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Sonntag, 24. Februar 2013

Orhan Pamuk / Das stille Haus (2)

Zweite Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch ist durch die vielen Ich-Erzähler sehr facettenreich, dass ich nicht auf alle Figuren eingehen kann. Wie immer schreibe ich mir meistens die Stellen aus dem Text heraus, die mich tief bewegt haben.

Der Roman befasst sich mit den Jahren 1980 – 1983.

In dem Haus ist es recht still, denn dort lebt nur noch eine Großmutter mit ihrem kleinwüchsigen Stiefsohn namens Recep, der der Hausdiener der alten Dame ist. Fatima ist schon recht alt und hat viele Menschen aus ihrem Familienkreis durch den Tod verloren. Sie hätte fast alle überlebt, wären da nicht noch ihre drei Enkelkinder, die in der Hauptstadt des Landes leben. Die Namen sind Nigül, Faruk und Netim. Netim geht noch zur Schule und verdient sich ein wenig Geld durch die Nachhilfe in Mathe und in Englisch, da er nach der Schule unbedingt nach Amerika möchte, um dort zu studieren. Amerika ist das Land, wo seine Vorbilder leben. Netim und die anderen Figuren idealisieren recht stark die westliche Kultur. Nicht wenige aus den islaminschen u.a. Ländern zog es dort hin, und erlitten dann einen Kulturschock...
Nigül ist schon fertig mit der Schule und studiert an der Universität. Ich habe vergessen, was sie studiert hat. Faruk ist der älteste von den drei Geschwistern. Er ist von seiner Frau geschieden. Angeblich habe die Frau ihn verlassen, weil er nicht so viel Geld besitzen würde. Dies kritisieren die Ich-Erzähler heftigst, dass sich in der Türkei vieles nur noch ums Geld drehen würde.

Die drei Enkelkinder gehen ihre Großmutter besuchen und bleiben dort für acht Tage. Die Großmutter ist ziemlich geschwächt und liegt im Bett. Aber vom Geistigen her ist sie noch rege und fit. Das Haus ist schon recht alt und müsste eigentlich saniert oder abgerissen werden. Deshalb der Titel „Das stille Haus“, weil außer der Großmutter und Recep niemand mehr dort wohnt. Die Enkelkinder haben ihre Eltern verloren, da waren sie noch recht klein. Woran die Eltern gestorben sind, geht aus dem Text nicht hervor, oder ich habe ihn verpasst. Der Mann von Fatma, Selahattin, ist auch schon gestorben und er galt zu Lebzeiten als ein recht angesehener Arzt. Auch arbeitete er an einer Enzyklopädie und bezeichnete sich als Wissenschaftler nach dem Vorbild der westlichen Welt. Die Enzyklopädie ist eher symbolisch gemeint, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass es in der Türkei keine Nachschlagewerke gibt. Wörter und Begriffe werden von Salahattin untersucht, als habe es bisher noch niemand getan. Da die Menschen dort viele Fragen mit Hilfe des Glaubens erklären, beantwortet der Arzt die Fragen ohne den Glauben, aus seiner Sicht rein wissenschaftlich.… .

Seine Frau dagegen lebte noch recht traditionell, so dass die Ehe in ihren Widersprüchen steckte.

Selahattin zählt  auch zu diesen Ich-Erzählern; Fatma erinnert sich, als sie das Haus gebaut hatten, ganz nach Vorbild Europas:
„Hier wird meine Praxis sein, hier das Esszimmer, hier eine Küche nach europäischer Art; jedes Kind bekommt sein eigenes Zimmer, denn jeder soll sich in sein Zimmer zurückziehen und seine eigene Persönlichkeit entwickeln können, ja Fatma, drei Kinder will ich; wie du siehst, lasse ich an den Fenstern keine Holzgitter anbringen wie an den traditionellen Häusern, Frauen sind schließlich keine Tiere, die man einsperrt, wir sind alle frei, wenn du willst, kannst du mich verlassen, wir bringen Fensterläden an, wie drüben in Europa, überhaupt soll es zwischen dort drüben und hier kein Unterschied mehr geben, und wir lassen auch keine Erker bauen, sondern einen Balkon, ein Fenster zur Freiheit, ist das nicht ein schöner Anblick, Istanbul muss dort hinter diesen Wolken sein, fünfzig Kilometer weit weg, gut, dass wir in Gebze aus dem Zug gestiegen sind, die Zeit vergeht schnell, ich glaube sowieso nicht, dass sich die Dummköpfe lange an der Regierung halten, vielleicht werden die Jungtürken gestürzt, bevor unser Haus überhaupt fertig ist, und dann gehen wir sofort nach Istanbul zurück, (…).“ 38f. 

