Mittwoch, 11. Juli 2012

Anna Seghers: Jans muss sterben (1)



Eine Buchbesprechung zur o. g.  Lektüre!

Das Buch habe ich gestern Abend zu Ende gelesen und es hat mir recht gut gefallen. Eine Szene, auf die später zu sprechen komme, war mir nicht unbedingt verständlich was die Verhaltensart der Eltern des Protagonisten namens Jans Jansen betrifft.

Die Erzählung behandelt das Leben einer  jungen dreiköpfigen Proleatarierfamilie, die in einem Wohnblock lebt. Die Häuser sind ein wenig heruntergekommen, im Hof stinkt es nach Müll… . Vater Jansen arbeitet in einer Fabrik, seine Frau Marie ist Hausfrau.
Der kleine Jans ist sieben Jahre alt, als er schwer erkrankt.

Die Eltern des Jungen sprechen kaum etwas miteinander. Besonders der Vater ist recht schweigsam und hat seine Art, seine Liebe dem Kinder und seiner Frau entgegenzubringen. Wobei die Ehe der beiden fast schon ausgelebt wirkt, und alles, woran sich die Eltern noch erfreuen können, das ist der Junge Jans.

Als Jans eines Tages von der Schule heimkommt, wirkt er recht auffällig. Er sah kränklich aus, die Mutter dies aber nicht sofort wahrnahm und erst beim Abendessen fiel dem Vater auf, dass Jans etwas fehlt, er es aber nicht zur Sprache brachte. Bis Jans plötzlich völlig geschwächt sich an die Rockschürze seiner Mutter hält und zu weinen anfängt. Erst jetzt reagiert die Mutter, und bringt den Jungen ins Bett… .

Am nä. Morgen glühte Jans Körper wie auf heißen Kohlen gelegen… . Der Vater, der bei dem Jungen Nachtwache geschoben hatte, drückt Jans wortlos an sich, als er schließlich zur Arbeit in die Fabrik geht. Zwischen ihm und seiner Frau wird kein Wort gewechselt. Nichts wird kommuniziert. Jeder trägt den Kummer allein für sich… .

Der Morgen ließ sich an wie gewöhnlich. Die Sonne brannte auf dem Hof, und Nachbarsfrauen hingen die Wäsche auf. Marie wollte ans Fenster, ihr Unglück herunter rufen. Aber plötzlich schüttelte sie den Kopf. Es war eine Schande, dass Jans, ihr schönes glänzendes Kind, krank war, es war eine Schande, Fremden zu zeigen, dass ihr Glück Flecken und Sprünge bekommen hatte. Da war es schon besser, seine Schande allein zu tragen, und sie nahm Jans kleine zerschmilzende dürre Hand in die ihre.

Etwas später tritt der Arzt ein, und dies fand ich ein wenig merkwürdig, dass die Eltern nicht schon längst reagiert haben, vor allem die Mutter, die nicht wusste, dass Jansen den Arzt schickte… .
Jans wird gepflegt und gut behütet, kommt vorläufig wieder auf die Beine... Welch eine Erkrankung das Kind ergriff, wird nur angedeutet. Der Junge klagte über Schwindel und Übelkeit, später spuckte er reichlich Blut… .

Die Erzählung hatte gerade mal fünfzig Seiten und das Ende fand ich ein wenig traurig, auch wenn die Eltern einen neuen Trost gefunden haben. Mehr möchte ich aber nicht verraten.
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„Die rechte Vernunft liegt im Herzen“ (Theodor Fontane)

SuB:

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Donoghue: Raum
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Leroux: Das Phantom der Oper
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Gelesene Bücher 2012: 49
Gelesene Bücher 2011: 86

Dienstag, 10. Juli 2012

Anna Seghers / Jans muss sterben

Jans muß sterben

ISBN-10: 3763251650 

Verlag: Büchergilde Gutenberg 

4,99 € statt 11,50 

70 Seiten

 

Klappentext

 "Martin und Marie Jansen - er ruhig und gutmütig, sie kräftig und lebhaft - haben längst ihre Zärtlichkeit und Liebe füreinander verbraucht. All ihre Hoffnungen und verzweifelten Erwartung knüpfen sie an Jan, ihr Kind, unfähig, die Heftigkeit ihrer Gefühle auszudrücken, die sie fast zerreißt. Aber dann geschieht das Unglück: der kleine Körper zerfällt in einer unerklärlichen Krankheit."

Das Buch habe ich bei Jokers sehr preisgünstig entdeckt, s. o. gebundene Ausgabe, wahrscheinlich noch eine Restauflage. Anna Seghers ist als eine anspruchsvolle Autorin recht bekannt. Dennoch ist es das erste Buch von ihr, das ich lesen werde... .

 

Autorinnenportrait

Die Autorin wurde 1900 in Mainz geboren, starb 1983 in Berlin. Dt. Schriftstellerin jüdischer Herkunft... .

Montag, 9. Juli 2012

Charles Dickens / Schwere Zeiten (1)



 Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Ich habe heute das Buch zu Ende gelesen und ich muss sagen, ich bin erstaunt über den untypischen Schreibstil von Charles Dickens, was sicherlich mit der Thematik zusammenhängt. Der Schreiststil ist recht trocken, wenig fantasievoll, recht gefühlsarm, dafür keine Sentimentalitäten und keine Gefühlsduselei... In diesem Buch fließen fast keine Tränen... Die darin beschriebene Welt ist absolut auf Sachlichkeit und Tatsachen gebaut. 

Die Schule von M´Choakumchild war durchgehends Tatsache; die Zeichenschule sei durchgehendst Tatsache und die Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer waren lauter Tatsachen. Alles war auch Tatsache, von der Entbindungsanstalt bis zum Kirchhof. Was man also nicht mit Zahlen beweisen dartun konnte, das auf dem billigsten Markt zu kaufen und auf dem teuersten zu verkaufen war, das hatte keine Existenzberechtigung, das sollte niemals sein, bis zu aller Welt Ende, Amen.

Es war verboten, Kindern Märchen und Geschichten zu erzählen.  Wenn Kinder von solchen Gestalten träumten oder gar erzählten, wurde ihnen diese sehr bald von ihren Lehrern ausgetrieben. Selbst bunte Blumenmuster auf Teppich und Tapeten wurde ihnen ausgeredet, da diese keine echten Blumen seien… .

"Hierin beruht die Springfeder der mechanischen Kunst und des Geheimnisses, die Vernunft zu erziehen, ohne sich zur Ausbildung der Gefühle und Neigungen herabzulassen. Man muss sich nie wundern! Bringe alle Sachen vermittels Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division in Ordnung und wundere dich nie. "Gibt mir ein Kind", sagt M`Choakumchild, "das wenigstens allein gehen kann, und ich werde es dahin bringen, dass es sich niemals mehr wundert!"

Menschen werden zu Maschinen erzogen, alles ist genau berechnet. Literatur, Poesie, Kunst... gibt es keine, da sie nicht erlaubt ist. Die Menschen haben keine Träume. Die Menschen sind alle gleich... . Die Welt in England beruft sich lediglich auf Zahlen und Statistiken. Die Kinder in der Schule werden nicht mit Namen aufgerufen, sondern mit Nummern... . Die Städte und Dörfer sind durch die vielen Fabriken voller Nebel, Dreck, die Luft voll Ruß.... Die Menschen sind keine Menschen, sondern lediglich Fabrikarbeiter, die den Dreck für die hohen Bosse, Fabrikanten,  Bankiers etc. tun und deren schwere Fabrikarbeit an lebensgefährlichen Maschinen gebunden ist... . 

