Samstag, 18. August 2012

Hans Fallada / Wolf unter Wölfen (7)



Siebte und letzte Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

(Seite 1100 - 1235)

Ich habe es nun geschafft, dieses Mammutwerk bis zum Ende durchgehalten zu haben. Ich bin eher Bücher gewöhnt von einem Seitenumfang bis maximal achthundert Seiten, der Durchschnitt liegt aber bei dreihundert bis sechshundert Seiten. Bei den dickeren Büchern ist es manchmal recht ungewiss, ob man auch wirklich diese Ausdauer hat. Es gibt Bücher, die fangen recht spannend an, und zur Mitte hin stellt sich´s anders heraus. Ich breche ungern ein Buch ab, deshalb hebe ich mir die wirklich dicken Bücher immer für meine Urlaubszeit auf. Nun befinden sich noch zwei weitere Bücher, die über tausend Seiten dick sind, in meinem Regal. Eines davon lese ich in meinem nächsten Urlaub, der im Dezember sein wird. 

Fallada gehört ja nun nicht zu den AutorInnen, die viel schreiben, ohne am Schluss wirklich etwas gesagt zu haben.

Für dieses Buch habe ich zehn Tage gebraucht... . 

Nun komme ich zu meiner letzten Buchbesprechung. 

Aus meiner Sicht ist es Wolfgang Pagel, der für mich der wirkliche Held des Romans ist. Womit ich gar nicht gerechnet habe, da er schließlich Wolfgang heißt, und in dem Buch erfährt der Name abgekürzt Wolf eine gewisse Entwertung, auf das ich nun zu sprechen komme. Hi, hoffentlich fühlen sich nun alle Wolfgangs auf dieser Welt nicht auf den Schlips getreten :D. Brauchen sie nicht, da nicht jeder Wolf mit seinem Rudel zieht, seine Opfer sucht und diese zerreißt ... . Wobei der Wolf in dem Buch nicht das Bild eines echten Wolfes entspricht, denn der echte Wolf tötet nur, um zu fressen, und nicht der Todeslust wegen. Nein, es gibt auch andere Wölfe, jemand wie Wolfgang Pagel... , der sich aus dem Rudel schleicht und aufhört, Opfer zu verschlingen, obwohl er satt ist... . 

Nun, da ich mich doch schon mittendrin befinde, was die Begriffsdefinition Wolf betrifft, denn schließlich heißt ja der Roman Wolf unter Wölfen und ich mich bisher noch gar nicht über den Titel ausgelassen habe, hole ich das jetzt nach. Dafür trage ich jetzt auch umso dicker auf :D und unterstreiche das Obengesagte nochmals mit einem Zitat, als es um einen Diener des Hauses Prackwitz geht, der ´sich als hinterhältig und gefährlich erwies, da er sich an die junge Violet heranmachte und sie kriminalistisch behandelte. Aber der Diner ist ja nur einer von vielen, die gut in diese Zeit (1923) reinpassten:

Das ist ein Scheusal, ein Wolf, der mordet, nicht um zu fressen, sondern um zu morden! (…) Vorbei die holde Lüge, die uns so gut schmeckt, vorübergewählt die zärtliche Gestalt der Liebe - Mensch gegen Mensch, Wolf unter Wölfen, musst du dich entscheiden, wenn du dich vor dir selbst behaupten willst-!

Eine jener Figur in dem Buch ist sich ihrer Verbrechen bewusst, sie sich aber so wohl fühlt, dass sie keinerlei Bereitschaft aufbringen möchte dies zu verhindern. Die Rede ist von Negermeier, eine Romanfigur, über die ich mich noch gar nicht ausgelassen habe. Das ist auch gar nicht so wichtig, denn dieser Negermeyer ist auch nur ein Symbol und steht stellvertretend für einen bestimmten Schlag von Mensch. Der Erzähler gibt seine Eindrücke zu diesem Menschen wieder und zitiert ihn:

Aber in seiner Brust scheint nur noch Platz zu sein für diese elende Unruhe, ein weiches, verdammtes Gefühl -: oh, so schwach, (...)! Nein, ich schwöre, ich will mich nicht bessern, ich will mich nicht ändern! Ich war gerade so richtig, wie ich war, mit Zähnen zum Beißen, Wolf unter Wölfen-! 