Selahattin bezeichnet die Kultur der Türkei als total rückständig, unreflektiert und unwissenschaftlich und tut alles, um dies in seiner Lebensweise zu ändern:
" (…) ich glaube fest an die Unentbehrlichkeit der Wissenschaft und daran, dass es bei uns deshalb so elend zugeht, weil wir unwissenschaftlich sind, ich habe zutiefst begriffen, dass auch wir eine Renaissance brauchen, ein Neuerwachen der Wissenschaft, Mir steht eine furchtbar große Aufgabe bevor, und ich kann Talat Pasar nur danken, dass er mich in diese trostlose Gegend verbannt hat, denn ohne die Einsamkeit und die vielen Lese-und Mußestunden wäre ich nicht zu diesen Gedanken gelangt und hätte nie die Bedeutung meines geschichtlichen Auftrags erfasst, Fatma, und auch die Gedanken Rousseaus sind Fantasien eines einsamen Spaziergänger auf dem Land, inmitten der Natur, doch wir beide gehen ja zusammen umher (…)". 107 f
Ja, von Roussau habe ich auch eine Biografie gelesen, und sein Standardwerk Emils Erziehung. Es stimmt wohl, die meisten Gedanken entwickelte Rousseau in seiner Einsamkeit, wobei viele seiner Theorien auch recht widersprüchlich waren... . Roussau hatte jede Menge Probleme mit seinem Land, bedingt durch sein Verhalten und seiner Denkweise, so dass er des Landes verwiesen wurde und lebte als Exilant in einem anderen europäischen Land, wie z.B. England.... . Auch hier erfahre ich eine zu starke Idealisierung.

Ich frage mich, was lehren die Universitäten und die Schulen in der Türkei? Es muss doch auch in der Türkei Geschichte und Wissenschaften geben, eine stärkere Abgrenzung zu Glaube und Religion..
Nun folgt ein Gedanke, der mir recht gut gefallen hat:
"Der Himmel ist auch in Frankreich blau, an Feigenbäumen werden auch in New York die Früchte im August reif, und ich schwöre dir, dass aus Hühnereiern in China genauso Küken schlüpfen wie bei uns, und wenn in London Wasserdampf eine Maschine in Bewegung setzt, dann tut er es auch hier, und wenn es in Paris keinen Gott gibt, dann gibt es hier auch keinen Gott, und die Menschen sind überall gleich und eine Republik ist immer das beste und die Wissenschaft steht über allem." (lol), 247
Ein sehr schönes Zitat, doch der Autor hat ganz vergessen, dass Frankreich ein katholisches Land ist. Auch Europa hat seinen Glauben und seine Religionen, nicht jeder Wissenschaftler ist Atheist.  Und nicht jeder Atheist ist Wissenschaftler. Auch in Europa gibt es viele Widersprüche und viele Differenzen. Das wäre ja schlimm, wenn alle Menschen gleich wären.
Auf mich wirkt Selahattins Bild zu Europa ein wenig zu naiv. Zu undifferenziert, nicht nur der Lebensweise der Menschen gegenüber, sondern auch der Wissenschaft. Auch die Wissenschaft ist nicht in der Lage, alle Fragen zu beantworten bzw. alle Rätseln der Welt zu lösen. Dazu ein Zitat von Einstein:
Fantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt. (Zitat aus einer Tageszeitung)
Ich merke gerade, dass mich Fatmas Mann doch am meisten beschäftigt hat und ich überwiegend die Textstellen herausgeschrieben habe, die er gedacht  hat. Natürlich hat er mit seiner Lebensweise seine Enkelkinder auch geprägt, denn sie sind es, die mit diesen vielen Welten in sich leben und auskommen müssen. Bis sich der Wandel vollzogen hat, können Generationen vergehen.

Die junge Studentin Nigül entwickelt sich zu einer Kommunistin. KommunistInnen sind nicht gern gesehen und so wird sie Opfer von körperlicher Gewalt… . Die Gewalt wurde auch noch von einem Jüngling verübt, der in sie verliebt ist. Merkwürdige Form von Liebe… . Daran wird auch deutlich, wie Frauen behandelt werden, die anders zu leben versuchen… . Aber Nigül, das Mädchen von Welt, wirkt ein wenig arrogant, spricht nicht mehr mit den Menschen, mit denen sie einst mal gleichaltrig gespielt hatte. Diese Überheblichkeit reizt ihren Täter maßlos... .

Selahattin versucht Fatma darin zu überzeugen, dass es Gott gar nicht geben kann und ich füge ein letztes Zitat hinzu:
"Du wirst in lautloser Einsamkeit darben, aus der es kein Zurück gibt; deine Leiche wird im kalten Boden faulen, dein Schädel, dein Mund sich wie ein Blumentopf mit Erde füllen, dein Fleisch zerfallen wie getrockneter Dünger, dein Skelett zerbröseln wie Kohlenstaub, und in der Gewissheit, dass dir kein Fünkchen Hoffnung auf eine Rückkehr gegönnt ist, wirst du in einen fürchterlichen Sumpf tauchen, der dich bis zum letzten Härchen zersetzen wird, in ein unerbittliches Nichts, einen eisigen Schlamm, in dem du zu Grunde gehst: verstehst du mich, Fatma?" 507
Der Roman endet mit einer Tragik, und lässt in mir den Eindruck zurück, dass alte Lebensweisen was Politik, Glauben, Familie und Gesellschaft betrifft, immer wieder auf ihr altes Muster zurückfallen. Bemühungen für neue und moderne Lebensperspektiven konnten sich nicht durchsetzen.
Man spürt sehr deutlich diese Zerrissenheit, die Pamuk, der aus einer gebildeten Familie stammt, innerlich durchlebt. Das Buch an sich fand ich nicht schlecht, nur die Art und Weise, wie er die Probleme hat angehen lassen, fand ich arg anstrengend, zumal er sich oft wie in einem Kreis sich drehend wiederholt.

