Samstag, 26. August 2023

Der verwesende Weltverbesserer / Theaterstück von Mirella Pagnozzi

Bildquelle: Pixabay
Ihr Lieben,
nach der Bitte von Franziska aus den letzten Kommentaren vom 12.8.2023 im „Das Kleine Ich geht auf Reisen …“ meinen Text zur Kriegsthematik frei zu schalten, habe ich ein altes Theaterstück von mir gefunden, das ich auf meinem Blog übertragen werde. Ein Theaterstück von anno 1990. 

Darin geht es peripher nicht nur um Kriege im Allgemeinen, sondern auch um die Gesellschaft, und um den einzelnen Menschen, etc.

Die Überschrift und die Verpackung sind etwas gespenstisch. Ich wollte wach rütteln und habe mir Bilder ausgedacht, die das hätten schaffen sollen.

Ich hatte damals den Tod und die Verwesung als lebenden Endprozess aufgebrochen, um
damit gleichzeitig Tabuisiertes in Verbindung zu bringen. Die Sinnlosigkeit unseres Lebens sollte ausgedrückt werden, wenn so viel zerstört wird und nicht nur durch Kriege ...

Die beiden Protagonisten sind Paul und Juliane. Paul spricht unter der Erde mit Juliane über der Erde. 

Das Stück besteht aus einer Eingangsszene, aus fünf weiteren Szenen im Hauptteil und aus einer Abschlussszene. 

Los geht geht es nun im Vorspann mit Juliane und ihrer Freundin Simone.

Viel Interesse beim Lesen!

Eingangsszene 
 
Juliane und Simone

Juliane holt ihr Fahrrad aus dem Keller. Als sie sich draußen darauf schwingen möchte, wird sie von einer vorbeigehenden Freundin namens Simone grüßend angehalten. Dabei wirkt Juliane recht locker und froher Laune.

Simone: Fährst Du wieder auf den Friedhof? Wie geht es deinem Paul, Juliane?

Juliane zuckt mit ihren Schultern:  Nun ja, wie soll es ihm gehen? Unverändert. Er ist noch immer mit seiner Verwesung beschäftigt.

Simone: Ja, das kann ich mir vorstellen. Wie weit ist er denn?

Juliane: Noch nicht sehr weit. Er braucht länger als andere. Paul war schon immer ein sehr langsamer Mensch. 

Simone: Auch in der Verwesung? Wie lange ist Paul denn tot?

Juliane: Eigentlich schon mehrere Jahre. Ich weiß nicht genau, ich habe sie nicht gezählt.

Simone: Und er quält sich trotzdem noch? Kann sich wohl kaum damit abfinden. Er war immer anders, dein Paul. Sogar im Tod sucht er noch das Leben. Er scheint mit voller Bewusstheit zu verwesen.

Juliane: Ja, er verwest philosophisch, wie du weißt.

Simone: Ich weiß. Andere sterben schneller. Und auch die Lauten sterben, die Lauten, stell' dir vor, Juliane.

Juliane: Die Lauten sterben auch. Ja, das zumindest ist beruhigend.

Simone: Die Lauten sterben und dann ist Ruhe, nach dem der Tod sie erfasst hat. Erst dann halten sie ihre Klappe und werden still. Die Lauten sterben schneller, die, mit den abgestumpften Sinnen, weil sie kein Bewusstsein besitzen. Dein Paul ist da ganz anders. Er besitzt Bewusstheit, ... und will alles ganz genau wissen. Lässt nicht locker, geht allem auf den Grund.

Juliane: So ist Paul eben.

Die beiden verabschieden sich salopp, als Juliane sich daraufhin mit dem Fahrrad auf den Weg macht und zum Friedhof fährt. 


Erste Szene

Die stolze Mutter

Vor dem großen Tor des Waldfriedhofs stellt Juliane ihr Fahrrad ab und läuft zu Pauls Ruhestätte. Als sie dort angekommen ist, fängt sie zu lächeln an. Sie sieht die vielen schönen, bunten Blumen auf dem kleinen Hügel, die sie glücklich stimmen. Zudem liest sie immer wieder das Zitat von Hermann Hesse auf dem langen, breiten Grabstein, obwohl sie es schon auswendig kennt.

Die Welt ist nicht da, um verbessert zu werden. Auch ihr seid nicht da, um verbessert zu werden. Ihr seid aber da, um ihr selbst zu sein. Ihr seid da, damit die Welt um diesen Klang, um diesen Ton, um diesen Schatten reicher sei. Sei du selbst, so ist die Welt reich und schön! Sei nicht du selbst, sei Lügner und Feigling, so ist die Welt arm und scheint der Verbesserung bedürftig. 

Juliane: Grüß' dich Paul. Wie geht es dir?

Paul: Wie schön, dass du mich mal besuchen kommst, Juliane. Ich dachte, du hättest mich vergessen.

Juliane: Wie kann ich dich vergessen, Paul? Übrigens, ich habe Simone getroffen und sie sagte, dass die Lauten schneller sterben.

Paul: Wen meint Simone mit den Lauten? Meint sie die Lauten, die laut vor Schmerzen schreien?

Juliane: Nein, sie meint die Lauten mit den stumpfen Sinnen.

Paul: Ja, dann könnte sie damit recht haben. Liebst du mich noch, Juliane?

Juliane: Ja, doch. Nur, seit du tot bist, ist es zwischen uns anders geworden. Es hat sich viel verändert seit dem. 

Paul: Was hat sich verändert? Hast du etwa einen neuen Freund?, eine neue Liebe?

Juliane: Ach Paul, du scheinst dich, was die Liebe betrifft, auch im Grab nicht verändert zu haben. Du müsstest wissen, dass es Bedeutenderes gibt als das.

Paul: Als was?

Juliane: Na, du weißt schon, ... als Liebschaften.

Paul: Ich vermisse die Frauen hier unter der Erde. Grüß' sie mir. 

Juliane: Glaubst du, es gibt nichts Wichtigeres auf der Welt als Liebschaften?

Paul: Grüß' sie mir. Mit Liebschaften kann man übrigens neue, kleine Erdenbürger schaffen.

Juliane schaut dabei auf Nachbars Grab. 

Juliane: Ja, das kann man. Dafür benötigt man nicht einmal den Verstand, sprach sie in einem in sich gekehrten Flüsterton. Deine Nachbarin ist übrigens eine Frau, sagte sie nun erneut Paul zugewandt und deutete schwach mit ihrem Finger darauf.

Paul: Sie ist schon skelettiert. Willst du mich etwa beleidigen?

Juliane: Was hast du? Sie ist eine Kollegin von dir.  

Paul: Juliane, nun beleidigst du mich nochmal. Ich bin noch nicht verwest wie sie. An mir ist noch viel Fleisch. Du kannst mich nicht mit diesem Skelett vergleichen, das nicht mal mehr ein Geschlecht besitzt. 

Juliane: Du meinst, sie ist toter als du?

Paul: Erzähl' mir, Juliane, wie ist die Welt über mir?

Juliane: Auf deinem Grab wachsen sehr viele Blumen. Es ist ... , sie wird von Paul unterbrochen ...

Paul: ... Frühling? Oh, ich spüre reine Wehmut. Was ist mir der Sarg nur so eng. 

Juliane: Ach, Paul, lass' uns doch ernst bleiben.

Paul: Ich bin ernst, Juliane. Zu ernst sogar. In einem engen Raum gequetscht zu sein ist nicht gerade lustig. Und außerdem, Juliane, lass' uns ruhig ein bisschen lustig sein. So wie früher, weißt du noch?

Schweigen. Nachdenken. Erinnern. 

Juliane: Wie weit bist du eigentlich mit deiner Verwesung?

Paul: Ich habe ziemlich lange Fingernägel. Es ist, als würden sie weiter wachsen. Minimal zwar, aber sie wachsen. Und auch meine Haare. Sie wachsen. Es wächst im Tod an mir noch weiter, und zeigt, wie lebendig ich eigentlich noch bin. Das ist totale Magie.

Juliane: Hm.

Paul: Auch fühlt sich meine Auflösung so feucht an. Das können unmöglich meine eigenen Exkremente sein, die unbeherrscht meinen Körper verlassen. Vielleicht sind das die Exkremente von den kleinen Tierchen in mir und außerhalb von mir. Sie kriechen überall rum. Eklig.

Juliane: So viel ist der Mensch wert, Paul.

Paul: Jeder Mensch sollte Probeliegen dürfen. Und die Maden auf sich und in sich kriechen lassen und sich selbst dabei beobachten, wie er zerfällt. 

Juliane: Du bist so makaber, Paul.

 Paul: Ja, absolut makaber. Dermaßen makaber, dass ich heute wieder ein Jucken gespürt habe, unten, unten am Fußzeh, dann am ... ach, irgendwie juckt es mich überall und ich kann mich nicht einmal kratzen, obwohl ich lange Fingernägel besitze.

Juliane: Aber Paul, für das, dass du schon so lange tot bist, verwest du recht langsam. Dass noch so viel an dir dran ist? 

Paul: Es geht nicht schneller, Juliane, es geht nicht schneller. Sag', wie sieht es aus auf der Welt? Sind die Menschen weiser und klüger geworden?

Juliane: Es gibt ein paar Weltverbesserer, die es gut meinen. Aber selbst die sterben. Die anderen Weltverbesserer, die mehr Schaden anrichten, sie scheinen sich zu vermehren und wirken schon fast unsterblich, weil es so viele von ihnen gibt. 

Paul: Immer noch die, die im Parlament sitzen?

Juliane:  Die meisten von ihnen, ja, aber nicht nur die. Machtbesessene gibt es überall. Auch in Familien können sie vorkommen. In Betrieben und Arbeitsstätten. Das weißt du selbst, Paul.

Paul: Aber natürlich weiß ich das, Juliane. Nur, es kommen auch neue. Es kommen neue Weltverbesserer. Es werden täglich neue Menschen geboren. Ganz kleine, neue Menschen, siehst du das denn nicht? Ein Teil von ihnen kann sehr gut ein Weltverbesserer werden und für das Wohle aller einstehen. Für das Wohle aller.

Juliane: Es ist aber nicht so leicht, wie du es dir denkst, Paul. Die Zeiten sind in dieser Beziehung die gleichen geblieben. 

Paul: Wetten, dass die Mutter noch immer stolz auf ihr Kind ist?

Juliane: Oh, ja, Paul. Das ist sie. Und wie.

Paul: Aber nicht auf jedes Kind, oder?

Juliane: Ja, da hast du recht. Nicht auf jedes Kind. Ein paar projektive Sündenböcke werden schon geboren. Die muss es schließlich in der Welt auch geben. Die sind sehr wichtig, damit  man ihnen fremde Fehler aufsetzen kann. Aber auf die ist niemand stolz, Paul, niemand, obwohl sie so viel Last tragen. Und dennoch glaubt fast jede Mutter, die keinen Sündenbock auf die Welt gebracht hat, dass ihr Kind etwas ganz Besonderes sei. Ein Vater ist auch auf sein Kind stolz, nur anders. Nun, dieser Stolz ist aber keineswegs besser als der Stolz der Mutter.

Paul: Und ich wette, du fragst dich immer noch, warum diese besonderen Kinder später nicht fähig seien, eine Welt zu verändern?

Juliane: Sie sind zu beschäftigt mit all' dem, was am Rande Politik und Gesellschaft fordern. Juliane denkt nach. Wenn viele dieser Kinder erwachsen sind, tun sie politisch und gesellschaftlich das, was andere auch tun.Tut die Politik Sinniges, dann verhält sich die Gesellschaft auch sinnig. Tut die Politik Unsinniges, dann tut die Gesellschaft auch Unsinniges. Nach diesen Mustern sind die Kinder erzogen worden. Deshalb können sie keine Welt verändern. Das Besondere in ihnen schläft, schlummert, ist nicht aktiviert. Die Kinder können nicht werden, was sie innerlich schon sind, sondern das, wie und was sie zu sein haben. Dafür sorgt dann schon das Bildungssystem. Darin liegt das Unglück. Die meisten Eltern durften ja auch nicht sich selbst werden.

Paul: Du meinst, sie fügen sich einem Staat ähnlich einer Ameisenmentalität? Das hatten wir doch schon. Seit Menschenbeginn. Hast du mir nichts Neues zu berichten, Juliane? Haben sie keine Träume?

Juliane: Naja, Paul die Ameisen tun kollektiv schon viel Sinniges für die Aufrechterhaltung ihres Staates, aber ohne viel nachzudenken. Sie knechten sich ein Leben lang für die Königin. 

Und natürlich, klar haben haben die Menschen Träume, Paul. Was stellst du mir für eine Frage? Aber auch im Modernen wird der Mensch institutionell von sich wegerzogen. Da haben nicht mal Eltern eine Chance, das Kind in Freiheit aufwachsen zu lassen. Die Eltern sind selbst gefangen in diesem Netz, das ihnen übergestülpt wurde. Die Freiheit, ganzheitlich gefördert zu werden, damit das Kind werden kann, was es innerlich schon ist, ist nur an wenigen Privatschulen möglich. 

Paul: Das heißt, noch immer zu viel Einmischung in die kindliche Seele? Dann gibt es weiterhin Gewinner und Verlierer? Existieren noch diese zwei Erziehungsschablonen?

Juliane: Noch immer, Paul, noch immer. Deshalb werden sie von den Anstalten produziert, diese ominösen Versager und diese ominösen Gewinner. Ominös deshalb, weil die Gewinner auch nicht die wahren Gewinner sind. Viele von ihnen haben keine Träume wie wir beide sie haben. Der Traum z. B. von einem Weltfrieden. Der Traum von einem gesunden Planeten für alle; für Tier und für Mensch gleichermaßen. Der Traum, Weltmensch sein zu dürfen und dafür weg von der Idee nationaler Wurzeln, die auch nur erdacht wurden, um das eigene Volk einzuschließen, während andere mit dieser Wurzeltheorie ausgeschlossen werden. Führt häufig zu einem latenten Rassismus. Doch der Traum, alle Menschen und Tiere auf unserem Planeten als unsere Verwandten zu betrachten, fehlt im Durchschnittsmenschen. 

Paul: Sie haben ein anderes Verständnis von Glück als wir, Juliane.

Juliane: Ich weiß, Paul, ich weiß. Gäbe es zum Beispiel keine Kriege. Keine Kinderarbeit. Keine Kinder, die für die reichen Länder bei einem Hungerlohn Konsumgüter produzieren. Oder würden die reichen Länder aufhören, für andere Krisenländer Waffen zu produzieren, dann wären auch wir glücklicher.

Paul: Wir bereichern uns hier, damit woanders mit unseren Waffen Menschen getötet werden. Ganze Länder werden mit unseren Waffen vernichtet.

Juliane: Schon absurd, diese Tatsache. Ja, Paul, absurd ist das. Mit dem Töten werden schmutzige Geschäfte gemacht, auch wenn sie nach außen hin sauber aussehen.

Nachdenkliche Stille.

Juliane: Wir wären glücklicher, gäbe es auch den Tieren gegenüber keine Qualen mehr durch uns Menschen, dann wären auch wir glücklicher, Paul. Solange der Mensch zu wenig Gespür für sich und für seine Umwelt besitzt, werden diese Missstände hauptsächlich von den reichen Ländern stillschweigend hingenommen, solange sie selber nicht betroffen sind. 

Paul: Und gäbe es nicht dieses politische Elend im eigenen Land. Die vielen Manipulationen und Lügen, dann wären auch wir glücklicher. 

Juliane: Auch das, Paul, auch das. Uns kann man nicht so leicht mit Lügen abfertigen.

Paul: Es ist nicht weiter verwunderlich, wenn Leute Hass, Neid, Aggressionen und Gier anderen Menschen, Tieren und Dingen gegenüber verspüren. 

Juliane: Sie lieben ihre Kinder. Sie lieben ihre Familien. Sie lieben ihre Tiere. Sie lieben ihre Häuser. Sie lieben ihr Land. Und diese Werte bekommen die Kleinen vermittelt, was sie als Glück bezeichnen. Von universeller Liebe verstehen die Wenigsten etwas. Den Planeten zusammen wachsen zu lassen, statt ihn zu zerstören, das ist für uns Glück, Paul. Und das geht zusätzlich nur mit universeller Liebe.

Paul: Nicht alleine mit dem Verstand. Ich weiß Juliane. Schwierig, wenn die Empathie in den Bildungseinrichtungen nicht wirklich gefördert wird und einseitig auf die intellektuelle Bildung ausgelegt ist.

Juliane: Wir wissen aus der Geschichte, was der geschulte Intellekt alles für desaströse Taten anzurichten weiß.  

Nachdenkliche Stille.

Juliane: Und durch die Übererziehung wachsen in manchen Häusern kleine Monster heran. Kleine, egoistische Monster, die süß und nett ausschauen und wenn sie groß sind, sitzen manche von ihnen, die die Gesellschaft als Gewinner bezeichnet, in einem Parlament und wollen eine Welt verändern, und denken dabei an nichts Anderes, als an die eigenen zu füllenden Taschen, die sowieso schon zum Überlaufen voll sind. 

Paul: Man kommt ja nur mit vollen Taschen ins Parlament, Juliane. Vergiss das nicht. Und die Versager, Juliane? Viele von ihnen werden womöglich noch immer weggesperrt durch kriminelle Energien.

Juliane: Kriminelle Energien der Gewinner dagegen werden mittlereile von der Gesellschaft und vom Gesetz größtenteils verharmlost und geduldet. 

Paul: Spielen diese kleinen Süßen noch immer Kriege? Quälen sie aus Spaß noch immer Tiere, die im Ernst sterben?

