Montag, 22. Juli 2013

Der große Gatsby / F. Scott Fitzgerald (1)

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Eine Buchbesprechung der o. g. Lektüre

Zu dem Buch gibt es aus meiner Sicht nicht viel zu sagen, werde mich daher kurz halten. Die Details sind dem Buch zu entnehmen. Es gibt Bücher, zu denen ich total viel Lust verspüre, über den Inhalt zu schreiben. Bei dem vorliegenden Buch fehlt mir diese Lust. Sicherlich liegt es an diesen oberflächlichen Menschen, die mich nicht sonderlich angezogen haben. Mir fehlt in dem Buch jegliche Weisheit.

Nun im Groben; es geht um eine amerikanische wohlhabende, oberflächliche und versnobte Gesellschaft auf Long Island. Der Roman spielt im Jahre 1922.
Der Ich-Erzähler Nick Graway befasst sich aus seiner Perspektive mit dem Leben und Ansichten des Protagonisten namens Jay Gatsby und mit dessen gesellschaftlichem Milieu. Nick ist von Beruf Aktienmakler.

Mit Jay Gatsby macht Nick die Bekanntschaft, als er ein altes Haus in West Egg auf Long Island bezieht. Das prunkvolle Nachbarhaus ist das Haus von Jay Gatsby. Gatsby veranstaltet viele Feste und Tanzpartys, an denen auch Nick eingeladen war, ohne dass Gatsby vorher wusste, was Nick für eine Persönlichkeit ist. Es genügte wohlhabend zu sein, alles andere ist nebensächlich und unbedeutend.
In den letzten Wochen hatte ich mich vielleicht fünf oder sechs mal mit ihm unterhalten und dabei zu meiner Enttäuschung festgestellt, dass er im Grunde oberflächlich war. Mein erster Eindruck, dass er eine geheimnisvolle und bedeutende Persönlichkeit sei, war daher allmählich korrigiert worden. Jetzt war er für mich nur noch der Eigentümer des luxuriösen Landhauses neben an. (58 f)
Auf den Partys erscheinen viele junge Leute, ohne sich wirklich zu kennen und ohne das Interesse zu haben, sich näher kennenzulernen.
Es fallen beiläufige Bemerkungen, Fremde werden einander vorgestellt und der Name des neuen Bekannten sofort wieder vergessen. Frauen fallen sich in die Arme, die sich noch nicht einmal dem Namen nach kennen. (39)
Gatsby nimmt ein tragisches Ende, nachdem die Liebe zwischen ihm und der mit Tom Buchanan verheirateten Daisy, die gemeinsam eine kleine Tochter haben, gescheitert ist. Daisy konnte sich zwischen Tom und Gatsby nicht entscheiden... .
Durch Daisy, die eine sehr schlechte Autofahrerin ist, kommt es zu einem Unfall, und verletzt eine Passantin tödlich. Es ist die Ehefrau von Wilson, die durch den Unfall stirbt. Doch Gatsby, der Daisys Beifahrer war, nimmt alle Schuld auf sich. Willson rächt sich an Gatsby für den Tod seiner Frau und erschießt ihn.

Nick lernt Gatsbys Vater kennen, der mit den Nerven fertig war, als er von dem fürchterlichen Tod seines Sohnes erfährt. Stolz zeigt er Nick eine Fotografie, die der Vater von seinem Sohn zugeschickt bekam. Erst dachte ich, dass auf dem Foto sein Sohn abgebildet ist:
"Dieses Bild hat mir mein Sohn geschickt."  Der Vater holte mit zittrigen Händen seine Brieftasche heraus. "Sehen Sie mal". Er zeigte mir ein Foto vom Haus; es war von vielem Anfassen schon fleckig und an den Ecken eingerissen. Stolz zeigt er mir jedes Detail."Sehen Sie - hier!" Dabei vergewisserte er sich immer wieder meiner Bewunderung. Er hatte es schon so oft herum gezeigt, dass dieses Bild für ihn wohl realer war als das Haus an sich. (…) Er hielt mir das Foto noch eine weitere Minute unter die Nase und schien es gar nicht mehr weglegen zu wollen. Schließlich steckte er seine Brieftasche widerwillig ein und zog nun eine zersplitterte Ausgabe des Buchs Hopalong Cassidy aus seiner Tasche."Sehen Sie mal, das ist ein altes Buch aus seiner Jugendzeit. Das zeigt alles". Er schlug die letzte Seite auf und hielt mir das Buch hin. Auf der leeren Seite stand in Druckbuchstaben das Wort STUNDENPLAN und das Datum 12. September 1906." (152)
Auf dem Stundenplan war die gesamte Tagesstruktur minutiös aufgelistet. Darauf war der Vater stolz. Auf die Leistung seines Sohnes, auf das, was er materiell besitzt. Der Vater trauert nicht wirklich um seinen Sohn, sondern mehr um den gehobenen Menschen, den er noch hätte werden sollen, wäre da nicht der Tod zuvorgekommen.

Das Buch ist arm an menschlichen Werten, vielmehr die Figuren darin, nicht das Buch selbst. Nicht nur Nick hat diese menschlichen Werte vermisst, ich ebenso. Deshalb schließe ich nun meine Aufzeichnungen zu dem Buch.

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Samstag, 20. Juli 2013

Der große Gatsby / F. Scott Fitzgerald

Klappentext
Der große Gatsby ist ein gesellschaftskritischer Roman, der im New York der 1920er Jahre spielt. Im Mittelpunkt steht die Verkörperung des amerikanischen Traums, das Streben nach Geld, Macht und Liebe, und schließlich dessen Scheitern.


Autorenportrait
Mit dem großen Erfolg seines Romanerstlings 'This Side of Paradise' und mit 'The Great Gatsby' wurde F. Scott Fitzgerald (1896-1940) zum literarischen Wortführer jener Ära, für die er das Schlagwort 'Jazz Age' prägte. Er hat das glitzernde New York der Zwischenkriegsjahre, das sich für die Rhythmen von Duke Ellington und Louis Armstrong begeisterte, zeitdokumentarisch eingefangen, ohne die Frage auszublenden, ob dieser Glanz trügerisch sei. Seine Helden, kaum verhüllte Porträts Fitzgeralds, strotzen vor Selbstbewußtsein und leiden zugleich an ihrem Ausbeuten der eigenen Seele.

Von dem Autor habe ich auch  Der seltsame Fall des Benjamin Button gelesen, wobei mir erst die Buchverfilmung in die Hände geriet, die mir nicht gefallen hatte. Anschließend besorgte ich mir das Buch, von dem ich wiederum sehr angetan war.
Aufmerksam wurde ich auf das Buch über andere Bücher, das mich neugierig stimmte.





Donnerstag, 18. Juli 2013

Mohammed Hanif / Eine Kiste explodierender Mangos (1)

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Eine Buchbesprechung der o. g. Lektüre

Das Buch ist interessant geschrieben und ebenso recht belastend, was ja auch das Thema mit sich bringt, deshalb werde ich mich zu diesem Buch nur kurz halten. Denn mich hatte das Buch arg deprimiert. Aber weggucken, das wollte ich auch nicht.
Der Titel ist recht interessant und hat eine starke, symbolische Bedeutung, auf die ich aber nicht eingehen möchte, um die Spannung oder vielmehr die Neugier nicht vorwegzunehmen.

Pakistanische Kriegsliteratur, herrschende Militärdiktatur, Kalter Krieg; was mich schon auf den ersten einhundert Seiten recht betroffen gestimmt hat.
Der Ich-Erzähler, Luftwaffenkadett Ali Shigri, befindet sich in Vernehmungshaft. Es geht um ein abgestürztes pakistanische Militärflugzeug  des Präsidenten Zia ul-Haq. Es wird nun untersucht, ob der Absturz die Folge eines Attentats ist. In dem Militärflugzeug befand sich auch der US-Botschafter Arnold Raphael und verschiedene Generäle.

Es steht erst einmal jeder unter einem Generalversacht, der in irgendeiner Weise mit dem Flugzeugabsturz zu tun hatte.
Die Militärpolizei versucht herauszubekommen, welche Abneigungen bzw. menschliche Schwächen die Inhaftieren haben, um sie damit zu foltern. Ali Shigir z. B. hasst öffentliche Toiletten. Und in genau einer wird er eingesperrt, die eklig, unsauber ist. Shigir verbringt die Nacht in der Toilette stehend, um sich nicht auf den ekelhaften Boden zu legen. Stehend, gehend, groß war der Raum nicht. Ich stelle mir das schrecklich vor. Eine ganze Nacht stehen zu müssen.
"Ich strecke meine Arme und konzentriere mich auf die Lektüre."
Lektüre? Ein wenig sarkastisch gemeint. Mit Literatur bezeichnet Shigir das mit Kot und Blut versehene Geschreibsel an den Wänden. Menschen, die hier ebenso gefangen waren, schreiben über ihr Leid... .
Inhaftierte müssen sich auch psychologische Tests unterziehen, um an das Innenleben derjenigen Menschen einzudringen. Diese Tests werden von Ärzten gestellt und in der Ausführung betreut. Gibt man absichtlich falsche Antworten an, kann es zu einem falschen Persönlichkeitsbild führen, und das Leben nochmals existentiell gefährden... .
Wenn eine Frau vergewaltigt wurde, dann muss sie dem Gericht beweisen, dass sie schuldlos war. Mädchen, die durch die Vergewaltigung entjungfert wurden, müssen beweisen, dass sie vor der Vergewaltigung noch Jungfrau waren. Überhaupt ist die Frau in dem Buch immer eine Schuldperson, unabhängig davon, wie sie sich verhält. Ein Beispiel mit First Lady, die abwehrende Haltung ihres Mannes ihr gegenüber, und sie selbst, weil sie es nicht anders kennt, die abwehrende Haltung westlicher Frauen gegenüber:
Der Informationsminister schickte ihr die Ausschnitte, die sie meist vor ihrem Mann versteckte, weil er stets etwas an ihrer Erscheinung auszusetzen hatte. Wenn sie Make - up truck, beschuldigte er sie, westliche Frauen nachzuäffen. Trat sie ungeschminkt auf, mäkelte er, sie sehe eher tot als eine First Lady aus. Unentwegt predigte er ihr, dass sie als First Lady eines islamischen Staates ein Vorbild für andere Frauen sein müsse. (...) Das erste, was die First Lady an einem Bild schockierte, war die Masse von dem nackten Fleisch, das aus der Bluse der weißen Frau quoll. Sie wusste sofort, dass dieses Weib eines dieser neuen BHs mit Drahtbügelverstärkung trug, die die Brüste anhoben und größer scheinen ließen. Mehrere der anderen Generalsgattinnen hatten solche BHs, besaßen jedoch zumindest den Anstand, hochgeschlossene Blusen darüber zu tragen, so dass die verbesserte Form sich nur andeutete. Die Frau auf dem Bild hingegen trug eine Bluse, die so weit ausgeschnitten war, dass die Hälfte ihrer Brüste frei lag, und zwar derart hoch gedrückt und zusammen gepresst, dass der diamante Anhänger um ihren Hals beinahe in ihrem Dekollté verschwand.Und daneben ihr Gemahl - der Mann der Wahrheit; der Mann des Glaubens; der Mann, der den Frauen zur besten Sendezeit Anstand predigte; der Mann, der Richterinnen Nachrichtensprecherin feuerte, weil sie sich weigerten, einen Dupatta um den Kopf zu tragen; der Mann, der nicht gestattete, dass in einer Fernsehserie zwei Kissen nebeneinander auf einem leeren Bett lagen; der Mann, der die Kinobetreiber dazu zwang, jedes ungedeckte Stückchen Arm oder Bein auf den Filmplakaten zu übermalen-, dieser Mann saß da und starrte so entrückt und selbstvergessen auf die beiden Kugeln aus weißem Fleisch, dass man meinen konnte, seine eigene Frau sei ohne ein solches Paar auf die Welt gekommen, (124f).
Wenn man solche Bücher liest, dann muss man aufpassen, dass man nicht alle Menschen aus dieser Welt als altmodisch und rückständig betrachtet. Denn auch in dieser Welt gibt es Menschen, die sich nach religiöser, politischer und gesellschaftlicher Freiheit sehnen. Und das sind nicht einmal wenige.