Mich hat das Buch auch ein wenig deprimiert.
Denn auch ein Wissenschaftler weiß noch lange nicht alles, viele weltliche und religiöse Fragen bleiben auch hier oft unbeantwortet.

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„Musik ist eine Weltsprache“
         (Isabel Allende)

Gelesene Bücher 2013: 14
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86

Orhan Pamuk / Das stille Haus (1)

Eine von zwei Buchbesprechungen zur o. g.  Lektüre

Ich habe das Buch als zu pessimistisch erlebt und auch als recht einseitig und anfangs sogar arg verwirrend, was den Ich - Erzähler betrifft. 
Ich bin mit dem Stil des Ich-Erzählers partout nicht klar gekommen, so dass ich im Internet nach Rezis gesucht habe, um mir eine andere Meinung einzuholen und bin bei www.Perlentaucher.de fündig geworden, die mir sehr hilfreich war. Das Buch besteht aus Monologen, die aber immer aus der Perspektive der fünf Protagonisten heraus erzählt werden. Ich hatte diese Erzählform bisher noch nicht erlebt. Diese erfahre ich jetzt zum ersten Mal. Mitten im Satz wechselt der Ich-Erzähler, in dem plötzlich ein anderer aus seiner Lebensperspektive heraus monologisiert, ohne dass man darauf vorbereitet wird und ich gar nicht mehr wusste, wer denn nun erzählt.

Puh, ist das anstrengend gewesen. Bei www.Amazon.de wird die kleinwüchsige Figur Receg als der Ich - Erzähler benannt, was so nicht ganz richtig ist. Ich hatte diese auch erst vermutet, war dann irritiert, als der Ich-Erzähler plötzlich einen anderen Namen trug..

Also, wenn die anderen Bücher von Pamuk so ähnlich aufgebaut sind, dann werde ich kein Fan von Pamuk mehr bleiben. Habe gehört, dass noch andere Bücher von ihm mit ähnlichem Muster geschrieben sind, was ich gar nicht mag, ein Haufen von Gedanken auf mich niederprasseln zu sehen, was mir zu viel ist und fühle mich geradezu wie durch ein Erdbeben von den erdrückenden Gedanken begraben.
Hochgelobt von zwei Pamuk-Leserinnen wurde das Buch Rot ist der Name, wobei ich vermute, dass das auch nicht mein Buch sein wird, da es ähnlich wie das hiesige Buch durch viele Perspektiven geht, und hoffe nicht, dass es auch so monologisch geschrieben ist. 

Das Bild, das die Figuren zur westlichen Welt haben, (oder vielmehr der Autor selbst) fand ich nicht differenziert genug und ein wenig naiv.
Es gibt doch in jeder Kultur auch Positives, Stärken gibt es, selbst in den rückständigsten Staaten dieser Welt. 
In dem Buch wird die Zerrissenheit der Protagonisten deutlich. Zerrissen zwischen Orient und Okzident, zerrissen wischen Ost und West, zerrissen zwischen Tradition und Moderne, zwischen  derTürkei und der EU.

Ich denke schon, dass sehr viele TürkInnen innerlich gespalten sind. Sie werden aus meiner Sicht diese Zerrissenheit erst überwinden, wenn die Türkei endlich in die EU-aufgenommen wird. Ich sehe ja ein, dass das Problem mit der Vertreibung der Kurden ein sehr ernstes ist, mit daran scheitert ja der Eintritt in die EU. Immer wieder wird die Türkei von der EU zurückgewiesen, das nagt sicher am Selbstwert, vor allem, wenn man sich so um Anpassung der Kulturen bemüht ist. Viele TürkInnen aus den Großstädten haben einen Lebenswandel durchzogen und sind von uns Europäern nicht mehr zu unterscheiden.

Auch die Infrastruktur und das Wirtschaftswachstum ist in der Türkei dermaßen fortgeschritten, dass sie sogar EU - Länder wie z.B. Spanien, Portugal und Italien überholt haben. Ich finde schon, dass die Türkei es verdient hat, in die EU aufgenommen zu werden. Vielleicht würde dadurch auch das Kurdenproblem gelöst werden, wenn die EU verstärkt mit draufguckt. Und das Selbstwert der TürkInnen würde steigen.

Ich wünsche dem Land eine Aufnahme in die EU. und dass die Regierung es schafft, das Kurden-Problem human und menschenrechtlich zu lösen.