Juliane: Viele spielen immer noch Kriege. Virtuell zwar, die Seele tötet trotzdem, wenn auch zum Spaß. Da rollen die Köpfe und es schießt Blut aus allen Richtungen. Die Seele ist spielerisch mit Töten beschäftigt.

Juliane denkt nach, als sie weiter spricht. Nicht alle, doch noch zu viele, die weiterhin auch reale Tiere quälen aber nicht nur Tiere, sondern auch schwächere Kinder. Sie erfinden Lügengeschichten, um ein Kind bei einem Erwachsenen zu denunzieren, damit es bestraft wird. Und die Schadenfreude, Paul, die Schadenfreude.

Paul: Fehlende Empathie. Die Kleinen können sie nicht lernen, wenn die Großen das nicht einmal können. Sie wissen nicht, was Empathie ist.

Juliane: Das ist es, was der Planet benötigt. Empathie! Empathie! Alle! Empathie, der Weg, der zur universellen Liebe führt. Viele Wissenschaftler haben wir, aber nur wenige von ihnen konnten bisher Kriege aufhalten. Auch nicht den Hunger in der Welt stoppen. Wir brauchen Empathie, Paul. Manches Kind verspürt das unnatürliche Bedürfnis, andere zu quälen. Die Computerspiele fördern diese zusätzlich. Das Töten muss aufhören. Gewalt muss aufhören.

Paul: Ja, nun, das Kind wird selbst auch gequält, Juliane. Ständig wird an ihm rumerzogen, auch in einem Laisser-faire Modell und es muss seine eigenen gesunden Potenziale unterdrücken.

Juliane: Es weiß nicht mal, was es selbst ist, Paul. Die Seele trägt die Informationen wie ein Samen einer Pflanze verborgen mit sich. Und wer glaubt schon an die Seele? Alle Menschen bringen mit der Geburt eigene Bedürfnisse und Fähigkeiten in die Welt mit und könnten sich damit wohltuend nützlich machen, wenn diese zur Entfaltung freigesetzt werden würden, statt sie im Keim zum Ersticken zu bringen. Aber sie glauben nicht an diese Informationen, obwohl es genug Studien dazu gibt, die sie belegen.

Paul: Ich weiß, Juliane, ich weiß. Wenn die Kinder nach ihren eigenen Bedürfnissen und Fähigkeiten erzogen worden wären, wären sie sich selbst geworden und müssten nichts Fremdes leben. Das wäre der neue Mensch. Fragt sich nur, weshalb es so viele kluge Studien gibt, die nicht umgesetzt wurden? 

Juliane: Vielleicht sind diese Studien nicht gewollt? Unwissende Menschen mit tauben Sinnen lassen sich leichter manipulieren. Es ist verständlich, dass Aggressionen entstehen, die woanders abgeladen werden müssen. Die Menschen müssen alle sich selbst werden, sonst hört das Elend hier auf dem Planeten niemals auf. Wir brauchen echte Träume, Paul. Und echte Menschen.

Paul: Puh, Juliane. Echte Träume und echte Menschen scheinen weiterhind dringendst nötig zu sein. Steht das Hesse-Zitat noch auf meinem Grabstein?

Juliane: Natürlich, Paul, natürlich … Später sprechen die Kleinen häufig genau wie ihre Eltern und wie der durchschnittliche Rest über eine Zahnpasta, über Kleidergrößen, über das Wetter, über Fitness, über Wettkämpfe ... . Sie sprechen über Statussymbole und über Konsumgüter und du siehst zu, wie sie diese Themen immer mehr zu ihren Hauptthemen machen. Du beobachtest, wie sie sich in die künstliche Welt hineinstürzen und konsumgierig werden, so, wie sie es von den Großen vorgelebt bekommen haben. Themen wie Weltfrieden ... werden auch sie später gerne einem Parlament überlassen, das vor Empathielosigkeit nur so strotzt.

Paul: Die Menschen scheinen noch immer die alten zu sein, Juliane?

Juliane: Wie schon gesagt, Paul. Die Mutter ist noch immer stolz auf ihr Kind. 


 Zweite Szene

Die Todesspritze

Juliane  wendet sich von Pauls Grab ab. Sie geht ein bisschen Spazieren, bleibt aber in dessen Nähe. Sie genießt die Stille, die Ruhe an diesem Ort. Sie hört Vogelgezwitscher auf den Bäumen, ohne einen Vogel zu sehen. Sie lässt ihre Blicke nach allen Richtungen hoch oben schweifen, doch der Himmel wirkt klar aber leer. >Es ist so schön hier oben auf der Erde und der Himmel wirkt geheimnisvoll<, spricht sie leise mit sich selbst. >Doch von unten sieht alles gleich aus, da kann ein Friedhof von oben noch so schön sein. Und unten gibt es nicht mal einen Himmel<. Plötzlich hört sie Pauls Stimme sie rufen.

Paul: Juliane, wo bist du?

Juliane: Ich bin hier, Paul. Hier bin ich.

Paul: Du bist so weit weg.

Juliane stellt sich wieder an Pauls Grab und sagt: Ich bin doch hier, Paul.

Paul: Was ist los mit dir, Juliane?

Juliane: Gar nichts. Ich brauchte einfach mal kurz Ruhe.

Paul: Strenge ich dich an, Juliane?

Juliane: Naja, deine Verwesung, sie ist dermaßen absurd. Dermaßen absurd eben, wenn auch biologisch sinnvoll, dass die Erde wieder zurücknimmt, was sie einst hat erschaffen lassen. 

Paul: Ich habe es mir nicht ausgesucht, Juliane.

Juliane: Ich weiß.

Paul: Du bist auch irgendwann dran.

Juliane: Deine Verwesung ist Gift für die Umwelt.

Paul: Nicht schmutziger als das Leben, das wir hinterlassen.

Juliane: Ich lasse mich verbrennen, Paul.

Paul: Glaubst du wirklich, dass das umweltfreundlicher ist? Verstehst du nicht, dass der ganze Mensch eine Verpestung ist? Das merkst du doch auch an den Taten, die genauso stinken.

Juliane: Deshalb ist es wichtig, dass wir die Welt mit feingeistigen und mit feinfühligen Gedanken und mit konstruktiven Taten füllen. Jeder einzelne von uns. Diese können nicht verwesen. Sie hinterlassen auch keinen Schmutz und keine Schmerzen wenn wir gehen.

Paul sehnsüchtig: Ich würde gerne so ein feingeistiger Gedanke sein. Oder eine wohle Tat.

Juliane: Weil sie unsterblich sind? Vergiss' es, Paul, du bist und bleibst ein Mensch, der gerade am Verwesen ist. Was ist daran so schlimm? Du bist dabei, dich aufzulösen. Du gehst in ein Nichts über. Du bist für nichts mehr verantwortlich. Das Leben geht ohne dich weiter.

Paul: So schnell, Juliane, geht das hier unten nicht zu Ende, wie du von mir weißt. Wart' mal ab, bis du so weit bist. Noch lange ist es nicht zu Ende. 

Juliane: Hast du nicht gehört, Paul? Ich lasse mich verbrennen. Ich möchte das nicht erleben, was du da unten erlebst. Und damit das Sterben gelingt, lasse ich mir nach meinem Tod noch ordentlich eine zusätzliche Todesspritze verpassen. Sicherheitshalber!!!

Paul: Du meinst, lieber zwei mal tot als einmal zu wenig?

Juliane: Wie schon gesagt. Um sicher zu gehen, ja. Wenn ich tot bin, dann möchte ich auch tot sein. Nicht so wie du, Paul. Nirgends gefangen liegen, nicht einmal in einer Urne möchte ich liegen und lasse daher meine Asche verstreuen in einem Land, wo dies erlaubt ist. Außerdem möchte ich frei sein, auch im Tod noch.

Paul: Liebst du mich denn gar nicht mehr? Ich bekomme gerade Liebesgelüste. Ich möchte mit dir schlafen, Juliane. Lass' dich berühren, damit noch etwas von mir da ist. Das Leben ist doch so ...

Juliane unterbricht: ... soll ich etwa dein Grab aufschaufeln und mich zu dir legen? Mitten in deinen *hüstel* Verwesungssaft ... ? Mensch, Paul, mach' keine Witze. Ich bekomme das Kotzen. 

Paul: Ach, Juliane, ich wundere mich, dass du mich überhaupt noch besuchen kommst. Wo ich dir nichts mehr zu bieten habe und kann dir von hier unten nichts Erfreuliches mehr berichten. Warum kommst du trotzdem?

Juliane: Weil ich dich liebe, Paul. Ich vermisse die philosophischen Gespräche mit dir. Warum stellst du mir bei jedem Besuch immerzu dieselbe Frage?

Paul: Du liebst mich immer noch? Wenn ich könnte, würde ich dir meine Freude zeigen, denn es ist so einsam hier unten. Und die Toten als meine neuen Nachbarn reden nicht. Sie sind stummer als der Stumme selbst unter euch. Wenn ich könnte, würde ich lieber mit dir zusammen ohnmächtig sein, oder mit dir die Welt ein Stück verbessern.

Juliane: Ach Paul, red' keinen Unsinn. Du hast deine Chancen gehabt. Was nützen alle deine Theorien, wenn das Herz dabei fehlt? Du hast selbst nichts umsetzen können. Trockene Theorien klingen gut, aber gewirkt haben sie wenig und ich erkenne durch dich, durch deinen Tod, dass ich nicht anders bin. 

Paul: Ich habe meine Chancen gehabt, Juliane, du hast recht. Und tatsächlich zu wenig in mich hinein gespürt, einfach zu wenig in mich hinein gespürt und zu viel gedacht, du hast recht, Juliane. Kurzes Zögern. Ach, Juliane, sage mir; warum sind wir Menschen nur so sterblich?

Juliane: Es ist gut, dass es den Tod gibt, Paul, sonst würden wir unendlich mit unseren Dummheiten weiter machen. Das wäre grausam.

Paul: Ach, man könnte aus den Dummheiten lernen.

Juliane: Vergiss' nicht, Paul, vergiss' unseren Sartre nicht, den Existentialisten. Vergiss sein Theaterstück nicht.

Paul: Die letzte Chance?

Juliane: Die letzte Chance. Wir würden immer wieder dieselben Dummheiten machen ... Juliane denkt nach ... wenn wir,  so denke ich, nicht endlich anfangen, gleichzeitig beim Denken unser Herz zu öffnen, Paul, unser Herz. Vorhin haben wir über die fehlende Empathie bei anderen gesprochen. Sehr abstrakt, Paul, sehr abstrakt. Wie ist es mit unserer Empathie?

Paul: Ich kann mein Herz nicht mehr öffnen, Juliane. Mein Herz löst sich hier unten gerade auf.


Dritte Szene

Olivia

 Vier Wochen später

Traurig und nachdenklich stellt sich Juliane an Pauls Grab. Sie legt ihm einen Topf mit weißen Narzissen auf die Erde und daneben eine Friedenstaube aus Keramik. Wie bei jedem Besuch liest Juliane anschließend rituell das Hesse-Zitat, bevor sie mit nach unten geneigtem Kopf Paul begrüßt. 

Die Welt ist nicht da, um verbessert zu werden. Auch ihr seid nicht da, um verbessert zu werden. Ihr seid aber da, um ihr selbst zu sein. Ihr seid da, damit die Welt um diesen Klang, um diesen Ton, um diesen Schatten reicher sei. Sei du selbst, so ist die Welt reich und schön! Sei nicht du selbst, sei Lügner und Feigling, so ist die Welt arm und scheint der Verbesserung bedürftig. 

Juliane: Guten Morgen, Paul. Ich grüße Dich. 

Paul: Guten Morgen, Juliane. Lange warst Du nicht mehr hier.

Juliane: Vier Wochen?, sprach sie leise. Ist das lang?

Paul: Vier Wochen erst? Hier unten scheint die Zeit still zu stehen. Kommt mir länger vor.

Juliane: Paul, es gibt keine Zeit mehr für dich.

Paul: Weshalb gibt es für mich keine Zeit mehr, Juliane?

Juliane: Sie ist mit dir mitgestorben, Paul. Du hast deine persönliche Zeit mit ins Grab genommen. Es ist vorbei. Willst du das nicht endlich einsehen?

Paul: Nichts ist vorbei, Juliane. Das Leben oben? Ja, das ist vorbei. Aber hier unten ist noch ordentlich was los. Zwar nicht so wie bei Hades, Gott sei Dank. Denn hier herrscht keiner über mich. Ich werde auch nicht mit Fegefeuer geknechtet aber los ist trotzdem noch so manches.  

Juliane: Wen interessiert das schon, was bei dir unten los ist?

Paul: Na, mich, Juliane. Mich. Und dich ebenso, dachte ich.

Juliane spricht gedankenverloren: Paul, ich muss dir etwas mitteilen. Ich muss dich informieren.

Paul: Du musst mich informieren, mir mitteilen? Nun sag' schon. Ist etwas passiert? Deine Stimme klingt gerade recht fiebrig. 

Juliane: Es ist etwas Unfassbares passiert, Paul.

Paul: Um Himmels Willen, was ist los?

Juliane: Kannst du dich an das junge Mädchen erinnern, die kleine Olivia? 

Paul: Ich kann mich an Olivia erinnern, ja. Was ist mit dem Mädchen?

Juliane: Paul, warte. Mir gehen gerade so viele Gedanken durch den Kopf. Paul, ich bin so durcheinander. Pause ... Tiefer Atemzug. Was glaubst du, wie lange benötigt eine Pistolenkugel aus einer Entfernung weniger Meter, bis sie beim getätigten Abschuss beim Opfer gelandet ist?

Paul: Pistolenkugeln können auch aus der Ferne gut fliegen. Kommt auf den Abdrücker an, wie korrekt er zielen kann. Ein paar Sekunden?

Juliane: Ein paar Sekunden, ja. Nicht, dass ich das nicht selbst gewusst hätte, Paul. Ich wollte es nur von dir noch einmal hören. Ich wäre gewillt, so einen Schuss gezielt auf ein sinnloses Objekt in Zeitlupe aufnehmen zu lassen. Um diese wenigen Sekunden verstehbar zu machen, wie mächtig, ich wiederhole, wie mächtig diese wenigen Sekunden nur sein können. Ein paar kurze Sekunden vernichten auf einen Schlag 21 lange Jahre ...

Paul: Auf was willst du hinaus, Juliane? Ist Olivia erschossen worden? Ist sie tot?

Juliane: Olivia hat 21Jahre lang eine Erziehung genossen, wie wir sie allen Menschen wünschen. Sie durfte so aufwachsen, dass sie vollständig sie selbst werden konnte. 

Paul: Ich weiß, Juliane, ich weiß. Sie durfte in Freiheit sich wie ein Samenkorn entfalten, und die Pflanze werden, die in dem Samenkorn steckt. Die Eltern beobachteten das Kind, wie es sich entfaltete und gaben ihr das, was es brauchte. Ohne große, moralische Erziehung.

Juliane: Ja, und dazu wurde sie respektvoll behandelt und hat gelernt, andere ebenso zu respektieren und zu achten. Es gab kein unter ihr. Es gab kein über ihr. Alle standen neben ihr. 

Nachdenkliche Stille auf beiden Seiten, als Juliane weiter spricht: Wer glücklich ist, wünscht sich, dass auch andere glücklich sind

Paul: Das heißt ja nicht, dass sie keine Probleme hatte, die Olivia.

Juliane: Ihre Probleme wurden in Liebe aufgefangen, Paul. Die Eltern standen ihr immer bei. 

Paul: Ich erinnere mich, als die Eltern meinten, dass bei den Problemen ihres Kindes nur ein Untergang das Schlimmste sei. Für alles andere fände sich immer eine Lösung.

Juliane: Und erinnerst du dich, Paul, sie besuchte keine öffentliche Schule und wurde zu Hause von den Eltern unterrichtet, damit sie ihr mitgebrachtes Potenzial ganzheitlich entfalten konnte.

Paul: Sehr wohl erinnere ich mich. Die staatlichen Schulen als die reinsten Bildungsfabriken wollten die Eltern ihrem Kind nicht zumuten. 

Juliane: Ja, richtig. Bildungsfabriken, jetzt, wo du es sagst, fällt mir das auch wieder ein, als sich die Eltern vehement dagegen aufgelehnt hatten.

Paul: Später, Juliane, später ist sie aber doch auf eine Schule gegangen. Weißt du nicht mehr? Auf eine Privatschule, die auf Ganzheitlichkeit ausgerichtet war. Alle Sinne wurden gebildet, da die Intelligenz viel umfassender ist, als man sie objektiv zu messen vermag.

Juliane: Ja, auf alle Sinne. In dieser Schule lernte sie mit Herz und Verstand zu denken und zu fühlen.

Erinnern, kurzes Schweigen.

Juliane: Olivia hatte sich selbst eine Schule gewünscht. Sie wollte nicht mehr zu Hause unterrichtet werden und die Eltern haben das respektiert aber lange gebraucht, bis sie eine Schule wie die ihrige haben finden können.

Paul: Sie musste jeden Morgen weit fahren, um diese Schule zu erreichen aber das haben die Eltern durch ihre begünstigte Position in Kauf nehmen können. Ich erinnere mich noch sehr gut. Ich hatte Olivia sogar ein paar Mal vertretungsweise selbst in die Schule gefahren.

Juliane: Ja, ich erinnere mich auch, Paul.

Paul: Was hat sie erzählt und erzählt und erzählt, die Kleine Olivia. Sie war auf der Schule sehr glücklich. 

