VIERTE UND LETZTE BUCHBESPRECHUNG ZUR O. G. LEKTÜRE
(VON S. 399 - 584)
Ich habe ein passendes Bild gefunden zum Inhalt des Buches. Oder besser
gesagt, was die Wetterthematik zwischen Max und Liesel betrifft, (s. dritte
Buchbspr.).
Es gibt wirklich viele Helden in dem Buch. Liesel, Hans Hubermann und seine
Frau Rosa, Rudi Steiner, Max, dessen Familienname ich mir einfach nicht merken
konnte, und die Bürgermeistersfrau Ilsa Hermann. Sie sind für mich alle
Helden... . Werde mich aber dazu nicht ausführlich äußern... .
Interessant ist auch der Erzähler, den ich bisher auch noch unerwähnt gelassen hatte. Der Erzähler ist eine Personifizierung zu etwas, das allgegenwärtig ist und überall lauert... . Er stirbt erst aus, wenn es keine Lebewesen mehr gibt. Er bewundert die Menschen, die genug Verstand hätten, um zu sterben. Mehr verrate ich nicht.
Interessant ist auch der Erzähler, den ich bisher auch noch unerwähnt gelassen hatte. Der Erzähler ist eine Personifizierung zu etwas, das allgegenwärtig ist und überall lauert... . Er stirbt erst aus, wenn es keine Lebewesen mehr gibt. Er bewundert die Menschen, die genug Verstand hätten, um zu sterben. Mehr verrate ich nicht.
Beginnen möchte ich jetzt nochmals mit Ilsa Hermann, die in ihrer
Bibliothek für Liesel einen Brief hinterlassen hat, aus dem hervorgeht, dass
nach dem ersten Einbruch ihre Fußspuren sie verraten hatten. Es folgt ein
kleiner Ausschnitt aus dem Brief:
Ich war froh, dass du dir genommen hast, was ohnehin dir gehört. Dann begann ich einen Fehler. Ich dachte, es wäre zu Ende.Als du zurückkamst, hätte ich wütend sein sollen, aber ich war es nicht. Das letzte Mal konnte ich dich hören, aber ich beschloss, Dich in Ruhe zu lassen. Du nahmst Dir jedes Mal nur ein Buch, und es wird tausend Besuche dauern, bis sie alle weg sind. Ich hoffe nur, dass du eines Tages an die Haustür klopfen wirst und das Haus auf anständige Weise betreten wirst.
Selbst Rudi ist nun dahinter gekommen, dass es wohl Absicht war, dass Ilsa
Hermann das Fenster zur Bibliothek extra für ihre heimliche Freundin offen hat
stehen lassen:
"Du bist gar kein Diebin. (…) Die Frau lässt dich herein. Sie stellt dir sogar Plätzchen hin, Himmel nochmal. Das kann man doch wohl kaum Stehlen nennen. Stehlen, das ist, was die Wehrmacht tut.. Nimm zum Beispiel dein Vater, und meinen." (…) Er trat gegen einen Stein, der metallisch klingt und gegen ein Tor prallte. Rudi ging schneller. "All diese reichen Nazis da oben, in der großen Straße, in der Gelbstraße, in der Heidestraße."
Mit der Gelbstraße waren wohl die Juden gemeint, die von den Nazis
eingenommen wurden, und die Heidestraße, na, das kann man sich wohl denken.
Es ist Fliegeralarm, und alle aus der Himmelsstraße, das sind auch
die Hubermanns rennen in den Luftschutzkeller bei den Fiedlers, außer
natürlich Max, der im Keller der Hubermanns zurückbleiben musste, was sehr das
Gewissen der Hubermanns belastete. (Immer sind es die falschen, die unter
Schuldgefühlen leiden).
Max nutzt die Gelegenheit, um aus dem Keller rauszukommen, und sich
nach langer, langer Zeit mal wieder die Gestirne am Firmament zu betrachten,
über die er schließlich schrieb:
Von einem Fenster in der Himmelsstraße auf, (...) setzten die Sterne meine Augen in Brand.
Die Menschen in den Luftschutzkellern waren voller Ängste, hielten sich an
den Händen, viele waren untröstlich, bis schließlich Liesel ihr Buch auspackte
und anfing, vorzulesen.
