Mittwoch, 26. Februar 2020

John Okada / No - No Boy

Klappentext   
Ichiro Yamada bewegt sich zwischen zwei Welten. Nicht „ganz“ japanisch, da in Amerika geboren und aufgewachsen, und gleichzeitig nicht patriotisch genug, um als Amerikaner zu gelten. Ichiro büßt dafür: erst in einem Internierungscamp, dann im Gefängnis, als er den Kriegsdienst für die USA verweigert. Nach Kriegsende kehrt er nach Seattle zurück, und nicht nur er, alles um ihn herum scheint sich verändert zu haben. Seiner Familie entfremdet und von der eigenen Community ausgegrenzt, versucht er, seinen Weg zu finden. Okada schildert in No-No Boy schonungslos die Zerrissenheit und Widersprüchlichkeiten japanischer Amerikaner nach dem Zweiten Weltkrieg.

Autorenporträt
John Okada geboren 1923 in Seattle, war seiner Zeit weit voraus. Die Erstveröffentlichung seines einzigen Romans 1957 war ein Misserfolg, denn weiterhin wurde die Internierung japanischstämmiger Amerikaner in abgelegenen Lagern totgeschwiegen. Der Autor blieb bis 1971 unbekannt. Heute gilt er als Klassiker der japanisch-amerikanischen Literatur.

Meine ersten Leseeindrücke

Ein sehr interessanter gesellschafts- und Generationenroman, der nachdenklich und betroffen srimmt. Ein Mensch, der in Amerika um seine Identität als Amerikaner ringt, da seine Eltern ursprünglich aus Japan kamen. Eine zerrissene, männliche Persönlichkeit, da die Eltern am Japanischen festhalten, erlauben dem Sohn nicht, Amerikaner zu sein, obwohl er sein ganzes Leben in diesem Land zugebracht hat. Eine Persönlichkeit, die dazugehören möchte aber auch von den Amerikanern ausgegrenzt wird, da man als Amerikaner z. B. nicht japanisch aussehen darf. "Er will seine Einstellung ändern, Ausgrenzung und Diffamierung überwinden, aber das ist nicht leicht in einer Gesellschaft, die ihn verachtet." Auch in diesem Buch geht es um Verwurzelungen und trotzdem nicht Amerikaner sein dürfen, da seine Wurzeln mit denen der Eltern in Verbindung gebracht werden.

Ich kann die Protagonist*innen hier sehr gut verstehen, da auch ich mich viel mit Identitäten auseinandergesetzt habe. Ich weiß selbst, wie das ist, wenn man immer wieder auf die Herkunftsidentität der Eltern reduziert wird. Als sei man keine eigene Persönlichkeit, als wären Charakter und Wesen von den Genen bestimmt. Natürlich ist der Körperbau und die gesundheitliche Konstitution von den Genen abhängig, mehr aber auch nicht. Alles andere, wie z. B. Sprache und anderes Kulturgut, muss sich der Mensch selbst erarbeiten. 

Weitere Informationen zu dem Buch

Deutsche Erstübersetzung
Weltlese, Band 21Aus dem amerikanischen Englisch von Susann Urban, mit einem Nachwort von Thomas Girst, geprägter fester Einband mit verkürztem Schutzumschlag, Lesebändchen, Umschlaggestaltung von Thomas Pradel / Cosima Schneider, 296 Seiten.
Preis für Mitglieder 24,00 €

Hier geht es zu der Verlagsseite von Büchergilde.

Hier geht es zu meiner Buchbesprechung. 

Sonntag, 16. Februar 2020

Dombey und Sohn, BD 2

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre  

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute ...

Ein wenig märchenhaft haben sich die letzten Kapitel im Dickens gelesen. War mir etwas zu glatt, zu rosarot, eine zu heile Welt aus den explosiven Tiefen jener Trümmer hervorgeschossen zu haben …

Aber vielleicht idealisiert Dickens absichtlich, zaubert literarisch aus einer dunklen, bösen Welt eine helle, gute. Vielleicht will er eine bessere Welt nur vorleben. Er will die Welt zu einem Ort machen, an dem sich die Menschen alle wohlfühlen sollten.