Juliane: Ich erinnere mich, dass auf dieser Schule die künstlerischen Fächer gleichwertig vermittelt wurden wie die naturwissenschaftlichen. Und ein Kind bekam mehr Stunden in den Fächern, die seinen Begabungen entsprachen. Olivia war nicht so viel jünger als ich und ich bewunderte sie für diese Schule.

Kurze Stille. Juliane denkt nach. 

Paul: Ich weiß Juliane, ich weiß. 

Juliane: In dieser Schule gab es keine Versager, Paul und keine Verlierer. Alle hatten ihre Talente. Nachdenkliche Stille. Und es gab trotz der unterschiedlichen Hautfarbe auch keine ausländischen Kinder ... Kinder mit Migrationshintergrund, was für ein stigmatisierender, hässlicher Begriff, da alle Kinder als Kinder dieses einzigartigen Planeten verstanden wurden, während sie in den staatlichen Schulen vielerorts noch heute in die Rolle von Prellböcken gepresst werden, um das eigene Versagen eines maroden Schulsystem zu kaschieren. In Olivias Schule fanden keine Vergleiche mit anderen Kindern, da jedes Kind nur mit sich selbst verglichen werden könne. Und feinfühlig brachte man ihnen politische Bildung bei. Ein Pflichtfach bis zum Schluss.

Paul: Jawohl, politische Bildung mit Herz und Verstand. Dabei wurden viele politische Szenen nach dem theoretischen Unterricht in Rollenspielen gepackt, damit die Kinder sowohl in die Täter als auch in die Opfer gleichermaßen sich einfühlen konnten. 

Nach der Schule wollte Olivia Künstlerin werden. Sie konnte sehr gut malen und auch im Musischen war sie talentiert.

Juliane lächelt: Ich sehe Olivia vor mir, wie klein sie war, und sie ihre Lippen zum Pfeifen geformt hatte, und sie sich weinend geärgert hat, weil sie keinen Ton wie ihr Onkel herausbekommen hatte, der immer musikalisch gepfiffen hatte. Olivia ist Musikerin geworden. Die Pfeiferei war keine Laune von ihr. Musikerin ist sie geworden, Paul. Mit 18 bekam sie als Flötistin schon ihren ersten Musikervertrag. Und sie war dankbar ihren Eltern gegenüber ... Paul unterbricht Juliane. 

Paul: Warum war? Ist sie tot, die Olivia?, Juliane, sag doch etwas. 

Juliane: Gleich, Paul, gleich. Nicht so einfach, das auszusprechen. Kurzes betretendes Schweigen. Vor drei Tagen war Olivia bei mir und brachte mir eine Einladung zu dem Konzert ihrer Blaskapelle vorbei. Dann erzählte sie mir, wie glücklich sie sei, dass sie die Freiheit haben durfte, hauptberuflich Flötistin zu werden. Sie erzählte mir parallel die Geschichte von einem älteren Freund, dessen Freundin Schriftstellerin werden wollte und die Eltern ihr das verboten hatten, weil damit kein Brot zu verdienen sei. Dass schriftstellern kein richtiger Beruf sei. Kein gewinnbringender Beruf, und kein sicherer Beruf. Sie musste Jura studieren, weil der Vater auch Jurist sei, und weil dieser Beruf in der Gesellschaft hoch angesehen wäre.

Paul: Aber sie hätte rebellieren können, Juliane. Warum hat sie das nicht getan?

Juliane: Diese Frage habe ich auch gestellt. Olivia meinte, dass sie das nicht geschafft hätte. Sie konnte sich nicht durchsetzen ... durchsetzen gegen ihre Eltern. Sie hatte nicht genug Kraft und nicht genug Selbstvertrauen. Aber das Studium musste sie abbrechen, weil sie psychisch krank wurde. Sie lebt jetzt seit ein paar Jahren in einer psychiatrischen Wohnform und es ist fraglich, ob sie dort jemals wieder herauskommen wird.

Paul: Das war's dann wohl mit ihrer Juristenkarriere und mit dem Vorzeigetöchterchen der Eltern. Was aber willst du mir sagen, Juliane?

Juliane: Ich möchte dir sagen, Paul, zurück zu Olivia, dass sie dieser neue Mensch geworden wäre. Ein Mensch mit den eigenen Träumen. Ein Mensch, der sich zu sich selbst hat entfalten dürfen ..., Juliane stockt, ehe sie weiterspricht. Ein neuer Mensch, ... sie stockt erneut, hätte man sie nicht innerhalb von wenigen Sekunden totgeschossen. So, jetzt ist es heraus, Paul. Jetzt ist es heraus. ... Stocken ...  21 Jahre Zeit in einer Zeit von wenigen Sekunden totgeschossen. Das muss man sich mal in aller Ruhe bewusst machen.

Paul: Entsetzlich. Ich ahnte sowas schon, Juliane. Ich wollte dich nur nicht drängen.

Juliane: 21 Jahre individuelle Erziehung wurden innerhalb von Sekunden hinweggerafft. Juliane laufen die Tränen. Überlege mal, Paul, 21 Jahre haben Olivias Eltern benötigt, einen ganzheitlichen glücklichen Menschen groß zu ziehen. Und innerhalb von wenigen Sekunden wurden diese 21 Jahre vernichtet, Paul. Das geht einfach nicht in meinen Kopf rein.

Nachdenkliche Stille auf beiden Seiten. Juliane schnäuzt sich die Nase in ein Taschentuch

Juliane: Die Eltern haben ein Stück Weltfrieden großgezogen,  Paul. Olivia hatte gelernt, jedes Lebewesen zu achten. Jeden  Bach, jeden Fluss, jedes Meer, und jedes Tier. Jede Pflanze achtete sie. Selbst im Unkraut konnte sie das Schöne sehen. Sie achtete jeden Menschen, weil sie sich in alle Menschen gut hineinversetzen konnte. Nur die Zerstörer waren ihr fremd, aber mit der Zeit lernte sie, sich auch in sie urteilsfrei hineinzudenken und hineinzuspüren. 

Kurze Pause. Stille. Stocken.

Paul: Red' weiter, Juliane. Red' weiter. Sprich dich aus. Es wird dir gut tun.

Juliane: Und auf die Ernährung achtete sie, indem die Eltern und die Schule es ihr zusätzlich vorgelebt haben. Allerdings wurden sie auch gebildet, was die Massentierhaltung betrifft. Sie entschied sich auch nach der Schule, die gewaltfreie Ernährung beizubehalten, Paul. 

Sie lernte, wie schon gesagt, erst sich selbst zu achten, dann lernte sie auch andere zu achten. Sie hätte niemanden töten können, Paul, niemanden. Auch für Olivia gab es keine gerechten Kriege. Sie sagte, 'wenn ich Kriege befürworte, dann wäre es so, als stünde ich selbst als Soldatin an der Front, um Menschen zu töten.' Auch hätte sie niemandes Geld haben wollen. Kein Geld, das nicht ehrlich verdient war. Sie lernte durch die Eltern und durch die Schule genügsam zu sein. Geistige Werte bekamen einen höheren Stellenwert als materielle Werte.

 Paul stockt.

Paul: Mir ist, als habe man eine Friedenstaube getötet, sprach nun auch Paul in einem Flüsterton.

Juliane: Die Friedenstaube, Paul, die Friedenstaube klingt so abgelutscht. Wir brauchen neue Symbole und neue Werte für alle. Die Friedenstaube nimmt kaum noch einer ernst. Trotzdem habe ich dir heute eine aus Keramik auf dein Grab gesetzt. 

Paul: Aber warum auf mein Grab, Juliane?

Juliane: Wenn ich könnte, lieber Paul, würde ich diesen Vogel auf alle Gräber setzen.


Vierte Szene

Der Friedhof für tote Intellektuelle 

Vier Tage später 

Juliane beugt sich über Pauls Grab und greift nach den darauf wachsenden, üppigen Pflanzen und Blumen. Anschließend liest sie rituell das Hesse-Zitat

Die Welt ist nicht da, um verbessert zu werden. Auch ihr seid nicht da, um verbessert zu werden. Ihr seid aber da, um ihr selbst zu sein. Ihr seid da, damit die Welt um diesen Klang, um diesen Ton, um diesen Schatten reicher sei. Sei du selbst, so ist die Welt reich und schön! Sei nicht du selbst, sei Lügner und Feigling, so ist die Welt arm und scheint der Verbesserung bedürftig. 

Sie lässt es etwas wirken und wendet sich nun Paul zu.

Juliane: Guten Morgen, Paul.

Paul: Guten Morgen, Juliane. Schön, dich wieder an meinem Grab zu wissen. Dieses Mal scheint mir die Zeit seit deinem letzten Besuch kürzer vorzukommen. 

Juliane: Vier Tage, jawohl, diesmal sind nur vier Tage seit dem vergangen. 

Stille

Juliane: Es wachsen so viele Rosen, Lilien und sogar Erdbeeren wachsen auf deinem Grab, stell‘ dir vor, Paul. Ein sehr fruchtbarer Boden, dieses Fleckchen Erde. 

Juliane stellt sich wieder auf. 

Paul: Nur leider nutzt mir diese Fruchtbarkeit nichts mehr, Juliane. Bei mir ist, was dies betrifft, alles tot. Ich hoffe, die Erdbeeren schmecken wenigstens. Kannst du mir Licht machen? Es ist so finster hier unten. 

Juliane bückt sich erneut und pflückt sich eine Erdbeere, hält sie vor ihren Augen, dreht sie nach allen Seiten um und knabbert sie an, steckt sie anschließend ganz in den Mund und lässt sie langsam kauend in sich zergehen, bevor sie die ganze Erdbeere hinunter schluckt. Sie pflückt noch eine weitere.

Juliane: Ich kann dir kein Licht machen, Paul. Aber deine süßen Erdbeeren, sie schmecken etwas bitter.

Paul: Vielleicht liegt das daran, weil so viele ...  räuspert ... weil so viele Gase und etwas von meiner Zersetzung nach oben dringen. 

Juliane hüstelt und würde am liebsten die heruntergeschluckte Erdbeere wieder herausspucken und schnickt die zweite weg. Sie dreht sich um, und versucht zumindest den Geschmack der gegessenen Erdbeere auszuspeien.

Paul: Wie sehen denn die Rosen aus? Und die Lilien?

Juliane mit trockener und leicht krächzender Stimme: Schön, die Erdbeeren sehen auch schön aus und greift nach der Wasserflasche aus ihrem Rucksack und trinkt daraus. Schmecken tun sie nur nicht. Du hast ein wirklich schönes Grab, Paul. Es ist recht farbenfroh, oben herum ist alles sehr viel schöner, wenn ich aber das Grab aufmachen würde und in die Tiefe schauen  ...

Paul: ... dann würdest du sehen, was alles vom Menschen übrig geblieben ist, Juliane. Die Taten lassen sich allerdings nicht begraben. Sie sterben nicht. Die schlechten nicht und die guten auch nicht.

Juliane setzt sich auf den Rand des Grabes. Träumend streift sie mit der Hand auf der Erde herum.

Juliane: Weißt du, Paul, auch durch deinen Tod denke ich oft über die Zerbrechlichkeit eines Lebewesen nach. Bei dir war es die Krankheit, die dich von dem Erdboden nach unten gebracht hat. Trotzdem hast auch du Respekt verdient.

Paul etwas zynisch: Oh, ja, Juliane. Das habe ich. Welch' eine Weisheit von dir.

Juliane: Olivias Tod geht mir aber auch nicht mehr aus dem Kopf. Sie ist tot, obwohl sie gesund war. Sie hätte verglichen mit dir noch leben können. Durch nichts kann sie ersetzt werden, durch nichts kann der Schuss wieder rückgängig gemacht werden. Der Schuss löscht den gesamten Menschen aus. Wie zerbrechlich wir Lebewesen doch alle sind. In einem Krieg werden durch eine einzige Bombe innerhalb weniger Sekunden ganze Gruppen von Menschenleben ausgelöscht. Wir benötigen viel Zeit, bis wir ausgewachsen sind, und nur kurz, um zerstört zu werden. Das muss man begreifen können, diese kurzen Momente an Sekunden. Dass ein Mensch, der einen Schuss tätigt, oder der eine Bombe wirft, nichts dabei empfindet, stimmt mich dagegen unaufhörlich nachdenklich, weil es unfassbar ist.

Stille auf beiden Seiten.

Juliane: Du hast immer von einer besseren Welt geträumt, Paul. Wir haben von einer besseren Welt geträumt. Obwohl wir alles haben. Wir haben eine gute Schulbildung. Ein abgeschlossenes Studium. Einen guten Arbeitsplatz und vieles mehr. Aber das hat uns nicht wirklich zu einem glücklichen Leben gereicht. Wir hatten noch viele Pläne. Viele Pläne hatten wir, Paul, und wie schön es wäre, in einer Welt zu leben, in der die Menschen ganz sich selbst sein dürften. 

Stille. Nachdenken. Räuspern.

Wir haben geträumt, dass es so etwas wie Kriege nicht mehr geben würde, weil der Mensch nicht mehr in der Lage wäre, ein anderes Lebewesen umzubringen, weil jede Tat Bewusstheit bedeuten würde. 

Begriffe wie Ausländer würden wir ersetzen mit Erdenbürger. Nationaler Ausweis ersetzen mit einer Identitätskarte Weltmensch. Die Liebe wäre nicht mehr begrenzt auf die eigene Familie. Auf das eigene Kind. Auf das eigene Tier. Auf das eigene Land. 

Paul: ... Ich weiß, Juliane, ich weiß. 

Juliane: Der Mensch wird erst dann zu einem Kriegstreiber, oder zu einem Mörder, oder zu einer raffgierigen Person, wenn er von seinem wahren Wesen entfernt wurde. Er weiß nicht mal, was sein wahres Wesen ist. Er kennt sich nicht. Er weiß auch nicht einmal was wahres Glück ist. Und der Mörder ist nicht allein der Mörder. Dass er ein Mörder wurde, war auch durch den Einfluss seines Umfeldes geschuldetNur sitzt der Mörder allein im Gefängnis. Wie ungerecht.

Paul: Wir sprechen hier von den Mördern ... aber die Braven, die Braven, Juliane, die innerlich und äußerlich brav sind, sind auch nicht unschuldig. Und die müssen gar nicht ins Gefängnis.  

Juliane: Das sag' ich doch, Paul. Das wollte ich damit sagen. Sie sind nicht unschuldig. Das sind sie nicht. Ja, das sind sie nicht. Jawohl. Nur spricht man zu viel über die Mörder und zu wenig über die Braven. Aber gerade die Braven wissen immer, was richtig ist. Sie wissen immer, was falsch ist. Die Braven urteilen so schnell über die Unbraven und aber auch über die anderen Braven. Im Nationalsozialismus war der Durchschnittsmensch dermaßen brav, dass es das Leben von sechs Millionen Juden und Widerstandskämpfer gekostet hat. Die stillen Demonstranten schließe ich aus. Sie hatten Angst. Sie waren aus Angst brav aber sie haben keinen Menschen schikaniert. Niemanden denunziert, niemandem geschadet. Niemanden getötet durch Anzeigen. Diese Braven zähle ich nicht dazu.

Nachdenkliche Stille.

Juliane: Die Braven und die Mörder. Ein gutes Paar. Aber Olivia ist jetzt tot. Olivia, die nicht sooo viel jünger ist als ich, Paul, vergiss Das nicht. Alle ihre  Sinne wurden geschult. Weißt du was, Paul? Heute Morgen habe ich in meinen Unterlagen Erich Kästner gefunden. Einen Vers von ihm, der zwischen den Buchseiten gelegen hat. 

Juliane nimmt das Buch von Wolfgang Borchert "Draußen vor der Tür" aus ihrem Rucksack und zieht den ausgeschnittenen Vers heraus.

Juliane: Wir sind nicht alleine, Paul, mit unseren Idealen. Das tröstet mich. Wie sehr sie über uns lachen würden, die anderen, wenn sie nur hören würden, was wir hier reden. Ich lese dir mal vor, was Kästner geschrieben hat. Der Abschied heißt sein Vers.

Nun ich mich ganz von euch löse,
hört meinen Epilog:
Freunde, seid mir nicht böse,
daß ich mich selber erzog.

Wer sich strebend verwandelt,
restlos und ganz und gar,
hat unselig gehandelt,
 wenn er nicht wird, was er war!

Juliane wiederholt: Wer sich strebend verwandelt, ... hat unselig gehandelt, wenn er nicht wird, was er war. Das könnte von uns sein, Paul. Nicht? Und meint damit aber vor allem die Theoretiker.

Paul: Sicher. 

Juliane: Mich beruhigt, dass wir damit nicht alleine sind, Paul, mit unseren Idealen. 

Paul: Kästner war schon sehr besonders. Er hat so eine Schule wie Olivia nicht benötigt.

Juliane: Wer so ein Gedicht schreiben kann, braucht eine Schule wie die von Olivia nicht, das ist wohl wahr. Aber geschadet hätte sie ihm auch nicht. Und sein lyrisches Ich hätte sich nicht von seinen Freunden verabschieden müssen, denn alle wären sie geworden, das, was sie einmal waren. 

Paul: Ich spüre Wehmut, Juliane, denn mich beschämt, dass ich tot bin. Mich beschämt, dass ich tot bin und ich nun zu nichts mehr für die Welt zu tun in der Lage bin. Juliane, hol' mich hier raus, bitte. 

Juliane: Ich kann dich nicht rausholen Paul. Zum X-ten Male. Und außerdem, was würdest du anders machen, wenn ich es könnte?