Da ich nun so viel zu meinen Eindrücken geschrieben habe, werde ich die Textinterpretation im gesonderten Post dranhängen, um eine Überlänge zu vermeiden.
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„Musik ist eine Weltsprache“
         (Isabel Allende)

Gelesene Bücher 2013: 14
Gelesene Bücher 2012: 94
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Montag, 18. Februar 2013

Orhan Pamuk / Das stille Haus


  • Gebunden Mini: 576 Seiten
  • Verlag: Fischer Taschenbuch Verlag; Auflage: 1 (14. Mai 2012)
  • Sprache: Deutsch, 14,00 €
  • ISBN-10: 3596512018



Klappentext

Die Geschwister Faruk, Metin und Nilgün verbringen wie jedes Jahr auch den Sommer 1980 bei ihrer Großmutter am Meer. Jeder kämpft mit seinem Schicksal: Faruk trinkt und trauert seiner geschiedenen Frau hinterher. Metin träumt von einer Zukunft in Amerika. Die Schwester Nilgün taucht in sozialistische Ideen ab. Und die Großmutter hat Angst, dass ans Licht kommt, was sie einst den unehelichen Kindern ihres Mannes angetan hat. Und dann kündigt sich der Militärputsch an. Orhan Pamuk brilliert als Chronist dieser verlorenen Gestalten in einer politisch hoch explosiven Zeit. 


Autorenportrait

Orhan Pamuk, geb. 1952 in Istanbul, studierte Architektur und Journalismus und lebte mehrere Jahre in New York. Für seine Romane erhielt er 1990 den Independent Foreign Fiction Award, 1991 den Prix de la découverte européenne, 2003 der International IMPAC Dublin Literary Award, 2005 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und in demselben Jahr den Ricarda-Huch-Preis, 2006 den Nobelpreis für Literatur und 2007 die Ehrendoktorwürde der FU Berlin als 'Ausnahmeerscheinung der Weltliteratur'.

Von dem Autor habe ich ein Buch mit dem Titel Istanbul gelesen, das mir recht gut gefallen hat und ich Lust bekommen habe, weitere Bücher von dem Autor zu lesen. Es befindet sich noch ein ungelesenes im Regal! 


Montag, 23. Juli 2012

Orhan Pamuk / Istanbul (3)

Dritte von drei Buchbesprechungen zur o. g. Lektüre

In der Autobiografie wechselt des öfteren die Erzählperspektive, zwischen der Kindheit Pamuks, was ich auch toll finde, weil man dadurch mehr über das Zwischenmenschliche erfahren kann, und der Stadtbeschreibung, dass man manchmal den Eindruck bekommt, einen Reisebericht zu lesen. Richtig lustige Szenen werden erzählt und auch der Vater, der über einen antiautoritären Erziehungsstil verfügt, ist mir recht sympathisch durch seine Art, die  ungewöhnlich und nicht alltäglich ist... . Er bezeichnete seine Kinder nicht als seine Söhne, sondern als seine kleinen Brüder :D. Weitere Beispiele wurden im letzten Posting genannt .

Für eine interessante Persönlichkeit aus der Familie halte ich auch Pamuks Großmutter, die es wagte, als junge Frau Lokale zu betreten und Alkohol zu bestellen. Selbst im Alter traf sie sich in einer wohlhabenden Damengesellschaft ein und spielten gemeinsam rauchend leidenschaftlich Poker und konsumierten Schnäpse... :D.

Lustig finde ich auch die Schulszene, wenn sie auch recht ernst ist, und störende Kinder bestraft werden und sich in die Ecke stellen müssen, und dazu noch auf einem Bein :D. Weil das die Aufmerksamkeit der anderen Kinder erregte, weil jeder neugierig wurde, wie lange der Sträfling es auf einem Bein aushalte, wurde diese Maßregel wieder abgeschafft.... .

Dann die sog. lustigen Benimmregeln, die mich recht amüsierten. "Laufen Sie nicht mit offenem Mund durch die Stadt." Diese wurden von Stadtbriefschreiber in der hundertvierzigjährigen Geschichte Istanbuls auf einer Kolumne inseriert.

Der berühmte französische Schriftsteller Victor Hugo soll des öfteren im Obergeschoss eines Pferdeomnibus durch ganz Paris gefahren sein, um seine Landsleute zu beobachten. Gestern haben wir es ihm gleichgetan und dabei feststellen müssen, dass viele Istanbuler auf der Straße dahinmarschieren, ohne auf die anderen die mindeste Rücksicht zu nehmen, dass sie ihre Fahrscheine, ihre Eistüten und ihre Maiskolben einfach auf den Boden werfen, dass die Fußgänger auf der Straße unterwegs sind und die Autos auf den Gehsteigen und dass die Leute nicht aus Armut, sondern aus Dummheit und Faulheit herzlich schlecht gekleidet sind." (1952)
" Wenn wir draußen auf der Straße nicht kreuz und quer herumlaufen würden, wie es uns gerade in den Sinn kommt, sondern uns so, wie es in Europa üblich ist, an die Verkehrsregeln hielten, dann hätten wir nicht ein so furchtbares Durcheinander. Aber da stellt sich schon mal die Frage, wer in dieser Stadt die Verkehrsregeln überhaupt kennt…" (1949) 

Auch hier wieder eine komplette Idealisierung der westlichen Welt, denn auch in Europa gibt es Länder, die keine Verkehrsregeln beachten.