Wolfgang Pagel fand ich eigentlich die interessanteste Figur in dem Buch, aber da ich nicht so viel verraten möchte, drücke ich mich nur oberflächlich aus. Er hat viel durchgemacht und ist auch einer von den wenigen, der durch diese schwere politische Zeit so geprägt war, aber sein Wesen trotzdem positiv verändert wurde. Nicht so wie bei den anderen, bei denen die Charakterschwächen sich eher durch die schweren Zeiten noch verstärkt haben. Wobei ich Wolfgang Pagel niemals als wirklich fies oder bösartig empfunden habe. Von Anfang an nicht, er hatte eher einen weichen Kern, deshalb passte der Name Wolf nicht wirklich zu Ihm. Er ist ein junger Mensch gewesen, der selbst erst mal Lebenserfahrungen sammeln musste, um sein wahres Wesen zu festigen. Auf den letzten zweihundert Seiten liest sich der Roman wie ein Krimi, in dem Wolfgang Pagel keine untergeordnete Rolle mehr spielt. Er tritt aus dem Hintergrund wieder hervor, als eine wichtige Hauptfigur. Aber es hat ihm auch viel Kraft gekostet, die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg als Mensch und nicht als Wolf zu überstehen:

Entmutigt setzte er sich auf einen Strohballen, plötzlich völlig, grenzenlos entmutigt. Es ist oft so, dass ein Mensch viele harte Dinge eine lange Zeit hindurch mutig erträgt, plötzlich wirft ihn dann eine Kleinigkeit um. Pagel hatte mit unveränderter Freundlichkeit viel Schweres in den letzten Wochen ertragen, aber der Gedanke, dass er vom Morgengrauen bis in die Nacht hinein herumlief, tätig war und dass doch Nachlässigkeit, Liederlichkeit, Faulheit zunahmen, der Gedanke, dass fünfzehn Schaufeln, Spaten und Forken in dieser Nacht Rost ansetzen würden, warf ihn um.

Was die Inflation betrifft, so nahmen die Zahlen horrible Formen an, kaum vorzustellen, dass die Menschen plötzlich alle Millionäre wurden und dennoch waren die Millionäre bitterarm. Ziemlich grotesk. Die Menschen konnten mit dem Geld nichts anfangen, und auf ihren Arbeitsstätten bevorzugten sie ihren Arbeitslohn umgewandelt in Naturalien, damit sie wenigstens etwas zu Essen hatten. Doch auch dies erwies sich als schwierig, da die Lebensmittel knapp waren und nicht für alle ausreichten.  Der Dollar stieg immer mehr, nahm astronomische Zahlen an:

Die Zahlen wachsen - das Elend wächst auch. (…) Jetzt sollen bald die Billionenscheine kommen-tausend Milliarden - höher geht's dann nicht mehr!

Höher geht's dann nicht mehr, das ist die Hoffnung vieler Menschen gewesen, doch Pagel ist da ganz anderer Meinung:

"Es gibt nämlich, weiß ich noch von der Schule her, Billiarden, und Trillionen und Quadrillionen und… ."

Zum Ende des Romans hin waren die Verläufe recht angenehm, d.h. der Roman endet optimistisch aber keinesfalls kitschig. Es bestätigt meinen Eindruck, den ich von Fallada habe, dass er sehr gut die Missstände seiner Zeit aufzudecken in der Lage war, aber er tat es, ohne seinen Glauben an den Menschen zu verlieren.

Hier mache ich nun Schluss. Das Kapitel mit Violet war recht spannend, auch was der weitere Lebensweg von Petra Ledig betrifft halte ich mich bedeckt, so wie auch was die  Entwicklungen der anderen Persönlichkeiten und der anderen Themen in dem Buch betreffen.

Spannend fand ich zum Schluss auch die Charakterzüge und Entwicklung von Violets Mutter. Der Rittmeister durchlief am Ende den  bestmöglichen Ausgang... .

Wie hat mir das Buch gefallen? Ich fand es sehr interessant, denn anders als in einem Geschichtsbuch habe ich bei Fallda das Gefühl gehabt, in das Buch gestiegen zu sein und mir die  Inflation erfahrbar gemacht zu haben. Das Schöne an einem Buch aber ist, die Gewissheit zu haben, dass die  Zustände bald aufhören werden, spätestens mit der letzten Seite des Buches... . Ich habe zehn Tage lang die Inflation erlebt... . Aber das Buch hat mich nicht sooo gefesselt, wie mich seine anderen Bände gefesselt haben. Manche Szenen hat er nicht wirklich gut herausgearbeitet, und ich erkläre es mir aber dadurch, dass er das Thema in dem Buch sehr umfangreich behandelt hat..., wovor ich allerdings dann doch große Hochachtung habe... . 

Ich gebe dem Buch acht von zehn Punkten. Acht und nicht mehr, aus oben besagten Gründen. Acht und nicht weniger, da es keine schwarz-weiß-Verläufe gab und die Charaktere recht differenziert beschrieben wurden, was die Qualität eines wirklich guten Buches ausmacht. 

Das nächste Buch, das ich mir in ein paar Wochen von Fallada vornehmen werde, ist der Band Der Trinker. Es geht wohl um ein Sanatorium, in dem psychisch kranke Menschen untergebracht sind, und sie es schwer haben, dort wieder herauszukommen. Das Buch beinhaltet autobiografisches Material aus der Zeit von 1944. Hitler lässt hier grüßen, der für menschliche Schwächen alles andere als Toleranz und Verständnis zeigte.  

Fallada war ja selbst alkoholabhängig... . 

Ich bin sicher, dass dieses Buch mich wieder richtig fesseln wird. :-).

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„Die rechte Vernunft liegt im Herzen“ (Theodor Fontane)

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