Fischer TB-ISBN 978-3-596-51135-8 |
Eine Novelle von vierundvierzig Seiten!
Ja, mir hat sie gut gefallen, wobei mir der Anfang und der Schluss nicht wirklich realistisch erschienen sind.
Der Protagonist der Erzählung ist der dreißigjährige Johannes
Friedemann, Sohn der Konsulin Friedemann, Vater Konsul verstarb
durch eine schwere Krankheit kurz nach seiner Geburt. Als Säugling von
einem Monat fiel J. Friedemann vom Wickeltisch, weil niemand nach ihm
schaute. Er befand sich alleine im Raum, obwohl er noch zwei ältere
Schwestern besaß Und ebenso die
Amme war zugegen, aber auch sie verletzte ihre Aufsichtspflicht, da sie wohl mit anderen Dingen beschäftigt war. Der Amme galt der alleinige Vorwurf nach Meinung der Konsulin..
Im Alter von einundzwanzig Jahren verstarb seine Mutter.
Friedemann war gezeichnet und von Trauer, von einer tiefen inneren Trauer... .
Seine beiden großen Schwestern waren nicht besonders hübsch, auch
besaßen sie kein großes Vermögen und hatten sonst keine anderen
weiblichen Reize, so dass sie ehelos blieben. Der Erzähler gebraucht den
Begriff "hässlich". Die Schwestern seien recht hässlich.
Friedemann war auch nicht besonders hübsch, ebenso im Knabenalter. (Die Details dazu bitte selber nachlesen.), wobei ich nicht weiß, ob das der Grund sein muss, partnerlos zu bleiben. Menschen besitzen eine Aura, Charme, etc. mit denen man vor anderen Menschen brillieren und Sympathien erwecken kann, selbst wenn man nicht dem Schönheitsideal entspricht. Schönheit / Hässlichkeit sind relative Bezeichnungen und Menschen sind recht oberflächlich, wenn sie andere nur nach Aussehen und Vermögen beurteilen. Demgegenüber scheint der Erzähler auch ein wenig Wert auf das Schönheitsideal zu legen :D.
Friedemann war auch nicht besonders hübsch, ebenso im Knabenalter. (Die Details dazu bitte selber nachlesen.), wobei ich nicht weiß, ob das der Grund sein muss, partnerlos zu bleiben. Menschen besitzen eine Aura, Charme, etc. mit denen man vor anderen Menschen brillieren und Sympathien erwecken kann, selbst wenn man nicht dem Schönheitsideal entspricht. Schönheit / Hässlichkeit sind relative Bezeichnungen und Menschen sind recht oberflächlich, wenn sie andere nur nach Aussehen und Vermögen beurteilen. Demgegenüber scheint der Erzähler auch ein wenig Wert auf das Schönheitsideal zu legen :D.
Wenn ein Säugling vom Wickeltisch fällt, stirbt man da nicht? Frage, Frage, Frage ... .
Freidemann lebte eher zurückgezogen, auch als Kind vermied er
Einladungen. Meist trug er schon im jungen Alter so etwas wie eine
Trauermiene. lief auch recht gekrümmt, dadurch dass er oft den Kopf nach
unten trug... . Er kränkelte auch immerzu... .
Sein Kopf saß tiefer als je zwischen den Schultern , seine Hände zitterten, und ein starker, stechender Schmerz stieg ihm aus der Brust in den Hals hinauf. Aber er würgte ihn hinunter, und richtete sich entschlossen auf, so gut er das vermochte. "Gut", sagte er zu sich, "das ist zu Ende. Ich will mich niemals um das alles bekümmern. Den anderen gewährt es Glück und Freude, mir aber vermag es immer Gram und Leid zu bringen. Ich bin fertig damit. Es ist für mich abgetan. Nie wieder".
Friedemann geht einem musischen Hobby nach, er spielt Violine, aber ich
habe immer den Eindruck, dass er über das Gewöhnliche nicht
hinauszukommen versucht. Ob das das Hobby ist oder berufliche
Leistungen.
Nach der Schule, er war siebzehn Jahre alt, ging er in die Kaufmannslehre
und ging einem geregelten Lebensablauf nach. Auch hier war kaum
Tiefgang zu spüren.
