober 2020

Michael Rosenberger / Der Traum vom Frieden zwischen Mensch und Tier (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre  

Poster in meiner Wohnung

Ich fand das Buch sehr interessant, vor allem der Blickwinkel zur Tierethik fokussiert auf den christlichen Glauben hat mich stark inspiriert, wobei ich selbst zur Bibel eine ambivalente Haltung habe, da ich der Meinung bin, dass man sie so auslegen kann, wie es einem gefällt. Dennoch konnten für mich viele interessante Aspekte aus dem Buch gezogen werden, sodass ich mir beim Lesen viele Stichpunkte gemacht habe, und ich stelle fest, dass ich sie hier nicht alle einbringen kann, da es sonst zu sehr den Rahmen sprengen würde. Es zeigt einfach nur, wie vielseitig dieses Buch doch ist. Deshalb möchte ich schon vorab sagen, dass mich der Autor sehr bereichert hat, und hoffe, dass dieses Buch von vielen Kirchenleuten gelesen wird. Es ist ein wichtiges Sachbuch, das hilft, neue Sichtweisen zu gewinnen und könnte damit helfen, sinnlose Gewalt zu reduzieren, was für mich der Anfang zu einem Weltrieden bedeuten könnte, der aber bei jedem selbst erstmal anfangen muss.

In dieser Buchbesprechung gehe ich zum Schluss durch den Autor auch kurz auf das humane Schlachten ein und habe dazu zwei Youtube - Videos eingefügt. Meine Meinung dazu habe ich auch geäußert, die deutlich von der des Autors abweicht. 

Hier geht es zum Klappentext, zum Autorenporträt, zu den ersten Leseeindrücken und zu den Buchdaten.

Schon das Vorwort macht auf die Problematik von Verbraucher*innen aufmerksam, diese unreflektierte schizophrene Haltung Tieren gegenüber, was ich gerne zitieren möchte, da diese immer wieder in den Büchern dieses Genres zum Thema gemacht wird:

Die einen umarmen wir, die anderen schlachten wir. Die einen vergöttern wir, die anderen machen wir zur Ware. Die einen verhätscheln wir, die anderen essen wir. Ob das daran liegt, dass wir die einen >zum Knuddeln gern< haben, die anderen aber > zum Fressen gern < ? In jedem Fall ist der menschliche Umgang mit den Tieren bisher wenig reflektiert und in vieler Hinsicht ziemlich widersprüchlich. Vieles geschieht, weil es schon immer so war oder weil das doch klar ist. Doch in den letzten Jahren werden die Stimmen jener lauter, die althergebrachte Überzeugungen in Frage stellen und eine Tierethik fordern, die diesen Namen verdient. ( 7)

Häufig höre ich, >>Überall auf der Welt werden Tiere für den Fleischkonsum getötet<<. Fazit? Es muss richtig sein, weil es alle so machen. Doch was sagt die Bibel dazu?

Stimmt es, dass die Bibel keine Rücksicht auf die Tiere nimmt? Eine Frage, die sich auch der Autor angelehnt an Eugen Drewermanns Protest stellt. Drewermann prangert die Kirche an, weil sie Tiere aus dem Schöpfungsplan ausblenden würde und er sich dagegen als Theologe für die Freiheit und das Leben der Tiere eingesetzt habe. Aus meiner eigenen Beobachtung heraus werden Tiere in der Kirche nicht einmal erwähnt, die Prediger*innen tun so, als gäbe es sie nicht. Die Theolog*innen betten in der Kirche in ihren Gebeten alle möglichen Heiligen und Menschen ein, nur die Tiere lassen sie außen vor. Doch der katholische Theologe Michael Rosenberger bringt Beispiele, die auch meinen Blick mehr zum Schärfen gebracht haben, auch wenn mir noch immer bewusst ist, dass viele Theolog*innen in ihrer Berufspraxis nicht nach diesen Beispielen leben, weil man eben Bibeltexte, wie ich oben schon geschrieben habe, so auslegen kann, wie es fürs eigene Konzept passt. Aber Michael Rosenberger widerspricht Drewermann. Denn die Bibel sei voll von Geschichten, in denen die Tiere einen hohen Stellenwert beigemessen bekommen. Es wird Platz für die Tiere geschaffen, wie ich weiter unten noch ausführen werde. Doch wenn Drewermann als Experte diese Geschichten nicht kennt, wie schwierig müssen sie erst für einen Laien wie mich zu finden sein?

