Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre
Gelesene Bücher2018: 20
Ich bin durch mit dem Thriller. Nun bin ich doch
noch auf meine Kosten gekommen. Mir hat das Buch gut gefallen, aber ich würde
es kein zweites Mal lesen, da ich keine Krimi/Thriller-Leserin bin.
Die Handlung
Es geht um den elfjährigen Jungen namens Fumihiro
Kuki, dessen Mutter nach seiner Geburt gestorben ist. Fumihiro wird in eine
reiche Familie geboren, die politisch und gesellschaftlich sehr mächtig ist. Fumihiro hat noch fünf Geschwister, die alle wesentlich älter sind als er. Es gibt Brüder, die vom Altersunterschied seine Väter hätten sein können. Brüder, die er noch nie gesehen hat. Der eigentliche Vater namens Shozo Kuki zeugte mit über 60 Jahren noch ein Kind mit einer bestimmten Intention, ein
Geschwür in die Welt zu setzen. Dieses Kind, Fumihiro, soll zu einem Geschwür
heranwachsen. Es bekommt keine Liebe und keine Achtung zugeteilt. Diese Art von
Erziehung folgt einer Familientradition, und bedeutet, die Welt ins Unglück zu stürzen.
Der Vater von Fumihiro, am 18.05.1915 geboren, wurde selbst zwecks eines Geschwürs gezeugt.
Ein Kind, das eine negative Kraft sein und überall Unglück säen sollte. Es sollte Menschen das Leben zur Hölle machen, sodass sie am Ende glaubten, das Leben hätte keinen Sinn. Und die Saat fiel auf fruchtbaren Boden. Auf dem Sterbebett (…) hätte sich der alte Mann nicht mehr vor dem Tod gefürchtet. Er sei zuversichtlich gewesen, dass die vom Geschwür unglücklich befallenen Menschen ihrerseits Unglück verbreiten, und sich immer mehr Geschwüre bilden würden, wie endlos überquellender Schaum. (2018,10f)
Der Alptraum von der Hölle sollte für Fumihiro mit 14
Jahren beginnen. Er bekommt eine wunderschöne Adoptivschwester namens Kaori, die
im selben Alter ist wie er. Der Vater hat Pläne mit diesem Mädchen. Er will die
beiden Kinder voneinander abhängig machen.
Diese Kinder fühlen sich mit der Zeit sexuell zueinander
hingezogen und so beginnen sie im pubertären Alter erste sexuelle Spiele. Auch dies
gehört zu den Plänen des Vaters. Eines Tages, als Kaori geschlechtsreif wird, vergewaltigt
der Vater das Mädchen erst passiv, dann später aktiv. Passiv bedeutet, Kaori
musste sich vor dem alten Mann ausziehen und sich in Pose geben ...
Hier beginnt die Hölle für beide Kinder, aus der Fumihiro
ausbrechen möchte. Er will seinen Vater rächen und hegt Tötungsabsichten.
Mittlerweile befindet er sich kurz vor seinem 14. Geburtstag, und die Hölle hat
mit diesen Missbräuchen schon begonnen. Kairo zieht sich von dem Jungen zurück, sie
versucht auf ihre Weise, mit den sexuellen Missbräuchen fertig zu werden ...
Fumihiro setzt sein Tötungsdelikt um. Er sperrt den
Vater in den Keller ein, doch auch dies zählt zu dem Plan des Vaters. Er
scheint alles vorkalkuliert zu haben. Auch diesen Mord. Der Vater wusste, dass
er von dem kleinen Sohn getötet wird. Er hätte es verhindern können, was er
nicht tat. Im Gegenteil. In der Tasche trug der Vater noch Gift mit sich, falls
der Tod durch Hunger und Durst nicht schnell genug eintreffen würde.
Vater tot, doch im Hintergrund werden weiter die
Fäden gesponnen. Die Familie Kuki ist eine Dynastie, die so viel
Macht hat, dass man sie schwer zu fassen bekommt. Mit dem passiven Mord an dem Vater wird der Junge seines Lebens nicht mehr froh. Er leidet unter Alpträumen
und wird immer wieder in den Sog dieser destruktiven Mächte gezogen. Er
verliert Kaori aus den Augen …
Als Fumihiro erwachsen ist, möchte er aus dieser
Familiendynastie ausbrechen und sucht einen plastischen Chirurgen auf, der ihm operativ kunstvoll ein neues Gesicht zaubert. Und somit beginnt Fumihiro ein Leben mit einer fremden
Identität namens Shintani.
Im Laufe der Jahre wird er erneut mit Kaori und mit
dem Bösen konfrontiert. Trotz neuer Identität wird Fumihiro sein Geschwür nicht
los, und wird von einem der älteren Brüder, die einen Detektiven auf ihn gesetzt haben, gezwungen, ihnen Kaori auszuliefern, obwohl er noch immer den Beschützerinstikt
Kaori gegenüber hat. Das Böse gegenüber seiner Familie? Oder gegenüber Kaori?
Am Ende des Buches erfährt man zusammen mit Fumihiro, weshalb sein Vater war, wie er war.
Mehr möchte ich nicht verraten.
Zum Schreibkonzept
Auf den 347 Seiten hat man es mit vier Teilen zu
tun, die in mehreren Kapiteln unterteilt sind. Gegenwart und Vergangenheit
wechseln sich ab. Der Protagonist Fumihiro Kuki ist der Icherzähler. Man kommt
gut in die Geschichte rein, da sie flüssig geschrieben ist.
