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Montag, 9. November 2020

Mahatma Gandhi / Es gibt keinen Weg zum Frieden, denn Frieden ist der Weg (1)

Foto: Pixabay
Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre 

Ein wundervolles Buch, ausgesprochen gute Reden / Texte, was mich nach dem Lesen weiterhin inspiriert hat, eine Biografie von Gandhi unbedingt lesen zu wollen, da ich noch mehr Hintergründe zu seiner Kindheit und zu seiner Herkunftsfamilie in Erfahrung bringen möchte. Dass Gandhi in jeder Form ein gewaltfreies Leben präferiert hatte und er Vegetarier war, diese Details scheinen allgemein bekannt zu sein. Aber wer war Gandhi als Junge? Er wurde schon sehr früh mit einem gleichaltrigen Mädchen verehelicht. Leider gab das Buch darüber keine weiteren Auskünfte preis, sodass ich online ein wenig habe eruieren müssen. Angeblich sei Gandhi mit sieben Jahren verheiratet worden. Ich konnte mir das so schwer vorstellen, da beide Kinder aufgrund ihres Alters noch unmündig waren. Ist das wirklich zu  glauben? Das fand ich ein wenig schade, dass eine genaue Zahl darüber im vorliegenden Buch explizit nicht zu entnehmen war.

Ansonsten fand ich in dem Buch alles eindrucksvolle Texte aus Gandhis politischem, gesellschaftlichen und religiösen Leben, wie ich weiter unten noch beschreiben werde.

Hier geht es zum Klappentext, zum Autorenporträt, zu den ersten Leseeindrücken und zu den Buchdaten.

Innerlich konnte ich mich mit vielen der Reden, die Gandhi verfasst hatte, außerordentlich gut identifizieren, wobei ich mich keineswegs als eine Weltverbesserin halte. Aber die vielen Gedanken, die ich mir im Stillen über mein Weltbild mache, habe ich in Gandhis Texten wiedergefunden, und er macht Mut, dran zu bleiben, sich nicht an die gesellschaftlichen Vorgaben, die der allgemein üblichen Denkweisen entsprechen, anzupassen, wenn sie anderen direkt und oder indirekt damit schaden.

Doch Gandhi war nicht nur ein großer Denker und Redner, er war auch Praktiker. Er hat es geschafft, in verschiedenen indischen Dörfern Grundschulen zu gründen, um viele Kinder von der Straße und von der Kinderarbeit zu entlasten.

Gandhi war auch fähig, Menschen alle gleich zu betrachten. In seiner Rede Gleichheit für alle Menschen fand ich Folgendes zu lesen:

Durch das Zusammenspiel vielfältiger Ereignisse in meinem Leben kam ich mit Menschen vieler Glaubensrichtungen und Gemeinschaften in engen Kontakt, und nach meinen Erfahrungen mit all diesen Menschen darf ich wohl sagen, dass ich nie zwischen Verwandten und Fremden, Landsleuten und Ausländern, Weißen und Farbigen, Hindus und Indern anderen Glaubens - seien sie Muslime, Parsen, Christen oder Juden - unterschieden habe. (2019, 41)

Dieses Zitat fand ich persönlich genial, gerade wir Menschen aus der westlichen Welt schauen sehr oft herablassend auf Kulturen, die nicht der eigenen entsprechen, und bezeichnen diese häufig als rückständig. Ohne zu bedenken, dass jeder Mensch in jedem Land, in das er hineingeboren wird, andere Voraussetzungen vorfindet. Jeder Mensch findet andere Vorgaben, andere Instrumente vor, mit denen er sein Leben bestmöglich gestalten muss. Als DeutscheR ist es leicht zu sagen, dass z. B. Frauen aus den muslimischen Ländern, die Kopftücher tragen, mittelalterlich seien, ohne selbst dort aufgewachsen zu sein. Noch nie sind so viele Menschen um die Welt gereist wie heute, aber noch nie waren die Missverständnisse zwischen den Kulturen so groß wie heute.

Schon die Medien verbreiten Halbwahrheiten und sorgen für große Divergenzen, wo ich häufig innerlich dem widerspreche, weil mich vieles kritisch stimmt. Gandhi lebt die Botschaft der Liebe und der Empathie vor. Nur mit Empathie ist es möglich, Wissen im Umgang mit anderen Menschen unabhängig der Kultur und der Glaubensrichtung umzusetzen.

Der Kongress glaubt nicht an die Vorherrschaft einer Gruppe oder Gemeinschaft. Er glaubt an eine Demokratie, in der Muslime, Hindus, Christen, Parsen und Juden den gleichen Rang einnehmen-alle Religionsgemeinschaften, die dieses weite Land bewohnen. (52) 

Allerdings bezieht Gandhi, wie aus seinen anderen Texten hervorgeht, diese Sichtweise nicht nur auf die Unterschiede der Religionsgemeinschaften, sondern auch auf die Unterschiede der Lebensweisen verschiedener Länder.

Die Botschaft der Liebe richtet er an seine eigenen Landsleute, die durch die britische Kolonialisierung viel Leid und Gewalt erlitten hatten.

Ich möchte, dass ihr die Botschaft Asiens versteht. Sie kann nicht durch die westliche Brille gesehen werden oder durch die Nachahmung der Atombombe. Wenn ihr dem Westen eine Botschaft bringen wollt, muss es die Botschaft der Liebe und der Wahrheit sein. Ich möchte, dass ihr von hier weggeht mit dem Gedanken, dass Asien den Westen durch Liebe und Wahrheit erobern muss. Ich möchte nicht bloß an euren Verstand appellieren, ich möchte euer Herz gewinnen. (...) Selbstverständlich glaube ich an die >eine Welt<. Wie könnte ich auch anders, da ich die Botschaft der Liebe, die diese großen, unbesiegbaren Lehrer uns hinterlassen haben, geerbt habe? In diesem Zeitalter der Demokratie, in diesem Zeitalter des Erwachens der Ärmsten der Armen könnt ihr diese Botschaft mit dem größten Nachdruck erneuern. Ihr werdet die Eroberung des Westens vollenden, nicht durch Vergeltung dafür, dass ihr ausgebeutet worden seid, sondern mit wirklichem Verständnis. Ich vertraue darauf, wenn ihr alle eure Herzen vereinigt - nicht bloß eure Köpfe -; um das Geheimnis der Botschaft zu verstehen, die diese weißen Männer des Ostens uns hinterlassen haben, und wenn wir uns dieser großen Botschaft wahrhaftig würdig erweisen, wird die Eroberung des Westens vollendet sein. Selbst der Westen wird die Eroberung lieben. (53) 

Der Umgang mit anderen Religionen

Bei >Toleranz<  mag die unbegründete Annahme mitschwingen, andere Glaubensrichtungen seien der eigenen unterlegen, und Respekt lässt auf ein gönnerhaftes Verhalten schließen, während Ahimsa (Gewaltlosigkeit, Anm. der Autorin) uns lehrt, der Religion der anderen dieselbe Achtung entgegenzubringen, wie wir sie unserer eigenen gegenüber empfinden. Auf diese Weise räumen wir die Unvollkommenheit unserer eigenen Religion ein.