Interessant war außerdem zu lesen, dass auch der Autor die Tiere als unsere Schwestern bezeichnet hat, da sie mit zum Schöpfungsplan dazuzählen. Außerdem seien Tiere fühlende und denkende Wesen, und er dadurch die Persönlichkeit der Tiere nicht anzweifelt.

Auch bezieht sich der Autor auf Vorbilder, wie z. B. Franz von Assisi, der mit den Vögeln sprach, außerdem zitiert er Papst Franziskus, der dafür plädiert, die Tiere in unsere universale Gemeinschaft einzubeziehen:

Wenn das Herz wirklich offen ist für eine universale Gemeinschaft, dann ist nichts und niemand aus dieser Geschwisterlichkeit ausgeschlossen. Folglich ist es auch wahr, dass die Gleichgültigkeit oder die Grausamkeit gegenüber den anderen Geschöpfen dieser Welt sich letztlich immer irgendwie auf die Weise übertragen, wie wir die anderen Menschen behandeln. Das Herz ist nur eines, und die gleiche Erbärmlichkeit, die dazu führt, ein Tier zu misshandeln, zeigt sich unverzüglich auch in der Beziehung zu anderen Menschen. (11)

Wir sind eine universale Familie

Außerdem geht aus seiner Enzyklika > Laudato si`< hervor, > dass sämtliche Geschöpfe des Universums, da sie von ein und demselben Vater erschaffen wurden, durch unsichtbare Bande verbunden sind und …  alle miteinander eine universale Familie bilden … < Diese Familie umschließt alle lebenden Arten und Individuen: > Wenn ... das Herz wirklich offen ist für eine universale Gemeinschaft, dann ist nichts und niemand aus dieser Geschwisterlichkeit ausgeschlossen. <  Wenden wir diesen Gedanken ethisch, ist evident: zwischen Geschwistern muss Gerechtigkeit herrschen. (135f)

Tierliebe wird in der Kirche häufig als "anthropomorph" bezeichnet, das heißt, dass Tiere von ihren Halter*innen zu sehr vermenschlicht werden würden. Das mag sein, dass für manche eine Lücke mit den Tieren gefüllt wird, aber dies lässt sich nicht auf alle Tierhalter*innen übertragen, denn echte Tierliebe hat nichts mit Ersatzansprüchen zu tun. Echte Tierliebe versorgt das Tier mit allem, was es zu einem glücklichen Leben seiner Art auf diesem Planeten benötigt. Die Tierliebe steht im Vordergrund und nicht die Selbstliebe. Das gilt sowohl für Haustiere als auch für Tiere aus der Landwirtschaft. (Ich weigere mich den Begriff Nutztiere zu gebrauchen).

Rosenberger denkt zweigleisig, in dem er sich mit der Tierethik philosophisch und theologisch sehr gründlich auseinandersetzt. Mit dem philosophischen Blick beschreibt er, was er unter einem humanen und gerechten Umgang mit den Tieren versteht und mit dem theologischen, Tiere als gottgewollte Geschöpfe einzubeziehen. (10)

Aber wie kommt es, dass Tiere so missverstanden werden, dass wir Probleme haben, sie als fühlende und denkende Wesen anzuerkennen und sie stattdessen vom Schöpfungsplan ausschließen? Gerade die großen Denker wie z. B. René Descartes verbreitete mit seinen Lehren, die für die Tiere fatale Folgen hatten, Unwahrheiten. Er hatte sie mit Menschen verglichen und sie als vernunftlos bezeichnet, da sie z. B. nicht sprechen können, denn alle Menschen lernen sprechen, selbst Menschen mit geistiger Behinderung. Er hatte nicht berücksichtigt, dass Tiere anatomisch anders gebaut sind.

Dies beweist nicht bloß, dass die Tiere weniger Vernunft als die Menschen, sondern dass sie gar keine haben. Denn wie man sieht, gehört nur sehr wenig dazu, um sprechen zu können. Und da man unter den Tieren einer und derselben Art ebenso unter den Menschen Ungleichheit findet und die einen leichter abzurichten sind als die anderen, so ist es unglaublich, dass ein Affe oder ein Papagei, die zu den vollkommensten ihrer Art gehören, darin nicht einem der dümmsten Kinder oder wenigstens einem Geisteskranken gleichkommen würden, wenn ihre Seele nicht von einer ganz anderen Natur wäre als die unsrige. (14)

Fatale Folgen wären, die Tiere ökonomisch zu verzwecken und auszubeuten, wie wir dies von der Fleischindustrie her kennen.