Paul: Theorien umsetzen, Juliane, Theorien umsetzen würde ich. Und ich würde mit dir ein Kind machen und dieses Kind dieselbe ganzheitliche Bildung wie Olivia zukommen lassen ....

Juliane unterbricht: ... Paul, du könntest mein Vater sein.

Paul: Ich bin aber nicht dein Vater, verflixt. Picasso hat noch mit neunzig ein Kind gezeugt. Mit neunzig ist er nochmal Vater geworden mit einer Frau, die hätte seine Ur...Enkelin sein können.

Juliane: Du bist aber nicht Picasso und ich nicht die Ur...Enkelin

Paul: Juliane, wir könnten mehrere Kinder machen. Ich bin lange nicht so alt wie Picasso. Wir könnten noch mehrere Kinder machen, damit eine kleine Gesellschaft entstünde und diese sich draußen besser verteilen könnte und wir wären nicht mehr so einsam. 

Juliane: Deine Gedanken sind dermaßen absurd, Paul.

Paul wird leise und flüstert.

Paul: Ich weiß, dass meine Gedanken absurd sind, Juliane. Das würde ich trotzdem tun, auch wenn ich bekennen muss, dass es dafür zu spät ist.

Juliane: Hast du noch Zähne im Mund, Paul? Mal ganz ernst, hast du sie noch?

Paul: Juliane, ich wiederhole immer wieder, wir sind die ganze Zeit über ernst. Aber ja. Ich habe noch Zähne im Mund. Nun, feste Substanz, richtig feste Substanz, die nicht verwest. Sie verwesen nicht, die Zähne. Sie bleiben, was sie sind. Nicht nur bei mir.

Juliane: Was soll ich dir raten, Paul? Ich kann dir nur raten, dann beiß' deine Zähne zusammen und vergiss die Welt, vergiss deine Reue, und beiß' deine Zähne zusammen, so wie ich es manchmal tun muss. Ich würde dir schon ganz gerne helfen, aber du bist tot, Paul, du gehörst nun mal unter die Erde. Vielleicht musst du einfach stark bleiben und ertragen, bis alles vorüber ist. 

Paul: Das sagt sich so leicht. Du bist nicht betroffen, Juliane. Bis ich mit meiner Verwesung durch bin, haben andere ein ganzes Kind großgezogen. Irgendwie dauert das alles sehr lange.

Juliane: Ich bin noch nie gestorben, Paul, ich kann nicht wissen, was du dort unten ertragen musst. Hättest du dich nur verbrennen lassen. Aber ich besuche dich oft, so oft ich kann, damit du etwas Ablenkung erfährst.

  Kurze Pause, nachdenkliche Stille.

Juliane: Ihr seid schon komische Geschöpfe, ihr Toten. Erst sterbt ihr, dann kommt ihr mit euren ganzen Auflösungsprozessen nicht klar und wollt unbedingt und um jeden Preis wieder zurück ins Leben. Sogar den Stumpfsinn wären einige bereit zu ertragen. Merkwürdige Kompromisse. Auch die toten Intellektuellen sind merkwürdig.

Paul: Juliane, wieso benutzt du den Plural? Was redest du da? Und wen meinst du mit den toten Intellektuellen?

Juliane: Vor längerer Zeit bin ich mit Simone in einem Park spazieren gegangen. Wir hatten uns gewundert, weshalb vor den Toren Wächter standen. Beamte in Uniform waren das, mit Gewehren an der Seite. Es war aber gar kein Park, Paul. Es war ein öffentlicher Friedhof, der wie ein Park aussah. Und wir beobachteten Kreaturen, die unvorstellbar gewesen sind. Wir erfuhren erst später, dass es ein Friedhof der lebenden toten Intellektuellen war ... 

... wird von Paul unterbrochen.

Paul: ... noch nie davon gehört. Sonderbar.

Juliane: Lass' mich ausreden, Paul. Dort wandelten sie, ohne eingeächert oder begraben worden zu sein. Die Toten auf diesem Friedhof durften frei verwesen. Man sah Landschaftsgärtner, die die Gebeine der fertig Verwesten aufgelesen haben, die zur Entsorgung in einem großen Container geworfen wurden. 

Paul: Sonderbar, Juliane. Sonderbar.

Juliane: Überall standen üppige Weihrauchpflanzen, die den Verwesungsgeruch aufgesagt hatten. Und große Paläste, in denen sich die Toten von der Öffentlichkeit zurückziehen konnten. Ganze Tempel sah man dort. Sogar Philosophenschulen waren aufgestellt. Sie brauchten sich während ihrer Verwesung nicht zu langweilen. Sie waren tatsächlich frei, diese Toten, die nicht sterben konnten, weil sie ihren Tod nicht wahrhaben wollten. Und es gab einen, der noch mehr forderte. Er wollte zurück ins wahre Leben und versuchte, die Friedhofsmauer hochzuklettern, um drüber zu steigen. Nachts, angeblich wenn die Wächter schliefen.

Paul: Nachts? Woher weißt du das? Wart ihr etwa dabei? 

Juliane: Paul, eigentlich wollte ich dir nichts von ihm erzählen. Ich habe es die ganze Zeit für mich behalten. Aber du drängst mich regelrecht dazu mit deiner Wehklagerei.

Paul: Nun sag' schon und höre auf, mich zu schonen.

Juliane: Wir waren natürlich nicht dabei, Paul. Wer geht schon nachts auf Friedhöfe? Hör' mir einfach zu, Paul. Dieser tote Intellektuelle hat es mir selbst erzählt, dass er nachts häufig Ausbruchversuche wagte, die nicht gelingen wollten, weil auch draußen überall Wächter standen, die ihn von der Mauer wieder zurück gestoßen haben. Jedenfalls sprach auch er bedauernd davon, die Welt nicht verbessert zu haben, obwohl er Dozent an einer renommierten Universität war. Er war Professor der Politologie und der Germanistik und schon sehr alt geworden. Er hat hochgestochen gesprochen, sehr hochgestochen aber nichts davon, was er hätte besser machen können. Ein absoluter Theoretiker. Ein Theoretiker mit einem kastrierten Herzen, so schien es mir jedenfalls, obwohl seine linke Brusthöhle wie ausgeschabt aussah.

Paul: Na sowas. Eine ausgeschabte Brusthöhle? Ausgeschabt ist auch kastriert, Juliane. Und was hat er dir gesagt?

Juliane: Nun ja, er selbst sprach mich an. Er war dermaßen verzweifelt, so verzweifelt wie du jetzt und sagte:

 Junge Frau, gerne wäre ich wieder so jung und so lebendig wie Sie. Ich wäre bereit, alles im Leben zu ertragen, nur tot möchte ich nicht mehr sein. Mir sollen selbst die Ungerechtigkeiten dieser Welt egal sein. Ich möchte leben und sterben sollen ruhig andere. Was habe ich mein Leben vertan mit den vielen Theorien, die mein Gehalt und meine Stellung in der Gesellschaft zwar hoch oben aufgestockt haben, und ich dadurch etwas glücklicher sein durfte als andere, mehr war das aber auch nicht. Das habe ich erst am Schluss erkennen können. 

Paul: Sonderbar.

Juliane: Ja, Paul, warte. Er sagte: 

Ich akzeptiere, ich akzeptiere das Elend, die Kriege, selbst die Politiker akzeptiere ich. Ich akzeptiere alles, was ich zu Lebzeiten für eine bessere Welt abgelehnt habe, wenn ich doch nur wieder leben könnte. Ich habe einfach keine Ahnung, wie eine Welt besser zu machen geht. Dies muss ich mir nun eingestehen. Meine Bücher haben mich überlebt und stehen in der Bibliothek. Meine Studenten haben nichts von dem umsetzen können, was sie aus meinen Büchern bei mir gelernt haben.

Juliane: Er hat nichts begriffen, Paul, nichts. Seine Theorien waren eigentlich gut. Sein Wissen war gut und hat die Welt damit bereichert. Ohne seine Bücher wäre die Welt sehr arm. Aber er sagte: 

Was nützen mir alle diese schöngeistigen Theorien, wenn doch alles beim Alten bleibt in der Welt? 

Juliane: Er hat nach seinem Tod gelitten, Paul, gelitten, wie du jetzt. Als Toter war er verzweifelt, weil seine Theorien weder beim Volk noch bei der Regierung landen konnten. 

Er schrie mich an und rief: Vergeudete Lebenszeit. Alles vergeudete Lebenszeit. Er schaute mich mit großen Blicken an und beschimpfte mich: Machen Sie es wenigstens besser als ich. Fangen Sie gefälligst an, sich gewaltlos für den Ersten Weltfrieden einzusetzen. Was Sie nicht schaffen,  können spätere Generationen fortsetzen. Aber fangen Sie schnellstmöglich damit an! UND HÖREN SIE ENDLICH AUF, MICH ANZUSTARREN!!!

Er hat es tatsächlich nach mehreren Kletterversuchen geschafft, über die Friedhofsmauer zu klettern, um wieder bei den Lebenden zu sein. Er konnte die Wächter austricksen. Er war gescheiter als sie. Halb verwehst und mit wenigen Kräften lief er torkelnd durch die Stadt, und versuchte am Leben der Menschen teilzunehmen. Er hatte gar nichts begriffen, dieser tote Intellektuelle mit seinem kastrierten Herzen. Er hätte nochmal Kästner lesen sollen. Und den Hesse dazu.

Stocken.

Paul: Was ist aus ihm geworden?

Juliane: Es sind über ihn große Zeitungsberichte gedruckt worden. Sämtliche Sender sprachen von ihmdass er von der Polizei, den Ärzten und den Totengräbern verfolgt wurde, nach dem es in der Stadt einen großen, panischen Aufschrei gegeben hat. Der tote Professor wurde wieder eingefangen und auf einem normalen Friedhof begraben. Auf sein Grab hat man schwere Steine gelegt, weil die Friehofsgräber die Sorge hatten, er könnte aus seiner Gruft wieder aufsteigen. Er liegt jetzt unter der Erde und kommt nicht mehr heraus.

Nachdenkliche Stille.

Juliane: Er hat nichts begriffen, Paul. Nichts hat er begriffen, obwohl er so gescheit war, dieser Professor mit der ausgeschabten linken Brusthöhle.

Stille. 



Fünfte Szene 
 Anne 

Juliane schaut zurück und sieht eine Freundin, eine alte, betagte Dame von fünfundachtzig Jahren mit einem linken Gehstock auf dem Waldfriedhof laufen.

Juliane: Nun denk' mal Paul, wer da vorne kommt. Es ist Anne. Lass' sie uns begrüßen. Ich habe sie lange nicht gesehen.

Juliane winkt der alten Dame zu und ruft in einem halblauten Ton: Huhu Anne, hallo. 

Anne erwidert den Ruf und winkt freundlich zurück. Sie kommt auf Juliane mit kleinen Schritten zugelaufen. Anne und Juliane begrüßen sich mit leichten Umarmungen. 

Anne: Mensch, Juliane, Mädchen, wie geht es dir? Lange habe ich nichts mehr von dir gehört.

Juliane: Mir geht es gut, Anne. Ich besuche gerade Paul.

Anne: Ach ja, den Paul und schaut dabei auf sein Grab. Mit ihrem Kopf neigt sie sich zu Juliane und spricht in einem Flüsterton: Diskrete Frage, Juliane. Ich habe eine diskrete Frage. Aber braucht dein Paul auch so lange mit seiner Verwesung? 

Paul hängt sich ein.

Paul: Deine Frage ist nicht indiskret, wenn du sie direkt an mich stellst, Annchen. Ich brauche lange, ja und es ist sehr unangenehm. Ich benötige viel Zeit mit meiner Verwesung. Es ist ... Paul stockt ... es ist ach, Anne, hol mich doch du hier raus, es drängt mich ins Leben.

Anne: Was hast du vor, Paul?

Paul: Weltverbesserer zeugen mit einem Genenmix zwischen mir und Juliane, damit sie sie in die Welt setzen kann.

Juliane entsetzt: Was? Ich soll Weltverbesserer in die Welt setzen? Aber Paul, dies hatten wir schon unzählige Male diskutiert.

Paul: Ich stelle mir das nur vor, wie wir etwas verändern würden, Juliane. Es drängt mich. Das ist nur eine Vorstellung. Das sage ich nun auch vor Anne.

Anne: Ihr habt schon wieder diskutiert, ich höre, aber wenn ihr Weltverbesserer in die Welt setzen wolltet, dann würdet ihr dadurch nur neue Aggressionen unter den Menschen schaffen. Ich selbst möchte nicht von einem Weltverbesserer ununterbrochen belehrt und moralisiert werden. Das ist eher ein Weltverschlechterer, Paul.

Paul: Auch du würdest von diesem geschützt sein, Anne. Du weißt ja selbst, wie die Gesellschaft auf alte Menschen zu sprechen ist.

Anne: Paul, du bist tot und du bleibst tot. Du selbst hättest im Leben eine Menge Positives für das Weltgeschehen beitragen können. Du warst nämlich so ein Weltverbesserer. Obwohl du sehr viel intelligenter unterwegs warst als die anderen, ist es dir doch nicht gelungen. Etwas hast auch du falsch gemacht.

Paul: Du hast recht. Ihr habt beide recht und ich empfinde Reue, Lebenslust, die Verwesung ist ... wird von Anne unterbrochen.

Anne: ... ich könnte dich sowieso nicht von da unten rausholen, Paul, selbst wenn ich wollte. Das ist ja gar nicht möglich. Und das weißt du. Niemand kann deinen Tod rückgängig machen. Und niemand kann deine Verwesung beschleunigen. Da müssen wir eines Tages selbst alle durch. 

Juliane: Jawohl, Paul, Anne hat recht. Auch unsere Taten und Nichttaten würde uns niemand abnehmen und diese ungeschehen machen. 

 Paul, räuspert: Als ob ich das nicht selbst wüsste. 

Juliane hebt leicht die Stimme: Dann verhalte dich auch danach. Wo bleibt deine Weisheit? Wo bleibt die Lebe- und die Sterbekunst von dem Paul, den ich einst mal kannte?

Paul leise: Man wird hier unten ein komplett anderer Mensch.

 Juliane wendet sich nun Anne zu.

Juliane: Wie geht es dir eigentlich, Anne? Warum bist du hier? Ist dein Cousin etwa schon gestorben?

Anne: ja, Juliane, nach zwei Jahren schwerer Krankheit hat er es jetzt endlich hinter sich. Vorgestern ist er beerdigt worden. Er war 20 Jahre jünger als ich. Hätte mein Sohn sein können. Mir ist ganz elend zumute.

Juliane: Wie meinst du das, Anne?

Anne: Seine Frau hat mir gestern deutlich zu verstehen gegeben, dass ich mich nicht zu beschweren hätte, als ich über Herzstechen klagte. Mir ging der Tod meines Vetters sehr nahe.

Juliane: Verständlich, Anne.

Anne: Für dich ist das verständlich, Juliane, aber nicht für seine Frau. Die Menschen kommen schon auf merkwürdige Ideen, wenn jemand, der ihnen nahe ist, stirbt. Und ich reagiere darauf. Ich habe ein schlechtes Gewissen, dass ich noch lebe. Seine Frau ist mir gegenüber sehr zurückhaltend geworden. 

Pause, Stille.

Anne: Ich wäre bereit, einen Tausch einzugehen, Juliane. Ich würde gerne sterben und ihren Mann dadurch lebendig machen aber durch meinen Tod wird er weder gesund noch lebendig.

Juliane: Was erzählst du da, Anne?

Anne: Vor einem halben Jahr behandelte sie mich recht grob und unfreundlich, weil sie mit der Krankheit meines Cousins so sehr überfordert war und mir sagte, dass ich sie auch noch überleben werde. Das muss ihr in der Traurigkeit und der Hilflosigkeit so rausgerutscht sein.

Juliane: Tatsächlich?

Paul: Anne, nimm dir das bloß nicht zu Herzen. Sowohl die Jüngeren als auch die Jungen müssten mal endlich anfangen, sich wie die Alten mit dem Tod auseinanderzusetzen. Schon Seneca sagte, dass der Mensch nicht nach Altersstufen abberufen werden würde. Und wer das Glück habe, alt zu werden, könne im hohen Alter noch Schönes aus dem Leben ziehen. Denn keiner sei so alt, dass er nicht mit Recht noch auf einen Tag hoffen könnte. Alles eine Sache der Geisteshaltung.

Anne: Das tut gut zu hören, Paul. Ich danke dir. Wir alten Menschen werden übersehen und man wünscht uns nur noch den Tod, auch, um die Rentenkassen zu erleichtern, in die wir kräftig eingezahlt hatten, als wir selbst im Berufsleben standen. 

Paul: Die Politiker, Anne, die Politiker spielen die Generationen gegeneinander aus, um zu vertuschen, wie sie die Gelder verschleudern.

Anne: So direkt sagt das niemand, Paul, aber ich spüre das, Politik und die jungen Menschen. Und was haben junge Menschen heute noch mit den Alten zu tun?

Juliane: Anne, ich höre wohl nicht richtig.

Anne: Wenige Ausnahmen gibt es immer, Juliane. Dabei kann jede Generation von einer anderen lernen. Die Jungen haben nichts mehr mit uns zu tun. Sie leben von uns getrennt. Als sei das Alter eine ansteckende Krankheit. 

Juliane: Vielleicht reagierst du nur ein wenig empfindlich.