Und nun noch ein ganz lustiges Zitat, klingt für mich ein wenig satirisch:
"Die Saison hat begonnen, und unsere Regenschirme sind auch glücklich aufgegangen, aber können wir damit auch so umgehen, dass sie uns nicht gegenseitig die Augen ausstechen, dass wir nicht wie im Autoscooter permanent aneineinander stoßen und wegen unseres beschränkten Gesichtsfelds den Gehsteig unsicher machen wie Treibminen?" (1953)

Nun habe ich noch etwas mehr zu Flaubert und seine Reise nach Istanbul in Erfahrung bringen können... . Flaubert, der der französischen Gesellschaft überdrüssig war, er verachtete die Spießbürgerlichkeit, den geregelten bürgerlichen Lebensablauf der Franzosen, kam nach Istanbul und hatte Syphilis. Obwohl er diese ansteckende Krankheit mit sich trug, suchte er ein Bordell auf. Da die Mädchen ihm dort nicht anziehend und sauber genug erschienen, bedrängte die Puffmutter ihre eigene Tochter, die sich erst weigerte, mit Flaubert sexuell zu verkehren, so verlangte sie schließlich von ihm, ihr seinen Penis zu zeigen. Um seine Wunde für sich zu behalten, tat er so, als sei er beleidigt, und zog ab. Und so hatte das Mädchen ein richtiges Gespür und ich frage mich, ist das der Flaubert, den ich literarische kenne :D, und der bewusst das Mädchen angesteckt hätte und sie gesundheitlich gefährdete, damit er sein Vergnügen gehabt hätte?... . Dies halte ich schon als äußerst kriminell. Heute kann man dafür belangt werden und ein hohes Schmerzensgeld einklagen... . 

 Flaubert bereiste zudem Kairo, ging in das dortige Krankenhaus, und ließ sich Syphiliskranke zeigen, die vor ihm die Hose runter ließen, weil er die Krankheit, von der er selber betroffen war, studieren wollte... . Ziemlich grotesk, finde ich :D.

 Flaubert war mit dem Ziel in den Orient aufgebrochen, nicht nur schöne Landschaften zu erblicken, sondern auch die Krankheiten und die Seltsamkeiten anderer Leute, doch die eigene Krankheit und Seltsamkeit, die er dabei abbekommen hatte, wollte er keineswegs zur Schau stellen. In dem glänzenden Werk "Orientalist", das man in Istanbul leider nur liest, um im Nationalgefühl zu baden und sich wieder einmal bestätigen zu lassen, wie schön doch der Orient ohne die Europäer wäre, geht Edward Saar liegt sehr einfühlsam auf (…) Flaubert ein und erwähnt die Krankenhausszene in Kairo, nicht aber die ergänzende Begebenheit in dem Bordell in Istanbul. Dabei wurde die Syphilis (die ihren Ursprung anscheinend in Amerika hatte) sowohl von den europäischen Reisenden als auch von den türkischen Nationalisten die" französische" Krankheit genannt, wie man ja Krankheiten überhaupt gerne anderen Zivilisationen anlastet.

Manche Thermen in dem Buch erinnern mich an westliche Autoren. Pamuk kritisierte die reichen Türken, die ohne ihr Zutun einfach reich waren und nicht arbeiten mussten und so ziemlich geistlos lebten. Ich dachte dabei an Marcel Proust, BD 3 "Die Guermantes". Viele Aristokraten, die ihre Zeit mit Gesellschaftgeben und sich über andere das Maul zerrissen und dadurch so viel Zeit verplemperten, und nur wenige zeigten Interesse an höherwertigen Themen, wie z.B. der Kunst. Pamuk sprach von einer inneren Leere jener wohlhabender Leute... . Viele Reiche gingen auch keinem Glauben nach, waren eher bemüht, westlich zu leben, und belustigten sich über die armen Leute, die aufgrund ihres harten Lebens wohl eher auf Gott angewiesen wären. Pamuk hat es so schön beschrieben, dass die Reichen auch die Wahl gehabt hätten, an Gott zu glauben, aber sie brauchten Gott nicht, um gut zu leben :D... . Es gab aber auch Reiche, die total traditionell islamisch lebten, die den Reichtum allerdings anders bewerteten, als die reichen nichtgläubigen Türken... . 

Pamuks Gottesbild ist das einer Frau. Einer älteren Frau im weißen Gewand, deren Gesicht aber nicht deutlich zu sehen ist... . 

Dass ich mein Bild von dem weiß gewandetem, ehrwürdigen Gott nicht weiter entwickelte und in meiner Beziehung zu ihm nicht über ein mit Vorsicht gepaartes Desinteresse hinaus kam, lag sicherlich auch daran, dass niemand zu Hause mir in dieser Hinsicht irgendein Unterweisung gab. Wahrscheinlich wussten sie mir schlicht nichts beizubringen, denn von den Familienmitgliedern sah ich nie jemanden beten oder fasten. Es lebten alle dahin wie die französische Bourgeois, die sich von der Religion zwar weit gehend gelöst haben, aber von einer endgültigen Abrechnung damit dennoch zurückschrecken.

