Montag, 30. September 2019

Proust und sein Erfolg als Ruskin-Übersetzer

Weiter geht es mit Proust-Briefen von Seite 301 - 312.  

Nach einer kurzen Proust-Pause geht es nun weiter. Man erfährt nebenbei aus der Fußnote, wann Prousts Großeltern mütterlicherseits gestorben sind, denn im zweiten Brief geht es um einen Todesverlust, den sein Freund zu verwinden hat. Der erste Brief geht an einen Herrn namens Alfred Vallette, an dem Proust seine Übersetzung zu Ruskins Werk geschickt hat.

Alfred Vallette, Verlag Mercure
27.11.1902, Marcel Proust ist hier 31 Jahre alt

Alfred Vallette ist der Verleger von Prousts Manuskript zu Bible d´Amiens. Zur Erinnerung: Proust arbeitet hier als Übersetzer. Er hat das oben genannte Buch von dem englischen Kunsthistoriker John Ruskin ins Französische übersetzt. John Ruskin hatte hier über das Christentum in Frankreich und über den Bau der Kathedrale Notre-Dames d´Amiens im 13. Jahrhundert geschrieben, weshalb Proust dieses Buch unbedingt übersetzen wollte. Der Verleger hatte Prousts Manuskript jedoch abgelehnt.
Und wieder habe ich mit Genuss gelesen, wie Proust sich geschickt zu widersetzen wusste.
Sie lehnen also meine Arbeit Bible d´Amiens ab, und, offen gestanden, ich verstehe nicht, warum. Selbst wenn Sie, wie Sie sagen, gesondert publiziert ohne Bedeutung bliebe, hätte eine solche Veröffentlichung ohne materielles Risiko, denn die Kosten würde ich übernehmen, für den Mercure nichts Ehrenrühriges. Denn schließlich handelt es sich um ein schönes, unbekanntes und einzigartiges Werk. Glauben Sie, dass der Mercure einen Fehler beginge, wenn er einen Ruskin herausbrächte, der darüber hinaus nach Meinung vieler der Schönste aller Ruskins ist? Ich sage Ihnen das in aller Aufrichtigkeit, denn unter allen Ruskins habe ich eben diesen für eine Übersetzung auserwählt. Und ich behaupte, dass, wenn man auch nur einen Ruskin übersetzen wollte, gerade dieser, auch wenn er nicht der schönste wäre, veröffentlicht werden muss. Denn er ist der einzige, der von Frankreich handelt, von der Geschichte Frankreichs und gleichzeitig von einer französischen Stadt und der französischen Gotik. Und ginge es auch nur darum, dem Leser zu gestatten, sich selbst ein Bild zu machen, denn es ist immerhin leichter, nach Amiens zu fahren als nach Verona oder Padua. Und das berührt uns immerhin mehr. (…) Ich glaube, ich hatte Ihnen auch einen Abschnitt (…) aus dem Buch von Monsieur Brunhes zitiert, in dem dieser sagt, dass, wenn uns Franzosen ein Buch von Ruskin etwas anginge, es die Bible d´Amiens sei, das einzige, in dem es um unsere Geschichte und um unsere Baudenkmäler gehe.
(305)

Ich habe mal auf die Landkarte geschaut und Amiens liegt ganz oben im Norden Frankreichs.

Proust hatte mit seinem Widerspruch Erfolg. Interessant fand ich, dass er für die Kosten der Publikation selbst aufkommen wollte. Aus der Fußnote geht allerdings hervor, dass sein Buch schließlich zu normalen Honorarbedingungen veröffentlicht wurde. Es wurde zwischen dem Verlag und Proust Konditionen vereinbart, die im Vertrag festgelegt wurden. Des Weiteren geht aus der Fußnote hervor:
Mit demselben Argument (Übernahme der Kosten) versuchte er später, einen Verleger für die Veröffentlichung von „Du coté chez Swann“ zu gewinnen. (306)

Ist das manipulativ gemeint? Aber ich glaube, Proust wäre wirklich für die Kosten aufgekommen. Heute werden Autor*innen, die ihr Buch in einem Selbstverlag herausgeben, als Indie Autor*innen bezeichnet. Zu Prousts Zeiten wären solche Bücher eher als Eitelkeitsdruck bezeichnet worden.

Schön, dass Proust es geschafft hat, sein Buch auf den Markt zu bringen. Ich freue mich für seinen Erfolg, wo er doch so dafür gekämpft hat.

Der nächste Brief beschäftigt sich mit der Trauer seines Freundes, dessen Mutter verstorben ist. Der Brief ist so ergreifend, dass ich unbedingt daraus zitieren möchte. Wie empathisch Proust auf seinen Freund zu sprechen scheint, hat mir sehr imponiert.