Menschen, die sich mit westlicher Literatur befassen, leben gefährlich. Werden solche Bücher bei ihnen gefunden, dann kommen sie ins Gefängnis, werden gefoltert und angeklagt. Dabei muss ich immer wieder an Franz Kafka denken, denn diese Welt in dem Buch hat starke Kafkaeske Züge. Was Menschen aus der westlichen Welt innerlich an Bedrohung erleben, erleben andere äußerlich. Ich kenne viele Leute, die Kafka für pessimistisch hielten. Ohne wirklich etwas getan zu haben, kommen Menschen in den Knast, nur weil eine Regierung das für richtig hält. Nichtige Gründe, banale Gründe kann Menschen in die existentielle Not bringen. Grundlos. Kafka ist alles andere als pessimistisch. Kafka ist durch und durch real.

Andersdenkende jeglicher Art sind vom Militär nicht erwünscht. Abfälliges Verhalten gegenüber Menschen anderer Kulturen wird in dem Buch mehrmals beschrieben, während die eigene Kultur glorifiziert wird.
General Zia hatte zugesehen, wie ihn die Indiras in einen weißen Baumwollsari gehüllter Leib Feuer fing. Einen Moment lang hatte es gewirkt, als würde sie aufstehen und davonlaufen, aber dann war ihr Schädel explodiert. Der General dankte Allah, dass er ihnen Pakistan geschenkt hatte und ihre Kinder diese Hölle auf Erden nicht jeden Tag mit ansehen mussten. (80)
Mit diesem Zitat beende ich somit meine Gedanken zu dem Buch. Wie gesagt, obwohl uns hier vieles bewusst ist, was die Lebensweise arabisch - islamisch gesitteter Länder betrifft, stimmt es mich nach wie vor betroffen, und es mir immer wieder von neuem deutlich wird, wie viele Verbrechen unsere Menschenwelt trägt... . Wie viele Morde tagtäglich weltweit verübt, wie viele Verletzungen zugefügt werden. Eine Hölle nach dem Tod? Ein Fegefeuer? Für mich ist die Erde das Fegefeuer und die Hölle. Eine schlimmere Hölle kann ich mir nicht mehr vorstellen.
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Mit den guten Dingen im Leben ist es wie mit der Geburt eines Kindes. Neunzig Prozent sind Warten.
(James A. Michener)

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Freitag, 12. Juli 2013

Mohammed Hanif / Eine Kiste explodierender Mangos

Klappentext
Am 17. August 1988 explodiert wenige Minuten nach dem Start in Richtung Islamabad das Flugzeug des pakistanischen Präsidenten Zia ul-Haq. An Bord befinden sich neben dem Militärdiktator und treuesten Verbündeten der USA im Afghanistankrieg auch einige seiner ranghöchsten Generäle und der US-Botschafter Arnold Raphel. Bis heute ist es eine der großen offenen Fragen in der gewaltreichen Geschichte Pakistans, ob es sich bei dem mysteriösen Absturz um einen Unfall oder um ein Attentat handelte.Mohammed Hanif greift dieses Ereignis auf und entwickelt daraus einen Roman mit anarchischer Komik und schwarzem Humor. Hatte der CIA seine Finger im Spiel? Waren es pakistanische Generäle, unglücklich über ihre bevorstehende Pensionierung? Geschah es wegen des Fluchs einer blinden Frau? Oder durch ein Geschenk der All Pakistan Mango Farmers Cooperative?Auch könnte der Erzähler, der Luftwaffenkadett Ali Shigri, verantwortlich sein, der seine eigenen Pläne verfolgt. Ebenso sein Freund Obaid, der jede Frage des Lebens mit einem Spritzer Eau de Toilette und einem Rilke-Zitat beantwortet und plötzlich verschwindet. Oder ist es am Ende doch Leutnant Bannon, der aus seinem Vietnamtrauma in Marihuanaträume fällt?»Eine Kiste explodierender Mangos« ist eine vielschichtige und brillant erzählte Satire über Männer, Macht und Militär, die vor dem historischen Hintergrund auch die Verstrickungen der gegenwärtigen globalen Politik aufdeckt.

Autorenportrait
 Mohammed Hanif, geboren 1965 in Okara/Pakistan, war Pilot der pakistanischen Luftwaffe, bevor er eine Karriere als Journalist einschlug. Ende der neunziger Jahre übersiedelte er mit seiner Familie nach London. Er schrieb Theaterstücke und Drehbücher und absolvierte das renommierte Creative Writing Programme der University of East Anglia. Im Herbst 2008 kehrte er nach Pakistan zurück und arbeitet dort als Korrespondent der BBC. Er lebt in Karachi.»Eine Kiste explodierender Mangos« ist sein erster Roman, der bereits kurz nach Erscheinen für den Man Booker Prize nominiert wurde.
Das ist das zweite Buch, das ich von dem Autor lese. Gelesen habe ich  Alice Bhattis Himmelfahrt, das mir recht gut gefallen hat. Entdeckt habe ich den Autor auf der Frankfurter Buchmesse 2012. Und so sowohl dieses als auch das Cover des anderen Buches fand ich recht originell.





James A. Michener / Dresden Pennsylvania (1)


Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre


Das Buch ist interessant aufgebaut und erzählt aus der Perspektive von vier Menschen, die man alle als BibliophilInnen bezeichnen kann.
Zu Beginn erzählt der Schriftsteller Lukas Yoder, der dabei ist, sein drittes Buch zu vermarkten, später werden es vier und man bekommt das ganzen Prozedere mit zwischen Verlagswesen, Lektorin und Leserschaften.
Lukas Yoder kommt aus Pnnsylvania Dutsch Country und man erfährt, dass die Menschen, die dort leben, ehemals aus Deutschland kamen und versuchen in Amerika an ihre Traditionen festzuhalten. Dies fand ich schon interessant, es hat mich an viele AusländerInnen in Deutschland erinnert, die auch ein kleines Asyl bilden und halten darin an ihren Traditionen fest und merken mit der Zeit gar nicht, dass die Traditionen im eigenen Land sich schon längst verändert haben. Oftmals werden diese Menschen von vielen Deutschen als rückständig bezeichnet. Gut zu wissen, dass Deutsche im Ausland auch nichts anderen tun, als die AusländerInnen hier. Ausgewanderte Menschen, die zwischen Tradition und Moderne stehen, stellt sich oftmals als ein Prozess heraus, der konfliktreich erlebt werden kann, aber nicht unüberwindlich ist. Lukas Yodar entscheidet sich am Ende des Romans für die Moderne.
Dieses Kapitel fand ich ein wenig zäh, weil alles, was mit dem Vertreiben des Buches so minutiös berichtet wurde, die ganzen Details aus dem Verlagswesen wurden geschildert, dass es mich ein wenig gelangweilt gestimmt hatte. Die Wende kam schließlich mit dem zweiten Kapitel, ohne Lukas Yoder aus den Augen zu verlieren.

Das Leben der Lektorin Yvonne Marmelle wird in diesem Kapitel vorgestellt, das ich richtig spannend fand. Sie erzählt von ihrer Kindheit und wie sie es geschafft hat, in das Verlagswesen bei Kinetic als ganz junger Mensch ohne jegliche Vorkenntnisse hineinzukommen und sich innerhalb kürzester Zeit zu einer beliebten und kompetenten Lektorin hochgearbeitet hat. Eigentlich hätte sie in die Fußstapfen ihres Vaters treten sollen, und in der Textilindustrie arbeiten, nach dem man sie aus finanziellen Nöten vorzeitig von der Schule nahm:
In so ein Leben lasse ich mich nicht ein zwängen. Es gibt eine Welt der Bücher, der Ideen, und ich werde mir den Zutritt in dieser Welt erkämpfen. Ich floh aus dem Bezirk mit seinen belebten Straßen und der enormen Vitalität. Ich hatte keine Ahnung, wo ich mich jetzt nach einer Stelle umsehen sollte. Da kamen mir vage die Worte eines Dozenten in den Sinn, der in Professor Fineschreibers einen Gastvortrag gehalten und dabei gesagt hatte: "An der Madison Avenue gibt es diese Anhäufung von Verlagen, die bestimmen den geistigen Kurs der Nation" . (149)
Yvonne Marmelle besitzt eine besondere Fähigkeit; sie setzt sich für ihre AutorInnen ein, die sie entdeckt. Sie entwickelt ein echtes Gespür für gute Bücher und ist in der Lage, aus einem Stapel abgelehnter Manuskripte noch gute herauszufischen. Und sie bringt all ihre Kraft auf, die von ihr entdeckten AutorInnen verantwortungsvoll zu begleiten und zu fördern.
Durch sie lernt man viele AutorInnen kennen. Darunter befanden sich Persönlichkeiten, die das Zeug zum Schreiben zwar hatten, sie sich aber selbst so sehr im Wege standen, dass schließlich das Buchprojekt platzen musste. Narzisstische Persönlichkeiten, die nicht in der Lage waren, konstruktive Kritik anzunehmen.

Anschließen lernt man den Literaturkritiker Karl Streibert kennen. Ein begabter Wissenschaftler, der recht schnell sich hocharbeiten konnte. Er dozierte an verschiedenen Universitäten und hatte die Absicht, junge, begabte AutorInnen zu fördern. Sein Ziel war, ihnen das Schreiben nicht auszureden, sondern sie darin zu ermuntern.
Wenn Sie sich die Empfindungen nicht vorstellen können, die Ihre Figuren bewegen, und sich nicht mit ihnen zu identifizieren vermögen, wird nie ein Schriftsteller aus Ihnen, ganz gleich, wie scheußlich ihr Verhalten, wie edel, wie aufopfernd, wie banal, Sie müssen sich dahin bringen, nicht nur die Situation, sondern auch das Innenleben eines Charakters zu spüren.(236) (...) ein Künstler ist ein schöpferischer Mensch und darf kein normales Leben führen. Er sollte seine geistige Nahrung bei Freunden und Vertrauten finden, die so sind wie er. Seine Aufgabe besteht darin, die Gesellschaft mit einem frischen und notwendigerweise manchmal bittereren Bild ihrer selbst zu konfrontieren und das höchste Gut in dieser Welt das Verhalten in dem ein Mensch gemessen wird, ist unverbrüchliche Treue zu seinen Freunden - was immer die Konsequenzen sein mögen. (266)
Das muss man dem jungen Professor lassen, über die Technik weiß er Bescheid, ist darin Fachmann, ein wahrer Experte.