Auch Pamuk machte sich über Gläubige lustig, versuchte als Junge die Haushälterin vom Beten abzuhalten, und als sie ihm drohte, dass seine Finger, mit denen er ihr mitten im Gebet am Kopftuch zog, zu Stein werden ließ, so wagte er es ein weiteres Mal und bekam die Bestätigung über die Nichtexistenz Gottes, da seine Finger so blieben wie sie waren :D.
Solange arme und geplagte Menschen mit ihrem hartnäckigen Bemühen Gott in Erinnerung bringen wollten, dass sie hilfsbedürftig waren, störte mich und meine Familie das nicht weiter, ja wir waren sogar froh, dass sie außer uns noch jemand anderes hatten, auf den sie bauen konnten. Es nagte lediglich die Befürchtung an uns, jener Gott hätte eines Tages von denen, die nicht so waren wie wir, als gegen uns gerichtete Kraft verwenden werden.
Interessant finde ich auch, dass nach dem Zerfall des Osmanischen Reiches Istanbul zwischen zwei Stühlen steht, da das Land sich seit dem in einen "Verwestlichungsprozess" begab, der bis heute noch nicht abgeschlossen ist. Zerrissen zwischen Moderne und Tradition, zwischen Europa und Orient, ist heute noch deutlich zu spüren, wie dies an dem Stadtbild Istanbuls zu sehen ist, wenn man auf deren Gassen flaniert. Gegensätze ohne Ende... . Aber das macht ja das Bild so interessant. Nach sechshundert Jahren islamischer Geschichte ist es nicht zu verwundern, wenn die Türkei in vielen Gebieten noch islamisch geprägt ist, ist ja bei uns ähnlich, da ja viele Christen nach dem rückständigen Mittelalter auch nicht aufgehört haben, sich als Christen zu bezeichnen :D.

Pamuk glaubte nicht an einen strafenden Gott, vor wem er sich mehr fürchtete, waren die strengen Gläubigen, die ihren Zorn auf Menschen wie ihn richteten. 

Ich frage mich auch oft, was ist das für ein Gott, der Menschen so stark maßregeln und bestrafen muss? Ist er, sollte es ihn geben, nicht eher jemand mit unendlicher Güte und Liebe zu charakterisieren? Es sind jene Menschen, die sich nach solch einen strafenden Gott sehnen, weil sie im Grunde Menschen verachten, die anders leben... . 

Politisch herrscht auch in der Türkei die Trennung von Staat und Kirche und so ist Religion Privatsache jedes einzelnen Menschen geworden.
 

Die arabische Schrift abzulegen und zur lateinischen überzuwechseln, finde ich schon ein reisen Sprung... . Um von der westlichen Welt anerkannt zu werden, hatte sogar Atatürk (seit 1922) eine westliche Kleiderordnung vorgeschrieben... . Viele europäische Schriftsteller, besonders Franzosen, würdigten die aus dem Islam geprägten Kleider total herab... .

Pamuk störte sich an den zu hohen Anpassungsdruck:
Wie kommt es, dass die Melancholie und der "hüzün" darüber, dass das Osmanische Reich zerfallen und Istanbul dabei war, seine Seele an den Westen zu verkaufen?
Interessant fand ich das düstere Stadtbild, völlig heruntergekommen und verarmt und trotzdem hat Istanbul ein Gesicht, eine eigene Seele, ein eigenes Leben, wie der Autor sich ausdrückt. Nur wenige Schriftsteller waren aber in der Lage, die Seele der Stadt zu erblicken bzw. diese zu ergründen. Die meisten waren nur außenorientiert, sahen außer der Fassade nichts anderes und desto abwertend fielen dann die Reiseberichte aus... . Mich ziehen ehrlich gesagt solche dunklen Städte und Dörfer total an, weil sie mehr zum Ausdruck bringen als Gegenden, die nur mit Villen bestückt sind und wie geleckt aussehen :D. 

Diese heute größtenteils verschwundene melancholische Baufälligkeit war zu meiner Kindheit schlichtweg die Seele Istanbuls. Dass es aber zu einer "Entdeckung" dieser Seele kam, dass man plötzlich fand, sie sei schön und ein "grundlegendes Merkmal", das vollzog sich auf recht verschlungen Wegen voller Zufälle und Gegenreaktionen.
Franzosen, die recht abfällig und als ein rückständiges Istanbul sich äußerten, obwohl die Stadt schon damals recht vielsprachig und mutlikulturell belebt war, sprachen außer ihrer eigenen Sprache keine andere und weist auf ihren eigenen Nationalismus und auf eine Verherrlichung ihrer eigenen Kultur hin :D . Es ist immer einfach mit den eigenen Maßstäben zu reisen, und den anderen Ländern mit einem gehobenen Zeigefinger zu begegnen. Solche Reisenden sollten besser zu Hause bleiben, da wo es sich doch sowieso besser lebt als anders wo.

Pamuk selbst identifizierte recht stark mit Istanbul, das durch seine Baufälligkeit und seine Düsternis etwas Melancholisches in sich verbarg und klagte über eine innere, seelische Zerrissenheit bei sich selbst und bei der Stadt, die er als nichts Ganzes und nichts Halbes beschreibt. Sie sei nicht mehr orientalisch aber auch nicht westlich. Eine unfertige Stadt, unter der er litt. 
Bei Leuten wie mir, die in Istanbul mit einem Bein in der einen Kultur und mit dem zweiten in einer ganz anderen leben, ist dieser "westliche Beobachter" nicht unbedingt eine echte Person, sondern vielleicht eine Fiktion, ein Traum, eine Selbsttäuschung.
Erst bewunderten die jungen Leute in Istanbul Amerika, aber gleichzeitig wurden sie auch desillusioniert, da die Amerikaner sich durch den Atomkrieg in Hiroshima 1945 und durch den Vietnamkrieg 1968 schuldig machten. Auch hier entsteht eine Zerrissenheit zwischen Idealisierung und Abwertung... .