An Antoine Bibesco, Prousts Liebhaber?
Dezember 1902
Mon petit Antoine,
sosehr ich auch die ganze Zeit über an Deinen Schmerz gedacht und ihn mir auf grausame Weise vorgestellt habe, war es doch für mich ein neuer Schlag, so als ob ich zum ersten Mal klar Deine Verzweiflung empfunden hätte, als ich Deinen armen Brief erhielt, als ich Deine kleine, völlig veränderte Schrift erblickte, fast unkenntlich mit ihren verkleinerten, eingeschrumpften Buchstaben, Augen gleich, die durch vieles Weinen ganz klein geworden sind. (…) Ich weiß, dass Du just in dem Augenblick nach Paris kommen wirst, da ich es verlassen werde, und das betrübt mich. Oder vielmehr, es betrübt mich nicht, denn dann werde ich Paris eben nicht verlassen, was immer auch geschehen mag, und es wenigstens so einrichten, einen guten Monat lang in der Nähe meines armen, lieben Antoine zu verbringen, um mit ihm zu weinen, oder eher, um nicht zu weinen, um zu versuchen, ihn wieder ans Leben zu fesseln. Um liebenswürdig und ritterlich zu sein, kurz, um alles zu tun, was in meiner Macht steht. (308)

Diese Empathie, die Proust seinem Freund entgegenzubringen weiß, finde ich phänomenal. Nur wenige Menschen schaffen es, dieses Verständnis für einen anderen in sich aufzubauen, wenn eine wichtige Bezugsperson stirbt. Die meisten kommen mit Floskeln, wie z. B. dass der Tod zum Leben gehören würde, oder man gibt dem Trauernden das Gefühl, zu schwach zu sein, wenn er seinen Verlust (ungewollt) so offen zeigt. Hierbei ist Proust wirklich ganz anders. Er findet einen Weg zum Herzen seines trauernden Freundes, wie er es selbst so schön ausdrückt, und bettet den Freund tief in seine mitfühlenden Gedanken ein.

Proust schreibt dem Freund von der Trauer seiner Mutter, als ihre eigenen Eltern 1890 und 1896 verstarben:
Als Mama ihre Eltern verlor, war es, wie ich mich erinnere, ein solcher Schmerz für sie, dass ich mich heute noch frage, wie sie hat weiterleben können. Obwohl ich sie doch täglich und stündlich sah, habe ich sie einmal angerufen, als ich nach Fontainebleau gefahren war. Und durch das Telefon erreichte mich plötzlich ihre kleine, gesprungene Stimme, die für immer anders war, als ich sie bisher gekannt hatte, wie verletzt, rissig und schrundig, und als ich aus dem Hörer die blutenden und zerschlagenen Stücke auffing, empfand ich zum ersten Mal qualvoll, was auf immer in ihr zerbrochen war. Mit deinem Brief geht es mir ähnlich, man spürt aus ihm Deinen unermesslichen Widerwillen zu schreiben, sowohl von Deinem Schmerz zu sprechen, wie über ihn zu schweigen. (307)

Aber Proust versucht gleichzeitig, den Freund wieder an das Leben zu binden. Nebenbei erfährt man von den Heiratsplänen von Prousts jüngerem Bruder Robert, in dem er darüber seinem Freund berichtet. Aus der Fußnote ist zu entnehmen, dass die Hochzeit von Robert Proust und Marthe Dubois-Amiot am 03.02.1903 stattfand.

Meine Gedanken
Mich hat Prousts Empathie sehr fasziniert, wie liebevoll er seinem trauernden Freund aus der Ferne Nähe zu vermitteln versucht hatte. Wenn solche Menschen mich thematisch in eigener Sache mit oberflächlichen Floskeln abspeisen, dann war es das letzte Mal, dass ich mit diesem Menschen über meine Trauer gesprochen habe. Derzeit bin ich wegen meiner schwer kranken Mutter als Trauernde selber betroffen, und dann tut es gut, eine empathische Freund*in an der Seite zu haben. Aber ich ziehe es dann doch lieber vor, alleine diesen Pfad der Trauer zu gehen, wenn es mir an solch einer Partner*in fehlt.

Telefongespräch mit Anne
Wir haben uns darüber ausgetauscht, wie versiert Marcel Proust mit seinem Verleger korrespondiert hat, dass er es dann schließlich doch noch geschafft hat, ihn von einer Veröffentlichung seines Ruskin Manuskripts zu überzeugen, und zwar ohne finanzielle Eigenbeteiligung. Nicht nur, dass sein Manuskript letztendlich angenommen wurde, erfolgreich war er auch, dass er für die Publikation Geld bekam.

Gewundert haben wir uns aber, als wir erfahren haben, dass Prousts Großeltern verstorben sind, dass Proust so wenig darübergeschrieben hat, wo er eigentlich jemand ist, der über alles schreibt, was ihm das Leben aufträgt.

Weiter geht es nächstes Wochenende von der Seite 312 bis 321.

_________________
Unser aller Schicksale sind vermutlich geschaffen, 
um gelebt, nicht aber um verstanden zu werden.
(Marcel Proust)

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Mittwoch, 25. September 2019

Meine literarische Reise nach Stockholm (2)

Meine literarische Reise nach Schweden von Dienstag, den 17.09.2019 bis Sonntag, den 22.09.2019

Mein zweiter von fünf Reiseberichten.  

Mein zweiter Tag
Mittwoch, den 18.09.2019
Ich war auf das Frühstück gespannt, das man bis zehn Uhr eingenommen haben muss, weil danach alles wieder abgebaut wurde. Ich hoffte auf ein Frühstücksbuffet, und tatsächlich, die Küche war reich gedeckt. Man konnte sich alles selbst zusammenmixen. Sogar Waffelteig befand sich in einem Behälter, neben dran war das Waffeleisen. Ich habe jeden Morgen dasselbe gefrühstückt, weil mir alles andere nicht zugesagt hat. Das war ja auch das Schöne, dass für jeden Gaumen das Richtige dabei war.