Dennoch entwickelt er sich aus meiner Sicht zu einem ganz gewöhnlichen Literaturkritiker, der Bücher nach seinen Maßstäben beurteilt. Ich fand diese Figur unsympathisch. Ich finde es überraschend, dass Charles Dickens, William Makepeace Thackery, John Steinbeck, Ernest Hemingway zu den minderwertigen Autoren bezeichnet werden. Da war ich recht verblüff.
Als Kontrast zu den vier guten Schriftsteller
haben wir vier Schriftsteller, die einige Popularität erreicht haben, deren Werk jedoch unter ästhetischen Gesichtspunkten minderwertig erscheinen. Wiederum in chronologischer Reihenfolge: Sinclair Lewis, Pearl S. Buck, Ernest Hemingway, und John Steinbeck.
Thackery wird ein paar Seiten vorher als minderwertig beschrieben. Gar nicht einfach, Schriftsteller zu sein, wenn man bedenkt, welchen Urteilen man ausgesetzt wird. Literaturkritiker sind aus meiner Sicht oftmals die Schlimmsten.
Hemingway war ein großer Poseur, kein großer Schriftsteller. Er tat bescheiden und als ob er in der Öffentlichkeit nicht erkannt werden wollte - trug jedoch einen unverkennbaren Bart. Er posierte als unverletzbarer Macho - aber als es hart wurde, beging er Selbstmord. Er hat verdient zu bleiben, wo er jetzt ist. Junge Autoren sollen hören, was ich über ihn zu sagen habe. (301)
Professor Karl Streibert hatte auch einen Lehrer, zu dem er hinaufschauen konnte. Er wurde stark von Professor Devlan beeinflusst. Zwischen ihnen entwickelte sich auch eine Freundschaft, da sie sich in ihrem Wesen sehr ähnelten. Was das kreative Schreiben anbelangt, erfuhr Karl Streibert von seinem Freund folgenden Ratschlag:
Sieh zu, dass du zunächst einmal die Figuren ganz klar vor Augen hast und dass sie authentisch sind. Führe sie dann durch die Verwicklungen des Handlungsgeschehens. Lass sie durch ihr Handeln die großen Wahrheiten entdecken, auf denen der Roman beruht - nach allem, was du mir erzählst, Karl, tust du das nicht. Du stellst deine Aussage, deine Ideen vornan. (327f)
Doch auch dieser so hochbegabte Mensch ist Prüfungen ausgesetzt und hat die Absicht, selbst auch Romancier zu werden. Seine Bücher sind dermaßen intellektuell, dass sie in der Gesellschaft wenig Beliebtheit erfahren. Ab wann ist ein Buch gut? Wenn kaum einer sie versteht? Karl Streiberts Bücher werden hauptsächlich von Universitätsprofessoren gelesen und anerkannt. Doch er macht auch die bittere Erfahrung, dass er als Romanautor nichts taugt und so frage ich mich, ob da nicht ein wenig Neid dahinter steckt, und dadurch andere AutorInnen aggressiv attackieren und herabsetzen muss, die nicht seinem Standard entsprechen? Die Bücher von Lukas Yoder wertet der Professor als trivial, sentimental und mittelmäßig ab, doch da ist die Lektorin Yvonne Marmelle, die sich für Yoder einsetzt, und ihn wie ein Löwe verteidigt.

Als nächstes lernt man die große Leserin Jane Garland kennen. Neben Jane Garland gibt es noch ihren Neffen, Vollwaise, ein hochbegabter junger Mann, der schon im Alter von 22 Jahren an der Universität einen Lehrauftrag zum Kreativen Schreiben erhalten hat. Sein Name ist Timothy Tull. Timothy ist ein begnadeter Schriftsteller, der von Professor Streibert hochgelobt und in die sichere Schriftstellerbahn gelenkt wird.
 Jane Garland steht für Yoder ein, die alle seine Bücher gelesen und zu schätzen gelernt hat und verteidigt diese vor dem Kritiker ebenfalls vehement.
Es kommt zu einer Begegnung dieser vier Menschen, die alle unmittelbar miteinander zu tun bekommen, und es sich im Laufe der Zeit zwischen ihnen zu einer interessanten und tiefen freundschaftlichen Beziehung entwickelt. Selbst der Professor entwickelt sich zu einer Person, die auch mir sympathisch werden könnte. Und diese Entwicklung fand ich recht schön.
Fast am Ende angelangt, wird man noch im Hause Garland von einem dramatischen, kriminellen Ereignis erfasst, auf das ich nicht eingehen werde, um nicht zu viel vorwegzunehmen.

Jane Garland finde ich auch eine recht interessierte Persönlichkeit, die durch den Kontakt mit obigen Personen viel dazugelernt hat und macht folgende Selbsterkenntnis, nach dem sie von ein paar schweren Schicksalsschlägen eingeholt wurde, die mit tiefen menschlichen Verlusten einhergehen, als sie zusätzlich Trost in den Büchern fand:
In meinem schmerzlichen Verlust fiel mir auf, dass zwei Dinge in den Vordergrund zu treten schienen. Wie in jeder Lebenskrise fand ich auch diesmal Erleichterung durch Lesen, und ich hielt mich einmal an Lieblingsbücher, die mich in anderen Lebensphasen bezaubert hatten (…). Es waren, wenn ich so sagen darf, Bücher mehr oder weniger gleicher Art, Geschichten in der großen Form herkömmlichen Erzählens mit einer traditionell verwendeten Sprache und stammten allesamt von europäischen Schriftstellern. Als Ausgleich las ich die neuesten, gut besprochene Romane junger amerikanischer Autoren, und einige waren so frisch und entzückend, und sogar gewagt, dass ich ein intellektuell befriedigendes Leben führte. Auf Ratgeber zum Leben im Schmerz oder zum Überleben nach dem Verlust eines geliebten Menschen war ich nicht angewiesen. Ich bezog meine Therapie aus den großen Gedanken und Abenteurern, wie sie in Weltsprachen erzählt worden sind. Der zweite Faktor, der mir half, nicht den Verstand zu verlieren, war ein überraschendes Moment.
Ich war in einer anständigen Familie groß geworden, hatte einen anständigen Mann geheiratet, der in einer anständigen Firma arbeitete und in einer anständigen amerikanischen Stadt wohnte. Ich war auch, könnte man meinen, im gesellschaftlichen Sinn verarmt, denn zu meinem Freundes und Bekanntenkreis gehörten keine Schwarzen, keine Juden und sehr wenige Katholiken. In meiner Familie gab es keine Vorurteile gegenüber solchen Menschen, auch nicht gegenüber Slaven und Polen, aus denen die Arbeiterschaft der Stahlhütte bestand; meine Eltern erzogen mich nur so, dass ich diese Menschen ignorierte. Ich fand nicht einmal Gefallen an den doch recht amüsanten Pennsylvaisch-Deutschen  am Rande unserer Gesellschaft." (505f)
Hier beende ich nun meine Aufzeichnungen, und kann jedem empfehlen, der oder die Bücher liebt und sich gerne über das Leben anderer BücherliebhaberInnen beschäftigen möchte, ob es nun AutorInnen oder LeserInnen sind.

Ich gebe dem Buch acht von zehn Punkten. Auch wenn ich anfangs ein wenig ungeduldig war, so ist es dem Autor gelungen, mich wieder in voller Konzentration zurückzuholen. Es ist eben Geschmackssache. Die einen mögen es, das ganze Prozedere eines Schriftstellers mit zu erleben,
anderen wiederum wird es mit der Zeit langweilig. Ich gehörte zu der zweiten Kategorie.

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Mit den guten Dingen im Leben ist es wie mit der Geburt eines Kindes. Neunzig Prozent sind Warten.
(James A. Michener)

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Samstag, 6. Juli 2013

James A. Michener / Dresden, Pennsylvania



Hintergrund
Dresden Pennsylvania - James A. Michener ---> Die Pennsylvania Dutch (Deutsche) im östlichen Pennsylvania haben eine faszinierend bewegende Geschichte. Die Amischen, wie sie in USA genannt werden, sind in ihrem Festhalten an den alten Traditionen und einer "simplen", naturgemäßen Lebensweise vielleicht dem Untergang geweiht. Aber haben sie einen eigenen Charm und üben auf den modernen Stadtmenschen mit seinem erfolgsorientierten Streben eine große Anziehungskraft aus und wecken Sehnsüchte... - Hier spielt Micheners Roman, im westlich von New York gelegenen Dresden, im Herzen von Pennsylvania, eine Gründung deutscher Einwanderer. Hier lebt auch der Schriftsteller Lukas Yoder, der in ländlicher Abgeschiedenheit gerade seinen letzten großen Roman fertiggestellt hat. Doch der Frieden trügt. Die Veröffentlichung seines Werkes wird zu einer dramatischen - und tödlichen - Auseinandersetzung um ein neues Lebensgefühl zwischen Tradition und Moderne. Eine erbitterte literarische Fehde, begletet von einem mysteriösen Mord...

Autorenportrait auf Wikipedia
Micheners Eltern sind unbekannt. Laut seinen Papieren wurde er am 3. Februar 1907 in New York geboren, jedoch sind tatsächlich weder sein Geburtsdatum noch sein Geburtsort bekannt.[1]Als Waise wuchs Michener bei seiner Pflegemutter Mabel Michener inDoylestown, Pennsylvania auf. Er arbeitete zunächst als Lehrer und als Lektor. ImZweiten Weltkrieg, während seines Einsatzes im Südpazifik, entstand auf dervanuatuischen Insel Espiritu Santo sein erstes Buch Die Südsee, eine Sammlung von lose zusammenhängenden Kurzgeschichten. Für dieses Buch erhielt er 1948 den Pulitzer-Preis.

Das Buch habe ich diese Woche von meiner Literaturfreundin Anne geschenkt bekommt, die es kürzlich selbst auch gelesen hatte und sie von dem Inhalt sehr angetan war. Sie ist der Meinung, dass das Buch mir auch gefallen könnte, und so hat sie mich darauf recht neugierig gestimmt.

Der Autor ist mir unbekannt.


Freitag, 5. Juli 2013

Hans Fallada / Bauern, Bonzen und Bomben





Klappentext
Falladas erster großer Roman: Das Psychogramm einer Staatsbefindlichkeit.In diesem Buch erfährt man, wie Politik auf dem Lande in der Weimarer Republik aussehen konnte, im Spannungsfeld einer politisch hellhörig gewordenen Gesellschaft zwischen Linken und Rechten, Arbeitern und Bauern.