Zusammen mit Thomas von Aquin und Immanuel Kant zählt auch René Descartes zu den Anthropozentrikern. Wie unterscheiden sie sich?

Während für Descartes Tiere Maschinen sind, sind sie für Aquin Instrumente.

Wenn nur der Mensch einen Geist besitzt und eine > denkende Sache < ist, dann sind die Tiere nichts als Maschinen. Man kann sie nach Belieben ausbeuten. (91) 

Für Thomas v. Aquin sind Tiere im Gegensatz zum Menschen Instrumente, weil aus seiner Sicht Tiere fremdgesteuerte Wesen seien. 

Kant dagegen ...

… hält die grundlose Quälerei an Tieren für verwerflich, > weil dadurch das Mitgefühl an ihrem Leiden im Menschen abgestumpft und dadurch eine der Moralität im Verhältnisse zu anderen Menschen sehr diensame natürliche Anlage geschwächt und nach und nach ausgetilgt wird.<  Die schmerzfreie Tötung von Tieren und ihre Nutzung als Arbeitstiere ist für ihn legitim, wären Tierversuche in der Grundlagenforschung, > martervolle physische Versuche zum bloßen Behuf der Spekulation, wenn auch ohne sie der Zweck erreicht werden könnte, zu verabscheuen sind.<  (93)

Kant bezeichnet die Tiere sehr wohl als leidensfähige Persönlichkeiten mit eigenen Bedürfnissen. (94) 

Doch selbst im Alten Testament finden sich Bibelstellen, die auf die Intelligenz der Tiere eingehen würden. Sämtliche Tierarten sind dort zu finden. Und … 

… Anders als bei Descartes wird also nicht die Intelligenz der Tiere bestritten, sondern die des Menschen. (122) 

Jesus, der sich in der Wüste zum Meditieren für vierzig Tage zurückgezogen hat, lebte dort friedlich bei den wilden Tieren. 

An welcher Stelle in der Bibel steht, dass Tiere von Gott gewollte Geschöpfe sind? 
Rosenberger zitiert einige Bibelstellen, in denen die Tiere in Erscheinung treten. In Genesis gibt es jede Menge Bibeltexte dazu, dass Tiere zum Schöpfungsplan dazugehören. Man denke dabei an die Arche Noah.

So wird Noah, der einzige Gerechte, beauftragt, von jeder Art Lebewesen zwei Exemplare mit in das Rettungsboot der Arche zu nehmen. Die Arche ist daher das Ursymbol der > schicksalhaften < Überlebensgemeinschaft von Mensch und Tier. Die Formulierung in Gen 8,1 > Da gedachte Gott an Noah und an alle (Wild-) Tiere und an alles Vieh < veranschaulicht, wie eng Mensch und Tier miteinander verbunden sind. Beiden gilt die schier grenzenlose Barmherzigkeit Gottes. Und so kann Noah zwei Vögel aussenden, die für alle Lebewesen in der Arche austesten, ob die Erde wieder bewohnbar ist. (112)

Auf diesen Seiten findet man noch mehr Belege, ich beschränke mich aber auf das Noah-Zitat. Außerdem muss man mich nicht überzeugen, ich weiß, wenn es einen Schöpfer gibt, dann sind wir in seinen Augen alle gleich, das heißt, dass auch die Tiere unsere Brüder und Schwestern sind. 

Doch wie ist es mit dem Fleischverzehr? Wie steht die Bibel dazu?

Tiere und Menschen werden gleichermaßen als BewohnerInnen der Lebensräume charakterisiert, erhalten den gleichen Vermehrungssegen und gleicherweise nur die Pflanzen als Nahrung (wenn auch die Kulturpflanzen in Gen 1,29 dem Menschen vorbehalten werden). Fleischverzehr ist in dem von Gen 1 beschrieben Idealzustand verboten. Schon die erste Schöpfungserzählung entwirft also die positive Utopie für den Umgang mit der Schöpfung ein friedliches und gewaltfreies Verhältnis zwischen Mensch und Tier. (114f)

Auf Seite 199 geht der Autor auf die Gier der Menschen ein und zitiert eine Bibelstelle, als Gott dem Volk eine moderate Fleischmenge zugesteht. Sehr langes Zitat, das ich nicht zerstückeln möchte; jeder kann bei Interesse nachschlagen und selbst lesen. 

Die Stellung der Tiere in der Bibel
Auch verweist der Autor auf die ersten fünf Bücher der hebräischen Bibel, die Tora, in denen über 20 Gebote enthalten sein sollen, die sich allein auf die Tiere beziehen. 