Die Religion unserer Vorstellung - unvollkommenen, wie sie ist - ist stets einem Prozess der Entwicklung und Neuinterpretation ausgesetzt. Nur so ist es möglich, in Richtung Wahrheit, in Richtung Gott fortzuschreiten. Und wenn alle von Menschen entworfenen Glaubensvorstellungen unvollkommen sind, stellt sich die Frage, ob die eine oder die andere besser ist, überhaupt nicht. Alle Religionen sind eine Offenbarung der Wahrheit, doch sind alle zugleich unvollkommen und dem Irrtum unterworfen. Die Verehrung für andere Religionen muss uns nicht blind machen für ihre Fehler. Ebenso müssen wir uns der Fehler unserer eigenen Religion voll bewusst sein, es dabei aber nicht bewenden lassen, sondern versuchen, diese Fehler zu überwinden. Bei einer unvoreingenommenen Betrachtung aller Religionen würden wir nicht nur nicht zögern, sondern es für unsere Pflicht erachten, in unseren Glauben jeden annehmbaren Zug der anderen Religionen aufzunehmen. (107) 

Wobei wir in einem Zeitalter leben, in der die Religionen in unserem eigenen Land immer mehr in den Hintergrund treten. Größtenteils gibt es in unserer kulturellen Entwicklung keine göttliche Instanz mehr. Dennoch ist es hilfreich, Achtung anderen Glaubensrichtungen einzuüben, bezogen aber auch auf die unterschiedlichen Kulturen. Auch unsere gesellschaftlichen Normen und Bestimmungen sind nicht perfekt, sondern immer weiter verbesser- und ausbaubar. Auch bei uns sind, anders als in anderen Ländern, z. B. die Geschlechterrollen noch immer ungleich verteilt, auch wenn viele das nicht wahrhaben wollen.

Welche Szene hat mir nicht gefallen?
Gandhi wurde von den Engländern aufgefordert, sein vegetarisches Essverhalten aufzugeben, da nur Fleisch aus einem Mann einen starken Mann machen könne. Noch nie in seinem Leben hatte Gandhi Fleisch gegessen und hat sich dennoch dazu bringen lassen, es zum ersten Mal mit Ziegenfleisch zu probieren. Die Erfahrung damit fand ich zwiespältig. Einerseits traurig, dass Gandhi von den Engländern dazu gedrängt wurde, andererseits musste ich über die folgende Auswirkung so sehr lachen:

Das Ziegenfleisch war zäh wie Leder, ich konnte es einfach nicht hinunterschlucken. Mir wurde übel, und ich musste mit dem Essen aufhören.

 Danach hatte ich eine schlechte Nacht. Furchtbarer Albtraum quälte mich. Jedes Mal, wenn ich gerade eingeschlafen war, meinte ich, eine lebendige Ziege in mir meckern zu hören, und schreckte voller Schuldgefühle hoch. (134) 

Welche Szene hat mir besonders gut gefallen?
Dass Gandhi auch Tiere achtet und sie nicht unter die Menschen stellt, sondern sie gleichrangig behandelt.

Für mich ist das Leben eines Lamms nicht weniger wertvoll als das eines Menschen. Ich wäre nicht bereit, dem leiblichen Bedürfnis zuliebe das Leben eines Lamms zu opfern. Je hilfloser ein Geschöpf ist, umso mehr Anspruch hat es nach meiner Überzeugung darauf, vom Menschen vor der Grausamkeit des Menschen geschützt werden. (138) 

Dieses Zitat finde ich sehr schön. Wir essen Fleisch, weil es alle tun, ohne uns bewusst zu machen, wie viel Leid z. B. in einer Wurst steckt, die einmal Tier gewesen ist.

Meine Identifikationsfigur
Ich habe mich mit allen Texten Gandhis identifizieren können. In allen seinen Reden konnte ich mich innerlich wiederfinden, nur dass ich das nicht so sehr nach außen trage, außer dass ich darüber schreibe.

Cover und Buchtitel
Beides finde ich sehr ansprechend. ... denn der Frieden ist der Weg, ist allerdings auch eine Entwicklung, die wir Menschen uns erst erarbeiten müssen. 

Zum Schreibkonzept
Auf den 176 Seiten ist das Buch in mehreren kurzen Kapiteln unterteilt. Es beginnt mit einer Einleitung und endet mit interessanten Aphorismen. Die Kapitel / Themen sind kurzgehalten und wenig ausschweifend. Manchmal ist auch eine Jahreszahl hinzugefügt. Die Texte beinhalten verschiedene Vorträge zu Menschenrechten, zu den unterschiedlichen (Welt)religionen, zum Weltfrieden sowie auch zur Ernährung und zur gesunden Lebensweise, um nur ein paar zu nennen.

Meine Meinung
Auch wenn ich mit dem Kastensystem der Hindus wenig anzufangen weiß, finde ich die Haltung Tieren gegenüber sehr vorbildlich und gerecht. Während im Christentum Tiere für die Sünden der Menschen durch Töten geopfert werden, finden diese Riten bei den Hindus definitiv nicht statt. Wer den Hinduismus achtet, lässt auch kein Tier für den Fleischverzehr schlachten. Dennoch lebte Gandhi gesund, wie dies im Kapitel Ernährung und Gesundheit zu entnehmen ist.

Fazit
Sehr eindrückliche und nachdenkenswerte Texte. Ein recht dünnes Werk zwar, aber jede Seite habe ich als sehr gehaltvoll empfunden. Es hat mir viel Freude bereitet, diese Texte zu lesen, da sie von der Entstehung bis heute noch immer zeitgemäß geblieben sind.

Wie ist das Buch zu mir gekommen?
Zufälligerweise habe ich das Buch durch ein anderes Buch im Internet entdeckt. Auf jeden Fall möchte ich nach dieser Gandhi-Lektüre eine Biografie hinzuziehen.   