Autorenportrait im Klappentext
RUDOLF DITZEN alias HANS FALLADA (1893–1947), zwischen 1915 und 1925 Rendant auf Rittergütern, Hofinspektor, Buchhalter, zwischen 1928 und 1931 Adressenschreiber, Annoncensammler, Verlagsangestellter, 1920 Roman-Debüt mit "Der junge Goedeschal“. Der vielfach übersetzte Roman "Kleiner Mann – was nun?" (1932) machte Fallada weltberühmt. Sein letztes Buch, „Jeder stirbt für sich allein“ (1947), avancierte rund sechzig Jahre nach Erscheinen zum internationalen Bestseller. Weitere Werke u. a.: »Bauern, Bonzen und Bomben« (1931), »Wer einmal aus dem Blechnapf frißt« (1934), »Wolf unter Wölfen« (1937), »Der eiserne Gustav« (1938).»Alles in meinem Leben endet in einem Buch.«

Gelesen habe ich von Fallada:

1. Damals bei uns daheim
2. Der Trinker                                                
3. Ein Mann will nach oben                                                          
4. Jeder stirbt für sich allein                                                        
5. Kleiner Mann – großer Mann – alles vertauscht                    
6. Kleiner Mann, was nun?                                                            
7. Wer aus dem Blechnapf frißt
8. Wolf unter Wölfen


Ich fand alle Bücher gut geschrieben.
Mit obigem Titel konnte ich aber nicht wirklich warm werden. Hatte es schon mal angelesen und wieder abgebrochen. Ich möchte es jetzt noch einmal versuchen.


Nachtrag, Sa. 06.07.2013, 12:23 Uhr 
Das Buch habe ich nun ein zweites Mal wieder abgebrochen und weiß nun, woran das liegt. Es treten in dem Roman nur Männer auf, und nur ganz selten eine Frau, und dann auch nur im Hintergrund. Mir ist diese Männerwelt einfach zu trocken.
Schon der Titel ist irgendwie mit Männlichkeit überfrachtet, wenn ihr versteht, was ich meine. Weiß nicht, wie man das noch besser ausdrücken könnte.








John Irving / In einer Person (1)

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Eine Buchbesprechung der o. g. Lektüre


Zu dem Buch habe ich außerhalb meines Blogs vierundzwanzig Beiträge verfasst, die ich nun hier auf dieser Seite in Tagebuchform übertragen werde. Das Buch hat in mir widersprüchliche Gefühle ausgelöst, dass ich gar nicht vor hatte, es bis zum Ende zu lesen. Das Thema erlebe ich als recht anstrengend. Es stellte sich mir die Frage, weshalb ich mich mit dieser Thematik auseinandersetzen möchte, wo ich doch so keine Vorurteile diesen Menschen gegenüber habe? Und muss ich denn über die Gefühle diese Menschen so genau Bescheid wissen? Nun, dann kam es doch anders, siehe Beiträge unten.
Der Protagonist und der Ich - Erzähler dieses Buches ist Billy Abbot. Er ist Schriftsteller, siebzig Jahre alt und schreibt aus seiner Perspektive über sein Leben als Transgender auf, das bis weit in seine Jugend von dreizehn Jahren reicht.

Sonntag, 30.06.2013, 14:24 Uhr
In dem Buch nimmt man an vielen Literaturgesprächen teil und viele AutorInnen sind mir sogar bekannt. Alle Ibsen Dramen werden besprochen und sollen im Laientheater First Sister Players in Vermont, New - England, aufgeführt werden. Von Ibsen habe ich auch alle Stücke gelesen, weiß also, von was die Menschen in dem Buch reden.
Interessant fand ich, dass der Autor die Bronté Bücher Sturmhöhe und Jane Eyre nicht als Frauenliteratur abtut.
Es geht um den jungen William, gerufen wird er Billy, der 13jährig in der Pubertät steckt, und Bücher sucht, die ihm die Möglichkeit geben, sich mit dem Inhalt des Buches zu identifizieren.
Billy hatte bisher so keinen Bezug zur Literatur, da die Mutter hauptsächlich billige Abenteuer- und Liebesromane gelesen hatte, für die sich Billy alles andere als begeistern konnte. Billy ist von Charles Dickens  Buch Große Erwartungen sehr angetan und sieht in Dickens ein großes Vorbild zum Schriftsteller. Erst sein Stiefvater Richard schafft es, dem jungen Menschen weitere interessante Bücher nahe zu bringen. In den von der Bibliothekarin Miss Frost empfohlenen Bronté-Bücher könnte man Geschichten finden, ohne sich in Sciencen-Fiktion zu flüchten, und man musste weder Western noch Liebesromane lesen, um zu träumen.

Mo. 01.07.2013, 11:45 Uhr
John Irvings Hauptthemen betreffen meist die Sexualität, so wie auch in diesem Buch. Alles Figuren, die anders sind. Homosexuelle, Transvestiten, Bisexuelle. Transgender in einem Begriff  ausgedrückt... . Ich verstehe nun auch, was mit dem Buchtitel In einer Person gemeint ist. Bei einem Bücherkauf lese ich nicht immer die Klappentexte, lasse mich eher vom Buchtitel gerne überraschen.
In dem Laientheater Sister Player werden die weiblichen Rollen hauptsächlich von männlichen Schauspielern gespielt.
Ich weiß ehrlich gesagt immer noch nicht, wie ich selbst zu dem Buch stehe. Ist das ein Thema für mich? Weckt es meine Neugier? Ehrlich gesagt nicht besonders. Ich habe keine Probleme, diese speziellen Menschen zu akzeptieren, speziell sind wir irgendwo doch auch alle, aber ich habe nicht so viel Lust, zu sehr in diese Thematik einzusteigen. ... .
Interessant finde ich die These, dass in jedem Menschen beide Pole vorhanden sind, und dass jeder Mensch in der Lage wäre, sich auch im selben Geschlecht zu verlieben, wären da nicht die gesellschaftlichen Konventionen. Auch damit habe ich keine Probleme. Meine mich zu erinnern, dass Simone de Bouvoir dieselbe These vertritt, siehe Buch Das andere Geschlecht.
Das Thema hatte mich mit Anfang zwanzig gestreift, und ich mich damit auseinandergesetzt habe. Irgendwie bin ich damit durch, das glaubte ich.

Di. 02.07., 09:48 Uhr
In dem Buch werden alle Intimitäten offen ausgelebt. Tabus? Kennt der Autor nicht. :) Und die ewige Suche nach der wahren sexuellen Identität wird hier beschrieben.
Billy interessiert sich nicht nur für Männer, sondern auch für reife Frauen mit kleinen Brüsten. Seinem Großvater bekennt er, dass er eine sexuelle Neigung zu Männern habe, und er fühle sich gleichzeitig zu reifen Frauen hingezogen, doch dies verschweigt er ihm. Der Großvater, der Verständnis für seinen Neffen zeigt, ihn sogar vor der wütenden Mutter beschützt, weiß aus eigener Erfahrung, was sein Neffe durchmacht, da er selbst zu den Transgendern zählt. Und so empfiehlt er seinem Neffen, sich an die Bibliothekarin Miss Frost zu wenden, die ihm Bücher zur Homosexualität empfehlen kann.
Als Billy Miss Frost kennenlernt, fühlt er sich zu ihr sexuell hingezogen. Doch nicht nur zu ihr. Ebenso für Eiaines Mutter entwickelt er sexuelles Interesse.

11:43 Uhr
Billy bekommt von seinem Stiefvater Richard ein Dutzend Kondome geschenkt. Sicherheitshalber, damit nichts passiert. Er kann noch nicht wissen, dass Billy dafür keine Verwendung hat, obwohl er gelegentlich in eines masturbieren wollte. Die restlichen wollte er seiner Jugend- und Sexfreundin Elaine schenken.
Billy und Elaine haben sich in erste sexuelle Versuche begeben, während Billy dabei an Miss Frost, die Bibliothekarin und Elaine an den Schüler Kittredke dachte, in dem Elaine eigentlich verliebt ist.
Billy stiehlt den BH von Elaine. In seinem Zimmer legt er sich den BH an und geht damit zu Bett, als er von seiner Mutter überrascht wird. Die Mutter ist schockiert, teilte ihm aber mit, das Elaine schwanger ist. Billy rechtfertigte sich, dass nicht er für die Schwangerschaft verantwortlich sei, so erhält er von der Mutter eine Ohrfeige. Sie hätte es lieber gesehen, Elaine wäre von Billy schwanger geworden. Für die Mutter wäre Elaines Schwangerschaft das kleinere Übel, ein Zeichen dafür, dass ihr Sohn normal ist. Diese Szene fand ich wenig authentisch.

12:05 Uhr
Kittgens Mutter, so wird von Elaine durch verschiedene Beobachtungen vermutet, habe bis zu seinem Alter von 15 Jahren Sex mit ihrem Sohn gehabt.
In dem Buch gibt es nichts, was nach gesellschaftlicher Sitte normal wäre. Elaine und Billy reden über diese Inzucht, als wäre es das Normalste von der Welt. Keine Empörung, kein Entsetzen.
Elaine bekundet Billy, dass sie nie eine lesbische Beziehung eingehen würde. Recht widersprüchlich, als sie schließlich zugibt, dass sie doch "damit experimentierte, lesbisch zu sein", wie auch immer sie diese Experimente auslebte.
Auch Elaine wird von Billy ein wenig maskulin im Erscheinen beschrieben, worauf er abfährt. Haare kurz, männliche Züge im Gesicht, aber das Weibliche dominiert. In einer Person. Kein Mensch ist nur weiblich oder nur männlich.

13:07 Uhr
Erstaunlich sind für mich Irvings sexuelle Phantasien, speziell Frauen gegenüber. Schließlich ist er der Schriftsteller und legt in seinen Figuren gewisse Phantasien hinein. Elaine geht zusammen mit Kittredkes Mutter nach Europa, um das Kind abzutreiben. Mrs. Kittredkes kennt keine Grenzen. Nach der Abtreibung kontrolliert sie permanent Elains Körper, speziell auch ihre Genitalien und legt ihr Binden in die Hose, die auch immer wieder von ihr inspiziert werden, mit der fadenscheinigen Begründung, sie wolle nur sehen, wie stark die Blutungen seien, und ob sich diese noch im Normbereich befinden würden. Elaine, die sich bei Billy über diese für sie unangenehme Erfahrung ausspricht:
Ich war mit keinem anderen Menschen je so intim wie mit dieser schrecklichen Frau. Ich werde nie wieder mit jemandem so nahe sein. (...) Sie hat mich fürs Leben gezeichnet. 
Da fragt man sich als Leserin, weshalb sie das hat mit sich machen lassen?
Ich finde diese Szene dermaßen unpassend und geht konform mit vielen sexuellen Männerfantasien. Bin ein wenig darüber enttäuscht.

