Samstag, 8. Juni 2019

Ian McEwan / Maschinen wie ich (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre          

Leider hat mich dieses Buch von McEwan, der eigentlich zu meinen Lieblingsautor*innen zählt, nicht ganz überzeugen können. Deshalb werde ich mich hierzu kurzhalten.

Das Buch ist an sich nicht schlecht geschrieben, nur die Episoden mit dem Roboter Adam gingen nicht an mich. 

Hier geht es zur Buchvorstellung; zum Klappentext, zum Autorenporträt, zu meinen ersten Leseeindrücken und zu den Buchdaten.

Die Handlung
Der Protagonist Charlie Friend, 32 Jahre alt, schafft sich einen humanoiden Roboter der Marke Adam an. Adam ist nicht irgendeine Maschine, denn er besitzt verglichen zu anderen künstlichen Geräten ein Bewusstsein. Adam ist männlich und es gibt dazu einen weiblichen Part namens Eva. Die Käufer dieser menschenähnlichen Maschine können sich aussuchen, ob sie einen Adam oder eine Eva haben möchten. Adam ist in der Lage, sich selbst Energie zuzuführen, in dem er sich mit einem Kabel an die Strombox anschließen kann, wenn sein Akku verbraucht ist. Adam kann aber noch mehr. Er kann Haiku schreiben. Er kann philosophieren und sonst intellektuelle Gespräche führen. Er ist mit einem Silikonchip ausgestattet. Die Maschine kann von seinem Besitzer durch die Festlegung verschiedener Präferenzen so eingestellt werden, dass daraus eine Persönlichkeit entsteht, so, wie der Besitzer sie haben möchte. Die Wissenschaft ist allerdings noch lange nicht fertig. Sie versucht weiterhin, das menschliche Gehirn zu imitieren. Da das menschliche Gehirn nach wie vor Rätsel aufgibt, ist die Imitation nicht einfach nachzubauen... Adam kostete Charlie 86 000 Pfund. Entwickelt wurde diese menschenähnliche Maschine von Alan Turing, größtes Genie des digitalen Zeitalters. Charlie selbst hat ein Buch über die künstliche Intelligenz geschrieben. Durch verschiedene gelesene belletristische Lektüren wie z. B. von Leo Tolstoi und George Orwell begann Charlie, sich für imaginäre Menschen zu interessieren.

Charlie verliebt sich in die junge Studentin Miranda, die zehn Jahre jünger als er selbst ist. Mit der Zeit entwickelt sich zwischen den beiden tatsächlich ein Paar und Charlie erfährt durch Adam, dass Miranda es nicht ernst mit der Beziehung meint und ihn dadurch verraten und betrügen würde. Wie kommt diese Maschine dazu, solche Prognosen zu stellen, fragt sich Charlie?
Aber Adam kann noch mehr. Er kann sich verlieben, er kann Sex haben, denn er hat Gefühle … Nur, wo kommen diese Gefühle her? 

Ein paar Zeilen zu Mirandas Leben. Sie trägt ein tiefes Geheimnis mit sich herum, das sie später Charlie offenbart. Es geht um Peter Corringhe, ein junger Mann, der im Knast sitzt, und der kurz vor der Entlassung steht. Miranda hat es geschafft, ihm ein Sexualverbrechen anzulasten, das er nicht an ihr verübt hat und sie nun Angst hat, er könnte sich nach seiner Entlassung rächen und Miranda töten. Diese Lüge hat etwas mit ihrer besten Freundin Mariam zu tun, ein Mädchen aus pakistanischer Familie …

Des Weiteren gibt es noch den kleinen Mark, der aus einer sozialschwachen Familie stammt und bei dem zusätzlich das Kindeswohl gefährdet ist. Mark ist vier Jahre alt, als Charlie ihn auf dem Spielplatz kennenlernt und beobachtet, wie er von der Mutter hart angepackt wird. Charlie mischt sich ein, zeigt Zivilcourage, ergreift das Wort für das Kind, bis plötzlich der Vater auftaucht, und Charlie fragt, ob er den Kleinen  geschenkt bekommen haben möchte? Die Frage ist kein Witz, sie ist ernst gemeint ...

Weitere Details sind dem Buch zu entnehmen.

Welche Szenen haben mir gar nicht gefallen?
Vorsicht Spoiler
Ich habe nicht verstanden, weshalb Charlie Adam mit einem Hammer zerstört hat. Er hätte es einfacher haben können. Ohne Kraftaufwand. Er hätte Adam, um ihn wieder loszuwerden, einfach das Stromkabel wegnehmen können, sodass er nicht mehr aufladbar wäre.

