Montag, 6. Oktober 2014

Marcel Proust / Sodom und Gomorrha (5)

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit (4)

Fünfte von sieben Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Ich habe nun mehr als die Hälfte durch und es gibt noch immer Klatsch- und Tratschgeschichten bei den vornehmen Leuten, mit denen sie sich ihre Zeit vertreiben, die nicht mehr zurückzuholen ist. Manchmal gibt es Ausnahmen, in dem die Konversationen auch mit Themen wie z. B. der Kunst, Musik, Literatur, Philologie und der Etymologie … betrieben werden. Èmile Zola z. B. war vielen recht unsympathisch, da er in der Dreyfusaffaire involviert war und sich dadurch politisch unbeliebt gemacht hatte und durch eine provokante politische Schrift, die er zur Aufklärung der Dreyfusaffaire publizierte, einen Skandal hervorrief. Zola musste fliehen, um einer Verhaftung zu entgehen. 

Doch auch hier, wenn es um wirklich interessante Themen ging, schaffen es diese vornehmen Leute nicht, länger an einem interessanten Gesprächsstoff zu verweilen und verfallen immer wieder in das alte Gesprächsmuster, in dem sie wieder über andere sich auslassen. Es würde Damen geben, die Mozart nicht von Bach zu unterscheiden wüssten.
Mit der Etymologie befassten sich die Leute ausführlicher, in dem sie französische Namen aus der Pflanzenwelt analysierten. 

Was haben diese Menschen für Erwartungen? Sie befürworten einerseits Menschen mit einer hohen Allgemeinbildung, andererseits aber lehnen sie diese gebildeten Menschen ab, wenn es ihnen nicht gelingt, das Wissen so anzuwenden, dass es sich wie ein Original und nicht wie eine Kopie anfühlt…

Marcel Proust befindet sich wieder auf Reisen. Von Balbec aus fährt er gemeinsam mit anderen Bekannten mit  dem Zug nach La Raspéliere, ein Landsitz in der Nähe von Balbec, um an der Soiree der Madame und des Monsieurs Valdurin teilzunehmen. Die einzige Dame, von der Proust kein schlechtes Bild hat und er ihr sogar sehr wertschätzend gegenübertritt.

Es wird nun wieder über Monsieur de Charlus gesprochen, homosexuell, von dem sich die anderen recht angeekelt fühlen. Noch heute gibt es viele Vorurteile gegenüber sexuell andersorientierten Männern und Frauen, obwohl sich schon so viele Schriftsteller damit befasst haben; und die wird es aus meiner Sicht auch morgen noch geben.
Zudem hat der Homosexuelle, der sich in Gegenwart eines anderen Homosexuellen befindet, nicht nur ein unvorteilhaftes Abbild seiner selbst vor Augen, das sogar bei völliger Lieblosigkeit ihn in seiner eigenen Liebe kränken würde, sondern ein anderes, ein lebendiges Selbst, das in gleicher Weise handelt wie er und also auch imstande ist, ihm in seinem Liebesleben Schaden zuzufügen.
Interessant fand ich auch die Begebenheit eines Kunstprofessors namens Elstir, der wegen seiner stilvoll mit Aquarell gemalten Bilder hoch angesehen ist, und in seinem Atelier viel arbeiten würde, wäre da allerdings nicht seine Frau, die im Gegensatz zu ihm einen schlechten Ruf genießt. Seine Frau wird als schmutzig und wenig ansehnlich bezeichnet, die keinesfalls zum Professor passen würde. Madame Verdurin hatte Elstir die Hochzeit mit dieser Frau erfolglos abgeraten. Madame Verdurin würde keine Frauenzimmer empfangen wollen und ihre Loge sei schließlich kein Stundenhotel …
Böse Worte ...

Doch Elstir brach den Kontakt zu den Verdurins vorzeitig ab. Er war auf deren Gesellschaft nicht angewiesen. 
Sie hatte es ihm gesagt, dass die Frau, die er liebte, dumm, schmutzig, leichtfertig sei und gestohlen habe. Diesmal jedoch war es ihr mit dem Bruch nicht geglückt. Gebrochen hatte Elstir zwar, doch mit dem Haus Verdurin, und er beglückwünschte sich dazu, wie Bekehrte die Krankheit oder den Schicksalsschlag segnen, der sie zur inneren Einkehr auf den Weg des Heils gebracht hat. (…) Denn schon zu den Zeiten, als Elstir dem kleinen Kreis angehörte, kam es vor, dass er ganze Tage mit irgendeiner Frau verbrachte, die Madame Verdurin mit Recht oder Unrecht für eine >>Schnepfe<< erklärte, was ihrer Meinung nach bei einem gescheiten Mann nicht ging.
Marcel Proust selbst ist ein Philosoph, wenn er außerhalb jener Gesellschaft ist, zu Hause, bei sich im Zimmer, auf seinem Bett (das Bett ist ein wichtiger Lebensort für ihn) geht er vielen interessanten Gedanken nach. Die Gedanken sind oftmals so tief, schon fast meditativ, dass er sogar von ihnen träumt, und er im Wachzustand nicht mehr sicher ist, was von seinem geistigen Stoff Traum oder Wirklichkeit ist. Da beides nicht auseinanderzuhalten ist, bezeichne ich persönlich beides als die Wirklichkeit von Proust. Die bewusste und die unbewusste Wirklichkeit ...
Proust denkt viel über die Kunst nach, über die Natur, sogar über die Schlafstörung ...

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„Lange Zeit bin ich früh schlafen gegangen.
Manchmal, die Kerze war kaum gelöscht,
fielen mir die Augen so schnell zu,
dass keine Zeit blieb, mir zu sagen:
Ich schlafe ein.“
(Marcel Proust)

Gelesene Bücher 2014: 66
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86






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