13:29 Uhr
Das Buch behandelt zu hundert Prozent die menschliche Sexualität in all ihren Formen und Facetten. Einerseits verständlich, wenn man bedenkt, wie viel Leid sie weltweit einem Menschen durch die gesellschaftlichen Vorgaben, was richtig und falsch ist, beschert hat, obwohl die Sexualität das Natürlichste von der Welt ist. Wo fängt die Moral an? Und wo hört sie auf? Vielleicht möchte Irving mit seinem Buch provozieren. Doch Menschen, die andere Menschen in ihrem Sosein nicht tolerieren können, lesen solche Bücher erst gar nicht.

13:56 Uhr
Billy ist noch immer in Miss Frost verliebt, mittlerweile ist er 18 Jahre alt und bekennt sich zu ihr:
"Gleichaltrige Mädchen interessieren mich nicht", versicherte ich Miss Frost. "Anscheinend fühle ich mich zu älteren Frauen hingezogen.""Mein lieber Junge", bekam ich wieder von ihr zu hören. "Nicht auf mein Alter kommt es an - sondern darauf, was ich bin."
 Das fand ich ein sehr weiser Gedanke. Miss Frost ist eigentlich diejenige, die Verständnis für den Jungen aufbringt und ermuntert ihn, seine Triebe nicht zu unterdrücken, sondern sie auszuleben. Nur so wäre es möglich, die eigene sexuelle Identität zu finden.

14:25 Uhr
Ich finde es Klasse. In dem Buch tauchen so viele Bücher auf, die ich auch gelesen habe. Billy spricht mit Miss Frost, ob er so weit sei, Madame Bovary zu lesen. Ich erinnere mich sehr gut an das Buch, muss aber zugeben, dass dieses Buch eine alte Schullektüre war, die im Deutsch Leistungskurs behandelt wurde. Deshalb auch die Vorkenntnisse. Emma Bovery heiratet als junges Mädchen einen Mann, der voll den Erwartungen ihres Standes entspricht. Der Mann ist Arzt, und beide bekommen auch schon recht bald ein Kind. Emma wird immer mehr in festgesetzte Bahnen, die die Institution Ehe mitbringt, gepresst, so dass sie sich schon sehr bald darin zu langweilen beginnt. Liebeshungrig und abenteuerlustig wie sie aufgrund ihres jungen Alters ist, begeht sie einen Seitensprung mit einem Mann, der ihr emotional mehr zu bieten hat, als ihr angetrauter Ehemann, der alle gesellschaftliche Normen zwar erfüllt, aber tot langweilig ist. Wohlstand, gehobener Beruf, Heirat und Kinder sollten die Sicherheit geben, die sich ein Mensch dieser Klasse wünscht. Obwohl Emma Boverys Ehemann sich als einen sehr liebenswürdigen Partner erweist, kann sie trotzdem nicht anders, folgt ihren Neigungen, und gerät dadurch auf Abwegen. Ihr Mann Charles übersieht völlig, dass seine Frau in der Ehe unglücklich ist. Er vertraut auf seinen Beruf, auf die Ehe und dass er Familienvater ist. Er ist rundum zufrieden, daher hinterfragt er die diese gesellschaftlichen Regeln nicht, von denen sich Emma Bovery erdrückt fühlt. Madame Bovery verstrickt sich dagegen immer mehr in ihrem Schwarm, und weiß nicht, wie sie da wieder herauskommen soll... . Der Bezug zu Irving ist der, dass seine Literaturfiguren in dem Buch vieles an Sexualität ausprobieren, sie ausleben, so widersprüchlich sie auch sein mögen, bevor sie sich in eine Ehe begeben. Madame Bovery hatte diese Möglichkeit nicht gehabt und stürzte sich mit dem Seitensprung ins Unglück. Sie war Klosterschülerin und nach ihrem Schulabschluss waren die Wege der Ehe durch den Vater für sie schon vorgezeichnet.

20:45 Uhr
Billy setzt sich mit Literatur mancher Autoren auseinander, die ihm helfen, sich zu finden und seine sexuellen Neigungen besser zu verstehen. Er liest James Baldwin, der sich als betroffener schwarzer Amerikaner in seinen Büchern mit Rassismus und der (Homo)-Sexualität befasst. Folgendes Zitat möchte ich gerne festhalten, weil es so sehr die Nöte eines sexualtätigen Menschen beschreibt:
Ja, dieses beunruhigende Hingezogensein zu Knaben und Männern ließ mich den, wie Baldwin es nannte, "furchtbaren Peitschenhieb öffentlicher Moral" fürchten, doch noch viel mehr ängstigte mich die Stelle, in der die Reaktion des Erzählers beschrieben wird, als er mit einer Frau Sex hat - "ihre Brüste jagten mir eine Heidenangst ein, und als ich in sie drang, bekam ich Angst, nie wieder lebendig rauszukommen.
Besonders den letzten Satz fand ich psychologisch betrachtet mehr als beeindruckend. Einfach ein interessantes Bild, diese archaische - unbewusste infantile Angst, die vergleichbar ist mit der kindlichen Angst vor dem Gefressenwerden. Ein Archetyp, ein kollektives Symbol (C. G. Jung), wie man sie oft schon bei kleinen Kindern erfährt.

Eigentlich wollte ich das Buch erst abbrechen, aber jetzt stecke ich zu tief drin, dass ich es zu Ende lesen werde. Ist doch ein recht brisantes Thema, und man nie fertig sein wird, sich mit dieser Thematik weiter zu befassen.

21:45 Uhr
Nun erfahre ich etwas, womit ich so gar nicht gerechnet habe, obwohl ich hätte damit rechnen sollen. Billy kommt dahinter, dass Miss Frost ein Mann war und ist völlig entsetzt. Billy und Miss Frost haben gemeinsam gevögelt, aber Miss Frost wollte vaginal nicht angefasst werden. Ich bin erstaunt. Ich hätte deshalb damit rechnen müssen, weil in dem Buch es nicht eine Figur gibt, die irgendwie so tickt, wie der Durchschnittsbürger sie haben will. Miss Frost besitzt einen Penis.
Billy hat es aber nicht durch Sex herausbekommen, denn er hatte wohl ihre / seine sexuellen Grenzen respektiert, sondern durch ein Jahrbuch der damaligen Schule, die Miss Frost besucht hatte und sie dort ein ER war, ein Jüngling mit männlichem Vornamen Al. Demgegenüber musste sie oder er eine Geschlechtsumwandlung vorgenommen haben. Aber nur teilweise?

Mi. 03.07., 09:47 Uhr
Billy schockiert seine Tante Muriel, Mutters Schwester, als sie sich nach seinem Wohlbefinden erkundigt:
"Ah, hallo, Billy, - wie geht's denn immer so? Hoffentlich sind alle normalen Beschäftigungen eines jungen Mannes in deinem Alter so befriedigend für dich, wie sie sein sollten!" Worauf ich wie aus der Pistole geschossen erwiderte: "Es ist zu keiner Penetration gekommen - mit anderen Worten, nichts von dem, was die allermeisten Leute unter Sex verstehen. So wie ich es sehe, Tante Muriel, bin ich noch Jungfrau."
Na, so ganz stimmt das nicht, dass es in dem Buch nur sexuell Andersorientierte / Transgender gibt. Nein, es gibt auch drei Durchschnittsmenschen. Billys Mutter, die Souffleuse des Theater First Sister Players; ihre Schwester, Billys Tante Muriel und ihre Mutter, also Billys Großmutter.
Billys Mutter stiehlt seinen BH, den er unter seinem Kopfkissen versteckt hielt und zerreist ihn in tausend Stücken. Sie wird mit Billys sexueller Identität nicht fertig, wobei Billy durch das Herumexperimentieren noch immer am Herausfinden ist, wer er ist oder was er ist.

17:35 Uhr
Billy lässt sich von Elaine einen neuen BH schenken. Elaine hat damit absolut keine Probleme, als Billy sie um einen weiteren BH bittet. Im Gegenteil, er könne so viele BHs von ihr haben, so viele er wolle. Eine sehr tolerante Jugendfreundin, die bis ins hohe Alter Bestand hat.
Billy kennt seinen leiblichen Vater Franny noch nicht. Der Vater war ca. fünf Jahre älter als seine Mutter. Billy erfährt, dass der Vater sich auch für Frauenkleider interessierte und auch welche trug. Was ist daran so schlimm? Der Mann muss sich mehr emanzipieren, schließlich gibt es Frauen, die Männerkleider tragen und es heute das Normalste von der Welt ist. Billys Mutter fand das anfangs anziehend, weshalb sie sich mit ihm zusammen tat, heiratete ihn, doch sie stieß hierzu wider Erwarten sehr schnell an ihre Grenzen und ließ sich von ihm wieder scheiden..

Wenn der Mensch seine Triebe nicht unterdrücken würde, so gäbe es mehr sexuell Andersorientierte auf der Welt als wir ahnen können. Ähnlich wie mit den LinkshänderInnen, die umerzogen wurden. Heute wird nicht mehr umerzogen und man sieht mehr LinkshänderInnen als noch vor sechzig Jahren.

Manche Szenen finde ich ein wenig skuril. Miss Frost und Billy liegen nackt im Bett, und mitten in ihrer Konversation halten sie sich gegenseitig den Penis des Anderen / der Anderen in ihren Händen. Nicht, dass ich diese Erfahrung anzweifeln möchte, aber sie klingt in Worte gepackt einfach nur banal.

Do. 04.07.2013, 07:55 Uhr
Billys Großvater ist Witwer geworden. Er ist 84 Jahre alt und verbringt seine alten Tage allein in seinem Haus in der Kleidung seiner verstorbenen Frau. Der Großvater besaß abnehmbare Gummibrüste und eine Perücke.
Auch Billy ist älter geworden, Mittlerweile ist er Ende dreißig. Mit 19 Jahren bekennt er sich zu seiner sexuellen Identität. Auf jeden Fall ist er nicht monosexuell, das fände er mehr als langweilig, sondern eher bisexuell und praktiziert den Sex mit allerlei Geschlecht. Und doch findet er in einer einzigen Person nicht das, was er braucht. Eigentlich wäre Miss Frost die geeignetste Partnerin von allen.
Interessant fand ich auch zu lesen, dass Miss Frost bei der Geschlechtsumwandlung auch weibliche Hormone geschluckt hat... oder noch schluckt.
Billy ist mit 36 Jahren Romanautor und schreibt an sein viertes Buch. Die Bücher behandeln die Themen, die ihn ein Leben lang beschäftigt haben und ihn bis zu seinem Tode noch beschäftigen. Über die verschiedenartige sexuelle Identität. Über die Vorurteile in der Gesellschaft und über die mangelnde Toleranz gegenüber Transgender. Auch schreibt er über die natürlichen Bedürfnisse, wie z.B. Kinderwunsch, die viele Mensch haben. Billy hegte auch den Kinderwunsch, der unerfüllt blieb. Es scheiterte an der geeigneten Partner/in.