Als seine Mutter starb, verlor er sich wieder in seinem Pathos, was
eigentlich auch verständlich ist, aber Friedemann ging mit Schmerzen
nochmals anders um als andere:
Das war ein großer Schmerz für Johannes Friedemann, den er sich lange bewahrte. Er genoss ihn, diesen Schmerz, ergab sich ihm hin, wie man sich einem großen Glücke hingibt, er pflegte ihn mit tausend Kindheitserinnerungen und bedeutete ihm aus als sein erstes starkes Erlebnis.
Der Erzähler hat aber keinerlei Verständnis für den armen Herrn Friedemann, und bringt das Beispiel eines Naturschauspiels, dass ein Spaziergang zur Frühlingszeit draußen in den Anlagen vor der Stadt, der Duft einer Blume, der Gesang eines Vogels - ob man für solche Dinge nicht dankbar sein konnte?
Der Erzähler vergleicht ihn mit einem Epikuräer. So richtig gut kenne
ich mich mit Epikur nicht aus, aber ich erinnere mich, dass es etwas mit
Selbstgenügsamkeit zu tun hat und dass Menschen, sowohl im ideellen als
auch materiellen Sinne, die nicht viel besitzen, die Kunst erwerben
könnten, sich auch an Wenigem zu freuen.
Der mangelnde Ehrgeiz Friedemanns würde dazu passen.
Friedemann liebte nicht nur die Musik, sondern er liebte auch das Theater, das er regelmäßig besuchte.
Eines Tages lernt er die hinzugezogenen Herr und Frau Oberstleutnant von
Rinnlingen kennen. Frau Rinnlingen zeigt sich Friedemann sehr
zugewandt. Es knüpft sich eine recht interessante aber fragwürdige
Beziehungen zwischen den beiden. Doch auch in dieser Kontaktknüpfung
macht Friedemann eher einen Schritt nach vorne und zwei wieder zurück.
Obwohl er sich in Frau Rinnlingen verliebt hat, gibt er sich recht
hilflos wie ein Kind. Und doch gibt er sich schließlich nach langem hin
und her einen Stoß und suchte die Lady zu Hause auf.
Friedemann habe ich sehr schnell durchschaut aber Frau von Rinnlingen
war mir ein wenig rätselhaft, denn einerseits versuchte sie
Friedemann zu verführen und andererseits kam es mir so vor, als würde
sie mit ihm ihre Spielchen treiben. Als Frau von Rinnlingen vorgibt,
sich für Friedemanns Schwächeleien zu interessierten, ich gehe mal davon
aus, dass es eher Neugierde als echte Anteilnahme war, da Friedemann,
wie oben schon gesagt, von seinem Auftreten her sich wie ein Bündel
Elend zeigte, und das reizt Frau Rinnlingen, ihn zu provozieren. Sie
nimmt ihn irgendwie auf die Schippe, nach dem Friedemann ihr von seinem
Gesundheitszustand Bericht erstattet hatte:
"Auch ich bin viel krank", fuhr sie fort, ohne die Augen von ihm abzuwenden;" aber niemand merkt es. Ich bin nervös und kenne die merkwürdigsten Zustände."
Auf den folgenden Seiten kann man entnehmen, dass in den verschiedenen
anderen Szenen Frau von Rinnlingen recht kalte Blicke auf ihn wirft.
Nach einer gesellschaftlichen Veranstaltung der Rinnlingen, an der auch
Friedemann teilnahm, fühlte er sich alles andere als wohl. Seine Gefühle
zu dieser Frau nehmen immer mehr zu, je mehr sie sich für sein Leid zu
interessieren zeigt:
Müde und abgehetzt er sich fühlte, und wie doch alles in ihm in qualvollem Aufruhr war! War es nicht das Beste, noch einmal um sich zu blicken und dann hinunter in das stille Wasser zu gehen, um nach einem kurzen Leiden befreit und hinüber gerettet zu sein in die Ruhe? Ach, Ruhe, Ruhe war es ja, was er wollte! Aber nicht die Ruhe im leeren und tauben Nichts, sondern ein sanft besonderer Friede, erfüllt von gutem, stillen Gedanken.