Es gibt eine Romanfigur, die sich gegen das System auflehnt... . Stephen Blackpool, der eine Unterredung mit dem Fabrikanten Mr. Bounderby sucht:

" Sir, ich möchte mich niemals darüber auslassen, obwohl ich mein Teil mitgelitten habe. Wir stecken in der Tat in tiefer Bedrübnis, Sir. Blickt in der Stadt umher - so reich sie auch ist - und betrachtet die Zahl der Leute, die nur dazu geboren scheinen, um zu weben und Wolle zu krämpeln, und die das Leben alle in gleicher Weise fristen - von ihrer Wiege bis zu ihrem Grab. Seht doch, wie wir leben, wo wir leben und in welcher Anzahl, unter welchen Aussichten und mit welcher Gleichförmigkeit; seht nur, wie die Maschinen immerfort arbeiten und wie sie uns doch nie einem fernen Gegenstand näher bringen - außer stets dem Tod. Seht nur, wie ihr uns beurteilt und über uns schreibt und spricht und unseretwegen eure Deputationen zum Staatssekretär schickt, und ihr stets Recht habt und wir stets Unrecht, und wie wir kein Funken Verstand in uns haben, seitdem wir geboren wurden. Seht nur, wie das zugenommen hat, Sir, stärker und stärker, immer weiter und weiter und immer schwerer und schwerer, von Jahr zu Jahr, von Generation zu Generation. Wer kann das alles betrachten, Sir, und einem Mann kühn sagen, dass es kein trauriger Zustand ist?"

Doch nicht nur die Fabrikarbeiter sehnen sich nach mehr Menschlichkeit, nein, auch die Kinder der Bankiers leiden auf ihre Weise. Das Geschwisterpaar Tom und Luise Gradgrinds z.B., Kinder aus wohlhabendem Hause, versuchen sich gegenseitig beizustehen, wenn sie in familiäre, seelischen Nöte geraten. Ganz besonders Luise, die ältere von den beiden, kümmert sich mit viel Hingabe um ihren recht sorgenvollen Bruder, es ihr aber, ohne Ideale dastehend, an jugendlicher Weisheit fehlt:

"Sieh, Tom, da ich immer älter und größer werde, sitze ich oft da, mich wundern und nachdenken, wie unglücklich ich doch bin, dass ich dich mit unserem elterlichen Hause nicht besser versöhnen kann. Ich weiß nicht was andere Mädchen können. Ich kann dir nicht vorsingen oder vorspielen. Ich kann kein Gespräch mit dir führen, um deinen Geist zu erheitern; ich sehe nichts Unterhaltendes und ich lese keine unterhaltenden Bücher, dass es dir zum Vergnügen gereichen könnte, wenn ich mit dir darüber spreche, wenn du der Ausspannung bedürftig bist."

Und gerade diese Ödnis, durch den Mangel an Literatur und an Kunst, Mangel an Spiele und Freuden spürt man ganz deutlich in dem Buch, wie geistig eintönig die Menschen durch das System, das sich nur auf Tatsachen stützt, dort leben... .

Luise, zwanzig Jahre alt, wird mit einem um dreißig Jahre älteren Mann verheiratet, der sowohl Bankier als auch Fabrikant ist. Luise willigte der Vermählung nur aus Liebe zu ihrem Bruder Tom zu, der allzu verschuldet ist. Sie erkennt kurze Zeit darauf ihren groben Fehler, ihren Bruder, der immer mehr auf Abwegen gerät, konnte sie nicht retten, und hat sich zudem in einen jungen Mann verliebt. Sie reißt auf dieser Ehe heraus, flieht in ihr Vaterhaus und bittet um eine Unterredung. In dieser Unterredung bringt sie diplomatisch alles zur Sprache, was der Vater den Kindern in der Erziehung versäumt hat ihnen für das Erwachsenenleben mitzugeben. Mitunter wurde auch die unglückliche Ehe thematisiert, zu der Luise nicht mehr zurückzukehren beabsichtigte:

"Nun, mein Vater, der Vorzug, den sich Kinder untereinander zu geben pflegen und von dem ich selbst gehört habe, hat in meiner Brust nie einen unschuldigen Sitz aufgeschlagen. Sie sind so vorsichtig mit mir gewesen, dass ich nie das Herz eines Kindes besaß. Sie haben mich sowohl erzogen, dass ich niemals den Traum eines Kindes geträumt. Sie sind, mein Vater, von meiner Wiege bis zur gegenwärtigen Stunde so weise mit mir verfahren, dass ich niemals einen kindlichen Glauben oder eine kindliche Furcht empfand." 

Glaube und Furcht zählten auch nicht zu Tatsachen, sondern zu Erfindungen.

Luise, eine recht sensible junge Frau, mit einer ausgeprägten Intuition ausgestattet, spürt sehr wohl in sich, dass sie etwas ganz Wesentliches, etwas ganz Elementares vermisst, so bringt sie auch dies ihrem Vater zur Sprache:

"Wie konntest du mir Leben geben und mich alle meiner unschätzbaren Dinge berauben, die es über den Zustand bewussten Todes hinaufheben? Wo ist die anmutige Sicherheit meiner Seele? Wo sehen die Gefühle meines Herzens? Was hast du getan, o Vater, was hast du getan mit dem Garten, der einst hier in dieser großen Wildnis blühen sollte? (…) und dennoch, Vater, wenn ich stockblind gewesen wäre, wenn ich meinen Weg hätte tappend finden müssen und die Freiheit besessen hätte - da ich die äußere Form und die Oberfläche der Dinge kannte, meine Fantasie dabei als Richtschnur zu nehmen-, so würde ich jetzt um vieles weiser, glücklicher, liebevoller, unschuldiger unmenschlicher in jeder Beziehung gewesen sein, als ich jetzt mit meinen Augen bin. (…) Mit einem Hunger und Durst, Vater, die keinen Augenblick gestellt wurden - mit einem inbrünstigen Verlangen nach einer Region, wo Regeln, Zahlen und Definitionen nicht alles sind - bin ich aufgewachsen und habe mir meinen Lebenspfad Zoll für Zoll erkämpft."
Der Vater zeigt sich recht erstaunt über die Worte seiner Tochter. Sie stimmen ihn traurig und nachdenklich. Er bestätigt, dass es Menschen gibt, die davon reden, dass es sowohl eine Weisheit des Herzens als auch eine Weisheit des Kopfes gäbe. Er dagegen habe nur an die Weisheit des Kopfes geglaubt:

Wie kann ich diesen Morgen zu behaupten wagen, dass es so ist. Wenn die andere Art von Weisheit das sein sollte, was ich vernachlässigt habe, und der Instinkt, der vonnöten ist, dann Luise…".

(...)

So, Ich mache nun hier Schluss, da meine Buchbesprechungen nichts anderes als Fragmente sein sollen, auch, weil ich nicht alles verraten möchte. Mir geht es vielmehr um die vielen schönen Zitate, in denen so viel Weisheit steckt, die ich nicht nur lesen möchte, sondern versuchen, sie auch im Leben umzusetzen. Und am besten geht das, wenn man diese Textstellen immer wieder nachschlagen kann.
     