14:00 Uhr
Ich befinde mich nun in den letzten Zügen. Noch achtzig Seiten, dann habe ich das Buch durch und bin auf den Iriving Geschmack gekommen, so dass ich unbedingt das Buch noch einmal Gottes Werk und Teufels Beitrag lesen werde.
Doch auf den letzten 180 Seiten, man befindet sich in den 1980er Jahren, wird man regelrecht erschlagen von den vielen (Aids)- Erkrankungen und den Todesfällen der sexuell andersoriendierten Menschen.

Tatsächlich nehmen in dem Buch Transvestiten Östrogene ein. Welchen Gefahren sich so ein Mensch aussetzt, gibt mir stark zu denken, da Östrogene durch üble Nebenwirkungen ernsthafte Erkrankungen hervorrufen können. Werden diese weiblichen Hormone abgesetzt, setzt z.B. der Bartwuchs wieder ein und macht deutlich, dass sie ein Leben lang auf Östrogene angewiesen sind, trotz der starken Nebenwirkungen und macht den Konflikt deutlich, dem diese Menschen ausgesetzt sind. Ich empfinde es als ganz schön anstrengend, über eine weibliche Person zu lesen, deren Seele in einem Männerkörper steckt, und deshalb bin ich nun froh darüber, mit dem Buch durch zu sein.

Mein Fazit?
Schwierig. Das Laientheater ist für mich ein Symbol zur realen Welt, die eine Bühne ist, in der die Menschen ihre Rollen (aufgedrückt) bekommen und diese bestmöglich ausführen. Manche Rollen sind harmlos, manche weniger. Doch in dem Buch gibt es so gut wie keine harmlose Rolle und finde dadurch das Buch ein wenig einseitig.
 Irgendwie fand ich manche Szenen nicht wirklich gut dargestellt. Ein wenig zu überspitzt, zu stark sexualisiert, wohinter ich typische Männerfantasien vermute. Nach meinem Geschmack oftmals nicht wirklich authentisch genug. Ein zweites Mal würde ich das Buch keinesfalls lesen. Aber ich bin so neugierig geworden, dass ich mich mit anderen Büchern von Irving versuchen möchte, um diese Bücher miteinander zu vergleichen. Das spornt mich an. Im nächsten SuB-Spiel ist Irving demnach wieder dabei.
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Die meisten verlassenen Stätten der Kindheit werden mit der Zeit nicht farbiger, sondern blasser.
(John Irving)

Gelesene Bücher 2013: 44
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86














Samstag, 29. Juni 2013

John Irving / In einer Person



Klappentext
Auf der Laienbühne seines Großvaters in Vermont lernt William, dass gewisse Rollen sehr gefährlich sind. Und dass Menschen, die er liebt, manchmal ganz andere Rollen spielen, als er glaubt: so wie die geheimnisvolle Bibliothekarin Miss Frost. Denn wer sich nicht in Gefahr begibt, wird niemals erfahren, wer er ist.

Autorenportrait
 John Irving, geboren 1942 in Exeter, New Hampshire, lebt in Vermont. Seine bisher zwölf Romane wurden alle Weltbestseller und in 35 Sprachen übersetzt, vier davon verfilmt. 1992 wurde Irving in die National Wrestling Hall of Fame in Stillwater, Oklahoma, aufgenommen, 2000 erhielt er einen Oscar für die beste Drehbuchadaption für die Verfilmung seines Romans ›Gottes Werk und Teufels Beitrag‹. 2013 erhält er die weltweit wichtigsten Auszeichnungen für seine Darstellung von sexueller Toleranz und Gleichbehandlung in seinem literarischen Werk.
Mein erstes Buch von Irving, obwohl er mir nicht unbekannt ist. So weit ich mich erinnern kann, habe ich vor mehr als zehn Jahren versucht ein Buch von ihm zu lesen, das ich aber wieder abgebrochen hatte. Ich glaube das Buch hieß Cab und wie er die Welt sah. Die Verfilmung dazu fand ich recht gut. Nun möchte ich Irving eine zweite Chance geben.
Nein, das Buch hieß anders. Gottes Werk und Teufels Beitrag. Erstaunlich, dass ich mir einen Buchtitel gemerkt habe, den ich gar nicht gelesen habe und das Buch, das ich gelesen habe, aus meinem Gedächtnis wieder entschwunden war.

Nun habe ich mit dem vorliegendem Buch begonnen, und denke, dass ich diesmal durchhalten werde. Es gefällt mir bis jetzt recht gut, wobei ich schon oft erlebt habe, dass sich das ganz schnell wieder ändern kann. Freue mich also nicht zu früh, da das Buch weit über siebenhundert Seiten umfasst.





Dacia Maraini / Der Zug in die jüngste Nacht (1)

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Eine Buchbesprechung der o. g. Lektüre


Das Buch habe ich nun durch, so ganz überzeugt hat es mich allerdings nicht. Vor allem was die Romanfigur Emanuele betrifft, bezogen auf seine Erwartungen und sein Verhalten gegenüber seiner Jugendfreundin Amara.

Die Autorin hat in ihrer Thematik, was den Nationalsozialismus und den Kalten Krieg zwischen Ungarn und der UDSSR betreffen, sicher gut recherchiert, ohne Frage, nur die neue Konfrontation zwischen Amara und ihrem Emanuele, als beide erwachsen waren, hm, gab mir stark zu denken. Um nicht zu viel vorwegzunehmen, kann ich darauf nicht näher eingehen.

Ansonsten fand ich das Buch gut zu lesen. Man hat auch ein wenig über den italienischen Faschismus erfahren, der inhaltlich sich nicht so sehr vom Nationalsozialismus unterschied. Hitler und Mussolini waren eng befreundet.

Ein wenig naiv war es für mich zu lesen, als die noch sehr junge Protagonistin Amara Maria Sironi, Florentinerin, Tochter eines Schusters und  Journalistin von Beruf, sich auf die Suche begibt, ihren alten jüdischen Jugendfreund zu finden, der im Nationalsozialismus verschollen ist. Sie träumte nachts wiederholt, dass Emanuele den Nationalsozialasmus überlebt habe und er sich wünschen würde, von Amara gefunden zu werden.

Die Spurensuche führt Amara 1956 von Wien bis nach Ungarn. Obwohl der zweite Weltkrieg bereits elf Jahre vergangen war, sind die Auswirkungen des Krieges in ganz Europa noch deutlich zu spüren. Vor allem Österreich, Ungarn und Italien litten noch immer unter der Armut und der Kälte.
Den Volksaufstand Ungarns, noch bis 1956 durch die Studentendemonstrationen hervorgerufen, gegenüber der UDSSR fand ich interessant, wenn auch brutal und verbrecherisch gegen Menschen, doch das kleine Land Ungarn konnte sich kämpferisch gegen seinen Gegner behaupten. Das Volk kämpfte für mehr Menschenrechte, für freie Wahlen und für den Abzug sowjetischer Truppen.
Die Menschen litten noch immer unter Lebensmittelknappheit. Auch andere Rohstoffe waren knapp. Misstrauen und Verdacht auf Spionage brachten viele Reisende in politische Schwierigkeiten.

Ein kleiner historischer Abriss verschiedener Länder der damaligen Zeit.

Da ich schon sehr viel zum Nationalsozialismus gelesen habe, habe ich nicht das Bedürfnis, mich weiter über das Buch auszulassen. Die Bilder sind immer die gleichen. Nichts wird beschönigt, wie ich das auch von vielen anderen Autoren wie z.B. Remarque, Fallada u.a.m. erfahren habe. Doch Remarque und Fallada fand ich viel authentischer. Der Autorin merkt man an, dass sie das Thema, über das sie schreibt, nicht selbst erlebt hat.

Anfangs hatte mich das Buch regelrecht gefesselt. Doch später fand ich es eher ziehend und wenig glaubwürdig. Die Autorin schreibt wohl gerne Bücher über Menschen, die verschollen sind. In Gefrorene Träume wird eine Jugendliche vermisst, die bei ihrer Großmutter gelebt hat. Sie fuhr morgens mit ihrem Fahrrad zur Arbeit und kam nicht mehr zurück. Die Großmutter begibt sich alleine auf die Suche ihrer Nichte, als die Polizei inaktiv geblieben ist.

Ich gebe dem Buch sieben von zehn Punkten.

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Es kann auch etas glücklich machen, was es gar nicht wirklich gibt
(Jonathan Coe)

Gelesene Bücher 2013: 43
Gelesene Bücher 2012: 94
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Sonntag, 23. Juni 2013

Dacia Maraini / Der Zug in die jüngste Nacht


Klappentext
Ein Zug fährt langsam durch die Nacht, stockend, mit endlosen Halten an all den schier unüberwindlichen Grenzen des Kalten Krieges. Unter den vielen Menschen darin befindet sich auch Amara, eine junge italienische Journalistin. Ihr Ziel ist Auschwitz, von dort kamen im Krieg die letzten Nachrichten ihres liebsten Freundes. Seitdem ist Emanuele verschollen, doch Amara will de Hoffnung nicht aufgeben und glaubt, in den Archiven des ehemaligen Vernichtungslagers eine Spur zu finden.


Autorenportrait
Dacia Maraini, geboren 1936 in Fiesole bei Florenz, lebt heute in Rom. Sie ist eine der bedeutendsten zeitgenössischen Autorinnen Italiens – ihre Werke wurden in über zwanzig Sprachen übersetzt. Sie ist nominiert für den Man Booker International Prize 2011. Auf Deutsch sind unter anderem ihre Romane »Die stumme Herzogin«, »Gefrorene Träume« und zuletzt »Der Zug in die jüngste Nacht« erschienen.
Zu dem obigen Buch habe ich die ersten achtzig Seiten gelesen. Eigentlich mag ich ausländische AutorInnen, doch mit dem folgenden Band werde ich wieder nach Deutschland in den Nationalsozialismus geführt. Warum gerate ich immer wieder an solche Bücher? Warum schreibt Maraini nicht über den italienischen Faschismus? Über Mussolini? Manche Bücher zum Nationalsozialismus kaufe ich mir ja bewusst, aber Maraini, da habe ich den Klappentext nicht gelesen. Man muss zuugreifen, wenn ihre Bücher schon mal übersetzt werden. Und ich habe zugegriffen, aber die Thematik kommt für mich völlig überraschend. Habe damit nicht gerechnet.
Aber wenigstens kann ich sagen, das Buch liest sich gut. Werde demnach dran bleiben. Nur werde ich danach mit dieser Thematik eine kleine Pause einlegen, wenn ich daran denke, dass auf meinem kleinen SuB noch Fallada, Remarque und Strittmatter liegen... . Diese werde ich demnach evtl. als letzte lesen.

Gelesen habe ich von der Autorin:

 Gefrorene Träume und Die stumme Herzogin                                                       


Pierre Péju / Die kleine Kartäuserin (1)

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Eine Buchbesprechung der o. g. Lektüre


Zu Beginn des Buches hatte ich noch gar keine Vorstellung davon, was der Autor mit dem Titel mir sagen möchte. Was war mit Der kleinen Kartäuserin gemeint?  Was hat ein Kind mit einer Katzenrasse zu tun? Doch am Ende der Lektüre fand ich die Auflösung, die ich natürlich nicht verraten werde. Das Buch habe ich mir schließlich nur des Titels wegen gekauft, der mich total neugierig gestimmt hatte.