Anne: Empfindlich?, wenn seine Frau nicht mehr mit mir spricht? Jetzt, wo mein Cousin erlöst ist, möchte ich mich an sein Grab stellen und mich bei ihm entschuldigen, dass er sterben musste und ich noch lebe. Pause. Ich muss jetzt gehen, Juliane, Paul, denn bevor seine Frau kommt, möchte ich den Friedhof wieder verlassen haben. 

Juliane: Das tut mir leid, Anne, dass du dir das so zu Herzen nimmst.

Paul: Denk' an Seneca, Anne. Deine Lebensjahre sind dein ureigenes Lebensrecht. 

Anne: Ihr tut mir gut, ihr beiden. 

Sie schaut Juliane an.

Anne: Komm' mich alte Dame doch mal wieder besuchen, Juliane. Wir hatten immer schöne Gespräche geführt. Das Alter macht sehr einsam, es isoliert uns. Wenn alle Freunde weggestorben sind, interessiert sich kaum noch jemand für uns. Und dabei sind wir ja nicht nur alt, an uns wird aber immer nur das Alter gesehen, die Jungen reduzieren uns auf das Altsein.

Paul: Das ist ein gesellschaftliches Problem Anne, das darfst du nicht persönlich nehmen. 

Anne: Ich versuche es nicht persönlich zu nehmen. Wenn ich es nicht persönlich nehme, ändert sich trotzdem nichts an meiner Situation. 

Juliane: Ich verstehe dich, Anne, dass das Alter, so wie du es beschreibst, durch die gesellschaftliche Isolation auch ein Stück vorzeitigen Tod sterben lässt.

Anne: Kind, du verstehst mich? Du bist doch noch so jung. Also, kommst du mich besuchen? Vergiss' nicht, Juliane, was du äußerlich siehst, ist nur der alte Körper. Aber der Geist kann bis zum Tod jung bleiben, solange der Verstand klar dabei ist. Es kommt immer nur darauf an, wo im jungen Leben die Schwerpunkte gesetzt wurden, die sich im Alter widerspiegeln. 

Paul: Das hast du sehr schön gesagt, Anne. 

Anne: Ich muss nun los, ihr beiden. 

Die alte Dame nimmt Julianes Gesicht in ihre beiden Hände und küsst sie auf die Stirn.

Anne: Pass' gut auf dich auf, Liebes und alles Gute für deinen Paul, dass er bald seine Verwesung hinter sich bringt. 

Sie wendet sich an Pauls Grab.

Anne: Alles Gute für dich, Paul. Mein Mann ist schon seit dreißig Jahren tot und verwest immer noch.

Mit kleinen Schritten entfernt sich Anne mit ihrem Krückstock und schlägt eine andere Richtung ein.

Juliane spricht der alten Dame flüsternd zu, obwohl Anne sie nicht mehr hören kann: Mach's gut, Anne. Es sind auch viele junge Menschen einsam. Mehr als du denkst. Und manchmal ist die Einsamkeit in der Gesellschaft viel größer und stärker zu ertragen als allein.

Juliane wendet sich wieder Paul zu: Du siehst, Paul, Anne möchte auch keine Weltverbesserer haben. Sie hat mehr begriffen als du. Sie ist schlau. Einsamkeit macht schlau, schärft die Sinne.

Paul: Ich wollte einfach neue Menschen schaffen, Juliane. Und überhaupt. Warum hast du mich nie geheiratet? Immer bist du ausgewichen. Nicht mal mein Geld konnte dich locken.

Juliane erstaunt: Paul, was sagst du da? Ich heirate doch nicht des Geldes wegen.

Paul: Du liebst mich nicht wirklich, hab' ich recht?

Juliane: Paul, ich liebe dich auf meine Weise.

Paul: Ich hätte so gerne Kinder mit dir gehabt. Vielleicht hätte ich jetzt hier unten meinen Frieden.

Juliane: Du musst diesen Gedanken jetzt endlich mal aufgeben, Paul. Denke nur an den toten intellektuellen Professor, von dem ich dir erzählt habe. 

Paul: Ich denke an ihn.

Juliane: Und außerdem möchte ich überhaupt keine Kinder und erst recht keine Weltverbesserer auf die Welt bringen. 

Paul: Hab‘ Ich verstanden. 

Juliane: Du weißt, dass diesen Gedanken fast jede Mutter auch mal gehabt hat mit ihren stolzen Kindern, das weißt du, alle sollten sie etwas Besseres werden und trotzdem sind wir nicht weiter. 

Paul: Wir sind nicht weiter.

Juliane: Größtenteils alles gewöhnliche Menschen, sobald sie aus den Kinderschuhen rausgewachsen sind. Aber das liegt nicht an der Zeugung, Paul.

Paul: Das liegt nicht an der Zeugung.

Juliane: Selbst ein behindertes Kind ist in seiner Art normal und besitzt auch ein Recht, auf seine Weise ganz zu werden.

Paul: Wie jedes Kind das Recht hat, in seiner Art ganz zu werden.

Juliane: Deshalb, Paul, die Kinder sind ganz in Ordnung, so wie sie geboren werden. Das liegt ganz alleine an einem selbst, an dem Erwachsenen, die Kinder sein zu lassen, was sie sind, und sie darin zu unterstützen und zu begleiten, ein ganzer Mensch zu werden.

Paul: Ganze Menschen, ja Juliane. Dies wäre auch mein Wunsch gewesen.

Juliane: Nun, Paul, dann beenden wir ab sofort diese Diskussion mit der Zeugung von Weltverbesserern. Wir benötigen nur ganze Menschen. Und die Kinder sind schon alle da. Und jeden Tag werden neue Kinder geboren.

Stille, Pause. 


Abschlussszene

Juliane schaut auf die Uhr und springt entsetzt hoch. 

Juliane: Oh, Paul, es ist schon so spät. Ich habe mich viel zu lange hier aufgehalten.

Paul: Kommst du wieder, Juliane? 

Juliane: Du bleibst für mich lebendig, Paul.

Paul: Auch dann, wenn ich skelettiert bin?

Juliane: Auch dann.

Paul: Mit Neuigkeiten? Kommst du mit Neuigkeiten?

Juliane: Das kommt ganz darauf an, was sich in der Welt an Neuigkeiten tut.

Paul: Vielleicht bin ich schon verwest bis dahin.

Juliane: Vielleicht.

Paul: Es drängt mich ...

Juliane: ... vergiss' es, Paul.

Paul: Ich kann nicht vergessen, Juliane.

Juliane traurig und leise: Du musst lernen zu sterben. 

Stille. Nachdenken.

Juliane in einem ruhigen, leisen Ton: Ars Moriendi, Paul, Ars Moriendi.

Schweigen.

Juliane: Und ich gehe jetzt hinaus in die Welt, Paul und werde unsere erdachten Theorien, deine und meine, innerlich geprüft, mit einem ausgeweiteten Herzen in kleinen Schritten umsetzen ... und neue entfalten.

Paul: Mit einem ausgeweiteten Herzen? Bist du verrückt? Die rationale Gesellschaft wird dich auf einen Gefühlsmenschen reduzieren. 

Juliane: Das muss ich aushalten, Paul. Aushalten muss ich das, wenn ich selbst ein ganzer Mensch werden möchte. 

Paul: Damit veränderst du die Welt auch nicht.

Juliane: Ich verändere aber mich, Paul. Und wenn ich mich verändere, verändere ich auch dich in meinem Geiste mit ... und ein bisschen die Welt dazu. 

Paul wiederholt Juliane.

Paul: Du veränderst dich. Und in deinem Geiste mich mit?

Juliane: Ja, Paul, dich mit ... und ein bisschen die Welt dazu.

Paul: Und mich trägst du in deiner Wandlung in deinem Geiste mit?

Juliane: Natürlich, Paul. Und du sollst deinen Frieden finden. 

Paul: Das höre ich gerne, Juliane. Und den Frieden draußen? Was ist mit dem Frieden draußen?

Juliane: Wie Olivia möchte auch ich lernen, mich in alle Menschen hineinzuversetzen, um deren Sichtweise und deren Charaktere urteilslos besser verstehen zu können. 

Paul: Und der Feind, Juliane? 

Juliane: Auch der Feind besitzt eine Seele, Paul. Was hat ihn zu einem Feind werden lassen? Wer wäre ich, wenn ich selbst diese Person mit allen seinen Erlebnissen sein würde? Ich möchte mich von der Weltanschauung trennen, die nur eine Wahrheit und einen Weg zulässt. Es existieren mehrere Wahrheiten und mehrere Wege, Paul.

Paul: Du begibst dich damit in eine schwere aber wichtige Richtung, Juliane.

Juliane: Deshalb, Paul, deshalb muss ich das tun. Weil diese Richtung wichtig und richtig für mich ist. Und außerdem bin auch ich ein Stück Welt. Allein und mit dir zusammen, auch wenn ich keine Kriege aufhalten kann.

Paul: Aber mit mir zusammen? Habe ich richtig gehört? 

Juliane: Was sagten Olivias Eltern nochmal? Nur der Untergang sei das Schlimmste, für alles andere gäbe es immer eine Lösung.

Kurzes Nachdenken.

Juliane: Jawohl, Paul. Mit dir zusammen.

Paul: Wie schön Juliane. Dann kann mir der Tod jetzt nichts mehr anhaben. 

Juliane: Ja, Paul. Jetzt kannst du friedlich sterben, während du in mir lebendig bleibst. Niemals werde ich dich vergessen, Paul. 

Julianes weitschweifender Blick. Nachdenken.

Paul: Das ist beruhigend, Juliane.

Juliane: Vor den Taten kommen immer erst die Gedanken, Paul. Was wir gedacht haben, diese Ideen und Ideale sind unsere Reichtümer gewesen und sind es noch.

Paul: So habe ich das auch auch gesehen, Juliane. 

Juliane: Aber unser Herz dürfen wir dabei nicht vergessen, Paul. Sonst sind wir niemals vollständig, niemals ganz. Andernfalls sind wir kastriert wie dieser Professor mit seiner ausgeschabten linken Brusthöhle.

Paul: Ich wünsche dir viel Glück dabei, Juliane.

Juliane: Wünsche du mir ruhig Glück, Paul, das kann ich gebrauchen. Ja, wünsche mir ruhig Glück. Während du mir Glück wünschst, gehe ich jetzt hinaus in die Welt, um aber auch das Schöne darin zu sehen, Paul, damit deine süßen Erdbeeren beim nächsten Besuch nicht mehr bitter schmecken.

Paul: Es wird für dich ein neuer Frühling kommen, Juliane. 

Juliane: Das wird es, Paul.

Paul: Ars Vivendi, Juliane. Ars Vivendi. 

 Stille auf beiden Seiten.

Juliane in einer leisen Flüsterstimme: Mach's gut, Paul.

Ende

©️ Mirella Pagnozzi




68 Kommentare:

Jasmine hat gesagt…

Liebe Mira,
ich bin zwar nicht die Franziska, aber auch mir machst Du eine Freude mit Deinem verwesenden Weltverbesserer auf Deinem Blog. Toll. Recht schaurig, puh 😏. Muss man verdauen können und auch dieser Text lädt stellenweise zum Nachlesen ein.
Ich schließe nach dem Lesen meine Augen und habe mich gefragt, wie nur solche Bilder in Mira entstehen können?

Dennoch bin ich gespannt auf die Fortsetzung, Mira.

Deine Hintergründe hast du zwar dargelegt, trotzdem würden in mir selbst nie solche Bilder entstehen.

Über die stolzen Mütter musste ich dagegen sehr schmunzeln.

Bis später, Mira

Grüße
Jasmine

joana hat gesagt…

Hallo, liebe Mira,
auch mich hast du überrascht mit Deinem Theaterstück. Damit habe ich absolut nicht gerechnet.

Auch hier muss man jeden Satz mehrmals lesen, dermaßen tiefgründig sind deine Gedanken. Also nicht nur bei Deinen heutigen Aphorismen.

Das Zitat von Hermann Hesse auf dem Grabstein passt absolut zu Deiner Thematik. Ein total schönes Zitat.

Ich bin auf die Fortsetzung gespannt. Also, ich bekomme keinen Ekel. Ich finde deine Bilder eher interessant und machen Sinn.

LG
Joana

Jasmine hat gesagt…

Liebe Mira,
das Profilbild sieht zum Verwesen ähnlich aus.

Harter Tobak. Wirklich harter Tobak Dein Stück. Bin sprachlos.

Ich bin neugierig, ob Paul aus seinem Grab auferstehen wird 😆. Er scheint sich mit seinem Tod nicht abfinden zu können.

Grüße
Jasmine

Mirella Pagnozzi hat gesagt…

Guten Abend, alle zusammen,
ich wusste nicht mehr so genau, wann ich das Stück geschrieben habe.

Soeben habe ich noch eine ältere Mappe entdeckt, in der das Stück sogar von 1990 abgelegt war. Ich hatte immer wieder verändert, auch Jahre später noch.

Ich muss sagen, dass das Stück aus meiner Sicht noch besser in die heutige Zeit passt, was so in den letzten Jahren politisch und gesellschaftlich hier in Deutschland so alles passiert ist, aufgeheizt von Politikern auf Menschen, die anders dachten und lebten. Das sitzt noch tief ... Diffamierung und Ausgrenzung, und nur wenige durchschauten das System.

Heute habe ich Anja das Stück vorgelesen und sie musste wieder so viel lachen, dass auch ich während des Lesens mich stellenweise vor Lachen nicht halten konnte.

Mittendrin fängt sie an zu diskutieren, und ich bat sie, abzuwarten.
"Wieder jede Menge Tiefgang", meinte sie. "Und über mehrere Ecken gedacht".

Mich hat gefreut, dass das Stück zum Diskutieren angeregt hat, noch ehe ich mit den vier Szenen durch war.

Euch möchte ich allen sagen, dass manche Themen in den Texten mit dem Kleinen Ich mit neuen Bildern wieder auftauchen. Das Bild mit dem Samen als Informationsträger, angelehnt auch an Goethes Pflanzenmetamorphose und die Menschwerdung, wird exzessiv in "Die Anarchistin" von mir behandelt.

Mir ist bewusst, dass sich mit meinem Stück viele provoziert fühlen. Ich möchte aber niemanden verärgern, sondern lediglich zum Nachdenken anregen.

Einen schönen Abend
Eure Mira

Anja v. L. hat gesagt…

Wenn Du vorliest, Mirella, macht es noch mehr Spaß, weil Du immer so schön betonst. Du bist dabei dermaßen lebendig, dass man spüren kann, wieviel Freude Dir das Schreiben und Deine Geschichten bereiten.
Und zum kleinen Ich fällt mir noch ein, dass es immer verwundert ist aber nie verärgert bei all seinen Erlebnissen.

Auch Dir noch einen schönen Abend
Anja

Mirella Pagnozzi hat gesagt…

Guten Morgen,Ihr Lieben,

einzelnen Personen habe ich gestern Abend die vier Szenen oben vorgelesen. Weil sie unbedingt die Fortsetzung wissen wollten, las ich ihnen im Anschluss die fünfte Szene vor.

Und wieder tiefes Schweigen, tiefe Betroffenheit, tiefe Stille, bis der erste anfing, einzelne Sätze aus sich heraus zu bringen. Es hat etwas gedauert, bis die Diskussion flüssig wurde.

Nach der fünften Szene wollten sie schließlich erstmal keine Fortsetzung, freuten sich aber bei einer neuen Runde mit etwas Zeitabstand.

"Carpe diem", schoss es plötzlich aus der Runde heraus, und sie diskutierten über dieses Carpe diem ewig lang. Eine andere wollte das Zitat von Hesse nochmals hören, und ein anderer meinte, dass das gesamte Stück beeindruckend tiefgründig sei.

Ich möchte inhaltlich von der Diskussion nicht zu viel verraten, da ich die fünfte Szenr erst am Wochenende hier auf meinem Blog übertragen werde.

Aber die fünfte Szene hatte sie schockiert an bewusstwerdender Tatsache. War ja auch mein Ziel.

Habt alle einen schönen Tag
Mira

Franziska hat gesagt…

Liebe Mira,
puh, schon heftiger Stoff. Du wirst es vor allem bei unreflektierten Leser*innen nicht leicht haben. Es wird wenige geben, die verstehen, was Du sagen willst. "Projektive Sündenböcke", eine einfach tolle Metapher.

Du musst unbedingt weiter schreiben, Mira, ganz egal, was die Welt von Dir denkt. Mehr als dreißig Jahre ist das Stück alt? Wie jung warst Du damals, Dich so früh schon mit diesen schweren Themen auseinandergesetzt zu haben?

Ich bin sehr gespannt, was am Ende aus Deinem Theaterstück rauskommen wird. Ich freue mich, dass ich Dich dazu bringen konnte, uns Deine Texte zu zeigen.

Denke nicht an die Masse, Mira. Denke lieber an die vielen anderen Künstler*innen aus anderen Epochen, die ebenso verlacht wurden von ihren Zeitgenossen.

Denke an unseren Planeten, den Du versuchst mit Worten zu retten. Du wirst Menschen erreichen. Ich bin ganz sicher. Hast du nicht selbst mal geschrieben, dass nicht die Angepassten die Welt verändern, sondern die Minderheiten? Die Andersdenkenden?

Ich grüße Dich
Franziska

Mirella Pagnozzi hat gesagt…

Guten Morgen, Franziska
Guten Morgen, alle zusammen, die mich hier lesen

Franziska, ich danke Dir herzlichst für Deine lieben und aufmunternden Worte.

Zu Deiner Frage, wie alt ich damals war? Das Alter hat bei mir nichts damit zu tun.