Zum Schluss wird es in dem Buch wieder dickerisch. Tränen sind reichlich geflossen, und nicht nur bei der Frau, bei Dickens weinen nämlich auch die Männer... . Ich habe vergessen zu erwähnen, dass es noch andere Merkmale in dem Buch gibt, die ich als typisch Charles Dickens bezeichnen würde. Eine junge Frau, Luise, s. o., die sich für ihren jüngeren Bruder aufopfert... . Das hat man oft in bei Dickens, aufopfernde junge Frauen, die von wohlhabenden Männern gerettet werden... . Des Weiteren taucht auch eine elternlose Figur auf, die von einem wohlbegüteten Vater von mehreren Kindern aufgenommen wird. Ich bin auf diese nicht eingegangen... und verweise auf das Buch, es selber zu lesen.

Das Fazit des Romans ist dieses, dass die Weisheit, die ausschließlich aus dem Kopf stammt, unmenschlich macht. Sie ist arm an Bildern, arm an Kreativität, und vor allem arm an Menschlichkeit. Nur eine Ballance zwischen der Weisheit des Kopfes und der Weisheit des Herzens macht den Menschen zu einem wahren und vollkommenen Wesen.

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„Die rechte Vernunft liegt im Herzen“ (Theodor Fontane)

SuB:

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Manguel: Die Bibliothek bei Nacht
Mann. T. Erzählungen (1)
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Samstag, 7. Juli 2012

Charles Dickens / Schwere Zeiten


Umschlag: Paperback
1. Auflage 2011
elv -Verlag, 340 Seiten
ISBN/EAN: 9783862674985
Preis: 24,90 € (D, A)


Klappentext 

Charles Dickens (1812-1870), bedeutender Vertreter des literarischen Realismus, zählt noch heute zu den meistgelesenen Autoren überhaupt. In vielen seiner Werke übte er massive, oftmals satirisch zugespitzte Kritik an der Industrialisierung und deren sozialen Folgen. So auch im Roman »Schwere Zeiten« (1854), der in der fiktiven Industriestadt Coketown spielt und die elenden Arbeits- und Lebensbedingungen der englischen Fabrikarbeiter schildert. Durch seine radikale Entlarvung der von Profitgier getriebenen Mittel- und Oberschicht und der Ausbeutung der Armen ist der Roman noch immer eines der beeindruckendsten Beispiele sozialkritischer Literatur in Europa.

Gelesen habe ich von Dickens;

1. David Copperfield
2. Hohe Erwartungen
3. Eine Weihnachtsgeschichte
4. Der Raritätenladen
5. Nikolaus Nickleby

Dazu zwei Biografien... . 

Donnerstag, 5. Juli 2012

Stefan Zweig / Brennendes Geheimnis (1)

 Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch habe ich nun durch und es hat mir sehr, sehr gut gefallen. Es hat mich wieder intensiv gepackt, ähnlich wie bei der Schachnovelle.
Stefan Zweig ist so sprachbegabt. Bei ihm, und das findet man nicht bei jedem Autor, ist sowohl der Intellekt als auch das Gefühl sehr ausgewogen. Und seine psychologischen Kenntnisse sind überragend... . Aus diesem Grunde gebe ich dem Buch zehn von zehn Punkten. Gute Gedanken in schöne Bilder gepackt.

Ich habe mir viele Textstellen angestrichen, und versuche sie hier verarbeitend zu platzieren... .

Der Erzähler in dem Buch ist diesmal keine Romanfigur, die im Geschehen mitagiert. Er ist ein objektiver Betrachter, der von einem Baron zu berichten beginnt, der ohne Begleitung verreist und in ein Hotel einkehrt, indem es keine Spielpartner gibt. Er beklagt seine einsame Situation und sehnt sich nach weiblichem Kontakt... . Schon auf den ersten Seiten bekommt man ein Bild von diesem Subjekt, das alles andere als sympathisch ist... . Den Namen des Barons erfährt man nicht.

Und keine Gereiztheit ist ärgerlicher als die des Spielers, der mit den Karten in der Hand im Bewusstsein seiner Überlegenheit vor dem grünen Tisch sitzt und vergeblich den Partner erwartet. Der Baron rief nach einer Zeitung. Würde ich diese die Blicke über die Zeilen rinnen, aber seine Gedanken waren lahm und stolperten wie betrunken den Worten nach.
Um seine Einsamkeit zu killen, begibt er sich auf die Suche nach weiblicher Gesellschaft.
Er war selber den Frauen nicht unähnlich, die erst die Gegenwart eines Mannes brauchen, um aus sich ihre ganze Gewalt herauszuholen. Erst ein sinnlicher Reiz spannte seine Energie zu voller Kraft. Der Jäger in ihm witterte hier eine Beute.
Eine hübsche Dame trat in das Hotel ein, gemeinsam mit ihrem zwölfjährigen Sohn, die aus Wien kamen. Der Sohn war sehr kränklich, und sie suchten in diesem Hotel viel Ruhe und Genesung, allerdings geht nicht hervor, wo sich das Hotel befindet.
Nun überlegt sich der Baron, wie er Bekanntschaft mit dieser schönen Dame machen kann.

Der Baron begibt sich in die Nähe des Jungen namens Edgar und bietet ihm seine Freundschaft an. Edgar ist ein sehr einsames Kind und freut sich  über die Bekanntschaft mit dem Baron. Der Baron war nicht wirklich an dem Kind interessiert, nein, er benutzte es, 
(…) denn er wusste, ein paar Reisekinderhände bauten ihm die Brücke zu ihrem Herzen.
Sein Plan geht auf. Bald wusste der Baron alles über die Familie, dass sie jüdischer Herkunft sind, dass die Mutter mit einem Advokaten verheiratet ist und dass sie der Bourgeoisie angehören. Edgar war stolz nun einen erwachsenen Freund zu haben. Das war für ihn etwas ganz Besonderes und freute sich auf den Hund, den er von dem Baron versprochen bekommt. Der Junge ist völlig fasziniert von ihm und erzählt seiner Mutter über die Bekanntschaft seines neuen Freundes. Nun hat der Fisch angebissen... . 

Zwischen der Mutter und dem Baron knüpft sich der Kontakt und er scheint immer inniger zu werden und das Kind wird plötzlich unwichtig, landet auf den Abstellgleis. Es stimmt Edgar recht  betroffen und spürt sehr deutlich die veränderte Lage. Auch die Mutter behandelt ihn plötzlich so, als würde das Kind stören, so, als wäre er das fünfte Rad am Wagen. Edgar stellt den Baron zur Rede:
"Was habe ich Ihn getan, dass Sie nicht mehr auf mich achten? Warum sind Sie jetzt immer so mit mir? Und die Mama auch? Warum wollen Sie mich immer wegschicken? Bin ich Ihnen lästig, oder habe ich etwas getan?"
Wirklich viel hat diese Unterredung nicht gebracht.  Edgars Wesen verändert sich. Er lernt, sich zu beherrschen aber er lässt sich nicht mehr so einfach von dem Paar fortschicken, was nicht nur den Baron, sondern auch die Mutter verärgert. Aus dem lieben Knaben entwickelte sich ein Tyrann. Doch zu recht. Denn er hatte den Baron durchschaut,  mittlerweile wurde ihm bewusst, dass er ihn benutzte, um sich seiner Mutter zu nähern. Er wusste, dass der Baron schamlos lügen konnte. Aber nicht nur der Baron …, später stellten sich die Lügen auch bei der Mutter heraus, die ein Versprechen dem Kind gegenüber nicht halten konnte:
Dass seine Mutter log, wusste erst seit gestern. Aber dass sie so schamlos sein konnte, ein offenes Versprechen zu missachten, das zerriss ihm sein letztes Vertrauen. Er verstand das ganze Leben nicht mehr, seit er sah, dass die Worte, in der er die Wirklichkeit vermutet hatte, nur farbige Blasen waren, die sich blähten und in nichts  zersprangen. Aber was für ein furchtbares Geheimnis musste das sein, dass erwachsene Menschen so weit trieb, ihn, ein Kind, zu belügen, sich wegzustehen wie Verbrecher? In den Büchern, die er gelesen hatte, mordeten und betrogen die Menschen, um Geld zu gewinnen oder Macht oder Königreiche. Was aber hier die Ursache, was wollten diese beiden, warum versteckten sich vor ihm, was suchten sie unter hundert Lüge zu verhüllen? Er zermarterte  sein Gehirn. Dunkel spürte er, dass dieses Geheimnis der Riegel der Kindheit zeigt, dass, es erobert zu haben, bedeutete, erwachsen zu sein, endlich, endlich ein Mann.
Man merkt, dass Edgar noch zu jung war, um die Lage der beiden Erwachsenen zu durchschauen, denn sonst wüsste er, dass die beiden zueinander ein sexuelles Interesse verspürten und Edgar zu einem Störfaktor sich entpuppte... .