Es ist ein kleines Büchlein von gerade mal 184 Seiten. Werde mich demnach sehr kurz halten.

Irritiert war ich erst, dass sich der Buchhändler Etienne Vollard als der eigentliche Protagonist der Geschichte herausstellte und nicht die neunjährige Eva... . Der Erzähler ist ein ehemaliger gymnasialer Klassenkamerad Vollards, obwohl die beiden Klassenkameraden im erwachsenen Leben keinerlei Kontakt zueinander pflegen und im jugendlichen Alter stand dieser Klassenkamerad auf der Seite der Schlägerbanden. Doch wie der Erzähler zu Vollards Geschichte kommt, ist dem Buch zu entnehmen.
 Ein schweres gemeinsames Schicksal bringt Eva und Vollard zusammen. Evas Mutter holt die Tochter nicht rechtzeitig von der neuen Schule ab. Sie waren dort zugezogen. Die Mutter kam mit zweistündiger Verspätung. Eva ist völlig verängstigt auf die Straße gerannt, nachdem alle Kinder von ihren Müttern abgeholt wurden, und ihre nicht kam und rannte auf ein Auto zu, und das Autor das Mädchen erfasste. Eva kommt mit Blaulicht schwer verletzt ins Krankenhaus, wird mehrfach notoperiert und liegt über mehrere Wochen im Koma... .

Zwischendrin macht man eine Zeitreise in Vollards Kindheit. Er war schon damals ein Büchernarr, hatte immer jede Menge Bücher in seinen Manteltaschen versteckt. Aber er war auch ein Außenseiter. Auch Vollard zieht um und kommt als Quereinsteiger in eine neue gymnasiale Klasse und wurde von seinen Klassenkameraden arg verspottet und verprügelt, obwohl Vollard viel größer und kräftiger als seine Kameraden wirkte. Doch sehr bald zog Vollard erneut um, und kam in ein neues Heim... .

Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, was das mit dem Kartäuserkind zu tun hat. Ein ähnliches Schicksal der beiden? Vollard war Vollwaise und lebte in einem Heim. Eva wuchs ohne Vater auf und die noch sehr junge Mutter wusste ihrer Tochter nicht zu geben, was es zum Aufwachsen benötigte. Beide recht einsame Menschen. Die Mutter war zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Aber auch sie scheint irgendwo am Rande der Gesellschaft zu stehen. Wahrscheinlich immer auf der Suche nach einem geeigneten Job. Das kam aber anfangs nicht gut rüber, denn auf den ersten Seiten bekommt man mit, wie sie von einer Stadt in die nächste irrt, von einem Bahnhof zum nächste, doch der Autor verrät nicht, was diese Irrfahrten sollten.

Es ist Vollard, der sich verantwortlich und schuldbewusst fühlt, dass er fast das Kind überfahren hätte, obwohl ihm keine Schuld zugewiesen werden konnte. Dass die Mutter Schuldgefühle hat, davon wurde nicht berichtet, im Gegenteil, die Mutter änderte nichts an ihrem Verhalten. Sie ist es, die Vollard bittet, sich weiter um das Kind zu kümmern, während sie unaufhörlich die Flucht vor dem Kind ergreift. Und das hat für das Kind böse Folgen, wie man am Schluss sehen kann. Das Krankenhauspersönal hält Vollmard schon für den Vater des Kindes.

Und Vollard ist es, der die Krankenbesuche macht und ihm ist es zu verdanken, dass Eva aus dem Koma erwacht. Er erzählte dem Kind viele Geschichten aus seinen Büchern. Doch Eva trägt eine schwere Behinderung von sich und wird in eine Reha-Klinik überwiesen. Auch hier ist es Vollard, der das Kind besucht, da die Mutter eine neue Stelle gefunden habe, mit einer ordentlichen Entfernung zur Rehe-Klinik.  Gelingt Vollard es, die Mutter zu ersetzen? Den Ausgang der Geschichte fand ich in einem Fall passend, im anderen Fall eher fraglich.

So richtig ergriffen hat mich das Buch nicht. Stehe dem eher mit gemischten Gefühlen gegenüber.

Da das Buch aber recht dünn ist, lohnt es sich alle mal, es zu lesen, vor allem von Leser/innen, die sich von dem Titel oder dem Inhalt angesprochen fühlen. Man wird immer mit einer neuen Leseerfahrung belohnt, die jeder subjaktiv macht.

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Es kann auch etwas glücklich machen, was es gar nicht wirklich gibt
(Jonathan Coe)

Gelesene Bücher 2013: 42
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86









Samstag, 22. Juni 2013

Pierre Péju / Die kleine Kartäuserin




Klappentext
Ein Buchhändler, der über sich hinauswächst, als ein Kind seine Hilfe braucht. Ein versteinertes Herz, das zu neuem Leben erwacht, als das Schicksal am grausamsten zuschlägt. Und ein Mädchen, dem die schönsten Worte die Sprache rauben. Pierre Péjus Sensationserfolg aus Frankreich ist eine wunderbare Lektüre »für alle, die für die Literatur leben«. Le Monde



Autorenportrait
Pierre Péju, 1946 geboren, ist Dozent für Philosophie, Essayist und Autor mehrerer Biographien, unter anderem über Tieck, Chamisso und Bonaventura. Sein Romandebüt »Die kleine Kartäuserin« war ein Sensationserfolg, allein in Frankreich wurden über 300.000 Exemplare verkauft. Der Roman ist in vierzehn Sprachen übersetzt und wurde verfilmt. Für sein neues Buch »Schlaf nun selig und süß« erhielt Péju den renommierten Buchhändlerpreis Le Prix du Roman Fnac. 
Der Autor ist mir völlig unbekannt und habe ihn im Restsellerladen Jokers entdeckt. Das Buch ist dieses Jahr neu aufgelegt worden und mittlerweile gibt es wohl auch als Taschenbuch. Habe die ersten fünfzig Seiten gelesen und kann mich noch gar nicht zu einer Meinung bekennen. Auch habe ich noch keine Vorstellung davon, was unter dem Buchtitel zu verstehen ist. Ich lasse mich überraschen.

Freitag, 21. Juni 2013

Sarah Quigley / Der Dirigent (1)

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Eine Buchbesprechung der o. g. Lektüre


Das Buch, wie ich im Anhang erfahren habe, ist eine Mischung aus Fiktion und Wirklichkeit.

Es behandelt das Leben dreier bedeutender russischer Berufsmusiker während des zweiten Weltkriegs. Dmitri Schostakowitsch; Komponist, Karl Eliasberg; Dirigent in einem Rundfunkorchester, das als zweitklassig zählt und den Geiger Nikolai, wobei mir Nikolai unbekannt ist, wird selten mit Familiennamen erwähnt, den ich mir dadurch nicht gemerkt habe.

Nikolai gehört wohl zu den fiktiven Figuren. Nach meiner Recherche im Internet konnte ich keinen russischen Geiger finden, der zu seiner Identität passen würde. Im Anhang wird überwiegend zu Dmitri Schostakowitschs Leben Bezug genommen.

Und dennoch hat mich das Leben von Nikolai stark ergriffen. Nikolai ist alleinerziehender Vater einer kleinen Virtuosin namens Claudia, neun Jahre alt und Cello spielt. Claudias Mutter, Cellistin, starb, als Claudia noch ein Säugling war. Nikolai hatte nicht neu geheiratet. Selbst Schostakowitsch ist von Claudias Musiktalent sehr angetan und ist sich nicht zu fein, ihrer Geburtstagseinladung zu folgen und sie, als sie ihren Gästen Duette auf dem Cello spielt, auf dem Klavier zu begleiten. Claudia spielt auf dem Cello, das einst ihrer Mutter gehört hatte und sie es vom Vater geschenkt bekommen hat. Über das Cello redet Claudia oft mit ihrer Mutter und schreibt ihr Briefe... . Sie liebt ihr Instrument mehr als ihre Spielsachen. In dem Vater-Tochter-Haushalt lebt die Tante Tanja, Nikolais Schwägerin, die den beiden im Haushalt behilflich ist, seit Sonjas Mutter verstorben ist.

Der Krieg wütet, Hitler will zwar nicht Russland erobern, aber die Menschen so sehr um ihre Ressourcen bringen, bis sie einen langsamen Tod sterben. Die russische Regierung möchte Kinder und alte Leute aus Leningrad evakuieren. Sonja weigert sich, ohne ihren Vater die Stadt zu verlassen. Auch das Instrument darf nicht mit. Unvorstellbar für Sonja, doch ihr Vater, dem fast das Herz bricht, setzt sich durch. Allerdings musste er Sonja das Versprechen abnehmen, gut auf ihr Cello aufzupassen. Als er Sonja an den Bahnhof begleitet und sie in den Zug setzt, verlässt er zügig die Bahnstation. Sonja sollte zu Verwandten gebracht werden, doch sie ist dort nie angekommen. Nicolai durchlebt dadurch eine schwere Lebenskrise. Niemand weiß, was mit dem Zug passiert ist und hegt dadurch große Schuldgefühle, seine Tochter gegen ihren Willen weggeschickt zu haben und würde alles drum geben, den Schritt ungeschehen zu machen. Als eine gewisse Zeit vergangen ist, und die Nöte in Leningrad durch die Lebensmittelknappheit immer größer zu werden drohen, versucht die Schwägerin Claudias Cello aus dem Haus zu hieven, um es auf dem Schwarzmarkt mit Lebensmitteln einzutauschen. Es kommt zu einem heftigen Disput zwischen ihr und Nikolai. Die Schwägerin meint sicher zu wissen, dass Claudia tot sei und nicht wieder kommen werde und wirft dem Schwager dies brühwarm ins Gesicht.

Ich selbst hatte den Gedanken, dass der Zug von den Nazis angehalten wurde und die Insassen ins KZ abtransportiert wurden... . Aber ich rechnete auch damit, dass Claudias Ausgang zum Ende hin offen bleiben würde. Im Krieg gibt es viele Vermisste, die nie wieder aufgetaucht sind. Diese Ungewissheit hätte Nicolai ins Grab gebracht... .