Meine Bewertung Sachbuch

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck und Verständlichkeit
2 Punkte: Sehr gute Umsetzung der Thematik.
2 Punkte: Sehr gute aufklärerische und kritische Verarbeitung
2 Punkte: Logischer Aufbau, Struktur und Gliederung vorhanden.
2 Punkte: Anregung zur Vertiefung, zum weiteren Erforschen und zur Erkundung
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein

12 von 12 Punkte

Zwölf von zwölf Punkten.

Vielen herzlichen Dank an den Kösel Verlag für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar.

________________

Wo Toleranz, Nächstenliebe und Wahrheit herrschen,
können selbst Unterschiede lehrreich sein.
(Mahatma Gandhi)

Gelesene Bücher 2020: 21
Gelesene Bücher 2019: 34
Gelesene Bücher 2018: 60
Gelesene Bücher 2017: 60
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86

Der Mensch ist mehr als nur die biologische Erbmasse.
Er ist, was er innerlich denkt und fühlt.
(M. P.)

Die Herkunft eines Menschen
Die Wurzeltheorie verdammt Menschen zu ewigen Ausländer*innen, nur, weil sie eine andere Hautfarbe, eine andere Religion oder einen anderen Namen tragen. Die meisten haben ihre Wurzeln dort geschlagen, wo sie geboren wurden und / oder dort, wo sie ihr ganzes Leben zugebracht haben.

Es lebe die menschliche Vielfalt in Deutschland und überall.
(M. P.)

 


Sonntag, 6. September 2020

Karmen Jurela / Rauschliebe (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Gestern Abend konnte ich diese Lektüre beenden. Es ist eine ganz andere Form von Literatur, als ich sie bisher gewöhnt war. Der narrative Schreibstil ist ein wenig gewöhnungsbedürftig, da man die Hintergründe und die Problematik der Protagonist*innen ausschließlich aus einer Perspektive erfährt. Dadurch lässt es auch wenig Raum für eigene Interpretationen. Dennoch ist es ein wichtiges Buch, wie ich weiter unten noch beschreiben werde.

Hier geht es zum Klappentext, zum Autorenporträt, zu den ersten Leseeindrücken und zu den Buchdaten.

Die Handlung
Die Thematik dieses Buches ist eigentlich schnell erzählt.

Die beiden Protagonist*innen Stella und Pavlos kennen sich von Jugend an. Stella hat sich mit 15 schon zu Pavlos hingezogen gefühlt.

Pavlos fühlte sich für mich wie Familie an, wie ein großer Bruder, allerdings mit beträchtigem Sexappeal. (2020; 9) 

Pavlos Eltern kamen aus Griechenland, Stellas ihre aus Kroatien. Demnach sind beide in Deutschland mit mehreren Kulturen aufgewachsen, während die Eltern einst wieder in die Heimatländer zurückgekehrt sind. Die Handlung spielt hauptsächlich in Berlin. 

Was vermisst Stella, was sie in Pavlos sucht? Die Antwort könnte im obigen Zitat stecken. Pavlos ist fünf Jahre älter als Stella. Beide wurden im selben Krankenhaus geboren, beide studierten später Medizin. Beide gingen erst mal wieder getrennte Wege und sahen sich für viele Jahre nicht mehr. Pavlos gründete in der Zwischenzeit eine Familie, die aber in die Brüche geht. Zurück bleiben zwei kleine Kinder. Später stellt sich heraus, dass die Ehe an einer Alkoholsucht gescheitert ist ...

Stella und Pavlos kommen wieder zusammen. Stella ahnt noch nichts von den gescheiterten Problemen der ersten Ehe. Zwischen ihnen beiden entwickelt sich eine starke Anziehungskraft hauptsächlich sexueller Art. Unbedingt will Stella Pavlos heiraten, auch dann noch, als sich die Probleme nun auch zwischen ihnen beiden immer weiter zuzuspitzen drohen, da Pavlos hier immer weiter von der Alkohol- und Sexsucht mit anderen Frauen ergriffen wird. Rabiate Gewalteskalationen werden in dem Buch zum Dauerbrenner. Stella führt schier einen fast unlösbaren Überlebens- bzw. Liebeskampf mit dem Partner.

Welche Szene hat mir nicht gefallen?
Ich fand die Szene grauenvoll, als Pavlos es schaffte, Stella zu überreden, sich vor ihm auf die Knie zu begeben und sie ihm eine runterhauen sollte. Obwohl sie es bescheuert fand, hat sie sich doch dafür breitschlagen lassen. Dann erfolgte wie erwartet eine potenzielle Retourkutsche mit schweren Folgen für Stella …

Welche Szene hat mir gefallen?
Mir hat gefallen, dass Stella sich nicht aufgegeben hat. Sie hat versucht, mithilfe von einer konstruktiven Selbstreflexion und diversen anderen Hilfsmitteln an die Problematik zur Überwindung heranzugehen. Gut fand ich, dass ihre Therapeutin ihr zu keiner Trennung geraten hat, da sie selbst einen Weg daraus hat finden sollen. Gefallen hat mir auch, dass ihr Freundeskreis hinter ihr stand. 

Welche Figur war für mich Sympathieträgerin?
Keine.

Welche Figur war mir antipathisch?
Keine. Beide, sowohl Stella als auch Pavlos führten miteinander und gegeneinander einen heftigen Überlebenskampf. 

Meine Identifikationsfigur
Keine. Obwohl ich mich zeitweise an eine eigene komplizierte Paarerfahrung erinnern musste. Auch ich hatte mal einen Partner, der mich in einen Strudel von Destruktivität mitreißen wollte. Die Beziehung dauerte nur drei Monate, weil ich seine miese Masche, mit der er selber ziemlich verstrickt war, schnell durchschaut hatte. Ich löste mich von ihm durch einen radikalen Cut, nachdem er mir mehrmals deutlich zu verstehen gab, dass er nicht an seinen Problemen arbeiten wollte.

Ich hatte auch den Vorteil, dass ich durch mein Studium und durch meine Arbeit in einer Psychiatrie ziemlich viel Hintergrundwissen besaß, sodass ich erst gar nicht in diese Muster von Abhängigkeit jeglicher Form erst schlittern konnte.

Cover und Buchtitel 

Beides fand ich passend, wobei ich diesen freudschen Versprecher von Liebesrausch 
analysieren konnte. Darüber hatte ich in meiner Buchvorstellung geschrieben. Stella war so in der Liebe zu diesem Mann gefangen, dass es mir wie ein Liebesrausch mit bitterem Beigeschmack vorkam. Das Cover bereitet auf jeden Fall die Leser*innen auf Tabus vor, und die Realität, wie sie ist, nicht wirklich sehen wollen/können, sie nicht wahrhaben wollen.