Ich denke, dass diese Zerrissenheit, unter der Pamuk so sehr leidet, nach sechshundert Jahren Osmanischer Geschichte normal ist. Es benötigt einfach sehr viel Zeit, bis eine neue Verwandlung als Ganzes abgeschlossen ist... .

Aber was heißt schon Verwestlichung? Auch der Westen lebt Multukulti, auch der Westen ist geprägt von verschiedenen Religionen und Nichtgläubigen und so eine einseitige Welt existiert nur in der Vorstellung von Menschen, die Vielfältigkeiten und Differenzen nicht vertragen können... . 
Ich bin  sicher, dass auch der Islam seine Stärken hat. Und dass auch der Islam von einem gütigen Gott spricht... . Es kommt darauf an, welche Dogmen daraus gesponnen werden, und den Menschen starke Vorschriften machen. 

Als eine Tierschützerin muss ich auch dies einbringen:

Auf den Straßen Istanbuls grassierte auch eine Horde von Straßenhunden. Statt diese zu töten wurden sie auf die unbewohnte Insel Sivriada verfrachtet, doch die Hunde fanden immer wieder in die Stadt zurück :D.

Zum Schluss hin ging es nochmals darum, dass Pamuk gespalten war, was seine berufliche Laufbahn betraf. Als großer Melancholischer, wie schon gesagt bezeichnete er die Stadt selbst  auch als melancholisch, als "hüzün", fühlte er sich dadurch immer mehr der Malerei hingezogen. Zum einen wollte er Maler werden, zum anderen sollte er Architektur studieren. Er war zwar schon an der Technischen Universität in Istanbul eingeschrieben, aber er haderte immer wieder mit dem Studium und war oft nah dran abzubrechen. Die Mutter warnte ihren Sohn immer wieder, da in der Türkei Künstler nicht gut angesehen seien, anders in Europa, wo aber auch nur die Besten durchkämen... . Auch die Mutter idealisiert  stark Europa, was bei vielen Türken der Fall war, die bestrebt sind, sich westliche Standards anzueignen. In Europa wird die Kunst zwar geliebt, doch auch dort wollen Eltern, nicht anders wie in der Türkei, dass ihre Sprösslinge etwas Handfestes lernen. 

Aus der weiteren Recherche geht hervor, dass Pamuk das Architekturstudium abgebrochen hat, aber Politikwissenschaften studierte und zum Journalismus überwechselte... . 

So, hier mache ich mal Schluss. Ich möchte nur noch erwähnen, dass ich viele andere Punkte, die auch wichtig waren, aber des Umfanges wegen unerwähnt lassen musste.

Zu Erinnerung: Ich führe keine literaturwissenschaftliche Diskussion, sondern ein Lesetagebuch fragmentarischer Art... . Ich habe von meinen Eindrücken geschrieben, mehr nicht. Ich möchte andere LeserInnen ermutigen, das Buch selbst zu lesen!


Mit dem gelesenen Buch habe ich ein wichtiges Ziel erreicht, in dem es mir die Welt in Istanbul nahe gebracht hat und ich viel von dem Autor Orhan Pamuk lernen durfte. 

Ich freue mich auf ein weiteres Buch von ihm, das noch ungelesen im Regal steht. 
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„Die rechte Vernunft liegt im Herzen“
(Theodor Fontane)

Gelesene Bücher 2012: 53
Gelesene Bücher 2011: 86




Donnerstag, 19. Juli 2012

Orhan Pamuk / Istanbul (2)




  Zweite von drei Buchbesprechungen der o. g. Lektüre


So, habe weitere fünfzig Seiten geschafft, und das Thema fokussiert sich auf die Stadt Istanbul... , wie ja auch aus dem Buchtitel hervorgeht. Interessant finde ich, wie Pamuk die Stadt erlebt hat, und beschreibt sie mit einem Hauch von kafkerischem Ambiente. Er erlebte Istanbul wie in einer schwarz-weißen Facette, dunkel, düster, verfallene Konaks, ermattet, ärmlich und die Menschen hüllten sich größtenteils in dunkle Gewänder... .

Zum einen liegt das Schwarzweiß Gefühl natürlich an der Armut der Stadt und daran, dass ihre historischen Schönheiten nicht herausgeputzt und zur Geltung gebracht werden, sondern unbeachtet verwittern und verfallen. Ein anderer Aspekt ist aber, dass die osmanische Architektur selbst zu Zeiten höchster Prachtentfaltung erstaunlich schlicht war. Dass die Istanbuler mit ihrem Leiden an vergangener Herrlichkeit trotz der geographischen Nähe zu Europa zu einer Art ewiger Armut verdammt sind, als litten sie an einer unheilbaren Krankheit, trägt dazu bei, dass die Stadt so sehr in sich gekehrt ist.