Es entstehen größerer Reibereien zwischen der Mutter und ihrem Sohn, der Interessenkonflikt nimmt immer mehr zu. Edgar lässt sich weiterhin nicht so leicht abwimmeln. Und einmal verliert der Zwölfjährige gegenüber dem Baron vor aller Leute im Hotel die Beherrschung und sagt ihm ordentlich die Meinung. Die Mutter schickt ihn aufs Zimmer zurück, nachdem Edgar sich weigerte, sich bei dem Baron zu entschuldigen.
" Ein Lügner ist er, ein falscher Mensch. Was er tut, ist Berechnung und Gemeinheit. Er hat dich kennenlernen wollen, deshalb war er freundlich zu mir und hat mir einen Hund versprochen. Ich weiß nicht, was er dir versprochen hat und warum er zu dir freundlich ist, aber auch von dir will er etwas, Mama, ganz bestimmt. Sonst wäre er nicht so höflich und freundlich. Er ist ein schlechter Mensch. Er lügt. Sieh ihn nur einmal an, wie falsch er immer schaut. Oh, ich hasse ihn, diesen erbärmlichen Lügner, diesen Schurken…"
Edgar fühlt sich in der Rolle als Kind nicht mehr wohl, er fühlt sich ausgeschlossen aus der Welt der Erwachsenen und wünschte sich nichts sehnlicher,  schnellstmöglich aus seiner Kindheit heraus zu wachsen, um der Erwachsenenwelt anzugehören:
Furchtbar, Kind zu sein, voll von Neugier und doch niemand fragen zu dürfen, immer lächerlich zu sein vor diesen Großen, als ob man etwas Dummes oder Nutzloses wäre.
Die Lage spitzt sich immer weiter zu, Edgar treibt es zu weit, seine Wutanfälle und Eifersucht beherrschen ihn, die starke  Konsequenzen von seiten der Mutter nach sich ziehen. Aber seine Wutanfälle, so finde ich, sind berechtigt. Schließlich ist er ein doppeltes Mal enttäuscht worden und immer ist er es, von dem Einsicht erwartet wird.

Edgar wird im Zimmer eingesperrt… und ich mag nun nicht weiter erzählen..., um nicht noch mehr verraten zu müssen... .

Aber der Fortlauf der Erzählung findet noch seinen Höhepunkt, als Edgar versucht die beiden Erwachsenen geschickt nachzuspionieren, die so geheimnisvoll tun, um ihr Geheimnis zu enthüllen...  Das Ende fand ich total schön, und so möchte ich zum Abschluss noch ein letztes Zitat anbringen:
Edgar war unfähig, an irgendetwas oder irgend jemanden mit Hass zu denken, er bereute nichts, und selbst für den Baron, den Verführer, seinen bittersten Feind, fand er ein neues Gefühl der Dankbarkeit, weil der ihm die Tür aufgetan hatte zu dieser Welt der ersten Gefühle.
Das fand ich auch total schön, dass Edgar, so jung wie er auch noch war, zu solchen tiefen Gedanken hineingefunden hat und er diese bittere Erfahrung als ein wichtiger Reifeprozess in das Erwachsenenalter zu verstehen lernte.
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„Die rechte Vernunft liegt im Herzen“ (Theodor Fontane)

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Gelesene Bücher 2012: 47
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Mittwoch, 4. Juli 2012

Stefan Zweig / Brennendes Geheimnis



    • Sondereinband: 112 Seiten
    • Verlag: Fischer (Tb.), Frankfurt; Auflage: 19 (1. Mai 1988)
    • Sprache: Deutsch, 6,95 €
    • ISBN-10: 3596293111



    Klappentext
    Mit zwölf Jahren lebt Edgar am Rand seiner Kindheit. Die Menschen in der Welt der Erwachsenen erscheinen ihm als »lose Puppen und totes Spielzeug», und so lebt er »hart hinter den Träumen, dem Unwirklichen und Unerreichbaren«, bis er sich gerade von denjenigen, denen er bislang mit Vertrauen, Liebe, Gläubigkeit, Respekt begegnet ist, verraten fühlt. Sie zwingen ihn geradezu, den Riegel seiner Kindheit wegzuschieben, hinter ihr Geheimnis zu kommen, das er sich nicht zu deuten weiß. Er ist mit der Mutter, seiner Gesundheit wegen, auf den Semmering gefahren und glaubt dort unverhofft in einem jungen Baron einen Freund gefunden zu haben - doch er muß sehr schnell erkennen, daß dessen Freundlichkeit nicht ihm, Edgar, sondern der Mutter gilt. Mehr und mehr fühlt er sich zurückgesetzt, mehr und mehr spürt er, wie die Erwachsenen ihn belügen, wenn sie sich auf das konzentrieren, was ihm noch verschlossen bliebt und um so stärker als Geheimnis in ihm brennt. Es wird ihm schmerzlich - aber er muß diesen Weg einschlagen, die Vorstellungswelt des Kindseins allmählich verlassen und in die Fremdheit des Unbekannten hineinschauen, auch wenn es sich für den Augenblick noch mit einem ahnungslosen Vorgefühl begnügen darf.



    Autorenportrait im Klappentext
     Stefan Zweig wurde am 28. November 1881 in Wien geboren, lebte von 1919 bis 1934 in Salzburg, emigrierte von dort nach England und 1941 nach Brasilien. Sein episches Werk machte ihn ebenso berühmt wie seine historischen Miniaturen und die biographischen Arbeiten. Am 23. Februar 1942 schied er in Petrópolis, Brasilien, freiwillig aus dem Leben. Seine von einer vergangenen Zeit erzählenden Erinnerungen »Die Welt von Gestern« erschienen posthum.

    Meine neue Werktagslektüre von Stefan Zweig, den ich als Autor sehr schätze. Leider gehört er auch zu den Autoren, die sich das Leben genommen haben. Richtig gefesselt hat mich das Buch "Die Schachnovelle". Und das hiesige Buch scheint mich auch nicht mehr loszulassen. Habe gestern Abend schon damit begonnen. Empfohlen hat mir das Buch meine Literaturfreundin Windhuk... .
      