Natürlich kann auf ihnen allein keine Tierethik entworfen werden. Aber gewisse Grundorientierung im Umgang mit Tieren zeichnen sich unmissverständlich ab. Diese manifestieren eine doppelte Perspektive: Einerseits sind domestizierte Tiere ein wertvoller Besitz des Menschen, andererseits haben alle Tiere - wildlebende oder domestizierte - eine eigene Bedeutung als gerecht zu behandelnde Mitgeschöpfe. (119)

Ich gehe jetzt nicht näher auf Einzelheiten ein, weil es den Rahmen zu sehr sprengen würde. Wichtiger ist für mich, die Quellen der Bibel zu benennen, aus denen eine christliche und tierfreundliche Haltung zu finden ist, die ich später zur Vertiefung für mich selbst nochmals nachschlagen möchte, und hoffe, auch anderen damit etwas weitergeben zu können.

Empathie
Mit Empathie ist keine Gefühlsduselei gemeint, wie viele denken, denn viele haben eine falsche Vorstellung davon. Empathie bedeutet, mit Herz und Verstand auf sein Gegenüber einzugehen.

Einfühlung ist eine zentrale Voraussetzung dafür, dass wir mit den Geschöpfen gut umgehen. Sie umfasst ein möglichst gutes Wissen von den Zusammenhängen der Natur, ist aber weit mehr als nur die Kenntnis der Fakten. Sie ist die vernunftgemäß durchgearbeitete, argumentativ sich ausweisende Form der Sympathie, die über die Nächstenliebe hinausgehend Rücksicht nimmt auch auf andere Lebewesen. Einfühlung ermöglicht so erst eine wirkliche Beziehung zu anderen Geschöpfen aufzubauen und mit ihnen zu kommunizieren. Denken, Fühlen und Handeln finden in ihr zu einer Einheit. (145)

Barmherzigkeit ist das biblische Wort für die Grundhaltung, die hier gemeint ist: mit Kopf und Herz den Nächsten oder das Mitgeschöpf zu verstehen suchen und entsprechend handeln. Während aber > Barmherzigkeit < im deutschen Sprachgebrauch eher an ein sich herablassendes Helfen denken lässt, bezeichnet die Bibel mit diesem Wort eine konkrete Folge der Gerechtigkeit: Der Gerechte spürt und weiß, was sein Vieh braucht, und gibt ihm das Notwendige. (Ebd) 

Wie steht der Autor zur Tierschlachtung?
Ein paar kurze Sätze zu den Tieren in der Landwirtschaft. Der Autor lehnt das Schlachten der Tiere nicht ab, aber er ist für ein humanes Töten und für einen begrenzten Fleischverzehr. (Puh, humanes Töten bereitet mir auch Schwierigkeiten). Das bedeutet, die Tiere sollen artgerecht gehalten werden. Sie sollen das bekommen, was sie für ein glückliches Leben benötigen, und wenn die Zeit gekommen ist, sollen sie schnell und schmerzfrei in ihrer gewohnten Umgebung getötet werden. Ich habe mir auf Youtube Dokus angeschaut, wie so eine Tötung aussehen könnte. Ich lebe schon mehr mehr als mein halbes Leben fleischlos, und ich stelle mir immerfort die Frage, wenn alle aufhören würden, Fleisch zu essen, gäbe es dann noch Tiere aus der Landwirtschaft? In einer Doku wurde die Kuh nach zehn Jahren geschlachtet. Sie hatte zehn glückliche Jahre, und die Tötung ging schnell. Dennoch bleibe ich dabei, ich entziehe mich weiterhin dem Fleischkonsum und höre nicht auf, von einer Welt zu träumen, in der niemand mehr töten muss, um selbst am Leben zu bleiben. Wobei wir heute wunderbar auch ohne Fleisch auskommen könnten, wenn man die vielen Lebensmittel in Betracht zieht, die es auf unserem Markt mittlerweile gibt.

Aber ich respektiere die Sichtweise des Autors, ich prangere ihn nicht an, der immerhin 75% die Sichtweise die der Tierschützer*innen teilt. Das ist eine Menge. Wie gesagt, wenn wir das Massentöten abschaffen könnten, dann könnten die Tiere auch länger am Leben bleiben. Aber das entscheiden allein die Konsument*innen, ob sie bereit sind, mehr für gutes Fleisch auszugeben. Und dafür weniger davon zu essen.