"Warum bist du so weise?", fragte das Kleine Ich die Weisheit. "Liegt das daran, weil du schon so alt bist?"
"Ihr Narren", erwiderte die Weisheit. "Ihr könnt einfach nicht aufhören in Klischees zu denken. Ihr glaubt immer noch, dass ihr alt werden müsst, um weise zu sein?. Dabei werden so viele Menschen alt, ohne ein bißchen weise geworden zu sein. Schaut euch dagegen die Kinder an, die kleinen Kinder. Hört ihnen genau zu, was sie euch zu sagen haben und wundert euch nicht, wie viel Weisheit aus ihren kleinen Mündern kommt".

Liebe Franziska,
Ich muss mir heute auch sagen lassen von Menschen, die nichts von mir aus früheren Zeiten wissen, dass meine tiefen Gedanken meinem Alter geschuldet sind. Und wenn ich sage, dass der Text aus früheren Zeiten stammt, fangen sie an, sich zu wundern. Diese Schubladenquetscherei ist einfach zum Schmunzeln.

Ich wäre gespannt, was ihr noch aus dem Stück herausziehen werdet.
Zu einem "projektiven Sündenbock" kann man auch von Lesenden gemacht werden. Je mehr sie einen Text ablehnen, je aufgebrachter sie sind, desto mehr Angst zeigen sie damit, wie sehr sie sich unbewusst angesprochen, und sich angegriffen fühlen. Zum Beispiel die Mutter, die stolz auf ihr Kind ist, ist auch als eine Metapher gemeint. Und hui, wie unglaublich empfindlich viele darauf reagieren.

Ja, Franziska, mich erstaunt, was Du Dir alles gemerkt hast, was ich so alles geschrieben habe. Regeln und Gesetze zu befolgen ist nichts Verkehrtes, nur sollte man sie bewusst befolgen, damit man unterscheiden kann, zwischen nutzbringenden Regeln und Gesetze, und zwischen denen, die mehr schaden als nützen.

Habt alle einen schönen Sonntag.

Eure Mira

Anonym hat gesagt…

Verehrte Mira

Ich wünsche Ihnen, dass dieses Theaterstück um die Welt ziehen wird.
Um mich an den Worten meiner Vorrednerin Franziska anzuschließen, und das ist völlig egal, was der Rest der Welt dabei denkt. Wunderbares Stück.

Der Abschluss jeder gelesenen Szene entlässt die Leser mit einer zusätzlichen tiefnachdenklich stimmenden Pointe. Ich habe dieses Stück meiner Freundin zum Lesen gegeben und sie hat dasselbe empfunden wie ich. 1990 haben Sie es geschrieben? Was hat es in Ihnen ausgelöst? Sie müssen nicht antworten, falls zu persönlich. Interessiert tut mich das schon.

Einen Gruß aus dem Süden Deutschlands
H. J. K.

Mirella Pagnozzi hat gesagt…

Hallo, H. J. K.,
was war damals der Auslöser für dieses Stück?

Ich träumte in der Nacht und bin schweißgebadet aufgewacht. Ich träumte von einem Krieg, der ausbrechen sollte, ausgelöst von Russland. Viele Bomben, die geflogen kamen. Ich befand mich in einem Busch, versteckt, während über mir Soldaten auf der Brücke rannten. Mich gruselte der Krieg, und jemand sagte mir, dass ich nicht an dem Krieg beteiligt sei. Ich aber trotzdem genau hinschauen solle.

Am nächsten Tag setzte ich mich an den Schreibtisch und fing an, über diese Sinnlosigkeit des Krieges zu schreiben, der sich im nächtlichen Traum vor meinen Augen abspielte. In sekundenschnelle wurden massenhaft Menschen getötet, das hat mich geschüttelt. Es fühlte sich realer an, als die Kriege aus den Filmen und Büchern, wo man nur Zuschauende ist. Im Traum bin ich dabei gewesen.

Die Sinnlosigkeit, diese Absurdität machte mich fassungslos. Menschen zu töten, ganze Länder zu vernichten, worauf man noch stolz ist? Je mehr Menschen getötet wurden und je mehr Land und Häuser zerstört wurden, desto stolzer wurde man?

Sind das intelligente Menschen, die ein Land in den Krieg regieren? Menschen mit Abitur und Studienabschlüssen?

Wird die Intelligenz genutzt, um unschuldige Menschen zu töten? Was ist das für eine Intelligenz?, waren immerzu meine Fragen nach diesem Traum.

Warum tut der Mensch das? Trotz Bildung? Was hat ihn zu dem gemacht was er geworden ist?

Für mich wurde klar, dass Intelligenz mehr sein muss, als sie in dieser einseitigen Bildung an Schulen vermittelt wird. Intelligenz ist die Bildung am ganzen Menschen.

Dies waren meine Fragen.

Danke für die löblichen Worte

Grüße
Mira

Anonym hat gesagt…

Sehr interessant, Mira,

danke für Ihre Antwort.

"Intelligenz ist die Bildung am ganzen Menschen."
Ich verstehe sehr gut, was Sie meinen.

Haben Sie Geduld, bis auch andere es verstehen werden.

H. J. K.

Franziska hat gesagt…

Ich habe gesagt, dass Mira ihre Leser finden wird.

Hallo, Mira,
wahnsinn Dein Traum. Erstaunlich.
Dermaßen viele intelligente Fragen, die Du Dir damals schon gestellt hast, ist für mich aber nicht verwunderlich. Man wird nicht plötzlich von heute auf morgen ein anderer Mensch, nur weil Corona und der Ukrainekrieg ausgebrochen sind.

Zu Deinem Stück?, hat mich die vierte Szene ebenso gepackt. Spannend. Ich kann hier nicht alles schreiben, was ich empfunden habe. In der Kommentarfunktion ist das Schreiben umständlich. Man bräuchte dafür eine andere Plattform, ein Forum, o.ä.

Ich warte auf auf jeden Fall auf die nä. Szene.

GlG
Franziska

Mirella Pagnozzi hat gesagt…

Hallo, Franziska,
Diskussionen hier über Kommentare zu führen ist tatsächlich bei solchen vielsagenden Texten recht schwierig. Ich erwarte das nicht von Euch, keine Sorge.

Ich muss euch sagen, dass es sehr zeitintensiv ist, diese Stücke neu abzutippen. Ich hatte sie früher akribisch auf Diskette abgespeichert, um mir das zu ersparen. Sogar auf mehreren Disketten, da mir durchaus bewusst war, dass sie auch geschädigt werden könnten.

Heute kann man zusätzlich alles im Internet abspeichern.

Es sind jetzt noch zwei Szenen. Eine habe ich fertig bekommen, setze sie aber erst am Samstag rein. Also zwei müssten noch abgetippt werden.

Schönen Abend euch allen
Mira

Michaela hat gesagt…

Huhu, Mira,
ich scheine richtig viel verpasst zu haben. Ich war ein paar Wochen im Urlaub und brauchte auch eine digitale Auszeit.

Ich werde nach und nach alles nachholen. Es gruselt mich schon jetzt. Ich bin gespannt, was sich hinter Deinem Titel verbirgt.

GlG
Michaela

Michaela hat gesagt…

Liebe Mira,
erst mal musste ich mir die vielen neuen Kommentare hier durch lesen.

Ich zitiere:
"Warum bist du so weise?", fragte das Kleine Ich die Weisheit. "Liegt das daran, weil du schon so alt bist?"
"Ihr Narren", erwiderte die Weisheit. "Ihr könnt einfach nicht aufhören in Klischees zu denken. Ihr glaubt immer noch, dass ihr alt werden müsst, um weise zu sein?. Dabei werden so viele Menschen alt, ohne ein bißchen weise geworden zu sein. Schaut euch dagegen die Kinder an, die kleinen Kinder. Hört ihnen genau zu, was sie euch zu sagen haben und wundert euch nicht, wie viel Weisheit aus ihren kleinen Mündern kommt".

Super. Ich danke dir für diese Zeilen. Sehr, sehr schön.

Einen schönen Sonntag wünsche ich Dir.

GlG
Michaela

Mirella Pagnozzi hat gesagt…

Liebe Michaela,
dabei ist mein Weisheitsvers nicht mal geschliffen. Ich hätte noch mehr draus machen können. Er ist einfach hier beim Kommentieren ganz plötzlich entstanden. Ich war nicht darauf vorbereitet 😆.

Ich werde ihn neu schreiben.

Auch Euch allen einen schönen Sonntag
Mira

Michaela hat gesagt…

Huhu, Mira,
wieder typischer Tiefgang von dir. So viele Zeilen haben mich zum Nachdenken gebracht.

Z. B. Die Lauten, die schneller sterben.

"Wen meint Simone mit den Lauten? Meint sie die Lauten, die laut vor Schmerzen schreien?"
"Nein, sie meinte die Lauten mit den stumpfen Sinnen".

So ungefähr hast Du das geschrieben. Das hat mich tief berührt.

Ich bin noch nicht mit allen Szenen durch.

Ich grüße Dich
Michaela

Mirella Pagnozzi hat gesagt…

Ihr Lieben,
guten Abend,

mal zur Abwechslung wieder ein Zitat aus dem Diogenes Kalender vom 28.8.23

Ich dachte daran, wie unerfreulich es ist, ausgeschlossen zu sein; und ich dachte daran, wie viel schlimmer es ist, eingeschlossen zu sein.
(Virginia Woolf)

Auch dieses Zitat spricht mir aus der Seele.

Es gibt noch mehr Zitate, werde ich einzeln posten, bei Gelegenheit.

Ich grüße Euch und gute Nacht
Mira

Franziska hat gesagt…

Guten Abend, Mira,
nach jeder Szene denkt man, das war die letzte Szene, das Stück ist zu Ende. Wie Anonym schon sagt, die Pointe nach jedem Auftritt, und die bleibt auch hier nicht aus.

An manchen Stellen musste ich einfach lachen. Der ernste Professor, der Juliane gegenüber bedauernd aus seiner Thematik ausbricht, und er sie schließlich wie aus heiterem Himmel anbrüllt, dass sie ihn gefälligst nicht so anstarren solle. 😆

Diese gesamte Szene mit dem ausbrechenden toten Professor aus dem Friedhof, der auch tot nicht wirklich sterben kann, ähnlich wie Paul, beschäftigte mich noch lange Zeit mit einem philosophischen Blick.

Das kastrierte Herz bzw. die ausgeschabte Brusthöhle. Welch' eine Phantasie. Spannend Deine Bilder, die nicht zu überlesen sind. Man stolpert regelrecht über diese Begriffe.

Dazu noch das passende Zitat mit Erich Kästner. Wolfgang Borchert, wer ist Wolfgang Borchert? So viele zusätzliche Fragen. Man benötigt viel Zeit, um Dein Stück gut verstehen zu können.

Kurzer Satz zur Erziehung? Emotionen und Gefühle wurden auch zu meiner Zeit stark trivialisiert. Es verändert sich hier glücklichererise etwas. Heute wird über die emotionale Intelligenz gesprochen. Vor dreißig Jahren kannte man diesen Begriff größtenteils noch nicht, als du das Stück geschrieben hast. Wie weit Du damals schon gewesen sein musst, dies zu erkennen. Es gibt tatsächlich Schnulzen, genauso gibt es auch Gedanken, die man als trivial und niederschwellig bezeichnen könnte. Aber die Trivialität wird häufig mit Gefühlen und weniger mit Gedanken in Verbindung gebracht.

Ich danke Dir, Mira, für Deine zahlreichen Hingucker

Franziska

Michaela hat gesagt…

Huhu, Mira,

"Er hat nichts begriffen, Paul. Nichts hat er begriffen, obwohl er so gescheit war, dieser Professor mit der ausgeschabten linken Brusthöhle."

Das hat mir sehr gut gefallen.

Die Szene mit Olivia fand ich sehr eindrucksvoll.

Und die Sehnsucht, einen neuen Menschen zu schaffen, ist für mich gut nachvollziehbar. Was alles durch die Erziehung verloren geht.

Bin neugierig, wie Paul sich noch arrangieren wird.

GlG
Michaela

Mirella Pagnozzi hat gesagt…

Hallo, Ihr Lieben,

heute hatte ich einen alten Jugendfreund bei mir zu Besuch, den ich vor 17 Jahren das letzte Mal gesehen habe, da unser Leben sich komplett verändert hatte, auch, weil er jetzt in München wohnt. Früher hatte er häufig meine Texte "lektoriert" 😀.

Heute Abend beim auswärts Essen und bei Kerzenlicht habe ich drei Geschichten vom Kleinen Ich vorgelesen, nachdem wir den ganzen Tag auf seine alten Spuren durch die Studentenstadt gewandelt sind.

1. Charles Dickens und das Kleine Ich

Er war erstaunt, wie passend ich Dickens beschrieben hatte. Alte Erlebnisse ausgetauscht durch die Londonreise. 

2. Rumpelstilzchen aus dem Kabinett

Sehr rätselhaft … Hat ihm aber gut gefallen. Politischer Hintergrund …

3. Doktor Dolittle

Er bekam Lust, das Buch zu lesen, allerdings in der Originalsprache. Dieses Kinderbuch ging in seiner Jugend an ihm vorbei, wobei das ein Buch ist, das super gut auch für Erwachsene geeignet ist. 

"Der verwesende Weltverbesserer" habe ich außer Anja noch nirgends vorgelesen und halte mich damit erstmal zurück. Anja hatte ich damit dermaßen erschreckt, dass sie die folgenden Szenen nicht mehr hören wollte. 

Mein Besuch heute erinnerte sich an dieses Theaterstück. Er hatte es damals gelesen aber aktuell, wie gesagt, einzelne Szenen nur Anja.

So, ich habe in dem Stück eine weitere Szene hinzugefügt. 

Schönen Sonntag, Euch.
Mira


 



Franziska hat gesagt…

Liebe Mira,
da habt ihr gestern eine schöne Zeit verbracht. 😀 Und Du Dir trotzdem noch die Zeit genommen hast, die Szene reinzuschreiben.

Auf Deinen Dickens wäre ich auch neugierig.

Recht herzlichen Dank für die Fortsetzung Deines Stückes. Eine wunderschöne Szene mit einer neuen Figur namens Anne. Dass Du Dich damals sogar schon in alte Menschen hinein versetzen konntest? Nichts scheint Dir fremd zu sein, Mira.
Ihre Nöte sind tatsächlich nicht zu unterschätzen. Es gab Zeiten, in denen mehrere Generationen unter einem Dach gelebt haben. Die alten Menschen waren keineswegs nutzlos.

Auf das "Altsein reduziert zu sein", eine sehr schöne Formulierung. Es ist wie mit vielem. Leider wird der Mensch insgesammt häufig auf etwas reduziert und daraus werden ganze einseitige Bilder geformt, die wenig mit der jeweiligen Person zu tun haben.

Man spürt, dass das Stück so langsam dem Ende zugeht. Ich bin noch immer gespannt, welche Wende es mit Paul noch nehmen wird.

Besondere Sonntagsgrüße von Franziska

Mirella Pagnozzi hat gesagt…

Liebe Franziska,
ich habe die Szene gestern Nacht zwar reinkopiert, aber abgeschrieben habe ich sie im Laufe der letzten Tage.

Die Anne kannte ich tatsächlich. Ich war Anfang / Mitte zwanzig als wir uns begegnet sind und sich eine Freundschaft gebildet hatte. In der Tat litt sie sehr unter der Einsamkeit.

Auch bei Paul existieren Parallelen zum realen Leben.

Ja, es gibt noch eine kurze Abschlussszene. Die ist dermaßen kurz, dass ich sie soeben schon fertig abgeschrieben habe.

Ich kopiere sie trotzdem erst nä. Samstag rein, oder am Freitag Nacht.

Ich bin gespannt, wie euch das Ende gefallen wird.

Schöne Grüße

Jasmine hat gesagt…

Huhu, Mira,
ich lese erst weiter, wenn das Stück komplett ist.
Ich muss sonst immer wieder von vorne lesen.
Frage: Wenn Du die letzte Szene schon fertig abgeschrieben hast, warum stellst du sie nicht rein? Warum erst eine Woche später?

Grüße
Jasmine

Mirella Pagnozzi hat gesagt…

Jasmine,
das kannst du natürlch handhaben wie Dir lieb ist.

Ich selbst lese manche Dinge mehrmals.
Auch kommt es vor, dass ich mir Filme sogar bis zu zehn Mal angeschaut habe, bevor ich sie wegpacke.

Freundliche Grüße
Mira

Franziska hat gesagt…

Tiefgründige Menschen schauen sich Filme im TV oder in Büchern mehrmals an. Das passt zu Dir, Mira.

Schmunzeln musste ich über Juliane, die sich nach ihrem Tod zur Sicherheit noch eine Todesspritze verpassen lassen möchte. 

Zitat:
"Juliane: Hast du nicht gehört, Paul? Ich lasse mich verbrennen. Ich möchte das nicht erleben, was du da unten erlebst. Und damit das Sterben gelingt, lasse ich mir nach meinem Tod noch ordentlich eine zusätzliche Todesspritze verpassen. Sicherheitshalber!!!

Paul: Du meinst, lieber zwei mal tot als einmal zu wenig?

Juliane: Wie schon gesagt. Um sicher zu gehen, ja. Wenn ich tot bin, dann möchte ich auch tot sein. Nicht so wie du, Paul. Nirgends gefangen liegen, nicht einmal in einer Urne möchte ich liegen und lasse daher meine Asche verstreuen in einem Land, wo dies erlaubt ist. Außerdem möchte ich frei sein, auch im Tod noch."

Nochmals, Mira, dies ist nach wie vor kein Stück, das sich über die Kommentarfunktion diskutieren lässt. Dies ist als ein Kompliment gemeint.