    Orhan Pamuk / Istanbul (3)



     Dritte Buchbesprechung der o. g. Lektüre





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    „Die rechte Vernunft liegt im Herzen“ (Theodor Fontane)


    Gelesene Bücher 2012: 53
    Gelesene Bücher 2011: 86

    Dienstag, 3. Juli 2012

    Harper Lee / Wer die Nachtigall stört



    Klappentext 
    Harper Lee beschwört den Zauber und die versponnene Poesie einer Kindheit im tiefen Süden der Vereinigten Staaten. Die Geschwister Scout und Jem wachsen in einer Welt von Konflikten zu tolerant denkenden Menschen heran. Menschliche Güte und stiller Humor zeichnen diesen Roman aus, der in mehr als 40 Sprachen übersetzt wurde und im Sturm die Herzen von Millionen Lesern eroberte.


     Autorenportrait im Klappentext
    Haper Lee wurde 1926 in Monroeville/Alabama geboren. Sie studierte ab 1945 Jura an der Universität in Alabama, ging aber vor dem Abschluß nach New York und arbeitete bei einer internationalen Luftverkehrsgesellschaft. Für den vorliegenden Roman erhielt sie 1961 als erste Frau seit 1942 den Pulitzerpreis und lebt heute zurückgezogen in New York.

    Entdeckt habe ich das Buch in der Frankfurter Bahnhofsbuchhandlung, die ziemlich gut sortiert ist.  Allerdings ist es ziemlich wahrscheinlich gewesen, dass das Buch zu mir oder ich zu dem Buch gefunden habe, da bei mir im Büro ein Zitat von ihr hängt. Das Zitat wird in meiner Buchbesprechung wiedergegeben.


    Sonntag, 24. Juni 2012

    Verena Lueken / New York (1)

    Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre



    Das Buch hat mir ganz gut gefallen. Allerdings ist es für mich unverständlich, wenn GegenwartsautorInnen sich noch immer der Begriffe wie "Rasse" und "Irrenanstalt" bedienen. Irrenanstalt, meine Güte, fühle mich ins fünfzehnte Jahrhundert zurückversetzt, dabei schreiben wir das Jahr 2012. 

    Doch nun Schluss mit der Kritik und ab in die Buchbesprechung:

    Nach dem Lesen dieses Buches wüsste ich nicht, ob ich noch Lust auf das Reisen nach New York hätte. Einerseits eine faszinierende Stadt, andererseits eine Stadt, die wieder abschrecken kann. Eine riesen Metropole. New York zählt als die Hauptstadt der Welt, eine Welthauptstadt mit vielen Gegensätzen und Widersprüchen. Viel Glanz und Glamour, Reichtum, Arroganz, entgegengesetzt Bettler, Obdachlose, Slums, hohe Kriminalität und hohe Mordrate... , wobei ich diese Extreme in einer so riesen Stadt eher als normal bezeichne. Je mehr Menschen in einer Stadt leben, desto größer sind die sozialen und ethnischen Unterschiede. Gewinner und Verlierer gibt es überall auf der Welt und in jeder größeren Stadt.

    Der Autor Fitzgerald, der ein Essay zu New York geschrieben hat mit dem Titel My Lost City, der  von der Autorin zitiert wird:
    Mit Schaudern sah der New Yorker, was er nicht hatte, dass die Stadt nicht etwa eine endlose Kette von Straßenschluchten war, sondern Grenzen hatte. Und mit dieser schrecklichen Gewissheit, dass New York schließlich doch noch eine Stadt und kein Universum ist, brachte das glänzende Gefüge seiner Imagination zu Boden.
    New York, die auch als Gossenstadt bezeichnet wird, ist die Armut vieler Menschen dermaßen hoch, etliche nicht einmal für den Unterhalt ihrer eigenen Kinder aufkommen können. Damit wenigstens Neugeborene  vor Aussetzung bewahrt werden können, hatte man 1894 vor einem Waisenhaus eine Wiege stehen, in der hilflose Mütter ihre Kinder hinein legen konnten... .

    Etwas bedauerlich finde ich an dem Buch, dass an vielen Textstellen die Jahreszahl nicht aufgeführt ist, und man gezwungen ist, Nachschlagewerke zu Rate zu ziehen. 1994 zum Beispiel zählte New York über dreißigtausend Obdachlose, dreizehntausend von ihnen waren Kinder. Der damalige New Yorker Bürgermeister Rudolf Giuliani, der die Stadt von 1994-2001 regierte, brachte Ordnung in die Metropole. Obdachlose, Bettler und Menschen mit Kavaliersdeliktfilm wurden schwer gefahndet. Obdachlose wurden aus der Stadt verdrängt.
    Giuliani war sich darin einig, dass Bagatellevergehen streng verfolgt werden müsste. Bettler in der U-Bahn, Trinker am Straßenrand, Feuerwerkshändler in Chinatown, Kleindealer, Graffitikünstler und T-Shirt-Verkäufer ohne Lizenz machten bittere Zeiten durch. (...)
    New York war von Beginn an die Stadt der Außenseiter. Noch heute trifft man, wenn man an einem strahlenden Tag, wie sie in New York die Regel sind, auf die Straße tritt, die ganze Welt. Es gibt nicht mehr viele Hugenotten, nicht alle Schwarzen auf einen Stammbaum von Sklaven zurück, und die Asiaten und die Latinos haben die Europäer in ihrer Zahl längst übertroffen.
     Mitte des siebzehnten Jahrhundert besetzten die Briten New York, aber sie wurden hier, auch nach einhundertfünfzig Jahren, trotz kultureller Einfluss, niemals heimig. 
    In überpropotionaler Zahl belegten sie die Kerker und Gefängnisse, die Armenhäuser und die Irrenanstalten.
     
     New York zählt auch zu der Stadt mit den meisten Brücken..  
    Sie umfasst zweitausensiebenundzwanzig Brücken über Flüsse und Buchten, von denen der Archipel umgeben ist, über Straßen, Wege und Senken, Brücken für Fußgänger und Züge, für Lastwagen und Autos.
    Dies stelle ich mir sehr schön, vor allem auch die Brücken für Fußgänger. Aber ich kann mir auch vorstellen, dass sich viele Menschen von eine dieser Brücken das Leben nehmen.

    New York City zählte 2005 mehr als 8 Millionen Einwohner und im gesamten Bundesstaat über 22 Millionen. Im New Yorker Einwanderungviertel Queens zählen etwa 160.000 verschiedene Nationalitäten.

    Viele Menschen, und je mehr Menschen die Stadt umfasst, desto größer kann die Einsamkeit sein, fühlten sich in dieser Masse dermaßen verloren:
    Der Schriftsteller William Maxwells bemerkte einmal,  New York könne man auf den Bürgersteigen weinen, in vollkommener Intimität.
    Doch es gab auch Menschen in der Politik, die sich konstruktiv für die Stadt eingesetzt hatten. Robert Moses z.B., Stadtplaner in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts, nutzte die Korruption aus, die in der Verwaltung herrschte, um seine Ideen umzusetzen aber ohne sich persönlich zu bereichern. Auch im sozialen Bereich war er recht aktiv:
    Er ließ Parks bauen, weitere Brücken und Kinderspielplätze. Für all dieses brauchte er, was New York nicht hatte, nämlich Platz. Also verbreiterte Manhattan, indem er der Insel durch Landaufschüttungen einen schmalen Uferstreifen hinzufügte. Auch ließ er Zigtausende Bewohner umsiedeln, vor allem Arme und unter ihnen wiederum vor allem Schwarze und Puertorikaner, die er in neuerrichteten sozialen Wohnbauviertel in Brooklyn und in der Bronx unterbrachte.
    Und nun, noch ein letzter Punkt, der mich interessiert hat, ist, dass New York Mitte des neunzehnten Jahrhunderts als der größte Rindfleischlieferant galt und sowohl die Schlächterei als auch die Fleischverpackung zu dem wichtigsten Wirtschaftszweig zählte. Na, das wundert mich ja nicht bei den Fastfoodketten wie z.B. Mc. Donald, die mittlerweile fast auf der ganzen Welt verbreitet sind.