Meine Meinung dazu
Wenn wir alle als eine universale Familie gelten, dann dürften wir niemanden töten. Darf man Geschwister töten? Eigentlich nicht. Wenn die Tiere auf der gleichen Stufe stehen wie wir Menschen, dann dürfte man sie auch nicht töten. Töten ist für mich nicht christlich. Wir töten ja auch keine Menschen, obwohl man dessen Fleisch auch verzehren könnten. Sind Tiere uns ebenbürtig oder nicht? Deshalb sollte das Töten abgeschafft werden.

Cover und Buchtitel 

Fand ich beides sehr gut getroffen. Auch wenn mir bewusst ist, dass dieser Traum, der im Titel steckt, noch ein langer Weg sein wird, bis dieses Ziel erreicht wird. Ich weiß gar nicht, ob ich wirklich daran glaube, aber jede kleine Errungenschaft ist schon ein Weg dorthin. 

Meine Identifikationsfigur
Auch wenn dies ein Sachbuch ist, habe ich dennoch meine Identifikation finden können, wenn auch anders als bei einem belletristischen Buch. Ich habe mich nämlich mit dem Buchtitel identifizieren können, denn dieser Traum ist ganz tief in meiner Seele verankert. Wie für mich gemacht.

Wie kam das Buch zu mir?
Durch Internetrecherche, da mich das Leid der Tiere wieder und wieder beschäftigt hatte, und ich wissen wollte, weshalb gerade Menschen, die sich Christ nennen, so wenig Anteil daran nehmen und ich mir die zusätzliche Frage gestellt habe, welche Stellung die Tiere tatsächlich im Christentum haben?

Mein Fazit
Ein wundervolles gut recherchiertes Buch mit so viel Sachkenntnis und gleichzeitig mit viel Empathie und Liebe geschrieben. Es vermittelte mir jede Menge Aha-Erlebnisse, sodass in mir erneut das Interesse zur Bibel geweckt werden konnte. 

Ich fühle mich beschenkt und viele Fragen konnte er mir dadurch beantworten. Vor allem finde ich es schön, dass ich nun Quellen habe, die ich selbst in der Bibel nachschlagen kann, wenn ich weiter auf den Spuren des Autors wandeln möchte, um sie im nächsten Schritt zu vertiefen. Auch wenn ich nicht bibeltreu lebe, man kann ein guter Mensch auch ohne diese werden, aber es ist zumindest gut zu wissen, wo was in der Bibel steht, damit ich kontern kann, wenn es immer mal wieder Thema werden sollte. 

Deshalb geht es in die Phase II, die Bibel nochmals herauszurücken, und alle Bibelstellen, die der Autor mir hinterlassen hat, nachzulesen und mir auch selbst meine Gedanken dazu machen.

Abschließen möchte ich nun mit einem Zitat:

> Dass das kostbarste Gut im Lebenshaus der Schöpfung das glückende Leben aller Lebewesen ist, entfaltet Gen-1,29 f mit einem Friedensbild, das wir gerade heute als fortschrittskritisches Paradigma meditieren und konkretisieren müssen ... Der zentrale Punkt dieser Utopie ist ein Zusammenleben aller Lebewesen ohne Gewalt. < (221)  

Sachbuch

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck und Verständlichkeit
2 Punkte: Sehr gute Umsetzung der Thematik.
2 Punkte: Sehr gute aufklärerische und kritische Verarbeitung
2 Punkte: Logischer Aufbau, Struktur und Gliederung vorhanden.
2 Punkte: Anregung zur Vertiefung, zum weiteren Erforschen und zur Erkundung
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein

 12 von 12 Punkte

Videos aus Youtube zum humanen Töten.



___________

Jeder kann die Welt mit seinem
Leben ein kleinwenig besser machen.
(Charles Dickens)

Gelesene Bücher 2020: 18
Gelesene Bücher 2019: 34
Gelesene Bücher 2018: 60
Gelesene Bücher 2017: 60
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86

Ich lese mit Herz und Verstand!
Um die Welt, Menschen und Tiere
besser zu verstehen.

Der Mensch ist mehr als nur die biologische Erbmasse.
Er ist, was er innerlich denkt und fühlt.
(M. P.)

Die Herkunft eines Menschen

Die Wurzeltheorie verdammt Menschen zu ewigen Ausländer*innen, nur, weil sie eine andere Hautfarbe, eine andere Religion oder einen anderen Namen tragen. Die meisten haben ihre Wurzeln dort geschlagen, wo sie geboren wurden und / oder dort, wo sie ihr ganzes Leben zugebracht haben.

Es lebe die menschliche Vielfalt in Deutschland und überall.