Zum Schreibkonzept
Eigentlich ist das Buch als ein Roman deklariert. Finde ich aber nicht wirklich passend, da der Schreibstil eher eine Tagebuchform besitzt. Man hat den Eindruck, dass die Icherzählerin Stella sich schriftlich die Nöte von der Seele herausschreibt. Diese Art von Stil habe ich bei der Hälfte des Buches als anstrengend empfunden, weil sich die Thematik immerzu aus der selben Perspektive wiederholt hatte.

Das Buch zeigt auf den 251 Seiten wenig Struktur. Es gibt keine Kapitel, lediglich ein Epilog und eine übliche Danksagung zum Schluss. Insgesamt zwei Mal schreibt Stella einen Brief an Pavlos und an dessen Geliebte. Von der Art her aber nicht viel anders als der Erzählstil, nur dass die Personen hier direkt angesprochen werden. Aber man erfährt inhaltlich nicht viel Neues. Ein wenig über Pavlos Reaktion auf die Briefe aber auch wieder über Stella.

Meine Meinung
Mit der im  Klappentext beschriebenen Co-Abhängigikeit bin ich nicht ganz klargekommen, wenn ich so im Nachhinein darüber nachdenke. Warum ist Stella co-abhängig? Wo sind ihre Schwächen? Warum bindet sie sich dermaßen sklavisch an einen Partner, der sie schwerst misshandelt und missbraucht? Was kompensiert sie durch Pavlos? Stella ist für mich kein Opfer, sowie Pavlos auch kein Täter für mich ist. Sie sind für mich beide gleichwertig verantwortlich für ihre Handlungen, und beide sind krank, nicht nur der Partner. Warum entwickelten sich beide im Laufe ihres Lebens so, wie sie waren? Aneinandergekettet, niemand schafft es, sich über eine längere Zeit davon zu lösen, während Pavlos erste Frau sich sehr wohl von den Gewalteskapaden zu befreien in der Lage war. Warum hat Stella mit der Trennung solange gewartet? Was sind die tieferen und weniger die äußeren Hintergründe? Hier hätte man mehr Analysen aus der Kindheit mit einbeziehen sollen. Manchmal wirft Stella situativ bestimmt Schlagwörter durch den Raum, wie z. B. angedeutete Identitätsprobleme durch den Migrationshintergrund, oder die vorübergehende Arbeitslosigkeit des Partners.

Auf Seite 199 begeht die Autorin einen groben Fehler, in dem sie schreibt: 

Promiskuität gehört zum Repertoire Suchtkranker 

In der Arbeit mit psychisch und suchtkranken Menschen kann ich diese Pauschalisierung überhaupt nicht bestätigen. Das ist auch wissenschaftlich nicht belegt. Ich kenne nicht einen Suchtkranken, der auch sexsüchtig war. Und ich kenne viele Suchtkranken, die nicht co-abhängig waren. Einige lebten sogar ohne Beziehung, hatten noch nie in einer festen Partnerschaft gelebt. Hier wird ein Vorurteil forciert, das ich für gefährlich halte, wenn Leser*innen, die nicht vom Fach sind, dies einfach ungefragt hinnehmen und sie womöglich diesen Verdacht auf ihre Alkoholbeziehung auslegen.

Und zur Co-Abhängigkeit gibt es zu sagen, dass es diese in weiter Facon gibt, es würde aber den Rahmen sprengen, sie anhand von Beispielen zu benennen. 

Ansonsten halte ich das Buch absolut für lesenswert für Menschen, die ebenso Probleme mit der Paarbeziehung dieser Art haben. Vielleicht bekommt man durch dieses Buch die eigene Beziehung klarer gespiegelt und fühlt sich angespornt, sich endlich von ihr zu lösen. Es gibt viele Menschen, wie ich dies aus meiner Berufspraxis heraus kenne, die es nicht geschafft haben, sich von ihrer Abhängigkeit zu lösen. Ihnen, so denke ich, sollte dieses Buch gewidmet sein und ihnen helfen, sämtliche Ketten zu sprengen.

Wie ist das Buch zu mir gekommen?
Die Autorin hatte mir eine Anfrage gestellt. Als ich den Klappentext gelesen habe, habe ich mich gefragt, ob ich das Buch in meiner Freizeit wirklich lesen möchte?, da es mich an meine eigene Klientel erinnern würde und ich mich privat nicht auch noch mit diesen belastenden Problemen befassen wollte. >>Ich habe Feierabend<<, hatte ich mir gedacht. Aber weshalb hatte ich mich doch entschlossen, das Buch anzunehmen? Weil ich dadurch die Hoffnung hegte, dieses Buch an meine betroffene Klientel weiterzureichen. Es ihnen zu empfehlen, weil es sich so schön flüssig lesen lässt, so richtig aus dem Leben gegriffen. Genau für Menschen, die nicht so viel mit Theorien anfangen können. Dies war mein Ziel und ich finde, dass dieses Ziel mit diesem Buch erreicht wurde.

Mein Fazit
Die Liebe geht häufig seltsame Wege und man sollte vorsichtig sein mit vorschnellen Urteilen bei Menschen, die aus schwierigen Beziehungsverhältnissen kommen.

Meine Bewertung

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
1 Punkte: Differenzierte Charaktere
1 Punkte: Authentizität der Geschichte. (Sie war sehr facettenarm trotz komplexer 
   Problematik)

0 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt (Wenig
   Phantasie, da realistischer Erlebnisbericht über die Stella)

1 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein

Sieben von zwölf Punkten.

Dankeschön an Karmen Jurela für das Leseexemplar. 

________________

Jeder kann die Welt mit seinem
Leben ein kleinwenig besser machen.
(Charles Dickens)

Gelesene Bücher 2020: 16
Gelesene Bücher 2019: 34
Gelesene Bücher 2018: 60
Gelesene Bücher 2017: 60
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86

Der Mensch ist mehr als nur die biologische Erbmasse.
Er ist, was er innerlich denkt und fühlt.
(M. P.)

Die Herkunft eines Menschen
Die Wurzeltheorie verdammt Menschen zu ewigen Ausländer*innen, nur, weil sie eine andere Hautfarbe, eine andere Religion oder einen anderen Namen tragen. Die meisten haben ihre Wurzeln dort geschlagen, wo sie geboren wurden und / oder dort, wo sie ihr ganzes Leben zugebracht haben.

Es lebe die menschliche Vielfalt in Deutschland und überall.
(M. P.)