Hier geht es zum Klappentext, zu den ersten Leseeindrücken und zu den Buchdaten.

Die Handlung
Die Handlung hatte ich schon im ersten Teil kurz wiedergegeben. Wie geht es nun im zweiten Teil weiter? Im zweiten Teil geht es recht dramatisch weiter. Zwar bekommt der alte Dombey eine zweite Frau, mit dem Ziel, mit ihr eine neue Familie zu gründen, um evtl. einen neuen Sohn zu zeugen, damit der Name Dombey und Sohn aufrecht erhalten bleiben kann, doch leider scheitert diese Beziehung, ehe sie begonnen hatte. Dombeys zweite Frau namens Edith, die selbst Witwe ist und auch ein Kind verloren hat, schloss die Ehe mit Dombey durch falsche Empfehlungen.

Edith ist von ihrem Naturell her sehr eigensinnig und überhaupt nicht bereit, sich dem Patriarchen Paul Dombey zu unterwerfen. Dombey erweist sich als engstirnig, kaltherzig und als sehr bestimmend. Er besteht auf die klassische Rollenverteilung, die Edith vehement ablehnt.
Glaubt ihr, ihr könnet mich zu Unterwerfung und Gehorsam herabwürdigen – mich beugen oder brechen? (95)

 Sie geht eine enge Bindung zu Florence ein, die noch immer von ihrem Vater verschmäht wird. Florence ringt weiterhin um seine Liebe, die er noch immer ablehnt. Florence ist aber glücklich, in Edith nun wieder eine Mutter gefunden zu haben, von der sie sich geliebt fühlt. Das gefällt dem alten Dombey überhaupt nicht und verbietet Edith den Kontakt zu seiner Tochter. Die Ehekonflikte spitzen sich immer mehr zu, Dombey macht Florence dafür verantwortlich ...

Welche Szene hat mir nicht gefallen?
Es war eine brutale Szene, die Paul Dombey seiner Tochter gegenüber entgegenbrachte. Als er von Edith verlassen wird, versucht Florence, seinen Vater mit Liebe zu trösten, während er ihr daraufhin ins Gesicht schlägt und sie aus dem Haus wirft.

Welche Szene hat mir besonders gut gefallen?
Als Florence nach dem Rauswurf einen Hafen im Hause von Solomon Gils hat finden können, in dem sie von Kapitän Cuttle aufgenommen wurde …

Welche Figur war für mich eine Sympathieträgerin?
Kapitän Cuttle war mir sehr sympathisch. Er hatte ein sehr gutes Herz.
Florence, die trotz der Ablehnung ihres Vaters dennoch voller Liebe war, und ihr Charakter dadurch nicht geschwächt wurde. Sie zeigte ein gutes Herz auch gegenüber anderer notleidender Menschen.
Susanne Nipper, Florences Kindermädchen, die ihrem Pflegling viel Beistand bot. Außerdem zeigte Susanne Charakterstärke, als sie sich innerlich Mut zugesprochen hat, sich bei dem alten Dombey für Florence einzusetzen. Leider zeigte dieser Einsatz negative Folgen sowohl für Susanne als auch für Florence.
Mr. Toots, der viel von Florence hielt, und Größe gezeigt hat, als Florence eine Bindung mit Walter Gills eingegangen ist.

Welche Figur war mir antipathisch?
Neben den hartherzigen Dombey auch James Carter, der sehr aufs Geld bedacht war. Auch die Vermieterin von Kapitän Cuttle fand ich sehr unsympathisch.

Cover und Buchtitel
Das Cover hätte etwas kreativer und origineller ausfallen können. Jeder weiß, wie Charles Dickens aussieht. Dickens ist zwar der Träger dieser Familiengeschichte, aber er ist nicht diese Familie Dombey. Mich hätte mehr eine Zeichnung zu der Familiengeschichte darauf angesprochen.

