Montag, 21. Mai 2012

Theodor Fontane / Der Stechlin 6



Fischer TB / ISBN-10: 3596901154
Selbst die Sprache darf sich in Stechlin nicht verändern. Ein kleiner Gedankenaustausch über Bücher zwischen dem Baron Dubslav und seinem Diener Engelke, da Dubslav, der gerade die Zeitung liest, sich nicht befriedigt sieht und verlangt nach Literatur:

"Ach, Engelke, die Zeitung ist soweit ganz gut; nur so für den ganzen Tag ist sie doch zu wenig. Du könntest mir lieber ein Buch bringen."
"Was für eines?"
" Ist egal."
" Da liegt es noch, das kleine gelbe Buch >Keine Lupine mehr!<"
" Nein, nein; nicht so was. Lupine, davon habe ich schon so viele gelesen; das wechselt in einem fort, und eins ist so dumm wie das andere. (…) Bringe mir lieber einen Roman; früher in meiner Jugend sagte man Schmöker. Ja, damals waren alle Wörter viel besser als jetzt. " weißt du noch, wie ich mir in dem Jahre, wo ich Zivil wurde, den ersten Schniepel machen ließ? Schniepel is auch so´n Wort und doch wahrhaftig besser als Frack. Schmiepel hat so was Fideles: Einsegnung, Hochzeit, Kindtaufe."
"Gott, gnädiger Herr, immer ist es doch auch nicht so. Die meisten Schniepel sind doch, wenn einer begraben wird."
"Richtig, Engelke,. Wenn einer begraben wird. Das is´n guter Einfall von dir. Früher würd ich gesagt haben > zeitgemäß< ; jetzt sagt man > opportun< . Hast du schon mal davon gehört?"

Wenn man bedenkt, dass Diener Enelke noch nie eine Schule besucht hat, wirken seine Gedanken und Ideen weitaus differenzierter.

In dem Buch passiert eigentlich recht wenig und das ist es gerade, was mich ein arg ermüden lässt. Ja, mittlerweile ist Woldemar mit der Komtesse zwar verheiratet, hat doch nicht die Gräfin genommen wie ich vermutet hatte. Aber ansonsten ist das Buch geprägt von vielen, vielen Gesprächen über Politik und Gesellschaft, doch auch diese Gespräche sind nicht immer gehaltvoll, meist besteht der Inhalt aus Tratsch und Klatsch, hauptsächlich auch unter Männern, die ihren Art anders ausschmücken als es vielfach Frauen tun. Die männlichen Diskutanten besetzen ihren Tratsch mit politischen und gesellschaftlichen Themen. Kulturen aus anderen Ländern, sowie auch aus anderen Bundesländern innerhalb von Deutschland, werden miteinander verglichen und bewertet was gut und schlecht ist. Recht gut schneidet Süddeutschland ab, wenn auch in einem abwertenden Unterton:

"Eine nette, reizende Dame, die aus Bayern kommt, glaubt eigentlich gar nichts und generiert sich dabei streng katholisch. Das klingt widersinnig und ist doch richtig und reizend zugleich. All die Süddeutschen sind überhaupt viel netter als wir, und die nette, weil die natürlichsten, sind die Bayern."

Wenn ein Chinese zum Christen wird, so ist das ganz normal, aber nicht umgedreht, dass ein Christ Chinese wird. Die Engländer haben auch schlecht abgeschnitten, da es dort gefährlich lebt, ähnlich wie in Italien, in dem man schnell einen Messerstichweg hat. Sie sprechen natürlich auch von Sehenswürdigkeiten, machen aber nichts Besonderes daraus, denn Kunst und Meisterwerke gäbe es überall, sowie auch Kirchen und dergleichen. Demnach sind die Diskutanten mehr auf das Sensationelle fokussiert, wie zum Beispiel die Messerstiche.

Ein kurzer Ausschnitt aus dem Gespräch zwischen zwei weiteren Diskutanten, Rex und Czako soll hier noch festgehalten werden, speziell was das Tratschen betrifft:

Czako:" Ja, Rex, das sagen Sie so spöttisch und überheblich, weil Sie glauben, Klatschen sei was Inferiores und für mich gerade gut genug. Aber da machen Sie meiner Meinung nach einem doppelten Fehler. Denn erstlich ist Klatschen überhaupt nicht inferior, und zweitens klatschen sie gerade so gern wie ich und vielleicht noch ein bisschen lieber. Sie bleiben so immer etwas steifer dabei, lehnen meine Frivolität und zunächst ab, warten aber eigentlich darauf."

Zwischendrin wird auch über die große Langeweile geklagt, und es mich auch nicht verwundert, wenn Menschen nach solch einer Art zu Leben gedenken, in der Veränderungen nicht erwünscht sind. Und ich denke, das ist auch der Grund, weshalb auch viel geklatscht wird. Es ist die pure Langeweile:

Im übrigen, wie es damit auch sei, mein Sinn ist nun mal auf das Sensationelle gerichtet. Unser Leben verläuft, offen gestanden, etwas durchschnittsmäßig, also langweilig, und weil dem so ist, setzt ich getrost hinzu: > Gott sei Dank, dass es Skandale gibt.

Heute Abend schreibe ich meine Abschlussgedanken, da ich heute das Buch heute noch beenden werde.

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"Die rechte Vernunft kommt aus dem Herzen." (T. Fontane)

UB:

Dickens: Schwere Zeiten
Fallada: Damals bei uns daheim
Fontane: Der Stechling
Kuan: Die Langnasen
Lenz: Die Masken
Leroux: Das Phantom der Oper
Lueken: New-York
Manguel: Die Bibliothek bei Nacht
Mann. T. Erzählungen (1)
Miin: Madame Mao
Muawad: Verbrennungen
Proust: Sodom und Gomorrha
Senger: Kaiserhofstr. 12
Thackeray: Das Buch der Snobs
Zweig: Brennendes Geheimnis

 

Gelesene Bücher 2012: 34