Sie wagte nicht auf aufschauen, aber sie fühlte die verängstigten Augen, die an ihr hingen, während sie die Worte ein- und ausatmete. Eine Stimme spielte in ihrem Innern die Noten. Dies, so sagte die Stimme, ist dein Akkordeon.Das reißen der Seite, die umgeblättert wurde, schnitten sie in Stücke.Liesel las weiter.Etwa zwanzig Minuten lang verschenkte sie die Geschichte. Die kleinen Kinder wurden ruhig beim Klang ihrer Stimme, und alle anderen sahen Bilder vom Pfeifer vor sich, der vom Tatort floh. Liesel nicht. Die Bücherdiebin sah nur den Mechanismus der Worte- ihre Körper, die auf dem Papier Lagen, niedergeschlagen, damit sie darüber geben konnte. (…)
Beim nächsten Fliegerangriff hielten sich die Leute stundenlang im
Luftschutzkeller auf. Liesel las ihnen über fünfzig Seiten aus ihrem Buch vor.
Für viele war dies die seelische Rettung, nicht ständig an die
existentielle Bedrohung zu denken.
Dann gibt es noch eine Nachbarin von Hubermanns, deren beide Söhne sich im
Krieg befanden. Der eine wurde tödlich verwundet, ihm wurden beide Beine
wegbombadiert und die Mutter gerät in eine seelische Starre. Viele Nachbarn,
vor allem die Hubermanns, versuchten sie zu stärken, als schließlich auch der
heimgekehrte zweite Sohn in eine Krise verfällt, weil die trauernde Mutter ihn
als zurückgekehrten Sohn nicht ausreichend gebührte und weil er bei dem Hinfall
seines Bruders durch die Bomardements anwesend war. Er stellte sich
wiederholt die Frage, weshalb er überlebt hat und nicht sein Bruder?
Auch Liesel stellt Fragen:
Wie tröstet man einen Menschen, der so etwas gesehen hatte? Sollte man ihnen sagen, dass der Führer stolz auf ihn war, dass der Führer ihn liebte für das, was er in Stalingrad getan hatte? Wie hätte man das je wagen können? Man konnte nur ihm das Reden überlassen.
Der überlebende Sohn kommt von seinen Schuldgefühlen nicht los, zeigt sich
bekümmert darüber, dass die Mutter sich aus dem Schock nicht erholt, ihn als
Trost zu begreifen, dass wenigstens er am Leben geblieben ist. Seine
Schuldgefühle sind so gewaltig, dass er sich schließlich das Leben
nahm, und "weil er hatte leben wollen."
Ziemlich makaber dieses Zitat und in dem Buch wimmelt es nur von solchen
Sätzen..., wie z.B. die Schneeflocken verbrannten ihr die Arme... .
Und merkwürdig, dass immer die Falschen Schuldgefühle entwickeln, andere
müssten daran ersticken, ohne selbst an sich Hand anlegen zu müssen.
Liesel trauert um ein paar ihrer Freunde, um Rudis Vater, der eingezogen
war und vor allem um Max, ich aber nicht verraten möchte, was aus Max
geworden ist. Sie betet an eine höhere Macht:
Macht mich nicht glücklich. Bitte erfüllt mich nicht. Lasst mich nicht glauben, dass aus all dem etwas Gutes entstehen kann. Schaut euch meine Wunden an. Seht ihr diesen Schnitt? Seht ihr den Schnitt in meinem Innern? Seht ihr, wie er vor euren Augen wächst und mich auswäscht? Ich werde auf nichts mehr hoffen. Ich will nicht beten, dass Max am Leben und in Sicherheit ist. Oder Alex Steiner.Denn die Welt verdient sie nicht.
Liesel befindet sich wieder in der Bibliothek von Frau Hermann. Und diesmal
hat sie gar nicht vor, schnell wieder zu verschwinden, sondern macht es sich
auf dem Boden gemütlich, als sie sich wieder ein Buch aus dem Regal genommen
hat:
Sie riss eine Seite aus dem Buch und zerpflückt sie.dann ein Kapitel.Schon bald lagen zwischen ihren Beinen und um sie herum Wortfetzen. Warte. Warum musste es sie geben? ohne sie wäre nichts hiervon wirklich. Ohne Worte wäre der Führer ein Niemand. Es würde keine humpelnden Gefangenen geben, keinen Grund für Trost oder weltliche Raffinessen, auf dass es uns wieder besser gehe.Wozu waren die Worte gut?Dann sagte sie es laut, in dem orange glühenden Raum." Wozu sind Worte gut?"
Liesel schreibt Frau Hermann einen Brief, der so bewegend ist, dass ich
auch hier einen kleinen Auszug davon festhalten möchte:
Liebe Frau Hermann,
Wie Sie sehen, war ich wieder in ihrer Bibliothek und habe eines ihrer Bücher kaputtgemacht. Ich war einfach so wütend und so verängstigt, und ich wollte die Worte zum Schweigen bringen. Ich habe von Ihnen gestohlen, und jetzt habe ich ihr Eigentum zerstört. Es tut mir leid. Als Strafe für mich selbst habe ich beschlossen, nicht wieder herzukommen. Aber ist das überhaupt eine Strafe? Ich liebe diesen Ort, und ich hasse ihn auch, weil er voller Worte ist.