    Ich hatte mal eine Doku im Fern gesehen, als Tierschützer sich für die richtige Haltung der Zuchttiere einsetzten, und sie auch an die Öffentlichkeit gingen. Diese wurden ziemlich stark gemobbt und man drohte ihnen mit ihrem Leben... .

    1676 wurde das erste öffentliche Schlachthaus in New York gegründet, und hat somit alle privaten Schlachthäuser verdrängt. Private Schlächtereien wurden verboten, da nur noch in gemeindeeigenen Häusern das Schlachten erlaubt war.

    Wenn es nach mir ginge, bräuchten wir gar keine Schlachthäuser mehr. 

    Lueken hat einige Autoren zitiert, die zu New York Werke verfasst hatten. Eines davon besitze ich selbst und habe Lust bekommen, es noch einmal zu lesen:

    Das Fegefeuer der Eitelkeit, geschrieben von Tom Woolfe. Nehme ich mir in meinen Sommerferien vor, da es ein dicker Wälzer ist. 

    _______________
    „Die rechte Vernunft liegt im Herzen“ (Theodor Fontane)

    SuB:

    Amin: Der Klang der Sehnsucht
    Dickens: Schwere Zeiten
    Donoghue: Raum
    Frank: Rücken an Rücken
    Lenz: Die Masken
    Leroux: Das Phantom der Oper
    Manguel: Die Bibliothek bei Nacht
    Mann. T. Erzählungen (1)
    Miin: Madame Mao
    Muawad: Verbrennungen
    Obrecht: Die Tigerfrau
    Osorio: Mein Name ist Luz
    Senger: Kaiserhofstr. 12
    Thackeray: Das Buch der Snobs
    Zweig: Brennendes Geheimnis

    Gelesene Bücher 2012: 45
    Gelesene Bücher 2011: 86



      


    Samstag, 23. Juni 2012

    Verena Lueken / New York

     

    Gebundene Ausgabe: 178 Seiten
    Verlag: Dumont Buchverlag; Auflage: 2 (10. April 2003)
    Sprache: Deutsch
    Früher 19,99 €, neu: 3,99 €
    ISBN-10: 3832178082

     

     

     

     

    Über das Buch

    New York, die Stadt, das Faszinosum in all seinen Spiegelbildern spielt die Hauptfigur in der Reportage der Kulturkorrespondentin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Am Gedächtnis von New York entlang, das von Beginn an die Stadt der Außenseiter war, in der sich die die Welt getroffen hat, schreibt Verena Lueken ihre Reportage, in der der Übergang der vergangenen Monate und ein Stück Stadtgeschichte sich verbinden zum Bild des augenblicklichen Zustands einer Metropole. Was wird die "Hauptstadt der Welt" in der Zukunft sein können? Verena Lueken folgt in New York den Bewegungen der Menschen, in den Straßen, über das Wasser und die Brücken; vor allem aber durch das U-Bahnnetz. Sie folgt den Bewegungen des Mülls der Bewohner dieser Stadt, und das ist neuerdings auch der Abtransport der Millionen Tonnen Schutt von Ground Zero. Und schließlich folgt Verena Lueken den spekulativen Strömen des Geldes im nicht mehr ganz heimlichen neuen Finanz- und Unterhaltungsviertel in Midtown.




    Autorenportrait 
     Verena Lueken wurde 1955 geboren. Sie studierte Soziologie, Filmwissenschaft und Germanistik in Frankfurt am Main und Tanz in Philadelphia und New York. Seit 1991 arbeitet sie als Redakteurin im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, deren NewYorker Kulturkorrespondentin sie seit 1995 ist. Im Jahre 1992 erhielt sie den Internationalen Publizistikpreis. 



    Das Buch habe ich bei Jokers entdeckt und habe es für nur 3,99 € eworben. Wohl noch eine Restauflage, da DUMONT das Buch nicht mehr führt, habe es auch bei anderen Verlagen nicht gefunden.


    Donnerstag, 21. Juni 2012

    Atik Rahimi / Stein der Geduld (1)

     Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre


    Das Buch habe ich nun durch. Ich habe große Hochachtung vor dem männlichen Autor, der für die Frau, in diesem Fall als das schwache und stark benachteiligte Geschlecht, Partei ergriffen hat. Das Buch ist monologisch aufgebaut, was mir ein bisschen zu viel war, da sich viele Gedanken recht oft wiederholt haben. Das mag für die Verarbeitung der Betroffenen wichtig sein aber für mich als Leserin nicht unbedingt notwendig. Ich war recht schnell gesättigt von dem Buch und bin froh, dass ich es jetzt durch habe. Ein paar wenige Textstellen waren für mich nicht wirklich authentisch, s. u. ... .

     Wie ja schon aus dem Klappentext zu entnehmen ist, kümmert sich eine Frau und zweifache Mutter zweier kleiner Mädchen um ihren im Koma gefallenen Ehemann, der im heiligen Krieg angeschossen wurde. ... . Sie versorgt ihn mit Infusionen, bestehend aus einer Wasser-Salz-Zucker- Lösung, die sie selbst zusammenstellt. Die Frau spricht mit ihrem Mann lange Monologe über ihre benachteiligte Situation als Frau. Sie spricht sich aus, parallel dazu spricht sie Gebete nach dem Rosenkranz. Die Familien, die sie längst verlassen haben, da keine Hoffnung besteht, dass der Mann je wieder aus dem Koma erwachen würde und sei ihn  als tot abgeschrieben haben. Sie bekommt Vorwürfe und Schuldzuweisungen für die ausbleibende Genesung zu hören, da ihre Gebete nicht ausreichend und nicht tief genug wären. 

    Sie klagt:"Es ist leicht gesagt, man soll neunundneunzig mal am Tag einen der neunundneunzig Namen Gottes aufsagen… und das neunundneunzig Tage lang! Der Mullah, dieser Schwachkopf, hat keine Ahnung, was es heißt, allein zu sein mit einem Mann, der…", sie findet das Wort nicht oder wagt nicht, es auszusprechen, "…ganz allein zu sein mit zwei kleinen Mädchen!", schimpft sie leise vor sich hin.