Mein heutiges erstes Ziel: Astrid Lindgren aufsuchen. Ihre damalige 4-Zimmerwohnung ist nun ein Astrid Lindgren – Museum. Astrid Lindgren hat in Stockholm in der Dalagatan 46 von 1942 bis zu ihrem Tod 2002 gelebt. Hier hat sie ihre Kinderbücher verfasst, gedreht wurden die Bücher in ihrer Geburtsstadt Vimmerby (Südschweden). In Vimmerby befindet sich ihr Elternhaus, das auch zu einem Museum bestückt wurde.

Vimmerby wäre für mich der zweite Versuch, Astrid Lindgren durch das Elternhaus zu besuchen. Und alle Drehorte wollte ich sehen. Ich müsste wieder einen Flug mit Unterkunft für Stockholm, und von Stockholm aus mit dem Schiff mit einer Übernachtung in Vimmerby  buchen. Ich werde mich diesbezüglich darüber noch weiter informieren müssen, wie man am besten hinkommt.

Vom Hotel aus bis zum Haus der Lindgren zeigte mir Google Maps 45 Fußminuten. Ich wollte mir erst ein Fahrticket kaufen, aber dann ließ ich es bleiben und beschloss, zu laufen, denn ich wollte mit meinen Augen so viel mitnehmen, wie ich nur konnte. Und zu Fuß nimmt man die Welt viel langsamer wahr, dafür aber viel intensiver.





Ich habe die Dalagatan 46 gefunden, denn plötzlich stand ich vor ihrem Haus, und habe es nicht gleich bemerkt. Es war ein Mehretagenhaus. An der Hauswand befand sich ein Schild mit ihrem Namen, siehe oben.


Ich hatte aus Darmstadt im August versucht, ein Besuchsrecht für die Stadtwohnung zu erwirken, aber alle Termine waren zu der Zeit meiner Reise schon ausgebucht. Es werden keine Einzelpersonen eingelassen, sondern immer nur eine Gruppe bestehend aus 12 Teilnehmer*innen an bestimmten Tagen. Ich hatte mit der Koordinatorin von zu Hause aus via eMail kommuniziert. Ich hatte sie gebeten, mich an der Führung teilnehmen zu lassen, sodass meine Hoffnung, doch eine Ausnahme zu machen, vollständig gescheitert sind, da die gute Dame sich darauf nicht hat einlassen wollen, und hat meine weitere eMail schließlich ignoriert.

Viele in Deutschland gaben mir den Rat, trotzdem das Lindgren-Museum aufzusuchen, da die Schweden sehr nette Menschen seien, die blinde Besucher*innen nicht zurückweisen würden. Leider blieb mein Versuch auch hier erfolglos. Mir schien, als sei die Einhaltung von Regeln wichtiger als der kulturelle Austausch. 

Auch in das Treppenhaus war es schwer, reinzukommen, da man nur über einen Zahlencode die Haustüre öffnen kann. Ich wartete und wartete, bis ein Herr kam, der in die Kneipe nebenan wollte, und nur über das Treppenhaus hineinkonnte. Er gab den Code ein, und die Türe öffnete sich. Kurz bevor sich die Türe wieder schließen sollte, habe ich mich schnell reingeschmuggelt und bin die Treppen hochgelaufen, bis ich vor ihrer Türe stand, die auch mit dem Namen von Astrid Lindgren versehen war. Ich hatte geklingelt und wollte um Einlass bitten, aber niemand öffnete. Dennoch, dieses Treppenhaus stimmte mich recht nachdenklich. Mit ein wenig Fantasie sah ich die Kinderbuchautorin hier durch das Treppenhaus hoch- und runtergehen, die Wohnungstüre auf und wieder zu machen. Ja, das waren sehr schöne Impressionen.








Ich habe mir diese erfolgreiche Kinderbuchautorin, die auch meine Kindheit mitgeprägt hat, wirklich sehr gut vorstellen können, auch wenn ich nicht in die Wohnung kam. Ich verweilte bestimmt 15 Minuten meditativ im Treppenhaus, als ich dieses Haus wieder verlassen hatte. Aus ihrem Fenster musste sie einen wunderschönen Gartenblick haben, denn dort befindet sich ein relativ großer Park, der ein Teil auch ihr gewidmet wurde.

Astrid Lindgren muss auch ein sehr bescheidener Mensch gewesen sein, um in einer Vierzimmerwohnung zu leben. Locker hätte sie sich ein schönes Haus leisten können. Obwohl mir hier Austauschpartner*innen gefehlt haben, habe ich in ihrem Wohnviertel über eine Stunde zugebracht. Ich war gar nicht einsam, im Stillen war ich bei Astrid Lindgren. Ich stellte sie mir innerlich mit den biografischen Begebenheiten vor, die mir über sie zur Verfügung standen. Ich habe ja in meiner Kindheit nicht nur ihre Jugendbücher gelesen, und die Filme geschaut. Nein, auch Bücher, die sie für Erwachsene geschrieben hatte, habe ich noch kürzlich gelesen, davon Tagebücher und Biografien. Ich verbinde nun dieses Wissen mit einem Teil ihrer Lebenswelt. Nun weiß ich, wo Astrid Lindgren gelebt und in welchem Viertel sie sich hauptsächlich bewegt hat. Das fühlte sich wunderbar an.

