Freitag, 8. März 2013

Eugen Ruge / In Zeiten des abnehmenden Lichts (1)



Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

So richtig vertraut ist mir die Literatur zur ehemaligen DDR nicht wirklich. Auch die Figuren in dem Buch waren mir alle recht fremd. Ich konnte in keine von ihnen Sympathie oder Antipathie finden. Keinerlei Zuneigung. Das Buch an sich war nicht schlecht geschrieben, es hatte Tiefgang, Humor und die Personen wurden recht differenziert in ihren Charakteren dargestellt. Das sind so für mich die drei wichtigsten Kriterien, um ein Buch als gut zu empfinden, unabhängig davon, ob es mir nun gefällt oder nicht gefällt.

Das Buch behandelt eine DDR-Familie aus drei Generationen, die Zeitabläufe sich aber immer abwechseln von der DDR-Gründung bis zum Mauerfall. Auch werden die Figuren in ihren Widersprüchen beschrieben.

Die Gründung der DDR nach dem zweiten Weltkrieg wurde als das Neue Deutschland angepriesen, das frei von Faschismus werden sollte. Raus aus dem Deutschland mit den vielen Verbrechen an die Menschheit, rein in den Osten um ein neues, reines Deutschland zu gründen.

Die Menschen waren voller Hoffnung und voller Ideale, viele wurden allerdings enttäuscht, als der Kommunismus und der Sozialismus ihnen dieses neue Deutschland nicht hervorbringen konnte. Viele engagierten sich, ohne zu wissen, welche Auswirkungen ihr Engagement mit sich brachte:
Die Partei, die Partei, die hat immer recht  
Und, Genossen, es bleibe dabei
Denn wer kämpft für das Recht
Der hat immer recht
Gegen Lügen und Ausbeuterei
Wer das Leben beleidigt
Ist dumm oder schlecht
Wer die Menschheit verteidigt
hat immer recht
So aus Lenischem Geist
Wächst, von Stalin geschweißt
Die Partei-die Partei-die Partei.
Eigentlich ist an dem Vers nichts Schlechtes zu sagen. Sich für andere einsetzen, für andere- und für die Wahrheit zu kämpfen, sind hohe Tugenden, die das  DDR-Regime missbrauchte. Die Menschen hatten alle unterschiedliche Vorstellungen von der (Gründung) der DDR:
„Klaus ist nicht gegen die DDR, (…). Klaus ist für eine bessere DDR, mit mehr Demokratie.“
„Und warum ist er dann Pfarrer“?
„Warum denn nicht? (…) jeder kann sich einsetzen für mehr Demokratie. Als Pfarrer kann er zum Beispiel Friedensandachten organisieren.“
Markus hatte keine Lust, das Thema fortzusetzen, er spürte schon, wie seine Mutter in wieder überzeugen wollte, aber er fand die Friedensandachten einfach grausam, dieses „Alle-an-den-Händen-fassen-und-zusammen-singen“, das ganze Getue, und hinterher landen alle bei ihm auf dem Grundstück, saufen sich einen an und pissen in die Tomaten: für eine bessere DDR. Wie das gehen sollte, blieb sowieso ein Rätsel. 276
Markus ist ein Jugendlicher, der die Widersprüche sehr genau bei den Erwachsenen wahrzunehmen wusste und sich enttäuscht dagegen auflehnte, ihnen Vorwürfe machte, dass sie keinen Widerstand zeigten... . Allerdings sein Vater flieht in den Westen, lässt die Familie zurück.

Markus´ Großvater Wilhelm, der einst mit seiner Charlotte in Mexiko als Exilant gelebt hatte, da sie im zweiten Weltkrieg gegen die Nazis wirkten... . Mit dem Aufbau des ND kehren sie hoffnungsfroh wieder in die Heimat zurück, in die veränderte Heimat, die sich DDR nennt, das Neue Deutschland.

Wilhelm feiert seinen neunzigsten Geburtstag und erhält vom Bürgermeister einen Vaterländischen Vedienstorden in Gold überreicht. Ist man auf diese Ehrung stolz oder muss man sich dafür schämen? Eine gewisse Ambivalenz dieser Ehrung gegenüber bestand schon... . Galt Wilhelm als Held oder war er ein Feigling? Die selben Fragen werden auch Charlotte gestellt, die sich ebenfalls politisch engagierte mit dem Glauben, Gutes zu tun und unterstützt damit das DDR-System. Sie waren der festen Überzeigen, dass die zwanziger und dreißiger Jahre Deutschlands reine Lügen waren und setzten sich im neuen Deutschland für eine bessere Welt ein... .

Doch was ist eine bessere Welt? Was ist die Wahrheit, die darauf gründet? Darauf konnte auch keine befriedigende Antwort gegeben werden.
Markus´ Vater, Sascha, macht wiederum seinem Vater Kurt große Vorwürfe, als die beiden in Wortgefechte geraten:
-„Aha“ sagte Kurt, „dass man jetzt also nicht mehr über Alternativen zum Kapitalismus nachdenken darf“!
„Wunderbar, das ist also eure Demokratie…“
-„Na, Gott sei Dank, dass Du in deinem Scheißsozialismus über Alternativen nachdenken duftest.“
„-Du bist ja wirklich schon vollkommen korrumpiert“, sagte Kurt.
„-Korrumpiert? Ich bin korrumpiert? Du hast vierzig Jahre lang geschwiegen," schrie Sascha. „vierzig Jahre lang hast du es nicht gewagt, über deine großartigen sowjetischen Erfahrungen zu berichten.“
„-Das mache ich schon noch…“
„-Ja, jetzt, wo es keinen mehr interessiert“.
„-Was hast du denn getan?“-Jetzt schrie auch der Vater seinen Sohn an: „Wo waren denn deine Heldentaten?“
„-Scheiße", schrie Sascha zurück. "Scheiß auf eine Gesellschaft, die Helden braucht!“ 367
Die ganze Familie, über mehrere Generationen hindurch, war zerstritten, mit sich uneins. Wie oben ersichtlich wird, macht die jüngere Generation  der älteren Generation schwere Vorwürfe... . Die ältere Generation, die für ein neues Deutschland kämpfte, während andere sich gegen diesen Staat engagiert hatten.

Ich selbst kann mir schon vorstellen, wie schwer es ist, wenn man aus dem Exil wieder zurück in die Heimat kehrt, mit dem Idealismus, für ein besseres Deutschland zu kämpfen, nochmals geprägt durch die Erfahrungen des Nationalsozialismus, der ein schweres menschliches Verbrechen verübt hat und der geistig - seelisch auch nicht überwunden ist, so dass es nun schwer ist, ein weiteres Mal von einem System enttäuscht zu werden, und dies zu bekennen. Dieser Zwiespalt, der sich in diesen Menschen breit macht, wenn sie desillusioniert werden,  ist für mich sehr wohl nachvollziehbar. Eigentlich kämpften diese Menschen für ein neues und besseres Deutschland und hatten einst gute Absichten... .

Ich finde nicht, dass die junge Generation das Recht hat, der älteren Vorwürfe zu machen, da man selbst nicht mal weiß, wie man ein Leben in solch einem Gefüge bewältigen würde... .

Ich mache jetzt hier Schluss. Man sollte besser über das Buch diskutieren, als darüber zu schreiben... .
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„Musik ist eine Weltsprache“
         (Isabel Allende)

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