    Der komatöse Ehemann ist ihr eine Belastung, besser wäre es für sie gewesen, er wäre gestorben, denn dann hätte sie in ihrer Familie, vielmehr in der Familie ihres Mannes einen Platz bekommen. Nun steht sie da, alleine mit den Kindern, ohne Arbeit und weiß nicht wie es weitergeht.
    Deine Brüder haben uns im Stich gelassen! Die Feiglinge! Sie haben mich nicht mitgenommen, weil du am Leben warst! Wenn…"  Sie schluckte ihren Speichel hinunter, und mit ihm ihre Wut. Etwas weniger erregt fährt sie fort:" wenn du… tot gewesen wärst, hätte die Sache anders ausgesehen… ." Sie bricht den Gedanken ab. Zögert. Nach einem langen Atemzug entschließt sie sich: " Ein inneres Kichern verstellt ihre Stimme . Vielleicht hätten sie lieber gehabt, du wärst tot gewesen."  Sie zittert. "Dann hätten sie mich… ficken können! Mit ruhigem Gewissen." 
    Sie sind zehn Jahre verheiratet gewesen, aber nur drei Jahre haben sie wie Eheleute zusammengelebt. Die anderen sieben Jahre befand sich ihr Mann im heiligen Krieg, der noch immer fortgeführt wird. Sie war sehr jung, als sie ihrem Mann versprochen wurde. Und da er von dem Krieg sobald nicht zurück kam, wurde sie verehelicht mit dem Foto ihres Mannes. Sie beide kannten sich nicht. Als ihr Mann für kurze Zeit von dem Krieg beurlaubt wurde, traf er seine unbekannte Ehefrau bei seinen Eltern vor. Seine Frau musste beaufsichtigt werden. Die eigenen Eltern wurden von den Schwiegereltern abgelöst. In seiner Kriegsabwesenheit idealisierte sie ihren Mann, war stolz darauf, dass er im Namen Allahs kämpfte:
    "Das gab mir Hoffnung, machte mich stolz. In gewisser Weise was dir anwesend. In jedem von uns."
    Solange der Mann abwesend war, musste sie bei ihrer Schwiegermutter im Bett schlafen, die über sie ound über ihre Keuschheit wachte. Nicht nur die anderen fanden das normal, sie selbsts auch, denn
    Zur Zeit meiner Verlobung wusste ich nichts über die Männer. Nichts über das Leben als Paar. Ich kannte meine Eltern. Und was für ein schönes Beispiel?! Mein Vater interessierte sich nur für seine Wachteln, seine Kampfwachteln!
    Als sie klein war, rächte sie sich bei ihrem Vater, da er ihnen mehr Liebe entgegengebrachte als seiner Familie.. Sie nahm die Wachtel aus dem Käfig und warf sie der Katze zum Fraß, die sie tötete und auch verzehrte.
    Der Vater sperrte sie in den Keller für zwei Tage, zusammen mit wilden Katzen... . 

    In dem Buch geht es auch viel um Intimitäten, mit der nicht gespart wird und es mir ein wenig zu viel war, so stark in ihre körperliche Privatsphäre einzudringen, wobei ich mir schon sehr gut vorstellen kann, dass diese Monologe, zu ihrem Mann gesprochen, etwas befreiendes haben kann. 

    Letztendlich hat das Buch nichts Neues gebracht, da wir, die westlichen Länder, sehr gut über die Problemlage der Frau und den Umgang der Religiosität der islamischen Länder von den Medien informiert werden. Vielleicht bin ich aus diesem Grund so schnell müde geworden, allerdings diesmal aus der Sicht einer Betroffenen, die es deutlich macht, wie sehr sie sich als Frau unterdrückt fühlt, und wie sehr sie darunter leidet.

    Ich mache nun hier Schluss und Verweise bei Interesse auf das Buch. 
    __________
    Nicht authentisch waren für mich die Szenen, als Soldaten in die Wohnung der Frau eingebrochen sind, und sie ihrem Mann nochmals in den Kopf geschossen hatten, da sie ihn als Feind verdächtigten, und empört darüber waren, dass dieser Mann sich nicht rührte. Die Frau war nicht anwesend. Nun, das fand ich nicht wirklich glaubhaft. Überhaupt wie die ganze Szene dargestellt wurde, eigentlich recht lächerlich aber ich möchte sie nicht wiedergeben, es hat mir gereicht, sie zu lesen. 
    Merkwürdig fand ich noch, dass die Frau von dem Schuss nichts mitbekam, und als sie das Zimmer des Mannes erneut betreten hatte, hätte sie sehen müssen, dass der Mann einen Kopfschuss erlitt und nun wirklich tot hätte sein müssen. Aber sie behandelt den Mann weiterhin wie einen Komatösen. Normal erschrickt man über den Anblick, vor allem wenn alles mit Blut verschmiert ist. Aber darüber wurde nicht ein Wort verloren... .
    Die nächste Szene, die mir auch nicht glaubwürdig erschien, ist diese Szene mit ihren noch sehr kleinen Kindern, die zwar der Mutter widersprachen, als die Mutter bat, den Vater in seiner Ruhe nicht zu stören. Sie befanden sich weinend in der Wohnung, ohne dass die Mutter sich wirklich um sie gekümmert hat.... .
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    „Die rechte Vernunft liegt im Herzen“ (Theodor Fontane)

    SuB:


    Amin: Der Klang der Sehnsucht
    Dickens: Schwere Zeiten
    Donoghue: Raum
    Frank: Rücken an Rücken
    Lenz: Die Masken
    Leroux: Das Phantom der Oper
    Lueken: New-York
    Manguel: Die Bibliothek bei Nacht
    Mann. T. Erzählungen (1)
    Miin: Madame Mao
    Muawad: Verbrennungen
    Obrecht: Die Tigerfrau
    Osorio: Mein Name ist Luz
    Senger: Kaiserhofstr. 12
    Thackeray: Das Buch der Snobs
    Zweig: Brennendes Geheimnis

     

    Gelesene Bücher 2012: 44
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    Mittwoch, 20. Juni 2012

    Atiq Rahimi / Stein der Geduld

      ISBN-10: 3550087861

      Klappentext

     Ein Mann liegt im Sterben. Seine Frau sitzt bei dem Bewusstlosen und beginnt zu erzählen von Demütigung und Unterdrückung, von alltäglichen Grausamkeiten und vom Drama ihrer Ehe. Die kraftvolle Sprache, die eindrücklichen Bilder wirken wie ein Schrei, der die Stille zerreißt.

    In einem Dorf irgendwo in Afghanistan sitzt eine Frau am Bett ihres schwerverletzten Mannes, der im Koma liegt. Im Zimmer ist es still, draußen hört man Schüsse, die Frau betet. Dann beginnt sie zu reden. Sie erzählt ihm, was sie ihm vorher nie sagen konnte, sie berichtet dem reglos Daliegenden von dem Drama, das die Ehe für sie bedeutet. Wie dem magischen »Stein der Geduld« aus der afghanischen Mythologie vertraut sie ihm ihren Schmerz an und beichtet ein Geheimnis, das sie seit langem bedrückt. Doch auch die Geduld eines Steins ist nicht unendlich. Atiq Rahimi hat ein großes, eindrucksvolles Buch geschrieben, erzählt in einer wunderbar klaren und poetischen Sprache.


    Autorenportrait im Klappentext

    Atiq Rahimi, 1962 in Kabul geboren, studierte Literatur. 1984 floh er nach Frankreich, wo er u. a. als Dokumentarfilmer tätig ist. Sein vielbeachtetes Debüt Erde und Asche wurde 2004 verfilmt, sein dritter Roman Stein der Geduld wurde 2008 mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet und stand in Frankreich monatelang auf der Bestsellerliste.

     Ich habe Glück gehabt, habe bei Jokers noch die gebundene Ausgabe bekommen für 4,99 €, statt ursprünglich 18,00 €. Mittlerweile gibt es das Buch als Taschenbuch für 10,00 € im List-Verlag. Gestern habe ich wieder bis weit in die Nacht reingelesen. Ich finde das Buch ganz gut. 