Auf die Reaktion von Frau Hermann war ich recht neugierig, aber ich hatte
es im Blut, dass sie außergewöhnlich darauf reagieren würde, dass ich ein wenig
neidisch wurde, solch einen Menschen niemals kennen gelernt zu haben. Aber das
stimmt ja so nicht, denn ich habe Frau Hermann doch kennenlernen dürfen, auch
wenn sie nur eine Literaturfigur ist, ich aber sicher bin, dass der Autor eine
bestimmte Person in seinem Kopf hielt, die es einmal gegeben haben muss, was
sich auch aus dem Anhang vermuten lässt. Auch ihre Worte haben mich tief
berührt, als sie mit einer kleinen Überraschung vor Liesels Haustüre steht:
" (…) ich dachte, dass du, wenn du meine Bücher nicht mehr lesen möchtest, vielleicht selbst eines schreiben willst. Dein Brief war…". Sie überreichte Liesel das schwarze Buch mit beiden Händen." Du kannst schreiben. Du kannst gut schreiben." Das Buch war schwer, der Einband matt (...) . Und bitte (...)" bestrafe dich nicht selbst wie du in deinem Brief geschrieben hast. Werde nicht so wie ich, Liesel."
Frau Hermann war für mich eine bemerkenswerte Person. Eingenlicht war sie
Anhängerin des Nationalsozialismus, auf ihren Klamotten trug sie überall Hakenkreuze
aber sie hatte auch eine andere Seite, eine gute Seite, die verschüttet war und
die sie durch Liesel wohl wieder wach bekommen hat. Vor ihrer Haustüre stehend
war sie schön gekleidet und die Kleider besaßen keine Hakenkreuze mehr.
Der Autor zeigt uns keine Menschen, die nur gut oder nur böse sind.
Nein, alle hatten eine dunkle Seite, dunkle Flecken in der Seele, die man sich
nicht erklären kann, aber die überwunden werden wollten, von Menschen, bei
denen das Gute überwiegte.
Ich habe zu Liesels Pflegemutter noch gar nichts geschrieben. Rosa
Hubermann, auch eine bemerkenswerte Person, deren Wortlaute aus vielen
Schipfwörtern bestand, aber trotzdem voller (mütterliche) Liebe war. Eine kurze
Charakterisierung durch den Erzähler zu Rosa Hubermann:
Wenn sie mich gesehen hätte, hätte sie mich vermutlich "Saukerl" genannt, und ich hätte es ihr nicht übel genommen. Später, nachdem ich Die Bücherdiebin gelesen hatte, wusste ich, dass sie jeden so nannte. "Saukerl". "Saumensch". Besonders diejenigen, die sie liebte. (...) Ihr elastisches Haar war gelöst. Es rieb gegen das Kissen, und ihr Schrankförmiger Körper hatte sich mit dem Schlag ihres Herzens sich erhoben. Und seid versichert, diese Frau hatte tatsächlich ein Herz, und zwar ein größeres, als die meisten Leute vermutet hätten. Da war eine Menge drin, aufgestapelt, meterhoch auf verborgenen Regalen. (...) Sie war die Frau, die einen Juden durchgefüttert hatte, ohne auch nur eine einzige Frage zu stellen, nicht in der ersten Nacht und auch nicht danach. Und sie war eine Frau, die mit ausgestrecktem Arm tief in eine Matratze hineingegriffen hatte, um einem jungen Mädchen ein Skizzenbuch zu geben.
Weiß jemand, warum die Konzentrationslager Konzentrationslager hießen? Nun,
die Juden gingen nach Dachau, um sich zu konzentrieren.. . (Schwarzer Humor des
Autors).
Ich beende hiermit meine Buchbesprechung und muss sagen, dass mir alle
Personen, die Helden dieses Buches, mir sehr ans Herz gewachsen sind. Sie sind
mir große Vorbilder... .
Dem Buch gebe ich zehn von zehn Punkten, weil es reich an Fantasie ist, der
Ausdruck zwar einfach aber trotzdem niveauvoll, und weil die Geschichte, der
Nationalsozialismus, authentisch widergespiegelt wurde.
Anmerkung d. Autorin: Der Fettdruck in den Zitaten ist durch mich hervorgehoben worden.
Anmerkung d. Autorin: Der Fettdruck in den Zitaten ist durch mich hervorgehoben worden.
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„Die rechte Vernunft liegt im Herzen“ (Theodor Fontane)
Gelesene Bücher 2012: 59
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