Sonntag, 17. Juni 2012

Erich Maria Remarque / Der schwarze Obelisk (3)

Dritte Buchbesprechung o. g. Lektüre


  
Es haben sich auf den letzten fünfzig Seiten jede Menge Zettelchen wieder angesammelt, und ich wieder ein paar bearbeiten möchte, um diese in meinen Literaturmappen zu verewigen. 

Ich möchte noch einmal auf Isabells Mond zurückkommen, den kühlen Mond, den sie getrunken hat und ich mich im Stillen fragte, wo sie den her habe, so habe ich nun eine Antwort gefunden.

Der Mond, der in einem Bach schimmert. Das ist der kühle Mond, den sie getrunken hat... ♥ ♥ ♥ Bin neugierig, wie es mit ihr weiter geht. 

Nun wechsle ich über zu den jungen Männern. Männer, die in den Krieg ziehen. Männer, die wieder zurückkehren. Männer, die gefallen sind.
Die jungen Männer, die den Krieg überlebt haben, sind ein wenig orientierungslos. Ständig auf der Suche nach der Identität, als der Krieg vorbei ist, und sie ihn überlebt haben, aber keine Soldaten mehr sind. Auch die sexuelle Identität ist alles andere als gefestigt, trotz der fünfundzwanzig Jahre, die z.B. Bodmer hat. Doch dazu später mehr. 
Die jungen Männer treffen sich zum Frühstück und kommen so auf den Weltschmerz zu sprechen, den Bodmer äußert. Andere wundern sich darüber und fragen nochmals nach, ob er denn welchen habe?
"Ein anständiger Mensch in meinem Alter hat immer Weltschmerz", erwiderte ich fest. "Es ist das Recht der Jugend."
" Ich dachte, man hätte dir die Jugend beim Militär gestohlen?"
" Stimmt. Ich bin noch immer auf der Suche nach ihr, finde sie aber nicht. Deshalb habe ich einen doppelten Weltschmerz. Sowie ein amputierter Fuß doppelt Schmerz" 
Die Zeit, die Bodmer und seine Kameraden im Krieg durchlebt haben, lässt sich anfühlen wir ein leeres Loch, als wäre etwas aus ihrer Jugend heraus geschnitten worden.
Auf der Suche nach der sexuellen Identität, so geht der Erzähler nochmals zurück in die Zeit, kurz bevor er als Soldat einberufen wurde. Sie suchten ein Bordell auf, und wurden von den feinen Damen allerdings abgewiesen, da sie die jungen Burschen von Kindesbeinen an kannten und jagten sie wieder aus dem Bordell mit der Bemerkung, ein Kontakt mit den feinen Damen sei wie ein Kontakt mit der eigenen Mutter. Ein Junge rebellierte und forderte sein auf Geschlechtsverkehr. Jedoch ohne Erfolg und so zogen viele in den Krieg, ohne je zu wissen, was eine Frau sei. Während des Krieges versuchten sie es erneut, als sie schon Soldaten waren:
Ich bin dann noch einmal im Kriege im Bordell gewesen. Das war am Tage, bevor wir ins Feld mussten. Wir waren knapp achtzehn Jahre alt, einige noch unter achtzehn und die meisten von uns hatten noch nie mit einer Frau etwas gehabt. Wir wollten aber nicht erschossen werden, ohne etwas davon zu kennen.
(…) So kam es, dass viele als Jungfrauen ins Feld zogen und siebzehn von uns fielen, ohne je gewusst zu haben, was eine Frau ist.
Eine wichtige adoleszente Lebensphase eines Jugendlichen, die für die psychische Entwicklung wichtig ist, ist ihnen genommen worden. 

Nach dem Krieg wussten viele junge Männer überhaupt nicht, wie sie sich einer Frau gegenüber zu nähern haben, die ihnen ganz besonders ins Auge fielen. Der militärische Drill steckt ihnen so in den Knochen, dass dies auch zu jenem  Kontakt mit der Frau noch zu spüren ist:

In der Gruppe tauschen sich die jungen Leute über die Liebe aus, und die junge Gerda, die es auf Bondmer abgesehen hat, nimm seine Unerfahrenheit wahr und zieht ihn damit ein wenig auf:
"Du gehst an die Liebe heran wie ein bewaffneter Korpsstudent, der glaubt, es ging zum Duell anstatt zum Tanz. (…) Du Knalldeutscher! und dass nur Idioten glauben, dass eine Nation besser sei als die anderer."
"Und dass nur Idioten glauben, dass eine Nation besser sei als die anderer."
Nun ja, das ist ja heute immer noch so. Hierzulande ganz besonders, dass viele Deutsche hier glauben, die Deutschen seien etwas ganz Besonderes und die Südländer etwas ganz Verwerfliches. :D :D :D
Es folgt nun wieder eine amüsante Szene unter Frauen, und die Art, wie Bodmer, der an dieser Gesellschaft teilnimmt, diese Szene beschreibt, gefällt mir besonders gut. Es geht um die   Wahrnehmungskraft mancher Frauen und auf welche Weise diese Fähigkeit von ihnen genutzt wird:
Die Damen begrüßen sich wie lächelnde Polizisten.
" Welche hübsches Kleid, Gerda", gurrte Renée." Schade, dass ich so etwas nicht tragen kann! Ich bin zu dünn dazu."
"Das macht nichts", erwidert Gerda."Ich fand die vorjährige Mode auch eleganter. Besonders die entzückenden Eidechsenschuhe, die du trägst. Ich liebe sie jedes Jahr mehr."
Ich sehe unter den Tisch. Renée trägt tatsächlich Schuhe aus Eidechsenleder. Wie Gerda das im Sitzen sehen konnte, gehört zu den ewigen Rätseln der Frau. Es ist unverständlich, dass die Gaben des Geschlechts nie besser praktisch ausgenutzt worden sind - zur Beobachtung des Feindes in Fesselballons bei der Artillerie oder für ähnliche kulturelle Zwecke. :D .
Ich sage ja, Remarque lässt keinen aus mit seiner Kritik. Er hat ein großes Gerechtigkeitsempfinden. Er nimmt jeden unter seine Lupe und das zu Recht. Diesmal sind es die Frauen gewesen... Frauen, die ihre Fähigkeiten auf Unwesentliches lenken. 

Die Regierung genießt durch die Inflation als einzige ihre Vorteile, denn sie verliert durch die Inflation auf einen Schlag alle ihre Schulden, gleichzeitig aber verliert sie auch ein Großteil ihres Volkes. Wobei ich nicht glaube, dass dieser Volksverlust wirklich betrauert wird.

Morgen folgt die letzte Buchbesprechung zu diesem Werk. Ich habe jetzt noch knapp zweihundert Seiten vor mir.
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„Die rechte Vernunft liegt im Herzen“ (Theodor Fontane)

SuB:

Dickens: Schwere Zeiten
Frank: Rücken an Rücken
Kuan: Die Langnasen
Lenz: Die Masken
Leroux: Das Phantom der Oper
Lueken: New-York
Manguel: Die Bibliothek bei Nacht
Mann. T. Erzählungen (1)
Miin: Madame Mao
Muawad: Verbrennungen
Osorio: Mein Name ist Luz
Remarque: Der schwarze Obelisk
Rahom: Stein der Geduld
Senger: Kaiserhofstr. 12
Thackeray: Das Buch der Snobs
Zweig: Brennendes Geheimnis

Gelesene Bücher 2012: 42
Gelesene Bücher 2011: 86