Eigentlich sehnt er sich nach dem Tod, aber nach einem ganz besonderen
Tod, an stillen Gedanken hängen zu dürfen, drückt doch auch ein wenig
das Bedürfnis nach Leben aus. Denken bedeutet ja auch Leben…
Die beiden treffen sich an einem Tag und Frau von Rinnlingen gibt sich
Friedemann gegenüber, was seine Leiden betreffen, weiterhin recht
interessiert:
"Seit wann haben sie ihre Gebrechen, Herr Friedemann?" fragte sie. " Sind Sie damit geboren?"
Er schluckt hinunter, denn die Kehle war ihm wie zugeschnürt. Dann antwortete er leise und artig:
" Nein, gnädige Frau. Als kleines Kind ließ man mich zu Boden fallen; daher stammt es."
"Und wie alt sind Sie nun?" Fragte sie weiter.
"Dreißig Jahre, gnädige Frau."
" Dreißig Jahre", wiederholte sie. " Und Sie waren nicht glücklich, diese dreißig Jahre?"
(...)
Nun kommt die Wende, als Friedemann sich ihr ganz in Selbstmitleid
auflöst, seinen Kopf jammernd in ihren Schoß legt, so lässt daraufhin
die vornehme Dame Friedemann fallen, indem sie ihn sogar noch zum Boden
hin, Richtung Fluss, stößt:
Und dann, plötzlich, mit einem Ruck, mit einem kurzen, stolzen, verächtlichen Lachen hatte sie ihre Hände seinen heißen Fingern entrissen, hatte ihn am Arm gepackt, ihn seitwärts vollends zu Boden geschleudert, war aufgesprungen und in der Allee verschwunden.
Er lag da, das Gesicht in Graß, bereut, ist außer sich, und ein Zucken lief jeden Augenblick durch seinen Körper. Er raffte sich auf, tat zwei Schritte und stürzte wieder zu Boden. Er lag am Wasser.-
Was geht eigentlich in ihm vor, bei dem, was nun geschah? Vielleicht war es dieser wollüstuge Hass, den er gefunden hatte, wenn sie ihn mit ihrem Blick gedemütigte, der jetzt, wo er, behandelt von ihr wie ein Hund, am Boden lag, in eine ihr sinnige Wut aussagte, die er betätigen musste, sei es auch gegen sich selbst… ein Ekel vielleicht vor sich selbst, der ihn mit einem Durst erfüllte, sich zu vernichten, sich in Stücke zu reißen, sich auszulöschen…
Mir kamen heute noch Gedanken, dass Friedemann zu einer reifen Liebe
gar nicht fähig war, denn sonst hätte er sich eine Frau gesucht, die
noch ungebunden wäre, und in der Bindung der Austausch beidseitig wäre.
Doch für solche Bindungen war seine Seele nicht wirklich reif genug. Für
ihn war die vornehme Frau Rinnlingen unbewusst ein Mutterersatz. Je
mehr diese Frau sich für seine Leiden interessierte, desto stärker
fühlte er sich ihr emotional hingezogen. Und dass Frau Rinnlingen ihn so
fallen lässt, ist eine unbewusste Reaktion, ihn durch´s Fallenlassen
wachzurütteln. Man hat das ja im Leben oft, dass Menschen, die sich nach
außen hin wie arme, hilflose Opfer geben, von anderen gerne geneckt und
provoziert werden. Opfer suchen sich ihre Täter - im schlimmsten Fall
sind solche Menschen empfänglich für jegliche Form von Gewalt. Die Welt
ist ja so böse, und ich armer Friedemann bin von ihr immer so schlecht
behandelt worden.
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"Die rechte Vernunft kommt aus dem Herzen ." (T. Fontane)
UB:
"Die rechte Vernunft kommt aus dem Herzen ." (T. Fontane)
UB:
Dickens: Schwere Zeiten
Kuan: Die Langnasen
Lenz: Die Masken
Leroux: Das Phantom der Oper
Lueken: New-York
Manguel: Die Bibliothek bei Nacht
Mann. T. Erzählungen (1)
Miin: Madame Mao
Muawad: Verbrennungen
Osorio: Mein Name ist Luz
Proust: Sodom und Gomorrha
Remarque: Der schwarze Obelisk
Senger: Kaiserhofstr. 12
Thackeray: Das Buch der Snobs
Zweig: Brennendes Geheimnis
Gelesene Bücher 2012: 36