Sei gegrüßt
Franziska

Michaela hat gesagt…

Liebe Mira,
wie sehr ich mich auf das Ende freue. Nun ist das Wochenende schon da, der Samstag nicht mehr weit. Ich bin sehr neugierig zu erfahren, welchen Schluss das Stück nehmen wird.
Ich werde erst das Ende lesen, an dem anknüpfen, was ich mir mit den letzten Szenen behalten habe, und anschließend wieder alles von vorne lesen. 😀

Ich verkneife mir die Frage, wie Du auf diese Bilder in Deinem
Stück gestoßen bist. 😉

GlG
Michaela

Michaela hat gesagt…

P. S.
Das mit dem zweimal Sterben müssen um sicher zu gehen auch wirklich tot zu sein, diese Idee ist schon richtig kurios, Mira.

Petra_1970 hat gesagt…

Ich bin ebenso auf den Ausgang gespannt.

Wir kennen uns noch nicht.

Ich bin stille Leserin.

Mir haben zu dem Theaterstück auch die vielen schönen Zitate gefallen.

Und Wolfgang Borchert ist tatsächlich ein beeindruckender und sensibler Autor. Er ging als Held in den Krieg und kam schwerst traumatisiert aus dem Krieg zurück. Sehr zu empfehlen das erwähnte Borchert Stück "Draußen vor der Tür".

Vieles ist in dem verwesenden W. nicht leicht zu verstehen. Man müsste diskutieren.

Grüße
Petra_1970

Mirella Pagnozzi hat gesagt…

Guten Abend, alle zusammen,

Ihr müsst Euch noch gedulden. Um 00:00 Uhr und keine Minute früher 🙃.

Herzlich Willkommen, Petra, die Zweite.

Zur Info: Ich habe mein Stück strukturell noch etwas verändert. Alle Szenen habe ich mit der entsprechenden Thematik noch gekennzeichnet, damit sich bestimmte Textstellen nach dem Lesen wieder schneller finden lassen, für den Fall, dass Ihr sie nochmals nachlesen wollt.

Habt alle eine gute Nacht

Freundliche Grüße
Mira

Jasmine hat gesagt…

Hallo, Mira,
ich habe mir den Schluss anders vorgestellt.

Ich bin neugierig auf die Reaktionen anderer.

GlG
Jasmine

Michaela hat gesagt…

Huhu, Mira,

ich finde den Schluss wunderbar. Ich hatte gehofft, dass Paul seinen Frieden finden wird. Zu wissen, dass nicht alles umsonst war, und dass er in Juliane weiterleben darf, während sie bestrebt ist, fortzusetzen, was er nicht geschafft hat. Dies zu wissen, lässt Paul endlich Frieden schließen mit sich und der Welt. Er kann sich nun endlich auf seinen Tod zurückziehen.

Sehr nachdenklich stimmt mich die Stelle mit dem ausgeweiteten Herzen. 

Zitat
"Juliane: Und ich gehe jetzt hinaus in die Welt, Paul und werde Vorbild sein, unsere erdachten Theorien, deine und meine, innerlich geprüft, mit einem ausgeweiteten Herzen in kleinen Schritten umzusetzen ... und neue entfalten.
Paul: Mit einem ausgeweiteten Herzen? Die rationale Gesellschaft wird dich auf einen Gefühlsmenschen reduzieren. 
Juliane: Das muss ich aushalten, Paul. Aushalten muss ich das, wenn ich selbst ein ganzer Mensch werden möchte."

Sehr schön, Mira. Wir unterschätzen häufig Gefühle, dabei sind sie genauso wichtig wie alles andere in uns. In einer Szene sagt Paul auch, dass Intelligenz viel umfassender sei als wir zu denken meinen. Ich verweise auf die Szene mit Olivia. Und woanders schreibst Du, zu welchen desaströse Daten der geschulte Intellekt nur fähig sei? Ich gehe mal davon aus, dass du geschichtlich auf den Nationalsozialismus anspielen wolltest. Sie alle, die an dem Verbrechen beteiligt waren, hatten keine Gefühle zulassen können. Um dich zu zitieren: "Kastrierte Herzen" oder "ausgeschabte Brusthöhlen".

Auch wenn du nicht viel von der Liebe geschrieben hast, spürt man sie in der letzten Szene endlich aufkommen. In den übrigen Szenen dachte ich, dass Juliane Paul gegenüber nur eine verkopfte Liebe empfinden würde. Die Frage von Paul: "Liebst du mich nicht, Juliane?" Sie antwortet: "Ich liebe dich auf meine Weise, Paul." Und in einer anderen Szene sagt sie deutlich, dass sie die philosophischen Gespräche mit ihm vermissen würde. Man spürt deutlich die Ambivalenz Paul gegenüber.

Liebt sie ihn als Mensch oder doch nur als einen Partner zum gemeinsamen Philosophieren? Fragte ich mich häufig. 

Ein sehr schöner Schluss, Mira. Gratuliere.
Ich hatte mir das Ende auch anders vorgestellt. Juliane war genervt und ich dachte schon, sie verlässt den Friedhof ohne ihn.

So, Mira, dies waren ein paar schnelle Gedanken und werde das Wochenende nutzen, das gesamte Stück nochmals ohne Unterbrechungen von vorne zu lesen. 
Es ist wirklich anstrengend, über die Kommentarfunktion zu diskutieren. 

Schönes Wochenende Dir und vieeeeelen Dank für die pünktliche Fortsetzung. 
Es wird Zeit, dass Du Deine Geschichten in einem Buch herausbringen wirst und sie um den gesamten Globus zirkulieren lässt. 

Weiterhin viel Erfolg 
Deine Michaela

Petra_1970 hat gesagt…

Und trotzdem spürt man am Schluss bei beiden eine gewisse Wehmut.
Juliane möchte sich lösen, während es Paul auch in der letzten Szene noch ins Leben drängt, um aufzuholen, was er versäumt hat.

Ich habe den Schluss als authentisch erlebt. Ich selbst hatte keine Vorstellung darüber, wie das Stück enden könnte. Ich wollte mich überraschen lassen. Ich habe meine Zeit stattdessen damit zugebracht, über die anderen Szenen tiefer nachzudenken.

Jede Szene habe ich als äußerst tiefgründig erfahren dürfen.
Vor allem der Schuss auf die 21-jährige Olivia. Bewusstmachen wollen, wie mächtig drei Sekunden sein können, die nicht mehr rückgängig zu machen sind.

Ich habe das Stück als sehr differenziert erlebt. Die Mühe, die Du Dir damit gemacht hast, ist nicht zu übersehen. Für unaufmerksame Leser*innen dagegen könnten manche Sichtweisen in den falschen Hals geraten.

Diese paar Gedanken sollen erstmal reichen als Dankeschön.

Grüße
Petra_1970

Mirella Pagnozzi hat gesagt…

Ihr Lieben,
Ich freue mich über eure Reaktionen. Auch ich war sehr neugierig, allerdings auf Euch, auf Eure Einschätzungen. Ich danke Euch von Herzen. ❤
Habt Verständnis, wenn ich mich aus den Diskussionen zurückhalte. In einem realen Plenum würde ich mich bei Bedarf zum besseren Verständnis einbeziehen.

@ Jasmine
Mit welchem Schluss hattest Du gerechnet?
Ich finde es gut, wie Petra_1970 damit umgegangen ist. Sie hat sich überraschen lassen und die Zeit mit Nachdenken gefüllt.

@ Michaela
Unterschätze die Liebe unter einem Paar dieser Art nicht. Es gibt viele, viele Formen zu lieben. Wir kennen allerdings meist nur die wenigen üblichen Formen. Aber auf eine reine Liebesgeschichte war das Stück nicht ausgelegt.

@ Petra_1970
Mir ist bewusst, was man mir vorwerfen könnte.

Ich bin gespannt, was noch an Reaktionen folgen werden aber mir ist bewusst, dass die Kommenrarfunktion sich nicht wirklich zum Diskutieren eignet. Deshalb, macht es, wies es für Euch am besten passt, solange Ihr Eure Gedanken begründet.

Ich grüße Euch
Mira

Anja v. L. hat gesagt…

Mirella,
ich bin aus Deinem Stück nicht ausgestiegen. Aber ich gebe zu, dass die Bilder schon heavy sind. Deinen Tiefgang an Gedanken lobe ich nach wie vor. Ich fand Deinen Schluss wohltuend zu lesen. Du warst diese Woche nicht da und ich bin nächste Woche nicht da.
Gruß 
Anja v. L.

Mirella Pagnozzi hat gesagt…

@ Anja
Oh, ja, Anja. Es freut mich aber, Dich zu lesen. Bin sehr überrascht, weil ich damit nicht gerechnet habe.
Ich hätte aber Verständnis gehabt. Andererseits hatte ich Dein Lachen stark vermisst. Und Deine Gedanken dazu waren immer neutral und differenziert. Das habe ich sehr an Dir geschätzt. Dein Lachen über gewisse Absurditäten in allen meinen Texten hat mich dann selbst zum Lachen gebracht. Auch bei diesem Stück musstest Du bei der ersten Szene viel lachen und dann habe ich gespürt, ganz plötzlich, dass die Szene etwas mit Dir gemacht hat und so wollte ich Rücksicht auf Dich nehmen.

Lass' uns darüber sprechen, wenn wir uns wieder sehen, was das war, was ich an Dir wahrgenommen habe.
Vielleicht magst Du hier kurz darüber schreiben, sollte es für Dich nicht zu persönlich sein.

Umarmende Grüße, Anja
Mirella

Michaela hat gesagt…

Was meinst Du, Mira, mit den desaströsen Taten von geschulten Köpfen?
Ich finde die Textstelle gerade nicht mehr.

Mirella Pagnozzi hat gesagt…

Michaela, nur drei Beispiele möchte ich aufführen.

Der Chemiker hat das Gas zum Töten erfunden.

Der Jurist hat das Töten legalisiert.

Der Arzt hat die Anordnung erteilt, wer ins Arbeitslager darf und wer ins Vernichtungslager.

Du weißt das auch. Jeder weiß das, aber ich wollte unbedingt bewusst machen, dass das alles studierte Leute waren. Und hauptsächlich von Studierten hat sich Hitler beraten lassen.

Alle haben sie ihre geschulten Köpfe eingesetzt aber unintelligent gehandelt, weil ihnen die Empathie dazu gefehlt hat. 

Danke für Deine Frage.

Heute habe ich die Möglichkeit, Kommentare nach der Freischaltung rasch zu beantworten. Nutzt diese Gelegenheit aus.

Nochmalige Grüße
Mira

Michaela hat gesagt…

Ja, das stimmt. So genau habe ich auch nicht hingesehen.
Ich danke Dir fürs bewusst machen, Mira. 

Ich grüße Dich
Michaela

Michaela hat gesagt…

Mira, ich habe die Textstelle endlich finden können. Sie kam schon in der ersten Szene vor, ich hatte sie dagegen bei Olivia gesucht.

Zitat:
"Juliane: Wir wissen aus der Geschichte, was der geschulte Intellekt alles für desaströse Taten anzurichten weiß."

Mich hat das im Nachhinein gedanklich noch lange beschäftigt. Ich hatte dieses rationale Verhalten im Nationalsozialismus eher allgemein im Kopf, weshalb ich nochmals nachhaken musste. Es ist schwer zu begreifen. Schwer zu fassen solche Verhaltensmuster.

Gute Nacht, Mira und danke nochmal.


Mirella Pagnozzi hat gesagt…

Ich hatte mich schon gewundert, Michaela.

Du schreibst, dass solche Verhaltensmuster schwer zu fassen seien …

Da hast Du recht, deshalb war es mir wichtig, das Unfassbare fassbar zu machen, in dem darauf von mir ganz konkret hingewiesen werden sollte. Über das Nachdenken der wahren Intelligenz.

Aber das Thema ist hauptsächlich, warum win Mensch geworden ist, was er von seinem eigenen Ursprung gar nicht ist?.

Gute Nacht
Mira

Chiara*T hat gesagt…

Ein sehr schöner Schluss.
Mit so viel Optimismus war nicht zu rechnen.

Grüße
Chiara*T

Mirella Pagnozzi hat gesagt…

Guten Abend, Ihr Lieben,
ich habe noch etwas an meinem Stück rumgefeilt und habe Dinge umformuliert, die missverständlich geklungen haben.

Einen schönen Restsonntagabend.

@ Chiara*T
Dankeschön für den Besuch und die Worte.

Grüße
Mira

Anja v. L. hat gesagt…

Liebe Mirella,
ich habe heute an deine Geschichte von den Geld fressenden Menschen gedacht. Eine lebenskritische, wichtige Ausführung. Dem Zeitgeist entsprechender denn je. Alle deine Ideen sind es wert, dass jeder von ihnen erfahren dürfte. Lass das kleine Ich ein Star werden für die, die Licht im Leben brauchen und für die, die an diese Desaster schuldig geworden sind. 

Schöne Woche Dir noch.
Anja


Mirella Pagnozzi hat gesagt…

Huhu  Anja,

das hast Du aber sehr schön ausgedrückt. Ich danke Dir, Kiss. Für mich unerwartet nach dem Schock von meinem Theaterstück.

Ich würde es gerne tun, dem Kleinen Ich zu einem Star verhelfen. Ich führe es noch zu sehr an der Leine aus der Sorge heraus, es könnte mir entschwinden. Mittlerweile würde ich gerne diese Leine loslassen, damit es Einzug in einem Buch finden kann, um seine Reise durch sämtliche Länder anzusteuern. Mal schauen, was die Zeit bringen wird. Ich öffne mich schon mal.

Die Themen in meinen Texten sind tatsächlich mehr als wichtig.

Im Oktober sind, wie Du weißt, bei uns in Hessen wieder Landtagswahlen, und wenn ich mir die Wahlplakate mit den super hoch geistigen Sprüchen darauf betrachte, dann fühle ich mich verarscht.

Zum ersten Mal in meinem Leben kann ich nicht mehr sagen, was das kleinere Übel ist, das ich wählen möchte. Das Vertrauen kann ich seit dem Ausbruch der Pandemie nicht mehr zurück finden.

Das Gesundheitssystem geht immer mehr den Bach runter. Es wird kaputt gespart aber das Einsparkonzept wird in Gold gepackt verkauft, damit es nicht so schnell durchschaut werden kann und alle "hurra" rufen. Und wenn es der Gesundheitsminister selbst ist, der in den höchsten Tönen sich lobt und sich selbst über seinen eigenen Kopf streichelt. Das kann er gut. Hauptsache er sieht für sich den Erfolg.

Dagegen mussten immer mehr Apotheken und viele kleinere Kliniken schließen, Mitarbeitende werden arbeitslos. Immer mehr Seniorenheime können sich wegen der Kosten und des Personalmangels nicht mehr halten. Das waren nur wenige Beispiele.
Und viele flüchten in die AfD. Das bereitet mir noch zusätzliche Sorgen. Das ist das Bild einer guten Arbeit der jetzigen Regierung.

Sei lieb gegrüßt 
Mirella

Anonym hat gesagt…

Ich denke, dass zu unterscheiden ist zwischen Boshaftigkeit und der Dummheit.

Mirella Pagnozzi hat gesagt…

Guten Tag, Ihr Lieben,

bei mir war es in dieser Woche ruhig, was mit meiner eigenen Literatur zu tun hat. Aufgrund eines Erlebnisses vor wenigen Wochen als Beobachtende beschäftige ich mich innerlich erneut mit dieser belastenden Kriegsthematik.

Ich denke, es wird nicht mehr lange dauern und ich werde meinen Text, auch was der Krieg im privaten Bereich betrifft, fortsetzen können. Die Verhaltensmuster zwischen dem politischen und dem privaten Krieg unterscheiden sich nicht sonderlich. Und wenn der Krieg erstmal ausgebrochen ist, ist es schwer, ihn noch aufzuhalten. Darüber hatte ich in den Kommentaren "Das Kleine Ich geht auf Reisen ..." geschrieben.

Ich musste mich bei diesen belastenden Themen etwas ausruhen, aber ich denke, dass ich das Schreiben darüber bald fortsetzen kann.

@ Anonym
So, wie ich mein eigenes Stück verstanden habe, geht es um die (gesellschaftliche) Frage, was den Menschen hat "böse" und was hat ihn "dumm" werden lassen?, um bei Ihren Begriffen zu bleiben.😉

Ich wünsche Euch allen ein wunderschönes Wochenende mit einem Feiertagszusatz am kommenden Dienstag.

Beste Grüße 
Mira

Franziska hat gesagt…

Liebe Mira,
Deine Abschlussszene habe ich längst gelesen, und nutze nun den Nationalfeiertag, um dir ein kurzes Feedback zu geben.

Ich danke Dir ein weiteres Mal, diesmal für Dein komplettes Stück, das wahnsinnig anspruchsvoll ist. Ich schließe mich Anja an, denn auch ich bin der Meinung, dass Du Deine Geschichten unbedingt herausbringen solltest. Worauf wartest Du noch? Sich nur zu öffnen, scheint meines Erachtens nicht ausreichend zu sein.

Gefallen hat mir am Schluss wieder der Kontrast mit den süßen Erdbeeren, die nicht mehr bitter schmecken sollen .. ❤

Ich bin auch der Meinung, dass Olivia Schwierigkeiten hatte, sich am Ende von Paul zu lösen, um aus alten Ideen neue zu machen. Und Frieden für den toten Paul ...
Ein wenig traurig habe ich das Ende empfunden.