Hier ein Link, der auf ihre Internetseite führt. 

In meiner Nachbereitung habe ich aber einen wunderschönen Link gefunden, der es mir ermöglicht, virtuell in die Wohnung der Astrid Lindgren hineinzukommen. Man benötigt dafür lediglich eine VR-Brille, die ich mir bestellt habe.

Stockholm Heim, hier der Link.

Nachdem ich mein erstes Reiseziel wieder verlassen hatte, machte ich mich erneut auf, mein zweites zu ersuchen, aber Astrid sollte mich hier weiter begleiten. Denn ich besuchte ein anderes Museum, das allerdings ganz den Büchern von Astrid Lindgren gewidmet wurde. Das Museum heißt Junibacken. Laut Wikipedia wurde es von der Königsfamilie am 08.06.1996 gegründet. Wie schön, dass Astrid Lindgren diese Ehrung noch vor ihrem Tod empfangen hatte, und nicht erst danach, wie dies bei vielen Künstler*innen der Fall ist.




Google Maps zeigte mir erneut 45 Fußminuten. Ich war ehrgeizig, ich wollte dieses Museum auch zu Fuß erreichen.
Eine literarische Attraktion für Kinder und aber auch für Erwachsene, die mit den Lindgrenbüchern und den Filmen aufgewachsen sind, und das Bedürfnis haben, sich nochmals in diese zauberhafte Märchenwelt zu begeben.
Dort angekommen, freute ich mich, vor dem Museum eine sitzende Statue von Astrid Lindgren zu sehen, die ein Buch in ihren Händen hält. Siehe Foto oben.

Als ich das Gebäude betrat, und ich mir eine Eintrittskarte besorgt hatte, wurde ich in einen Zug gesetzt, der vorne offen ist, sodass man, wenn sich der Zug in Bewegung begibt, in eine Landschaft gefahren wird, die die Welt der jeweiligen Märchenfiguren begleitet hat. Sehr schön gemacht, ich war sprachlos. Siehe Fotos.



Oben sieht man Madita mit ihrem weißen Kleid.







Hier oben ist Michels Heim zu sehen. In der Mitte befindet sich der Holzschuppen, in dem der kleine Lausbub seine Holzfiguren geschnitzt hatte.



Hier oben hat Michel seine Schwester Ida an den Fahnenmast gehängt.



Karlsson vom Dach. Sein Schlafzimmer. 




Und im Bild oben schwebt Karlsson nachts über die Dächer. Sieht man nur, wenn man genau hinguckt. 





Und im obigen Foto sieht man den Borkawald, aus Ronja Räubertochter. 




Hier sieht man Ronja und ihren Freund Birk.


Ronja alleine auf einem Felsen. 

Auch hier, in diesem Museum, habe ich dutzende von Bildern abfotografiert, und ich nur eine kleine Auswahl getroffen habe, sie hier reinzustellen. 

In der untere Etage findet man die Lebenswelten der Figuren, die für die Kinder zum Anfassen waren, sodass die Kleinen die Möglichkeit hatten, selber in die Rolle einer Pippi Langstrumpf zu schlüpfen oder die von Findus und Petterson, etc. 




Die verkleinerte Form von der Villa Kunterbunt, in der die kleinen Gäste sich austoben konnten. 




Ich habe mir noch die Bibliothek angeschaut, bevor ich das Junibacken - Museum verlassen hatte. 



Alle Museen habe ich als sehr kinderlieb erfahren. Schweden ist generell sehr kinderlieb, Viel Anschauungsmaterial für Groß und Klein ist dort zu finden gewesen für Leute, die das, was sie im Museum gesehen haben, danach noch weiter vertiefen möchten. Als ich alle Räume durch hatte, verließ ich Junibacken, um anschließend ins Abba - Museum zu gehen. 

Abba Museum
Nicht weit von Junibacken befand sich auch das Abba Museum, das am 07. Mai 2013 in Stockholm gegründet wurde. 



Gleich zu Beginn der vielen Darstellungen wurden biografische Daten mit Fotografien aller vier Abba Mitglieder an den Wänden aufgezeichnet. Unten sind Fotos von Agnetha abgebildet. 



Ich kann mich noch sehr gut an diese schwedische Popgruppe erinnern, und mir kommt es ähnlich wie bei den Büchern von Astrid Lindgren vor, als wäre es gestern gewesen.

Das Museum war didaktisch und auch spielerisch aufgebaut. Wer wollte, konnte sich mit Freunden selbst hinter eine Bühne stellen, und die Abba Songs nachahmen. Viele junge Leute sangen dann mit demselben Temperament verschiedene Abba Lieder. Ich war erstaunt, wie viele junge Menschen diese Popgruppe kannten. Man konnte sich aber auch fotografieren lassen, und das eigene Gesicht auf dem Foto wurde virtuell in dem Rahmen einer Abba Figur transportiert, sodass man sich in dem Haupt der gesamten Abba Figur betrachten konnte. Das Gesicht in dem Gesicht der anderen und die gesamte Körpermontur war in dem Körper der anderen gebettet, sodass man selbst ein Teil dieser Abba Figur geworden ist. Die Popgruppe war sehr erfolgreich, wie man unten an den vielen goldenen Schallplatten sehen kann. 