Meine Meinung
Mich wundert, dass der kleine Fumihiro an dieser
Lieblosigkeit nicht schon als Kind verzweifelt ist. Der Vater ließ dem Kind
nicht einmal Körperkontakt zukommen. Fumihiro erinnerte sich nur an einen
Körperkontakt mit seinem Vater, als er zwei Jahre alt war. Er spielte auf dem
Boden, als der Vater ihn mit dem Fuß zur Seite getreten hat, als wäre das Kind irgendein Insekt. Wie konnte dieses Kind so ganz ohne Liebe überleben? Villeicht sind es die Dienstboten gewesen, die ihm die Liebe schenkten.
Ich erinnere mich an eine psychologische Studie mit
Säuglingen. Ein Säugling davon wurde gepflegt und gestillt und anschließend
schlafen gelegt. Es fand kein weiterer Kontakt statt. Ein anderer Säugling bekam
die gleiche Behandlung, es wurde aber getragen, und körperlich und verbal geliebkost.
Während dieser Säugling durch die Pflege und die Liebe am Leben blieb, starb
der andere Säugling an der Lieblosigkeit.
Mich hat das Buch aus diesem Grund nicht richtig
überzeugen können. Auch der Vater, der von einem Kind sich in den Keller hat
einschließen lassen, fand ich merkwürdig.
Das Böse und dieses Geschwür, das sind Metaphern. Auf den folgenden Seiten wird dies deutlich, wie sich Gewalt in der
Welt breitmacht. Wie schnell Menschen sich untereinander bekriegen und wie
schnell Länder gegeneinander Kriege führen. Diese Metapher fand ich schön,
trifft auch voll den Kern. Länder sind politisch verstritten, Journalisten
machen Schlagzeilen, teilen die Welt in Gut und Böse ein, und nur wenige durchschauen
dies.
Warum konnte die simplifizierte Logik vom sogenannten >Krieg gegen den Terror< sich ungeachtet aller Kritik durchsetzen und zum alles dominierenden Thema werden? Warum ändert sich die Beliebtheit eines Politikers nur aufgrund von Fernsehbildern? Warum wurde in Japan das kaltherzige Wort >Eigenverantwortung< plötzlich so beliebt, als im Irak drei Japaner verschleppt und als Geiseln gehalten wurden? Warum reagiert die Öffentlichkeit so stark auf plakative Bilder, statt sich mit der komplexen Realität der Ereignisse auseinanderzusetzen?
Die Antwort ist einfach: Weil die Leute beschäftigt sind. Natürlich gibt es auch andere Gründe. Aber dies ist der Hauptgrund. Sie sind beschäftigt mit ihrem Alltag, ihren Sorgen, ihrer Arbeit, ihrer Suche nach dem Glück. (…) Wer macht sich die Mühe, die Wahrheit hinter all den Nachrichten zu ergründen, mit denen wir täglich gefüttert werden? Wenn ein vermeintlicher Verbrecher als Monster bezeichnet wird, wer hat das Herz zu fragen, ob das >Monster< in Wahrheit nicht vielleicht ein unschuldiger Mensch ist? (…)
Stell dir vor, eine Rakete würde auf Japan abgefeuert werden. Die öffentliche Meinung würde sich schlagartig ändern, die pazifistische Verfassung von einem Tag auf den anderen ihre Gültigkeit verlieren. Mit der Zahl der Toten und dem Leid der Familien, über die pausenlos berichtet wird, steigert sich sowohl das Mitgefühl gegenüber den Opfern als auch der Hass gegenüber dem Feind im Norden ins Unendliche. Wenn Menschen glauben, die haben einen guten Grund, dann bricht es aus ihnen heraus wie aus einem Vulkan, maßlos, hemmungslos, als wäre es ihr heiliges Recht, mit tausendfacher Gewalt zu antworten. Das ist der grundlegende Mechanismus, nach dem Kriege funktionieren. (283f)
Dies ist ein langes Zitat, aber ich musste es
herausschreiben, weil es zu unserer derzeitigen kritischen politischen Weltlage
passt. Und auch damit ich nicht alleine bin, mit diesen Ansichten. Mir ist
bewusst, dass die Medien uns mit Schwarz/Weiß-Bildern vollstopfen, die Welt in Gut und Böse einteilen. Und ich
besitze auch kein Nationalbewusstsein. Mitleid habe ich mit allen Menschen
dieser Erde, die durch Kriege u. a. Böses erfahren, nicht erst, wenn Menschen
meines sogenannten Landes angegriffen werden.
Cover und Buchtitel
Das Cover und den Buchtitel finde ich wunderschön. Ist der Vogel ein Aasfresser?
Mein Fazit?
Ganz klar, ein lesenswertes Buch. Vor allem für KrimileserInnen.
Meine Bewertung?
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe
Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere 1 Punkte: Authentizität der Geschichte 2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt 2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein
|
Elf von zwölf Punkten
Weitere Informationen zu dem Buch
Ein großes Dankeschön an den Verlag für das Leseexemplar.
· Gebundene Ausgabe: 352 Seiten
· Verlag: Diogenes; Auflage: 1 (28. Februar 2018)
· Sprache: Deutsch
· ISBN-10: 3257070217
_______________
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86