Welche Szene hat mir besonders gut gefallen?
Die Fürsorge, die man dem kleinen Mark hat entgegenbringen können.

Welche Figur war für mich ein Sympathieträger?
Miranda.

Welche Figur war mir antipathisch?
Marks Eltern.

Meine Identifikationsfigur
Keine
 
Cover und Buchtitel
Fand ich sehr ansprechend, da man den Unterschied zwischen Mensch und Maschine nicht  sehen kann und dies sehr nachdenklich stimmt. Aber wären sie von den Gesichtern her auch nicht zu unterscheiden?

Zum Schreibkonzept
Auf den 404 Seiten ist das Buch in neun Kapiteln gegliedert. Der Schreibstil ist flüssig geschrieben und in der Ichperspektive der Hauptfigur Charlie erzählt. Am Ende gibt es noch eine Danksagung, aus der man entnehmen kann, dass Alan Turing, geboren 1912, eine reale britische Figur ist. Lt. Wikipedia war Turing von Beruf Mathematiker, Kryptonanalytiker, Informatiker und Computerspezialist. Turing starb 1954.

Meine Meinung
Dass diese beiden humanoiden Maschinen mit Adam und Eva betitelt wurden, lässt mich an die Bibel denken. Sind künstliche Menschen wie Adam und Eva die ersten in ihrer Art? Und der Schöpfer der Mensch ist?
Mich stimmt das Buch schon sehr, sehr kritisch. Aber meine Fragen hat sich auch der Autor gestellt. Was machen wir mit unserer Zeit, wenn Maschinen alles menschliche Tun übernehmen? Was machen wir mit unserer an Fülle gewonnen Freizeit? Können wir überhaupt noch existieren, wenn Maschinen uns ersetzen? Wer finanziert sie? Wer kann sie sich leisten, wenn durch ihren Einsatz Arbeitsplätze abgebaut werden? Ohne Arbeit lassen sich dann auch keine kostenpflichtigen Freizeitvergnügungen nachgehen, es sei denn, man besitzt Vermögen. Um Charlies Vermögen kümmert sich Adam, der an die Börse geht. Ich stelle mir vor, dass alle Roboter erfolgreich an die Börse gehen, das wäre der reinste Kollaps ... 

Auf die Forderung, humanoiden Robotern Menschlichkeit zuzusprechen, weil sie Bewusstheit und Gefühle hätten und weil sie von echten Menschen nicht mehr zu unterscheiden wären, kann ich mir gar nicht vorstellen. Diese Forderung kann ich absolut nicht verstehen. Wir schaffen es nicht einmal, Tieren eine Persönlichkeit zuzusprechen, obwohl mittlerweile naturwissenschaftlich bewiesen ist, dass auch Tiere Gefühle haben, dass auch Tiere intelligente Wesen sind, und wollen wir tatsächlich diese computergesteuerten Monster zu Persönlichkeiten machen?
Alan Turing, der Vater dieser Roboter, geht noch weiter, er hofft sogar, dass man Menschen, die im Besitz dieser Maschinen sind, und ihren Roboter aus den verschiedensten Gründen zerstören, man ihnen sogar eine Straftat anlasten müsse. Eine Zerstörung wäre mit einem Mord gleichgesetzt.

Mein Fazit
Für mich liest sich das Buch wie eine Dystopie, auch wenn es darin nicht ganz so heftig zugeht. Mir ist die Ernsthaftigkeit dieser Thematik bewusst, aber ich hoffe, diese Zeiten nicht erleben zu müssen, wenn Maschinen uns Menschen regieren. Keine Ehrenkriege mehr? Keine Religionskriege mehr? Ich spinne mal den Gedanken weiter fort. Ich kann mir vorstellen, dass es aber Kriege zwischen den Menschen und den Maschinen geben wird. Der Mensch als Gott und Schöpfer? Am Ende schafft er sich selber ab.

Weil mich das Buch nicht ganz überzeugt hat, bekommt es elf von zwölf Punkten.

Meine Bewertung

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
1 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein

Auch wenn das Buch eine gute Bewertung von mir erhalten hat, hat es mir nicht ganz gefallen, wie ich eingangs oben geschrieben habe. Die Thematik hat mich nicht ganz überzeugen können.

Elf von zwölf Punkten.

Hier wird das Buch auch auf Whatchareadin in der Leserunde gelesen. 

Vielen herzlichen Dank an den Diogenes Verlag für das Bereitstellen des Leseexemplars. 

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