Auch mit ein bisschen Witz wurden die Mitglieder dieser Band betrachtet und dargestellt. 

Mit ein ein wenig Stoff haben sie ihre Kostüme selber hergestellt.






Und hier unten ist das Tonstudio zu sehen.


So, dies erstmal ein paar von den Abba - Bildern. Eine kleine Auswahl von den vielen Fotos, die ich geschossen habe. 

Dies war nun mein zweiter Tag. Ich habe viel Zeit in den Museen zugebracht. Nach dem Abba - Museum bin ich wieder zurück ins Hotel, diesmal aber mit dem Bus. Ich hatte dermaßen Muskelkater, dass ich zu müde war, zurückzulaufen. Außerdem hatte ich Hunger, aber ich konnte wieder kein schwedisches Restaurant auftreiben. Die Stadt war gefüllt mit vielen fremdländischen Gaststätten.

 Meine Füße waren sehr schwer geworden. Jeder Schritt wurde zu einer Tortur. Das Hinlaufen zu den jeweiligen Museen ist nicht schlimm, aber wenn man die Museen erreicht hat, hört man ja nicht auf zu laufen, nur weil man das Ziel erlangt hat. Nein, das Laufen setzt sich in den Museen weiter fort, weshalb ich abends richtig kaputt war. 

Im Hotel angekommen, hatte ich beschlossen, dort mir ein Abendessen zu bestellen. Die Speisekarte war sehr bescheiden. Darauf waren gerade mal sechs Speisen abgedruckt, und davon nur ein vegetarisches Gericht. Ich bestellte also den Salat, der sehr vielversprechend bei mir ankam. Aber vom Geschmack her war er nicht so gut, wie ich Salatspeisen von der Heimat her gewohnt bin.



So, dies war mein zweiter und ein sehr beeindruckter Tag, der mich innerlich sehr bereichert hat. Ich war so beglückt, diese Reise nach Stockholm getätigt zu haben und so freute ich mich auf die weiteren Tage. 

Morgen schreibe ich den dritten Reisebericht, das wäre der dritte Tag meiner Schweden -Reise. Aber es gibt so viel zu berichten, so viel zu erzählen, dass ich es zeitlich gar nicht schaffe, meinen Bericht an einem Abend fertigzustellen. 

So dann, bis zum nächsten Bericht. 

Montag, 23. September 2019

Meine literarische Reise nach Stockholm (1)

Meine literarische Reise nach Schweden von Dienstag, den 17.09.2019 bis Sonntag, den 22.09.2019   

Ich werde jeden Tag einen Bericht schreiben. Seit gestern Abend bin ich von der Reise zurück, und bin innerlich noch ganz in Stockholm. Es war eine wunderschöne Reise. Das wollte ich schon mal ganz am Anfang benennen. Ich bin gestern Abend mit Gedanken zu Stockholm ins Bett gegangen, und mit Gedanken zu Stockholm wieder aufgestanden.

Ein zweites Mal in Folge habe ich aus meiner Reise eine literarische Reise gemacht. Nichts interessiert mich mehr, als auf den Spuren meiner Lieblingsautor*innen zu wandeln. Es war Astrid Lindgren, die mich hierher nach Stockholm gelockt hat, auch wenn für mich die Türe zu dem Museum doch geschlossen geblieben ist. Doch dazu später mehr.

Für die ganz Ungeduldigen, die noch gar nichts von meinen Reiseeindrücken gelesen und gesehen haben, hier schon mal ein Video.





Mein erster Tag, 17.09.2019
Wie hat alles begonnen? Ich werde bei der Hinreise alle Details erwähnen, weil es so schön ist, gedanklich diesen ganzen Weg step by step nochmals zurückzuverfolgen. Es ist, als würde ich diese Reise ein zweites Mal angehen. Ich bin nämlich von meinem Naturell her ein Menschentyp, der alles aus der Tiefe betrachten muss.

Ich bin recht früh aufgestanden, obwohl mein Flug erst um 12:05 Uhr starten sollte. Aber  ich war sehr aufgeregt. Ich kalkulierte drei Stunden früher am Flughafen  sein zu wollen. Also fuhr ich schon recht früh los. Ich nahm den Airliner um 08:04 Uhr vom Luisenplatz. Ich bin lange nicht mehr mit dem Airliner gefahren, und so fragte ich mich, ob der Bus auch wirklich pünktlich kommt. In Darmstadt und Umgebung bewegen sich die öffentlichen Verkehrsmittel lange nicht mehr so pünktlich, wie sie einmal waren. Als ich die vielen Reisende an der Haltestelle gesehen habe, war ich beruhigt. Und der Bus kam auch sehr pünktlich.
Am Flughafen ohne Stau oder sonstige Behinderungen angekommen, blieb ich erst mal vor der großen Leinwand stehen, und beguckte mir alle Flüge. Ich bekam Fernweh und war froh, mich unter den Fluggästen mischen zu dürfen. 