 Interessant fand ich auch zu lesen, dass Gustav Flaubert, der zweihundert Jahre vor Pamuk gelebt hat, mal die Absicht hegte, nach Istanbul zu ziehen... . Istanbul ist schon eine Stadt gewesen mit vielen Sehenswürdigkeiten, aber es wurde nichts dafür getan, diese zu erhalten... . Sie drohte in der Düsternis zu ertrinken... .

Orhan Pamuk / Istanbul (1)




Eine von drei Buchbesprechungen der o. g. Lektüre


Habe jetzt schon ein paar Seiten in der Autobiografie gelesen und sie gefällt mir recht gut und hoffe, dass es auch so bleibt, da ich ja noch über sechshundert Seiten vor mir habe... .

Anfangs geht es um die frühe Kindheit des Autors, der in Istanbul geboren wurde, und er die Stadt als heruntergekommen beschreibt. Zu seiner frühen Kindheit gehörten streitende Eltern, später haben sich die Eltern sogar scheiden lassen, wie aus dem Klappentext hervorgeht, wobei Pamuks Vater ein richtiger Optimist war. Früh vermittelte er seinem jüngeren Sohn das Gefühl, dass "die Welt ein Ort (sei), in der die Menschen kommen, um glücklich zu sein".

Nun ja, wenn ich das Elend in der Welt mir anschaue, die letzte Lektüre hat mich erneut mit der Nase darauf gestoßen, dann kann man schlecht daran glauben, wenn mir auch diese Vorstellung trotzdem mehr als sympathisch ist. In die Welt kommen, um glücklich zu sein, ist aber wie eine Desillusion, wem dieses Glücklichsein nicht gelingt, weil dieser Mensch in einer Hölle geboren wurde.

Zu seiner frühen Kindheit auch die Großfamilie, wobei Pamuk selbst aus eine vierköpfigen wohlhabenden Kleinfamilie stammt, daraus geht auch ein um zwei Jahre älteren Bruder hervor... Die Großfamilie lebte zusammen in einem mehrstöckigen Haus. Auf jeder Etage wohnte eine Familie. Und überall wurden die Wohnzimmer als gleich beschrieben und mit einem Museum verglichen. Porzellan, Zuckerdosen ... füllten reichlich die Schränke, die Wände und auf den Schränken waren jede Menge Familienportraits positioniert und auf jeder Etage befand sich ein bis zwei Klaviere, auf die keiner spielte :D. Das ist ja für mich wie eine Wohnung voller Bücher, die niemand gelesen hat. Aus meiner Sicht ein Verrat an die Bücher, Verrat an die AutorInnen, ein Verrat an die Klaviere, Verrat an die Musik, die nie gespielt wurde... .

Und trotzdem gefällt mir die Art, wie Pamuk dies alles beschreibt. Er erlebte jede Wohnung anders, als betrete er eine völlig andere Welt, ein völlig anderes Land, obwohl sich die Wohnungen, wie schon gesagt, so sehr im Mobiliär und in der gesamten Ausstattung ähnelten. Auch diese Vorstellung, jede Wohnung sei ein anderes Land, finde ich recht sympathisch... .


Orhan Pamuk / Istanbul




  Klappentext

Ein fesselnder Liebesroman mit Istanbul in der Rolle der Geliebten.
Orhan Pamuk ergründet in »Istanbul« die Geheimnisse seiner eigenen Familie und die seiner Kindheit. Er führt uns an berühmte Monumente und die verlorenen Paradiese der sagenumwobenen Stadt, zeigt uns die verfallenden osmanischen Villen, die Wasserstraßen des Bosporus und des Goldenen Horns, die dunklen Gassen der Altstadt. Pamuk verbindet auf eindringliche Weise Schilderungen von Menschen und Orten und setzt allen ein unvergessliches Denkmal.

Autorenportrait

Orhan Pamuk, 1952 in Istanbul geboren, studierte Architektur und Journalismus und lebte mehrere Jahre in New York. Für seine Romane erhielt er 1990 den Independent Foreign Fiction Award, 1991 den Prix de la découverte européenne, 2003 der International IMPAC Dublin Literary Award, 2005 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und in demselben Jahr den Ricarda-Huch-Preis, 2006 den Nobelpreis für Literatur und 2007 die Ehrendoktorwürde der FU Berlin als »Ausnahmeerscheinung der Weltliteratur.«

Der Klappentext hat mich total angesprochen. Entdeckt habe ich das Buch in der genialen Bahnhofsbuchhandlung in Frankfurt Main. Die Buchhandlung dort ist recht gut sortiert, man findet Bücher, die man nicht erst bestellen muss... . Anders als hier in Darmstadt, wo wir doch zwei Riesenbuchhandlungen besitzen wie Hugendubel und Thalia. Trotzdem können sie mit Frankfurt einfach nicht mithalten... .

Das Buch ist eine Autobiografie und freue mich, etwas mehr über die Kultur vor Ort zu erfahren... .

Mittwoch, 4. Juli 2012

Orhan Pamuk / Istanbul (3)



 Dritte Buchbesprechung der o. g. Lektüre





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„Die rechte Vernunft liegt im Herzen“ (Theodor Fontane)


Gelesene Bücher 2012: 53
Gelesene Bücher 2011: 86