Zum Schreibkonzept
Die beiden Bände beinhalten zusammen insgesamt 700 bis 750 Seiten. Der Roman ist mit 62 Kapiteln unterteilt. Absätze gibt es nur wenige, was das Lesen noch zusätzlich erschwert.

Meine Meinung
Das Buch war von der Aufmachung her etwas anstrengend zu lesen. Zu klein die Buchstaben und auch der Zeilenabstand war mir zu eng. Dabei habe ich beim Lesen schwer meine Konzentration halten können.

Und der Stoff ging mir häufig zu sehr ins Detail, was die vielen Nebenfiguren betreffen. Teilweise fand ich die Geschichte dadurch etwas zu langatmig. Aber Dickens ist ein Romancier, der einfach gerne und ausschweifend schreibt. Dennoch habe ich es nicht bereut, diese beiden Bände gelesen zu haben.

Gut fand ich, dass Dickens den gesellschaftlich benachteiligten Frauen eine Stimme gab. Wie kommen Männer weltweit eigentlich dazu, Frauen so herabzuwürdigen? Sind die Männer nicht von einer Frau ausgetragen worden? Ohne die Frau wären sie selbst gar nicht auf der Welt.

Daher fand ich am Ende des Buches eine Textstelle so wunderbar schön, als Florences Amme Susanne Nipper nach ihrer Heirat mit Mr. Toots ein Mädchen zur Welt bringt.
Da ist die Florence, die Susanne, und jetzt kommt wieder ein kleiner Fremdling.
>>Ein weiblicher Fremdling? Fragt der Kapitän.
>>Ja, Kapitän Cuttle<<, sagte Mr. Toots, >>und ich freue mich darüber. Ich bin der Ansicht, je öfter wir diese außerordentliche Frau wiederholen können, umso besser. << (350)

 Mein Fazit
Auf jeden Fall eine klare Leseempfehlung, weil das Buch die Welt tatsächlich ein wenig besser macht.

Meine Bewertung
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
1 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein

Hat mir die Geschichte an sich trotz der guten Bewertung auch gut gefallen?
Sehr gut, leider etwas zu langatmig. Weniger wäre mehr gewesen.  
11 Punkte

Hier geht es zur kurzen Buchbesprechung zum ersten Band. Bitte herunterscrollen. 
_________________________
Jeder kann die Welt mit seinem
Leben ein wenig besser machen.
(Charles Dickens)

Gelesene Bücher 2020: 04
Gelesene Bücher 2019: 29
Gelesene Bücher 2018: 60
Gelesene Bücher 2017: 60
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86


Montag, 3. Februar 2020

Charles Dickens / Dombey und Sohn, Band 2


Im Dezember letzten Jahres habe ich mit dem zweibändigen Dickens begonnen, den ich nun mit dem zweiten Band fortsetzen werde.

Hier geht es zum Klappentext, zum Autorenporträt, zu den Buchdaten und zu den ersten Leseeindrücken. 

Ich befinde mich nun im 35. Kapitel und mir macht das Buch noch immer Freude, wobei ich die kleine Florence Dombey vermisse. Und den Vater, der neu geheiratet hat und ich total neugierig bin, was aus dieser Familie nun geworden ist. Die Stiefmutter, eine sehr junge Frau, könnte Florences Leben zum Wenden bringen. 

Stattdessen bekommt man es wieder mit der Armut zu tun, wie man sie aus dem Viktorianischen England her kennt. Auch ganz spannend geschrieben, besonders die Figuren Alice Marwood und ihre Mutter betreffend, die beide um zu überleben Diebstahl begehen mussten. Doch dazu später mehr.

Dann ist da noch der Junge namens Walter, der auf See gegangen ist, und man erfährt nun auf diesen ersten Seiten, dass er nicht mehr zurückkehren wird, da sein Schiff gekentert sein soll. Walter und Florence fühlten sich zueinander hingezogen. Wie wird Florence diese traurige Nachricht aufnehmen, wobei ich das dumpfe Gefühl habe, dass er wieder auftauchen wird, in welcher Form auch immer. 

Ich werde mich wohl noch in Geduld üben müssen.