Montag, 18. Februar 2019

Rana Ahmad / Frauen dürfen hier nicht träumen (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre  

Das Buch hat mich sehr nachdenklich gestimmt. Was für ein trauriges Frauenschicksal. Welchen Mut hat Rana Ahmad aufbringen müssen, um sich durch die Flucht aus ihrer Heimat gegen den Frauenrassismus zu stellen. Zwei Mal wurde sie durch die Männer aus der eigenen Verwandtschaft fast zu Tode geprügelt, ohne dass sie sich etwas hat zuschulden kommen lassen. Ihre Freude am Leben wurde ihr zum Verhängnis.

Ich fand diese Geschichte dermaßen grausam, dass ich viele Fakten wieder verdrängt habe …

Hier geht es zum Klappentext, zum Autorinnenporträt, zu meinen ersten Leseeindrücken und zu den Buchdaten.

Die Handlung
Rana Ahmad wurde 1985 geboren und lebte mit ihrer Familie in Riad, in Saudi-Arabien. Ursprünglich kam die Familie aus Syrien. Rana ist das zweite Kind von vier Geschwistern. Eigentlich schien es, als habe sie eine unbeschwerte Kindheit gehabt. Der Vater liebt seine Tochter über alles, die Mutter, eine einfach gestrickte Frau, die strenggläubig ist, hat immer ein Auge auf Rana, denn Rana ist anders als ihre Geschwister, da sie sich nicht so leicht in die strengen patriarchalischen Gesetze einfügen kann, obwohl sie alles gibt, um sich dem vorgegebenen gesellschaftlichen und dem religiösem Verhaltenskodex anzupassen. Einmal wurde sie zwangsverheiratet, da war sie eine ganz junge Frau. Zwist mit der Schwiegermutter und mit anderen familiären Komplikationen brachte sie fast um ihr Leben, wenn ihr Vater nicht gewesen wäre, der sie aus der Ehe wieder herausholte. Der Vater forderte daraufhin die Scheidung ein. Rana zog wieder zurück zu ihren Eltern. Sie hatte die Haare blond gefärbt, das stempelte sie in der hineingeheirateten Familie zu einer Hure ab, und wurde seitdem gemobbt.

Mit zehn Jahren wurde sie schon gezwungen, ein Kopftuch zu tragen. Mit dem Kopftuch hörte die unbeschwerte Kindheit auf. Mit Argusaugen beobachtet die Mutter weiterhin Ranas Tun.

In der Öffentlichkeit gibt es eine Religionspolizei, die darüber wacht, wie Frauen unterwegs sind. Sie dürfen kein Fahrradfahren, kein Auto, überallhin müssen sie vollverschleiert von einer männlichen Person begleitet werden. Wenn Rana zur Arbeit musste, dann hatte entweder der Vater oder der Bruder sie hingefahren und sie später wieder abgeholt.

Da das Leben selbst in ihrer eigenen Familie immer unerträglicher wird, beschließt Rana zu fliehen. Selbst ihr jüngerer Bruder, den sie einst so sehr geliebt hat, belauscht sie, setzt in den Möbeln ihres Zimmers heimlich Wanzen … Die Mutter stürzt sich immer wieder, ohne anzuklopfen, in Ranas Zimmer, wegen des Verdachtes auf sittenwidriges Verhalten in der Familie, um sie auf frischer Tat zu ertappen. Lediglich der Vater hält zu ihr, er schafft es aber nicht, sie gegen die gesamte Sippschaft zu schützen.

Ranas Familie zelebriert ein streng religiöses Leben, während sie sich selbst heimlich immer mehr vom islamischen Glauben distanziert und sie sich innerlich zu einer Existenz als Atheistin entscheidet. Hilfe erhält sie aus dem Internet, als sie sich anonym einen Twitter Account zulegt. Hier findet sie Gleichgesinnte. Glücklicherweise hat die Regierung nicht alle Internetseiten zensiert, da das Land in der Welt wettbewerbsfähig bleiben möchte.

Eine familiäre Reise nach Mekka führte Rana dazu, aus ihrem Land zu flüchten. Hier war sie 29 Jahre alt. Ein Alter, in dem man sich als Frau nach einem autonomen Leben sehnt.

Weitere Details sind dem Buch zu entnehmen.

Welche Szene hat mir gar nicht gefallen?
Es waren jede Menge Szenen. Szenen aus der Kindheit und später aus Ranas jungem, erwachsenem Alter, als sie wegen Nichtigkeiten vom Onkel und vom Bruder fast zu Tode geprügelt wurde.

Eine Szene aus der Kindheit möchte ich festhalten. Ranas Vater kauft ihr ein Kinderfahrrad, als sie zehn Jahre alt war. Die Kleine war so überglücklich über das Fahrrad, dass sie es kaum abwarten konnte, darauf zu fahren. Da in Saudi-Arabien das Fahrradfahren für Mädchen verboten ist, musste Rana sich auf die Sommerferien gedulden, da die Familie erst dann wieder nach Syrien reist, wo ursprünglich die Eltern herkommen. In Syrien, Damaskus, ist es den Mädchen erlaubt, in der Öffentlichkeit Fahrrad zu fahren. Die Familie lebte in den Sommerferien bei den Großeltern väterlicherseits ...

Rana war so überglücklich, als die Großmutter ihr erlaubte, Einkäufe mit dem Fahrrad zu tätigen. Rana liebte ihr Fahrrad, bis schließlich der Großvater ihr das Rad weggenommen hatte, um es ihrem Onkel zu schenken, der ein paar Jahre älter als Rana war. Der Großvater verbot der Enkelin das Fahrrad. Das war der erste Schock, den das Kind erleiden musste.

Warum? Fragte ich mich. Dieser Großvater hat gesehen, wie glücklich seine Enkelin mit ihrem Rad war, und er schien diese Freude an einem Mädchen nicht ertragen zu haben, wo doch Fahrradfahren in Syrien nicht verboten ist. Ich fand diese Szene sehr grausam.

Welche Szene hat mir besonders gut gefallen?
Dass der Vater zu Rana gehalten hat, dass er sie bedingungslos geliebt hat, auch wenn er selbst nicht die Kraft hatte, sein Kind dauerhaft zu schützen, weil der Familienverband zu mächtig war, aber innerlich hat er immer zu Rana gehalten, wobei er zwei Mal verhindern konnte, dass seine geliebte Tochter nicht totgeschlagen wurde.

Welche Figur war für mich ein Sympathieträger?
Rana, Ranas Vater, und die Englischlehrerin. 

Welche Figur war mir antipathisch?
Die gesamte Sippschaft, davon den Vater ausgenommen.