Ich begab mich nun schon auf den Weg, mein Gate aufzusuchen. Europäische Flüge starten immer vom Terminal 1. Diesmal flog ich nicht mit der Lufthansa, sondern mit der SAS, Skandinavian Airline System. Die schwedische Airline hat sich mit Dänemark und Norwegen zusammengetan, und eine skandinavische Airline gegründet mit dem Hauptsitz in Schweden.




Nun war ich an meinem Gate gut angekommen und war froh, den Flug auf dem Monitor abgedruckt zu sehen. Kurze Zeit darauf wurde eine Ansage gemacht, dass der Flieger voll sein wird, und jeder Passagier kein Handgepäck mitnehmen darf, das mehr als acht Kilo wiegen würde. Die Fluggesellschaft scheint auch Ausnahmen zu machen. Darauf würde ich nichts geben, wäre mir zu riskant. Aber, ich wusste gar nicht so genau, wie voll mein Rucksack war. Meinen Koffer von acht Kilo hatte ich am Schalter aufgegeben. Passagiergäste, die es betroffen hatte, hätten ihr Handgepäck am Gate-Schalter abgeben müssen. Bin dem aber nicht weiter nachgegangen, war für mich nur wichtig zu wissen, sich doch an die Bestimmungen zu halten.
Als wir alle im Flugzeug saßen, freute ich mich auf den Flug. Nun konnte nichts mehr dazwischenkommen. Meine ganze Aufregung war verflogen. Ich hatte auf den Weg hierhin keinen Stress, weil ich für alles genug Zeit eingeplant hatte. Ich hatte schon im Reisebüro eingecheckt, sodass ich mir den Weg dahin habe sparen können.

Ich hatte mir ein Fensterplatz ausgewählt. Aber was sieht man schon? Wolken, nichts als Wolken, die wie Zuckerwatten aussehen und immer wieder fällt mir dabei das Lied von Reinhard Mai Über den Wolken muss die Freiheit grenzenlos sein, ein. Wo soll diese Freiheit nur sein?, fragte ich mich.

1,5 Stunden später lief alles reibungslos. Habe superschnell meinen Koffer von dem Rollband bekommen und so machte ich mich auf. Ich befand mich im Terminal 5, Stockholm Arlanda, und ging Richtung Zug, um in die Stadt zu kommen. Ich kaufte mir ein Ticket, und verließ anschließend das Terminal. Alle halbe Stunde würde ein Zug, ein Arlanda Express, kommen, was ich sehr praktisch fand, um nach Stockholm zu gelangen.

Nach der ca. zwanzigminütigen Fahrt mit dem Zug stieg ich in Stockholm an der Zentralstation aus. Es war ca.15:00 Uhr, und ich beschloss, mithilfe von Google Maps ins Hotel zu laufen. Ich hatte genug gesessen und wollte nun meine ersten Eindrücke dieser Stadt im Laufen erkunden. Mir fiel sofort der süßliche Duft dieser Stadt auf. Überall roch es nach Apfeltaschen. Ich konnte den Geruch nicht ausmachen, was es genau war. Später war mir klar, woher dieser wohlwollende süßliche Geruch herkam. Das waren keine Apfeltaschen, sondern Zimtschnecken. Überall gab es Zimtschnecken zu kaufen. Überall roch es danach, die sich als ein Nationalgebäck herausgestellt hatten. Ich werde in meiner fünften Beschreibung ein Foto dazu reinstellen, da ich erst am fünften Tag mir eine Zimtstechnecke gegönnt hatte.

Mein Elite Hotel Arcadia, diesmal war es ein Dreisternehotel, war von der Haltestelle 45 Fußminuten entfernt. Er war schön, dieser Spaziergang, weil mir die ganze Gegend neu war, und ich vieles entdecken wollte. Es ergaben sich mir zahlreiche interessante Eindrücke. Mein Google Navi hatte mich etwas im Kreis geführt, den ich schließlich unterbrechen musste. Gut, dass ich mir das Hotel zu Hause im Internet angeschaut hatte, als ich es schließlich aus der Ferne schon erkennen konnte. Ich lief auf dem Gebäude zu, bis ich die Schrift des Hotels vernahm. Ich war richtig. Endlich war ich angekommen. An der Rezeption wurden nochmals die Personalien vernommen, danach erhielt ich meine Zimmernummer und die Zimmerkarte. Ich wurde im ersten Stock, Zimmer 115, einquartiert. Das Zimmer war sehr bescheiden eingerichtet, das Badezimmer etwas ältlich und sehr spartanisch ausgestattet. Aber super sauber. 










Während meines Gangs ins Hotel beobachtete ich wunderschöne Häuser, die sich mir ins Blickfeld rückten. Häufig auch mit rundem Dach. Ich liebe alles, was rund ist. 

Nachdem ich mich im Hotel ein wenig ausgeruht hatte, verließ ich das Zimmer, und wollte ein paar Alltäglichkeiten überprüfen. Ich habe mir in Darmstadt extra eine Kreditkarte anfertigen lassen, weil sowohl meine Bank als auch mein Reiseführer darauf hingewiesen hätten, dass die Schweden kein Bargeld mehr im Umlauf hätten. Anderseits las ich aber auch, dass erst bis 2030 das Bargeld abgeschafft werden soll. Und außerdem gab es in Stockholm jede Menge Wechselstuben, und auch Bettler habe ich gesehen, die am Fußende einen Becher stehen hatten. 