Was machst Du nun als nächstes, Mira? Wie geht es Deinem Kleinen Ich?
Ich bin gespannt.

Sei von mir gegrüßt
Franziska

Franziska hat gesagt…

P.S.

Zitat:

"Ich denke, es wird nicht mehr lange dauern und ich werde meinen Text, auch was der Krieg im privaten Bereich betrifft, fortsetzen können. Die Verhaltensmuster zwischen dem politischen und dem privaten Krieg unterscheiden sich nicht sonderlich. Und wenn der Krieg erstmal ausgebrochen ist, ist es schwer, ihn noch aufzuhalten. Darüber hatte ich in den Kommentaren "Das Kleine Ich geht auf Reisen ..." geschrieben."

Wäre dies Deine nächste Aktivität?

Mirella Pagnozzi hat gesagt…

Ihr Lieben,

Ihr stellt Euch das alles sehr einfach vor, @ Franziska, @ all, ein Buch herauszubringen. Ich weiß, Ihr meint es gut, aber für mich ist Warten angesagt. Die Zeit wird mir schon zeigen. Sie ist häufig die beste Beraterin.

Meine nä. Aktivität? Ich schreibe gerade viel für mich. Ich werde mich vom Blog eher zurückziehen. Es ist wunderbar, zurückgezogen zu lesen und zu schreiben. Ich genieße das.

Ihr wisst, wo ich zu finden bin. Bin ja nicht ganz weg.

Ich danke Euch allen für Euer Feedback und Euren Zuspruch.

Eure
Mira

Mirella Pagnozzi hat gesagt…

Ihr Lieben,
so ganz zurückziehen werde ich nicht können. Zumindest die Kommentarfunktion möchte ich nutzen um zu helfen, schöne Zitate, wunderbare Gedanken aus dem Diogeneskalender vom 6.10.2023, in die Welt zu streuen. Passt wunderbar auch zu meinem Theaterstück:

"Es ist schöner, einen Menschen zu verstehen, als über ihn zu richten."
(Stefan Zweig)

GlG
Mira

Mirella Pagnozzi hat gesagt…

Aus dem Diogeneskalender vom 1. August 2023

"Das gewaltätigste
Element der
Gesellschaft ist
die Unwissenheit".
(Emma Goldman)

Dabei denke ich vor allem an die beiden Autoren Andrej Kurkow mit der "Bickfordschnur" und an den "Feuerturm" von Catalin Dorian Florenscu.
Ich denke an mein eigenes Stück mit dem Vergleich der Mörder und den "Braven".

Emma Goldman ist übrigens Pazifistin, Feministin und Anarchistin gewesen. Gelebt hat sie von 1869-1940.

Ihre Biografie und ihre Herkunft ist recht bemerkenswert.

Grüße von
Mira

Mirella Pagnozzi hat gesagt…

Rebellion ist das Einzige,
was dich am Leben hält.
(Marianne Faithfull)

Aus dem Diogenes-Kalender vom 1.10.2023

Mirella Pagnozzi hat gesagt…

Vom 1.3.2023

Be curious, not
judgmental.
(Walt Whitman)

Mirella Pagnozzi hat gesagt…

Sophie Tieck, vom 26.09., Diogeneskalender


"Die höchste, ja ich möchte sagen die einzige
Tugend,die der Mensch besitzen kann, ist die Wahrheit gegen sich und andere."

Wobei ich die Wahrheit gegen sich selbst stärker unterstreichen möchte.

Mirella Pagnozzi hat gesagt…

Von heute aus dem Diogeneskalender

"Gedanken sind geistige Vögel".
(Bettina von Arnim)

Wie schön ist das denn?

Erinnert mich an meinen eigenen Text mit den fliegenden Gedanken, die zurückgeflogen sind, nach dem sie von dem lyrischen Ich in die Freiheit entlassenen wurden.

Vgl in: Das kleine Ich geht auf Reisen ...

Schönen Sonntag allen

Eure Mira

Mirella Pagnozzi hat gesagt…

Aus dem Diogeneskalender vom Sonntag, 29.1.2023

"Ich bin süchtig nach Stille und Privatsphäre;
ich schwelge darin.
(Valerie W. Wesley)

Mirella Pagnozzi hat gesagt…

"Die Liebe herrscht nicht, aber sie bildet und das ist viel mehr".
(Johann Wolfgang von Goethe, aus: Das Märchen)

Mirella Pagnozzi hat gesagt…

Ihr Lieben,

ich melde mich mal wieder.

Ich möchte erneut aus Goethes Märchen zitieren:

"Drei sind, die da herrschen auf Erden. Die Weisheit, der Schein und die Gewalt".

Das klingt etwas pessimistisch aber dem Märchen weiterhin folgend gibt es noch einen vierten König, eine vierte Kraft. Es ist die Kraft der Liebe, wie ich zu Beginn im vorletzten Posting schon zitiert habe. Ich wollte nochmal daran erinnern.

Ich kann das Märchen sehr empfehlen, das reich an Bildern, Symbolik und Weisheit ist. Gelesen hatte ich es das erste Mal vor mehr als zwanzig Jahren und es hatte mir schon beim ersten Mal sehr gut gefallen, dass ich auch das Hörspiel mir damals auf MP3 kaufen musste.

So viel Schönes, z. B. "(...) das größte Unglück ist als Vorbote des größten Glück anzusehen."

Das Märchen ist voller Wandlung ...

Goethe war ein sehr sensitiver Mensch. Nicht nur im Faust, sondern auch in diesem Märchen bekommt man es mit verschiedenen unsichtbaren Wesen zu tun.

Und wenn ich schon mal dabei bin, habe ich mir heute vom Diogenes-Verlag ein tolles Buch bestellt, das ich jedem Goetheliebhaber gerne ans Herz legen möchte.

Von Charles Lewinski
Rauch und Schall

Mit dem bekannten Goetheprofil auf dem Cover.

Der Buchtitel lässt mich an den Faust erinnern, noch bevor ich den Klappentext gelesen habe.

Das ist denn wohl auch beabsichtigt. Denn Goethes Faust ist hier noch gar nicht abgeschlossen. Und der arme Goethe leidet an einer massiven Schreibblockade ...

Ich freue mich darauf. Nicht nur auf den Goethe, sondern auch auf den Verfasser Lewinski, der einen wundervollen Schreibstil besitzt. Das kann ich Euch garantieren.

Schönes Wochenende Euch

Mira

Mirella Pagnozzi hat gesagt…

P. S. Ich habe mir Lewinski gerade auf Audible heruntergeladen. Dann kann ich heute noch hören.

Anja v. L. hat gesagt…

Huhu, Mirella,
ich musste heute so sehr an Dich denken, vielmehr an Deine Geschichte mit dem kleinen Ich. Ich habe es heute mit einer unantastbaren Person zu tun bekommen, die nicht tiefer blicken lässt, die sich mit Magen und Darmproblemen, mit Herz und Brustenge zu schaffen macht, da sie alles mit sich ausmacht und die Starke mimen muss, die ja keine Schwächen eingestehen darf. So wie Deine Gefrierschrank Gefühle aus Deiner Geschichte. Hier sind halt die Schwächen eingefroren. Oder in Schränke tief eingefroren. Ganze Monster warten da im Schatten auf ihre Erlösung.
Mirella, wir vermissen Dich. Ich wünsche Dir recht viel Glück in Deiner neuen Arbeit. Toll, dass Du Deinen Wunsch wahrgemacht hast und kannst Vorbild für viele andere sein, dass Veränderung der Lohn ist. Viele jammern nur. Du weißt, was ich meine.
Hoffe, ich bekomme bald wieder etwas von Dir oder vielmehr von dem kleinen Ich zu lesen.
Ich vermisse Deine Geschichten.

Lieben Gruß
Anja

Mirella Pagnozzi hat gesagt…

Moin, Anja,
das freut mich aber, einen Kommentar wie diesen zu lesen. Ich wollte eigentlich keine Fremdkommentare mehr frei schalten, weil ich die Absicht hege, mich so langsam von meinem Blog zurück zu ziehen. Mich abzunabeln. Lediglich schöne Zitate möchte ich helfen zu verbreiten. Erstmal.
Ich bereite mich auf weitere Neuanfänge vor, auch wenn ich noch gar nicht weiß, in welche Richtung diese gehen. Aber ich weiß, dass sie kommen werden.

Ich finde es spannend, wie Du meine Geschichte mit der Rettung der Gefühle aus dem Eisschrank interpretiert hast.

Die Schreiberei befindet sich noch in Winterpause, bis Dezember und Dezember ist bald. Also ist die Winterpause bald um.

Mit meiner neuen Stelle bin ich sehr glücklich. Vermissen tue ich euch allerdings auch.

Alles Liebe
Mira

Mirella Pagnozzi hat gesagt…

An Dich
An mich
An Euch
An Sie

Simple Fragen oder auch nicht

Wer hat die schönste Katze auf der Welt?
Jede Katze ist die schönste Katze auf der Welt. ❤️

Wer hat den schönsten Hund auf der Welt?
Jeder Hund ist der schönste Hund auf der Welt. ❤️

Und wer hat den schönsten Menschen auf der Welt?
Jeder Mensch ist der schönste Mensch auf der Welt. ❤️

Was? Das glaubst Du nicht?
Doch, das ist alles eine Frage Deiner, meiner, Eurer und Ihrer Geisteshaltung.

Aber wer ist der unschönste Mensch auf der Welt?
Jeder Mensch ist der unschönste Mensch auf der Welt, der sich und / oder anderen schadet, nichts dagegen tut und dabei seinen wahren Charme verloren hat.

© Mirella Pagnozzi

Mirella Pagnozzi hat gesagt…

Über das Rätselknacken zu aussortierten Büchern

Heute Nacht hab ich von meinem eigenen Rätsel geträumt, das ich nicht lösen konnte. Und ich fragte das Rätsel:
„Liebes Rätsel ,
was willst du mir damit sagen, wenn ich nicht mal mein eigenes erdachtes Rätsel zu knacken weiß?“

„Ich will’s dir sagen, horch‘ zu: Deine Rätsel an deine Lesenden auf WhatsApp sind zu schwer“, antwortete es mir.
Und ich fragte zurück: „Was kann ich denn tun?“

„Was Du tun kannst? Kommst Du nicht selber darauf?“, fragte das Rätsel mich. „Nein? Ok. Ich will’s dir sagen: Wie wäre es mit leichteren Rätseln?“

„Mit leichteren Rätseln?“, fragte ich erschrocken. „Wo denkst Du hin? Dann werde ich ja arm, wenn jeder meine Bücher gewinnen kann.“

Das Rätsel antwortete: „Dann verleihe doch dem Menschen den Preis, der als erster das Rätsel geknackt hat. So einfach.“

„Liebes Rätsel,
du weißt, dass ich keinen Wettbewerb mag. Und ungerecht ist es obendrein. Viele kommen erst zu spät dazu, das Rätsel zu lesen, nach dem es schon von jemand anderem gelöst wurde. Jemand, der womöglich den ganzen Tag zu Hause ist.“

„Dann denke sozial“, sprach das Rätsel: „Gib dem Menschen den Preis, der noch nicht gewonnen hat. Und ganz ehrlich, bei der Anzahl Deiner Bücher verstehe ich nicht, dass Du Angst hast, arm zu werden.“

„Arm vielleicht nicht ganz“, antwortete ich meinem Rätsel, „aber jedes Buch ist ein Familienmitglied. Es loszulassen, es in andere Hände zu geben, weil es bei mir nicht mehr richtig ist? Wo es dann aber womöglich durch den anderen auf der Straße landet und da wie ein Obdachloser bei Wind und Wetter liegen muss, weil es auch dort nicht wirklich richtig ist? In der Hoffnung, auf der Straße von jemand anderem aufgehoben zu werden, damit es woanders ein neues Zuhause finden kann? Das brennt mir in der Seele. Obdachlose finden doch selten ein neues, wohliges Zuhause, wobei Bücher verglichen zum Menschen nur ein bisschen Platz in einem Regal benötigen.

„Das ist richtig“, antwortete mir mein Rätsel.

„Gestern erst fand ich am Wegesrand wieder zwei ausgesetzte Bücher. Es war Regenwetter. Die Buchseiten waren von dem Regen vergilbt und verbeult. Wo ist die Würde dieser Bücher? Vom Regen regelrecht ausgewaschen. Wer will sie noch haben?“

„Ja, Deine Sorge verstehe ich nun“, erwiderte mein Rätsel jetzt verständnisvoll. „Das ist tatsächlich seit ein paar Jahren die neue Art, in Darmstadt Bücher auf Gehwegen zu stellen, damit andere sie auflesen können. Die Leute meinen es eigentlich gut aber für viele Menschen sind Bücher totes Papier. Ihnen ist nicht bewusst, wieviel Seele sie damit auf der Straße ausgesetzt haben.“

Nachdenken auf beiden Seiten, als das Rätsel mit einer neuen Idee die Stille zwischen uns beiden unterbricht:

„Vorschlag: Schreibe dem preistragenden Menschen in das Buch hinein, dass das Buch an Dich zurückzugeben ist, wenn es mit ihm nichts anzufangen weiß. Und Du machst daraus einfach ein neues Rätsel, wenn es zu Dir zurückgebracht wurde.“

„Ok, liebes Rätsel. Dann möchte ich das versuchen. Ich danke Dir“.


© Mirella Pagnozzi

Mirella Pagnozzi hat gesagt…

Und wieder ein Zitat von Goethe aus dem Diogenes Kalender vom 7.4.2023

"Es muss von Herzen kommen, was auf Herzen wirken soll".

Ich selbst lese gerade die Römischen Elegien.

Habe sie auch in Hörbuchfassung runtergeladen.

Grüße von Mira

Mirella Pagnozzi hat gesagt…

Aus dem Diogenes Kalender vom 5.12.23

Niemand wählt das Böse, weil es böse ist;
Er verwechselt es nur mit Glück, dem Guten, das er sucht.

(Mary Wollstonecraft)

Mirella Pagnozzi hat gesagt…

Ihr Lieben,
am 20. November 2023 habe ich hier und im privaten Umfeld ein Aphorismus gestartet, was die, der oder das schönste Lebewesen auf der Welt sei?

Eine Reaktion befand sich telefonisch darunter, die es ganz konkret wissen wollte. Mit ihrer Erlaubnis darf ich sie anonym zitieren, weil ich diese Frage im anderen Kontext häufig gestellt bekomme:

„Wenn alle Tiere und alle Menschen für dich schön sind, was ist dann noch das Besondere an deinen Tieren und an deinen Menschen?“

Antwort:„Das Besondere bei jedem Lebewesen ist, das Besondere in jedem Lebewesen zu finden.“

Für mich war die Antwort klar. Der Bekannten aber hatte das noch nicht genügt und sie wollte konkrete Beispiele hören.
Ich dachte nach und wusste erst nicht, welche Beispiele sie brauchte, um zu verstehen, was ich auszudrücken versuchte.

Ich nannte schließlich die Beispiele meiner Katzen in Symbolen ausgedrückt, da diese Beispiele schneller erklärt waren als die Beispiele an Menschen, zu denen es aber auch reichliche und wunderschöne gibt.

„Katze Alice war wegen ihrer Sensitivität und der Transzendenz die heilige Katze. Sie war außen schwarz und innen Gold. Sie war die Katze mit der goldenen Krone.

Kater Momo besaß wegen seiner Güte das große Herz von Charles Dickens. Momo hatte das Herz aus Gold.

Kater Mio besaß die Gelassenheit eines Buddhas, wenn andere Probleme mit ihm hatten. Gold war in diesem Fall Mios Seele.“

(Gold ist selten das Gold, das außen glänzt).

„Oh“, meinte die Bekannte und wurde ganz still.

Später rief sie mich an, und feedbackte mir, dass sie über meine Beispiele tief nachdenken musste und sie hätte auch das Besondere an ihre Menschen finden können, die sie ihnen weiter gegeben habe. (Tiere habe sie keine.) Und sie selbst war erfreut über die Reaktionen, wie sehr sich diese Menschen im Umkehrschluss darüber gefreut hätten.

Sie sprach:
„Das Besondere ist nicht das, was jeder als besonders versteht. Das Besondere ist, das besonders macht. ( …) Das Besondere ist nicht, was wir äußerlich besitzen.“

Ich musste schmunzeln, weil sie nun selbst philosophisch wurde, und sie diese Philosophie über das Besondere praktisch anzuwenden wusste. Das hatte mich immens gefreut.

Aber meine eigentliche Botschaft ist die, das Besondere an Schönheit auszuweiten. Sie überall zu finden wäre ein Weg zur universellen Liebe. 🪐🔭

ALLE Tiere, Menschen und Pflanzen unseres Planeten haben auf ihre individuelle Art etwas Besonderes. Unterm Strich zusammengefasst; ist es die reine Liebe bei allen. Die Kunst, diese überall in ihrer Besonderheit wahrzunehmen und dadurch nicht nur das Eigene zu lieben. (Das eigene Tier, Mensch, Heim, das eigene Land, etc).

Es ist hierbei die reine Liebe, die sehen lässt.

Ein Beitrag zum Weltfrieden 🌍✌️🕊️.

Eure Mira

Mirella Pagnozzi hat gesagt…

Einen schönen guten Morgen in die Runde,
ich beabsichtige in den nächsten Tagen meinen letzten Jahresrückblick auf meinem Blog zu schreiben, und hoffe, dass sich mir neue literarische Wege auftun werden, auf die ich weiter meine Energien setzen möchte.
Kommt alle recht gut ins neue Jahr 2024.

GlG
Eure Mira