Meine Identifikationsfigur
Auch wenn ich das Mädchen- und Frauenschicksal mit Rana nicht teilen kann, habe ich mich trotzdem in Rana wiedergefunden. Auch ich habe sehr früh gesellschaftliche Konventionen und meinen christlichen Glauben schon im Alter von zwölf Jahren hinterfragt und wurde dadurch den Erwachsenen unbequem. Meine letzte Glaubenssuche durchlief ich mit 32 Jahren.

Cover und Buchtitel
Rana Ahmad hat ihr Buch unter einem Pseudonym herausgerbacht. Immer wieder die Angst ausstehen zu müssen, ihr Bruder würde sie verfolgen und sie töten ... Cover und Buchtitel haben mich angesprochen. Aber richtig viel kann ich jetzt zu dem Cover nicht sagen. Ich sehe darauf eine Wüste und viel Gedrucktes, auch im inneren Buchumschlag gibt es jede Menge Zitate aus dem Buch zu lesen.

Zum Schreibkonzept
Die Autorin schreibt recht flüssig und authentisch über ihr Schicksal. Auf der ersten Seite ist ein kleiner Vers abgedruckt, der sich an ihren geliebten Vater wendet. Anschließend beginnt das Buch mit einem Prolog und endet auch mit einem Epilog. Zum Schluss richtet sich das Buch mit Dank an all die Menschen, die Rana in dieser schwierigen Zeit unterstützt hatten. Darunter befinden sich auch Menschen aus Griechenland und viele aus Deutschland, was mich sehr gefreut hat. Es macht mir Hoffnung, dass nicht alle Deutschen sich ablehnend Menschen anderer Länder verhalten. Trotzdem schockierte es Rana, als sie mitbekam, dass selbst in Deutschland Männer sich an Frauen körperlich und/oder sexuell vergreifen. Nur kommt dies wesentlich seltener vor als in ihrem Land, da in der europäischen Union sexuelle Triebtäter gesetzlich geahndet und bestraft werden.

Meine Meinung
Wenn ich solche Bücher wie dieses lese, dann freue ich mich, in einem freien Land geboren worden zu sein. Aber was habe ich selbst dafür getan? Die Geburt eines Menschen ist wie ein Lotteriespiel, gepaart mit Glück und Zufall, deshalb sehe ich keinen Grund, mich als eine westliche Frau als etwas Besseres zu betrachten. Und deshalb habe ich das Bedürfnis, mich mit allen Frauen dieser Erde zu verbünden ... Wie würde ich mich verhalten, wenn ich in einem anderen Land mit einem anderen Bewusstsein geboren wäre, wo man strikte Verhaltensregeln aufoktroyiert bekommt? Wäre ich eine Rana? Oder eine Mutter wie Rana sie hatte, die ihr Kind nur lieben konnte, wenn sie die vielen gesellschaftlichen und religiösen Erwartungen erfüllte?

Deshalb weiß ich mein selbstbestimmtes Leben als Frau hier in Europa zu schätzen. Ich bin dankbar für die Freiheit, die ich genießen darf. Wem habe ich diese Freiheit zu verdanken? Allen meinen feministischen Vorreiterinnen. Dadurch habe ich es leicht gehabt. Mit Anfang zwanzig bin ich aus dem Elternhaus ausgezogen, ich war alt genug, und meine Eltern haben mich ziehen lassen. Rana war deutlich älter, als sie von zu Hause wegging. Ihr Weggang ist allerdings ein viel größerer als meiner, denn sie hat Elternhaus, Land und Heimat verlassen müssen, um in Europa so wie ich ein autonomes und selbstbestimmtes Leben führen zu können. Trotzdem dürfen wir westliche Frauen uns nicht auf die Errungenschaften ausruhen. Die Entwicklung muss weitergehen, auch weil viele Errungenschaften wieder verloren gehen können, je nach dem, welcher Partei man politisch nachgeht. 

Und deshalb möchte ich nicht alle Menschen verurteilen, die aus einer islamisch geprägten Gesellschaft kommen. Frauen und Männer gleichermaßen lernen ihre Rollen, die man ihnen aufdrückt, schon recht früh in der Kindheit, je nachdem, wo sie geboren werden. Außerdem gibt es auch andere islamische Gläubige, die mit viel Weisheit, mit viel Wissen und ohne Repressalien ihren Glauben vertreten. 

Nicht alle Moslems und Muslime sind gleich
Weil ich nicht denke, dass alle Menschen aus dem Islam ihren Glauben fundamentalistisch ausleben, möchte ich meinen Blogbeitrag mit einem anderen Blog verlinken, der aufzeigt, dass Moslems und Muslime ihrer Religion in Freiheit und Menschenliebe nachgehen, und sie sich hier in Deutschland gegen Rassismus einsetzen und sie sich damit an die AfD wenden. Das ist mir ganz wichtig, um in unserem Land durch dieses Buch nicht noch mehr Hass und Vorurteile schüren zu müssen. 

Hier geht es zum Blog gegen den religiösen Rassismus innerhalb des Islams und gegen den deutschen Rassismus gegenüber Menschen anderer Herkunft. 

Mein Fazit
Mein Mitgefühl gilt allen Frauen dieser Welt, die in ihrer Freiheit eingeschränkt werden. Frauen, die in ihrem Familienkreis oder vom Regime ihres Landes brutalste Gewalt erfahren, Frauen, die von der Familie im eigenen Heim eingesperrt werden, und andere, die wegen Nichtigkeiten ins Zuchthaus eingebuchtet werden ...

Ich hoffe, dass Ranas Buch und die Bücher anderer Autorinnen dieser Thematik die Welt ein wenig besser machen können.

Meine Bewertung
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Literaturwissenschaftliches, gut recherchiertes Buch
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover, Titel und Klappentext stimmen mit dem Inhalt überein
12 von 12 Punkten

Vielen herzlichen Dank an den btb-Verlag für das Bereitstellen des Leseexemplars.
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Liebe für alle,
Hass für keinen.
(https://ahmadiyya.de/home/)

Gelesene Bücher 2019: 08
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Gelesene Bücher 2011: 86

Samstag, 29. Dezember 2018

Ari Folman und David Polonsky / Das Tagebuch der Anne Frank (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre  

Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Eine Glanzleistung, Glückwunsch an die beiden Künstler Folman und Polonsky, dieses Tagebuch über ein neues Genre ausgearbeitet zu haben, ohne es zu verzerren. Mich hat das Buch einfach nicht mehr losgelassen.

Hier geht es zum Klappentext, zum Autorenporträt, zu meinen ersten Leseeindrücken und zu den Buchdaten.