Ich testete den ersten Geldautomaten aus, und ich konnte neben meiner Kreditkarte auch mit meiner Giro Card Geld abheben. Gewöhnungsbedürftig ist, dass die Schweden im Alltag mit großen Zahlen hantieren. Alles kostet über hundert Schwedische Kronen. Lediglich Süßigkeiten kosten mindestens 25 Kronen. Aber was stimmt, ist, dass die Meisten wirklich mit Karte zahlen. Auch Minibeträge. 

Also Leute, sich nicht kirre machen lassen, wenn ihr mit Bargeld nach Schweden verreisen wollt, dann könnt ihr das beruhigt tun. Ein Mix zwischen Bargeld und Plastikkarte finde ich immer gut als Bezahlungsinstrument. Jedes Geschäft hatte hier eine Kasse mit Bargeld in der Schublade. Warum wird so viel Schrott an Informationen verbreitet? Ich finde Bargeld schon wichtig, weil man besser kontrollieren kann, was man ausgegeben hat. Schweden ist wahnsinnig teuer. Eine Waffel kostet zum Beispiel umgerechnet sieben Euro. 

Am Abend suchte ich ein Lokal auf, um ein Abendessen einzunehmen. Ich fand kein schwedisches Lokal, und bin bei einem Italiener eingekehrt, in dem ich eine vegetarische Pizza gegessen habe. Nichts Besonderes, vielleicht war ich auch zu müde, etwas Besseres zu finden. Und von Goggle Map hatte ich erst mal genug.

So, dies war nun mein erster Tag in Stockholm. Ich habe die Gegend ein wenig erkundet, die sich im Hotelviertel für mich aufgetan hat. Kein sooo schönes Viertel aber auch nicht unschön. Am nächsten Tag wollte ich dann mit meinen Exkursionen á la Plan losziehen, und nutzte die Abendstunden, mich ein wenig darauf noch besser vorzubereiten.

Morgenabend folgt der Reisebericht des zweiten Tages. 

Sonntag, 15. September 2019

Marcel Proust und Leonardo da Vinci

Weiter geht es mit Proust-Briefen von Seite 280 - 301. 

Da ich am kommenden Dienstag, 17.09.19, für sechs Tage verreise, und ich mich nächstes Wochenende in Stockholm befinde, haben Anne und ich die zehn Seiten noch vorgezogen, sodass wir uns mit zwanzig Seiten befasst haben. Nach dem Lesen hatten wir uns Gesternabend schon rege am Telefon ausgetauscht.

Auf diesen Seiten sind recht lange Briefe abgedruckt und wieder jede Menge geistreiche Gespräche waren zu entnehmen. Dadurch, dass uns die Schriftsteller, über die gesprochen wird, unbekannt sind, kamen uns die Gespräche sehr abstrakt vor, weshalb ich über diese Briefe nicht so viel schreiben werde. Die Details sind dadurch dem Buch zu entnehmen.

Schön fanden wir, dass der Schriftsteller Fernand Gregh in seinem Gedichtband in Prosa ein Gedicht geschrieben hat, das er Proust gewidmet hat, worüber er sich sehr gefreut hat. Das geht aus einem Brief vom Ende November 1901 hervor. Mon amitié avec Marcel Proust, meine Freundschaft mit Marcel Proust, (Anm. M. P.)

Aus der Fußnote geht hervor:
Gegen Ende des Bandes (…) findet sich unter den Prosagedichten eines mit dem Titel >Les Cloches sur la mer< [Glocken über dem Meer], das mit der Widmung >á Marcel Proust< versehen ist. Gregh widmete Proust diese kleine Arbeit in Erinnerung an einem gemeinsamen Aufenthalt in der Villa >Les Fremonts< (…) im September 1892, als sie eines Abends genau zur Stunde des Angelus-Gebets die alte Kirche Sainte-Catherine in Honfleur betreten hatten. (282)
In einem anderen Brief geht es um ein Synonym für die Homosexualität, das ich herausschreiben möchte, damit man die späteren Briefe vielleicht besser verstehen kann. Anne und ich hatten schon vor längerer Zeit den Verdacht geschöpft, dass Proust sich mit seinen sexuellen Partnern über einen Code austauschen würde.

An Antoine Bibeso
April 1902, Proust war hier 31 Jahre alt

In diesem Brief erfährt man, dass Leonardo da Vinci, (*1452, gest. 1519)  Prousts Lieblingsmaler war. Und auch Leonardo da Vinci soll ein Homosexueller gewesen sein. Weiter unten habe ich dazu aus der Fußnote ein Zitat hinzugefügt.