    Atiq RahimiDes weiteren hat mich der Autor interessiert. Bei ausländischer Literatur ist es für mich total wichtig, dass sie von einem Einheimischen geschrieben ist. Ich mag es nicht, wenn WestlerInnen in andere Länder reisen, und mit ihren Maßstäben dann das fremde Land beurteilen. Sie festigen oftmals nur die Klischees und die Vorurteile, mit denen sie ins Land reisen, die sie  in ihren Büchern festhalten.




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    „Die rechte Vernunft liegt im Herzen“ (Theodor Fontane)

                             SuB:

                            Amin: Der Klang der Sehnsucht
                            Dickens: Schwere Zeiten
                            Donoghue: Raum
                            Frank: Rücken an Rücken
                            Kuan: Die Langnasen
                            Lenz: Die Masken
                            Leroux: Das Phantom der Oper
                            Lueken: New-York
                            Manguel: Die Bibliothek bei Nacht
                            Mann. T. Erzählungen (1)
                            Miin: Madame Mao
                            Muawad: Verbrennungen

                            Obrecht: Die Tigerfrau
                            Osorio: Mein Name ist LuzSenger: Kaiserhofstr. 12
                            Thackeray: Das Buch der Snobs
                            Zweig: Brennendes Geheimnis

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    Montag, 18. Juni 2012

    Erich Maria Remarque / Der schwarze Obelisk (4)

    Vierte und letzte Buchbesprechung zu o. g. Lektüre



    Ich habe das Buch nun durch, aber außer mit dem Ich-Erzähler und der Isabell konnte ich mit den anderen Romanfiguren nicht wirklich warm werden, was ich bei den anderen beiden Werken von Remarque so nicht erlebt habe. In meinem Inneren konnte kein Platz für sie gefunden werden :D. Wahrscheinlich hat das etwas mit dem Thema zu tun, aus der die Figuren stammen. schon allein dieser schwarzen Obelisk schreckt mich ab.
    Isabell ist ja nur der Fantasiename und heißt in der Roman-Wirklichkeit Genevieve Terhoven. Sie ist, nachdem die Ursache ihrer Erkrankung beseitigt wurde, tatsächlich von ihrer Schizophrenie geheilt... . Ludwig Bodem, der in diese junge Frau verliebt war, stimmte die Heilung recht kritisch, da sie nun alle ihre innere Wirklichkeiten mit der Behandlung eingebüßt hat... . Genevieve hatte irgendwie Weitblick. Sie spürte eine familiäre Veränderung, noch ehe sie eingetroffen war. Sie sprach von der Pflicht, recht bals sterben zu müssen, und es stellte sich heraus, dass mit der Heilung Isabell selbst gestorben ist. In ihrer Erkrankung gelangte sie an so viel Weisheit ... . Auch was das Gottesbild betrifft und die momentane politische Lage im Land, als sich Ludwig, der von ihr mit dem Namen Rudolf gerufen wird, mit ihr um das Thema Richtig und Falsch austauscht:

    "Ach Rudolf, nichts ist falsch."
    "Nein?"
    "Natürlich nicht. Falsch und Richtig weiß nur Gott. Wenn er aber Gott ist, gibt es kein Falsch und Richtig. Alles ist Gott. Falsch wäre es nur, wenn es außer ihm wäre. Wenn aber etwas außer oder gegen ihn sein könnte, wäre er nur ein beschränkter Gott. Und ein beschränkter Gott ist kein Gott. Also ist alles richtig, oder es gibt keinen Gott. So einfach ist das."

    Das passt ein wenig zu meiner Sichtweise, dass Gott nicht für die Verbrechen belangt werden kann, die die Menschen verüben. Wenn Menschen Kriege benötigen, weshalb sollte Gott sie daran hindern, dieses Bedürfnis auszuleben, wenn sie daraus eine nützliche Erfahrung ziehen können? Ich weiß, das klingt grotesk… .

    Witzig fand ich, als Isabell erkennt, dass Ludwig gar nicht Rudolf heißt und fragt ihn nach seinem richtigen Namen, er antwortet:

    "Ludwig", sage ich überrascht. Es ist das erste Mal, dass sie mich danach fragt.
    "Ja, Ludwig, bist du deines Namens niemals müde?"
     Ich wäre nie auf die Idee gekommen, den Vornamen, den man ein Leben lang trägt, überdrüssig zu werden. Von der Idee her finde ich es richtig originell, so dass ich mich tatsächlich frage, weshalb sind wir es nicht Leid, immer denselben Vornamen zu tragen? 

    So, ich gehe jetzt über zu einem anderen Zitat, das recht zynisch ist und mich trotzdem amüsiert hat. Es geht um die Zeit, wo sich Hitler in das Land einschleicht und sich die Nazis so langsam herausbilden. Ein neues Deutschlandbild formiert sich langsam. Männer mit kahlen Köpfen, die kommen, um zu philosophieren, nachdem nun die von Gewalt geprägte Kaiserzeit und der Erste Weltkrieg, die Inflation
    überwunden ist. Ludwig Bodmers Eindruck allerdings zu den Kahlköpfen ist ein anderer:
    "Da wirst du ein sehr einsames Leben vor dir haben. Die Zeit sieht nach Schlagen aus."
    Ein Hinweis wohl, auf den zukommenden Nationalsozialismus und den Genozid an Juden, u.a.m.

    Ich möchte noch ein paar wenige Gedanken zu dem schwarzen Obelisk schreiben, zu dem ich mich bis jetzt noch gar nicht geäußert habe, da ich noch nicht richtig sicher war, was er symbolisieren sollte, und, wie oben schon gesagt, ist das Bild für mich recht abschreckend.


    Remarque bezeichnet das deutsche Volk als etwas hochmütig, vernunftbetont und prinzipientreu, ein Volk, das immer im Recht sein muss:

    "Last uns unsere Vernunft feiern, aber nicht zu stolz auf sie sein und ihrer nicht zu sicher! (…) Recht zu haben ist jedes Mal ein Schritt dem Tode näher. Wer immer recht hat, ist ein schwarzer Obelisk geworden! Ein Denkmal!"
    Aus dem Anhang ist zu dem Obelisk zu entnehmen:
    "Der schwarze Obelisk wird im Roman an einer Stelle als der finstere Steinfinger, der aus der Erde in den Himmel zeigt, beschrieben. Ein vielleicht prophetisch zu nennendes Bild Remarques für Interkontinentalraketen mit atomaren Sprengköpfen? Natürlich steht das Symbol des schwarzen Obelisken für vieles und andere mehr, aber vielleicht doch zentral für den fortdauernden, todbringenden Rüstungswahn der Menschheit."

    Ich beende nun hier meine Notizen, da ich nun von dem Buch doch recht gesättigt bin, aber es gibt noch sehr viele bedeutsame Stellen darin, die ich nicht erwähnt habe... . Bitte selber lesen!
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    „Die rechte Vernunft liegt im Herzen“ (Theodor Fontane)

    SuB:

    Amin: Der Klang der Sehnsucht
    Dickens: Schwere Zeiten
    Frank: Rücken an Rücken
    Kuan: Die Langnasen
    Lenz: Die Masken
    Leroux: Das Phantom der Oper
    Lueken: New-York
    Manguel: Die Bibliothek bei Nacht
    Mann. T. Erzählungen (1)
    Miin: Madame Mao
    Muawad: Verbrennungen

    Obrecht: Die Tigerfrau
    Osorio: Mein Name ist Luz
    Rahom: Stein der Geduld
    Senger: Kaiserhofstr. 12
    Thackeray: Das Buch der Snobs
    Zweig: Brennendes Geheimnis

    Gelesene Bücher 2012: 43
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