Die Handlung
Zu der Handlung muss ich nicht viel sagen, denn jeder kennt das Schicksal der Anne Frank und deren Familie. Auf den ersten Seiten feiert man im Sommer 1942 Annes 13. Geburtstag. Hier lebte die Familie schon seit 1933 in Holland. Doch nicht mehr lange, dann werden die Juden auch in diesem Land in ihren Lebensrechten sukzessiv beschnitten. Sie dürfen nicht mehr ins öffentliche Schwimmbad, keine Straßenbahn und auch kein Fahrrad fahren. Anne weiß plötzlich die banalsten Dinge zu schätzen, die für sie einst so selbstverständlich waren, wie schön es doch war, mit der Straßenbahn zu fahren … 

Das Leben wurde in Deutaschland noch vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs für die Juden immer unerträglicher, bis der Vater Otto Frank schon 1933 beschlossen hatte, nach Holland zu gehen, um sich dort beruflich neuzuorientieren. In Amsterdam fand er als Direktor in einer Firma eine neue Arbeit und holte seine Familie nach. Doch auch in dem angeblich liberalen Holland waren die Juden nicht mehr sicher, sodass die vierköpfige Familie Frank von guten Freunden in ein Versteck gebracht wurde, das sich in dem Bürogebäude von Annes Vater befindet, allerdings im Hinterhaus. Eine weitere Familie namens van Daan, dreiköpfig, fand hier Unterschlupf, später kam noch ein Zahnharzt hinzu.

Denn als die Familie im Juli 1942 erneut ihre Koffer packen musste, um ins Hinterhaus zu ziehen, fand ich so rührend, als Anne sagte, dass sie viel Unsinniges mitnehmen würde; Fotos, Tagebuch, Kuscheltiere …, da ihr Erinnerungen lieber seien als schöne Kleider, während ihre ältere Schwester Margot eher Nützliches mitnehmen möchte, bis sie einsah, dass Objekte, die Erinnerungen erzeugen, doch auch für sie wichtig wurden.

Im Amsterdamer Hinterhaus beginnt nun ein neues Leben für diese acht Menschen. Das kann man sich kaum vorstellen. So ein Leben hinter verschlossenen Türen und Fenstern. Fast zwei Jahre haben diese Menschen hier zugebracht …

Skurril finde ich die auf vornehm machende Mitbewohnerin Madame Auguste van Daan. Sie hatte als Kostbarkeit ihren Nachttopf mitgebracht und ihre besten Kleider und Pelze, da sie ganz großen Wert legt auf schicke Kleidung und vornehme Sitten, die nicht immer mit Annes Vorstellungen und Verhalten konform gingen …

Anne schreibt in ihr Tagebuch, das sie von ihrem Vater zum Geburtstag geschenkt bekommen hat. Sie gibt ihm den Namen Kitty, und redet mit ihr, als wäre Kitty eine menschliche Freundin und vertraut ihr ihre Geheimnisse an. Sie schreibt alles Intime, alles Persönliche über sich und über ihre Mitmenschen hinein. Ihre Gefühle, Gedanken und jede Menge fantastische Vorstellungen, um ihre Welt um sich herum besser verstehen und verarbeiten zu können. Jede Menge philosophische und selbstreflektierende Betrachtungen im Porträt der Anne Frank sind in dem Tagebuch abgebildet.

Am 4. August 1944 wurden durch einen Verrat die im Haus exilierten Menschen gefunden und von der Gestapo abgeführt. Von der Familie Frank hat nur einer überlebt. Es war Otto Frank. Nach dem Krieg sorgte er dafür, dass Annes Tagebuch als ein wichtiges Zeitdokument veröffentlicht wurde.

Anne war ein so weiser, junger Mensch. Sie hat mich tief berührt und tief beeindruckt, weil sie mich auch ein wenig an meine eigene Jugend erinnert hat. Siehe dazu mehr im Unterpunkt Meine Identifikationsfigur. 

Durch ihre Art ist sie häufig mit Madame van Daan in Konflikt geraten, die in so einer schweren Zeit noch immer nicht unterscheiden konnte vom Wesentlichen und vom Unwesentlichen. Auch mir war sie schier unsympathisch. Sie hetzte auch oft die Familie Frank gegen das Kind auf.
Wenn ich zeichnen könnte, hätte ich sie am liebsten in dieser Haltung gezeichnet, so komisch war dieses kleine, verrückte, dumme Weib! Man lernt die Menschen erst gut kennen, wenn man einmal richtigen guten Streit mit ihnen hatte. Erst dann kann man ihren Charakter beurteilen. (2017, 37)

Auf der Zeichnung ist diese Dame zusammen mit ihrem Mann als zwei feuerspeiende Drachen abgebildet, die sich gegenseitig anfauchen, denn diese Madame streitet nicht nur mit Anne, sondern auch mit ihrem Mann über belanglose Dinge.

Die van Daans haben einen Sohn namens Peter, der nicht viel älter als Anne ist. Die beiden freunden sich an, und verlieben sich sogar ineinander. Anne ist mit ihren Emotionen total überfordert, auch, weil sie sich im pubertären Alter befindet.

Sie schreibt an Peter über das Glück:
Reichtum, Ansehen, alles kann man verlieren, aber das Glück im eigenen Herzen kann nur verschleiert werden und wird dich, solange du lebst, immer wieder glücklich machen. Wenn du allein und unglücklich bist, dann versuche mal, bei schönem Wetter vom Oberboden aus in den Himmel zu schauen. Solange du furchtlos in den Himmel schauen kannst, so lange weißt du, dass du innerlich rein bist und dass du wieder glücklich werden wirst. (106)

Auf Seite 129 hat Anne einen Brief an ihren Vater geschrieben, darüber, dass sie mit ihrer Lebenseinstellung alle enttäuschen würde, am meisten wohl ihren Vater, den sie abgöttisch lieben würde. Die Worte, die sie dafür wählt, sind so ergreifend, dass ich diese Textstelle immer wieder lesen musste.

Auf Annes Frage, weshalb Menschen Kriege führen, Häuser zerstören und wiederaufbauen, wieso so viele Bomben hergestellt werden, um andere zu töten? Weshalb Menschen an Hunger sterben, während woanders die Lebensmittel auf dem Tisch verfaulen, weil zu viel davon vorhanden seien.

Annes Vater hat versucht, darauf eine Antwort zu finden:
Im Menschen ist nun mal ein Drang zur Vernichtung, ein Drang zum Totschlagen, zum Morden und Wüten, und solange die ganze Menschheit, ohne Ausnahme, keine Metamorphose durchläuft, wird Krieg wüten, wird alles, was gebaut, gepflegt und gewachsen ist, wieder abgeschnitten und vernichtet, und dann fängt es wieder von vorn an. (130)

Ich würde zusätzlich noch sagen, schuld sind die vielen unverarbeiteten und unangenehmen infantilen Gefühle, mit denen viele Menschen aufgewachsen sind, denn ich glaube nicht, dass der Mensch von Natur aus böse ist. So viel ich weiß litt Hitler unter seinem cholerischen Vater ...