Entnommen haben wir auch, dass der Begriff >>Saläismus<< ein Synonym für Homosexualität stehen würde, wandelnd auf den Spuren von Leonardo da Vinci, wie auch aus der Fußnote hervorgeht. Proust schreibt:
Ich habe mir zum Saläismus recht profunde Gedanken gemacht, die ich Ihnen bei einem unserer nächsten metaphysischen Gespräche unterbreiten werde. Unnötig, Ihnen zu sagen, dass sie äußerst streng ausfallen. Aber es bleibt eine philosophische Neugier gegenüber den Menschen. Dreyfusard, Anti-Dreyfusard, Saläist, Antisaläist, das sind ungefähr die einzig interessanten Dinge, die man über einen Dummkopf wissen muss. (284)
Aus der Fußnote geht hervor:
>Saläismus< (sowie >Saläist< bzw. >saläistisch<): Im Sprachgebrauch Prousts und seiner Freunde Antoine Bibesco, Bertrand de Fénelon, und anderer ein Synonym für >Homosexualität<. (…) Eine andere interessante, aber weniger wahrscheinliche Geschichte schlug erst Alan Garric in seinem Blog >Libellules< auf der Internetseite der Zeitung Le Monde vor (…). Jean-Paul und Raphäel Enthoven habe sie in ihrem Dictionaire amoureux de Marcel Proust, Paris 2013, (…) übernommen. Demzufolge ließe sich die Spur zurückverfolgen bis zu Gian Giacomo Caprotti, genannt >Saläi< oder auch >Andrea Saläi< (ca. 1480-1524), einem Schüler (seit seinem 15. Lebensjahr) – und wohl auch Geliebten – Leonardo da Vincis. Dass Proust mit biographischen Details aus dem Leben Leonardos vertraut war, darf angenommen werden (Leonardo war der Lieblingsmaler des jungen Proust). Aber Sala scheint hier doch – buchstäblich näher zu liegen als Saläi. (285f)

Im nächsten Brief hat uns erneut Prousts Krankheit beschäftigt.
Marcel Proust lässt in jedem Brief verkünden, wie krank er war, sodass ich darüber nicht mehr schreiben wollte. Seine Krankheiten aufzuzählen finde ich langsam langweilig, auch wenn er mein Mitgefühl hat. Aber in dem folgenden Brief, der an die Mutter gerichtet war, brachte er mich und Anne erneut zum Nachdenken, denn nun war es auch die Mutter, die Prousts Erkrankungen infrage gestellt hat, so scheint uns, und jede Menge Druck auf ihn ausgeübt haben muss, ohne es vielleicht zu wollen. Aber der Sohn ist versiert, weiß sich zu wehren. Er schreibt:

An Jeanne Proust
August 1902, Proust ist 31 Jahre alt
Du sagst mir hierzu, dass andere Leute genauso viel Beschwerden haben und dabei arbeiten müssen, um ihre Familien zu ernähren. Das weiß ich wohl. Auch wenn dieselben Beschwerden nicht unbedingt dieselben Leiden bedeuten. Denn bei alldem muss man zwei Dinge beachten: die Materialität des Faktums, welches die Leiden auslöst. Und die seiner jeweiligen Natur geschuldete Leidensfähigkeit eines Menschen. Natürlich bin ich davon überzeugt, dass es viele Menschen gibt, die genauso und noch mehr leiden und dennoch arbeiten. Aber man hört auch von anderen, die diese oder jene Krankheit hatten und denen man jede Arbeit untersagt hat. Zu spät, während ich es lieber zu früh getan habe. Und ich habe recht daran getan. Denn es gibt diese Arbeit und jene Arbeit. Die literarische Arbeit ruft ständig die Empfindungen ab, die mit dem Leiden verknüpft sind (>Wenn mit so viel anderen Fesseln Du an Deinen Schmerz dich kettest<). (299)
Aus der Fußnote geht hervor, dass Proust aus dem Gedicht Don Paez zitiert hat. Details sind dem Buch zu entnehmen.

Meine Gedanken 

Ich freue mich immer, Neues durch Proust zu lernen. Dass Leonardo da Vinci sexuell auch männerorientiert gelebt hat, das hatte ich bis dato nicht gewusst.

Was Prousts lebensbedrohliche Erkrankung betrifft, hat mich zudem erschreckt, dass Jeanne Proust ihren Sohn dermaßen unter Druck gesetzt haben muss, dass er anfing, auch der Mutter seine Erkrankungen mit Rechtfertigungen zu erklären. Was diese Vergleiche mit anderen Menschen immerzu sollen, leuchtet mir einfach nicht ein. Man kann Menschen nicht mit anderen Menschen vergleichen. Und doch tut man dies immerzu. Selbst in unserer heutigen Zeit. Man wird dem allerdings niemals gerecht werden können, denn jeder Mensch ist nur mit sich selbst vergleichbar, weil jeder Mensch durch seinen eigenen Charakter und durch seine Herkunft ein anderer ist. Und Proust hat recht getan zu sagen, ich höre lieber früher auf zu arbeiten, bevor es zu spät ist. Wie ich schon andernorts geschrieben habe, haben Asthmatiker mit jedem neuen Anfall permanent den Tod vor Augen …

Wir werden sehen, wie sich Proust noch weiter entwickeln wird. Wir sind gespannt.

Hier mache ich nun Schluss und freue mich, nach meinem Urlaub wieder mit Anne weiter zu lesen. Anne dagegen freut sich auf eine Proust-Pause, was ich durchaus verstehen kann, denn sie hat auch noch andere Projekte am Laufen, denen sie sich an den Wochenenden widmen möchte. Aber Anne macht Proust auch Freude, so wie mir.

Übernächstes Wochenende geht es weiter von der Seite 301 bis 312.

Bis dahin gibt es bei mir nun eine kleine Blog Pause. 
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Unser aller Schicksale sind vermutlich geschaffen, 
um gelebt, nicht aber um verstanden zu werden.
(Marcel Proust)

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