Deshalb tut Anne genau das Richtige, sich mit den Gefühlen auseinandersetzen, um sie später, vor allem die unangenehmen, nicht auf andere projizieren zu müssen. Ein Später gibt es aber leider nicht ...

Außerdem verweise ich auf Alexander Mitscherlichs Buch Die Unfähigkeit zu trauern.

Auch er sagt, wenn der Mensch sich nicht mit seinen dunklen Seiten auseinandersetzt, dann wird er gezwungen sein, Vergangenes zu wiederholen.

Es gab nichts, womit sich dieser junge Mensch, eigentlich mit seinen 13 und 14 Jahren noch ein Kind, auseinandergesetzt hat. Selbst über das Alter grübelte Anne nach, erst recht, wenn die ältere Generation immerzu auf die jüngere schimpft:
>>Denn im tiefsten Grund ist die Jugend einsamer als das Alter<<. Diesen Spruch habe ich aus einem Buch behalten und gefunden, dass es stimmt. Ist es denn wahr, dass die Erwachsenen es schwerer haben als die Jugend? Nein, bestimmt nicht. Ältere Menschen haben eine Meinung über alles und schwanken nicht mehr, was sie tun sollen oder nicht. Wir, die Jüngeren, haben doppelt Mühe, unsere Meinungen in einer Zeit zu behaupten, in der aller Idealismus zerstört und kaputtgemacht wird, in der sich die Menschen von ihrer hässlichsten Seite zeigen, in der in Wahrheit, an Recht und Gott gezweifelt wird. (143) 

Anne Frank ringt um Autonomie und um ihre weibliche Identität, setzt sich mit ihrem Geschlecht sexuell und mit der gesellschaftlichen Rolle der Frau auseinander. Sie findet aber kein Ohr bei den Eltern, da die Sexualität damals tabuisiert wurde … Aber sie findet trotzdem Antworten, und lässt sich nicht so leicht abwimmeln.

 Außerdem ist es für Anne nicht leicht, in einer kleinen Welt eingesperrt zu sein, in der die Erwachsenen überwiegen. Selbst als sie durch einen viralen Infekt erkrankt, nervte es sie, wenn permanent um sie gesorgt wurde, während sich andere Kinder freuen, wenn sie durch die Krankheit stärker bemuttert werden:
Das halte ich nicht aus, wenn so auf mich aufgepasst wird, dann werde ich erst schnippisch, dann traurig, und schließlich drehe ich mein Herz wieder um, drehe das Schlechte nach außen, das Gute nach innen und suche dauernd nach einem Mittel, um so zu werden, wie ich gern sein würde und wie ich sein könnte, wenn … wenn keine anderen Menschen leben würden.

Wow, diese Worte hätten damals in Annes Alter auch von mir stammen können. Genau das hatte ich auch erlebt, fast meine gesamte Jugend hindurch.


Meine Identifikationsfigur
Wie aus den letzten Zeilen hervorgeht, ist Anne meine Identifikationsfigur. In der Regel reicht es mir, meine Identifikationsfigur nur mit dem Namen zu erwähnen. Aber hier ist es mal anders ...  Ich war in meiner Kindheit und Jugend auch sehr ungemütlich. Mir haben die Erwachsenen dermaßen gestunken, dass ich mich innerlich immer mehr zurückgezogen habe, und für mich im Stillen beschlossen hatte, nicht erwachsen werden zu wollen. Bis ich in eine Phase geriet, in der ich auch aus mir heraus explodiert bin, denn ich habe genauso gegen diese Erwachsenenwelt rebelliert, wie Anne es tat. Irgendwann musste ich aber erkennen, dass ich auch nicht ewig Kind bleiben wollte, um nicht von ihnen abhängig zu bleiben und so geriet ich in ein immer größeres Dilemma, die meine innere Krise nur noch mehr verstärkte, über die ich mit niemanden reden konnte, weil immer ich die Böse war und so agierte ich auf meine Weise, um mich gegen diese großen, sogenannten allwissenden und arg widersprüchlichen Leute aufzulehnen, die stets glaubten, alles besser wissen zu müssen, nur weil sie älter waren. Auch ich habe Tagebuch geführt, das aber ohne meine Erlaubnis aufgebrochen wurde, und so habe ich meine Welt durch das ständige Ausspähen und Kontrolle meines Tuns symbolisch gesehen ein wenig wie eine kleine Diktatur erlebt … Noch heute ist mir manchmal mulmig zumute, wenn ich Sichtweisen vertrete, die so ganz gegen gegen die Allgemeinheit zieht ... 
Schon damals hatte ich mir über diese Dinge Gedanken gemacht, da hatten andere Mädchen in meinem Alter noch mit Puppen gespielt. Später wurde ich häufig für meine Weisheit bewundert, die für mein damaliges Alter so untypisch war ... Es gibt leider noch immer genug Erwachsene, die sich wenig Gedanken machen und laufen ganz brav mit dem Strom mit, weil sie es nicht anders gelernt haben. Aber genau diese Menschen grenzen andere ein, vor allem, wenn sie sich dazu noch von den Medien leiten lassen, die sie nicht kritisch hinterfragen. Diese Erwachsenen verfolgen ein Menschenbild, das geprägt ist von nur Schwarz-Weiß-, und von Gut-und-Böse-Facetten.

Anne Frank spricht mir so aus der Seele.

Cover und Buchtitel
Finde ich supergut umgesetzt. Das ganze Tagebuch in Bildern und mit Sprechblasen eingebettet, wie in einem richtigen Comic, verliert absolut nicht den Charme und die Ernsthaftigkeit dieses prosaischen Tagebuches. Aber es befinden sich auch viele Seiten darunter, die ohne Bildchen und Sprechblasen auskommen.

Wie erlebe ich die Menschen heute?
Unter meinen Bücherfreund*innen habe ich Gleichgesinnte gefunden.

Mein Fazit
Ein wunderbares Buch für Jugendliche und für Erwachsene, aber auch für Jugendliche, die nicht so gerne Bücher lesen … Eine Grafik Diary, eine andere Form, hochwertige Literatur leicht verständlich vermitteln zu können.

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Literaturwissenschaftliches, gut recherchiertes Buch
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein

12 von 12 Punkten. Eine klare Leseempfehlung.

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Vertraue auf dein Herz.
Denn dann gehst du niemals allein.
(Temple Grandin)

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