Interessant fand ich aber auch Karl Eliasbergs Künstlerleben, der ja eigentlich die Hauptfigur der Geschichte ist. Er leidet psychisch darunter, dass aus ihm nicht mehr als nur ein Dirigent geworden ist. Ständig vergleicht er sich neidvoll mit Schostakowitsch. Schostakowitsch selbst hat eine minderwertige Meinung zum Dirigentenberuf. Sein kleiner Sohn Maxim zeigt schon die Neigung zum Dirigieren. Eines Tages verspätet sich Schostakowitsch nach Hause zu kommen und ärgert sich, als er seinem Freund Sollertinski den Grund seines Ärgers kund tut:
"Verdammt. Ich komme nicht mehr rechtzeitig nach Hause, um Maxim vom Dirigieren abzuhalten."
"Was?", rief  Sollertinski aus." Dein Sohn hat angefangen zu dirigieren?"
"Mit allem, was er in die Hände bekommt, Bleistiften, Stricknadeln - es muss verhindert werden. Ich dulde keinen Dirigenten in der Familie." (75)
Auch wenn Schostakowitsch gegenüber Elias nicht offen zugibt, dass er den Dirigentenberuf nicht ausreichend wertschätzt, weiß Elias von dessen Missgunst und erniedrigt sich selbst, indem er sich mit dem großen Meister vergleicht. Elias macht Schostakowitsch zu einem Musikgott. Sein Selbstbewusstsein als Dirigent ist dermaßen gesunken, dass er jedes Mal, wenn er mit Schostakowitsch ins Gespräch kommt, zu Stottern beginnt.

Elias ist sehr ehrgeizig und verbringt jede freie Minute mit seiner Musik. Er geht auch nicht nur mit sich hart ins Gericht, sondern auch mit den Musiker/innen seines Orchesters. Selbst in der größten Menschennot zeigt er keinerlei Verständnis für menschliche Schwächen. Der Hunger ergreift auch die Künstlerseelen, die dadurch immer mehr Kräfte verlieren, hungrig und kraftlos in den Proben erscheinen. Elias duldet auch hier keinerlei Entschuldigungen und erwartet Perfektion.
Wir sind seit zehn Jahren die zweite Garnitur. Wollen Sie das wirklich bleiben - für den Rest ihres erbärmlichen Lebens eine zweitklassige unbekannte Flachpfeife? (173)
Erst durch eine Bekannte namens Nina, Tänzerin von Beruf, die Schostakowitschs Künstlernatur relativiert, erfährt Elias durch sie eine Wertschätzung seines Berufstandes als Dirigenten:
"Schostakowitsch", sagte Nina,"ist auch nur ein Mensch, der die Arbeit tut, für die er geboren wurde, sowie du deine tust. Daran musst du glauben."
Diese Einstellung hat mir so gut gefallen und trifft den Nagel auf den Kopf.

Die Musiker/innen kämpfen mit ihrer Kunst. Sie hofften, den Krieg mit Musik besiegen zu können, auch wenn sie bekennen müssen, dass mit Opern noch kein Krieg gewonnen wurde. Die Musiker/innen sollten nach Sibirien evakuiert werden.

Wie sehr die Hungersnot immer mehr zunahm, an der auch viele Musiker/innen starben, macht folgendes Zitat deutlich:
Als die schmutzige Schneedecke langsam weggezogen wurde, kamen zerstückelte Leichen darunter zum Vorschein. Abgetrennte Beine, aus denen große Stücke Fleisch herausgeschnitten worden waren, Frauenkörper mit säuberlich abgetrennten Brüsten. Die Überreste von Rümpfen, Rücken und Bauch, filetiert wie die Flanken eines Rinds. Fleisch, von den Toten gestohlen, um die Lebenden zu ernähren: so entsetzlich weit waren manche Leningrader gegangen, um am Leben zu bleiben. (319) 
Und nun als letztes noch ein paar Zeilen zum Komponisten Dmitiri Schostakowitsch. Erstaunlich fand ich zu lesen, dass er es nicht duldete, wenn Instrumentalist/innen Gefühle spüren in der Musik, die sie spielen. Die Musiker/innen seien einzig und allein dazu da, Gefühle in den Zuhörer/innen zu wecken. Auch Körperbewegung mit dem Instrument war nicht nur bei Schostakowitsch, sondern auch bei Elias verpönt. Eine körperbetonte Flötistin aus Elias Orchester bezeichnete er als Schneebesen. (190)

Diese Einstellung ist mir fremd. Glücklicherweise findet man sie heute nicht mehr. Fast jede/r Musikleher/in animiert ihre Schüler/in, die Musik über den Körper noch weiter zu betonen.

Schostakowitschs Einstellung und Verhalten zum Krieg? Schostakowitsch wollte sich nicht unterkriegen lassen und verweigerte vorerst die Evakuierung nach Sibirien.
Dadurch, dass Schostakowitsch die Evakuierung verweigerte, gefährdete er auch das Leben seiner vierköpfigen Familie. Ähnlich wie Elias tat er sich schwer, von seiner Arbeit loszulassen und arbeitete oft bis zur Erschöpfung. Selbst als Fliegeralarm gemeldet wurden, klammerte er sich an das Klavier, während die restliche Familie in den Luftschutzkeller flüchtete:
Als das Gebäude um ihn herum rumpelte und sich ein großer Riss in der Wand auftat, warf er sich unter den Flügel. Aber er spürte keine Angst - nur Erleichterung. Der eine flüchtige Blick hatte gereicht."Alles ist gelöst." Er hielt sich an den zitternden Beinen des Flügels fest."Irgendwann kommt alles zu einem Ende."  Seine Ohren waren noch von der Watte verschlossen; was er sagte, klang selbst in seinem Kopf gedämpft. Er zog die Pfropfen heraus - RUMS! Ein ohrenbetäubender Knall...  hatte eine Bombe der Luftwaffe ihn erwischt? Aber es war nur der Deckel des Flügels, der mit voller Wucht heruntergekracht war und jetzt die Seiten kreischen ließ wie die Seehexen. Schostakowitsch verzog das Gesicht. (253 f)
Hier mache ich Schluss. Das Buch hat mir recht gut gefallen. Die Autorin scheint, lt. Angaben im Anhang, gut recherchiert zu haben. Es ist ihr gelungen, die Musiker/innen in ihren Charakteren gut zu beschreiben. Auch fand ich interessant, mal unter die Prominenz zu gehen, und an deren Leben heimlich teilzunehmen. Ich konnte mich gut in die Figuren hineindenken und hineinfühlen. Am sympatischsten war mir Nikolai. Für mich ist Schostakowitsch ein guter Komponist, aber kein Gott. Und was ich menschlich von ihm halten soll, dazu habe ich noch keine eindeutige Meinung. Dass ihm die Musik wichtiger war, und damit das Leben seiner Familie riskierte, zeugt nicht gerade für echte Größe. Immerhin hat er eine Familie gegründet, niemand hatte ihn dazu gezwungen... . Auch dass er im Beruf seine Arbeit als Komponisten so hoch schätzte, während er andere im Gegenzug erniedrigte, macht mich nicht zu einer Freundin Schostakowitschs. Ganz gleich, wie gut seine Musik ist.

Wie allerdings ein/e Berufsmusiker/in dieses Buch lesen würde, kann ich nicht sagen. Vielleicht liest sie /er es kritischer, als ich es getan habe.
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Manchmal ist die Intuition die einzige Stimme, auf die es sich zu hören lohnt.
(Sarah Quigley)

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Sonntag, 16. Juni 2013

Sarah Quigley / Der Dirigent



Klappentext
Im Sommer 1941 verlassen die deutschen Soldaten klammheimlich Leningrad. Eine Katastrophe naht: Die Stadt wird belagert, soll dem Erdboden gleichgemacht werden. Der Großteil der Künstler und Kulturschaffenden wird evakuiert. Bis auf Dmitri Schostakowitsch, den wohl berühmtesten russischen Komponisten. Er bleibt, um seine Stadt zu verteidigen. Doch ein anderer wird zum eigentlichen Helden: Karl Eliasberg, Dirigent eines zweitklassigen Radioorchesters. Hungernd und im Angesicht des Todes führt Eliasberg mit seinem Orchester Schostakowitschs »Siebte Symphonie« auf. – Ein hochmusikalischer, bewegender Roman über zwei beseelte wie getriebene Männer, die der Kälte einen humanen Klang abringen.
Die Symphonie des WintersEs ist eine Zeit, in der alle Musik gefriert. Doch im Kopf eines Mannes entsteht eine Symphonie, die den Menschen im belagerten Leningrad Mut und Hoffnung geben kann. Allerdings bedarf es eines todesmutigen Dirigenten, damit das Werk erklingen kann. Ein ergreifender Roman über den Sieg der Kunst über die Barbarei.


Autorenportrait
Die Schriftstellerin und Kritikerin Sarah Quigley, geb. 1967 in Neuseeland, promovierte in Literatur an der University of Oxford. Sie veröffentlichte Kurzgeschichten und Gedichte, wofür sie zahlreiche hochkarätige Auszeichnungen erhielt. »Der Dirigent« ist ihr vierter Roman und ihr erstes Buch auf Deutsch. Seit 2000 lebt und arbeitet sie in Berlin.

Ich mag Musik sehr, speile selbst ein Instrument, allerdings eher dilettantisch. Habe aber immer viel, von frühster Jugend auf ,Musik konsumiert, oder viel mehr genossen. Bin immer ganz in sie innerlich aufgegangen. Sie war meine Traumwelt. Schaue mir gerne Muiskfilme an und lese gerne darüber.
Auf der hinteren Innenseite des Buches ist auch eine CD mit eingefügt, mit vier Kompositionen von Dimitri Schostakowitsch, den ich auch sehr mag.

Nach den ersten gelesenen fünfzig Seiten liest sich das Buch wie eine Biografie. Bin neugierig, wie es weitergehen wird.

Jonathan Coe / Der Regen, bevor er fällt (1)

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Eine Buchbesprechung der o. g. Lektüre


Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es ist recht authentisch geschrieben, ist psychologisch prägnant und auch sehr lebensnah. Hier wird nichts beschönigt. Es zeigt das nackte Leben der Romanfiguren. Jonathan Coe, als sei er Psychologe von Beruf, zeichnet original die Gesichter seiner fiktiven Personen auf, und was sich dahinter verbirgt. Die Idee, wie er das Thema behandelt hat, fand ich originell und hat mich fasziniert. Anfangs habe ich mir ein wenig schwer getan, in das Geschehen reinzukommen, weil so viele Namen gefallen sind, die ich noch nicht zuordnen konnte. Das änderte sich aber im Laufe der Romangeschichte.

Ich werde nicht zu viel verraten, weil ich jedem die selbe Überraschung gönnen möchte, die ich selbst durch die Geschichte erfahren habe.

Der Roman behandelt eine größere Familiengeschichte, die über mehrere Frauengenerationen geht, und alle mit einem schweren Schicksal behaftet sind.

Die Hauptdarstellerin ist Rosamunde, der man diese Geschichte, die erzählt wird, zu verdanken hat. Rosamunde ist allerdings im Alter von 73 Jahren verstorben, und sie an ihre Nichte zweiten Grades mit dem Namen Imogen eine Erbschaft hinterlässt. Die Erbschaft besteht aus einer Geldsumme und aus zwanzig Fotos, nummeriert von eins bis zwanzig, die alle der Reihe nach auf Tonband beschrieben werden, so dass daraus eine ganze Geschichte entsteht. Imogen ist blind, dies erfährt man schon zu Beginn des Romans, es aber spannend bleibt zu erfahren, woran Imogen erblindet ist und weshalb sie sich bei Pflegeltern auffindet. Aufgrund ihrer Blindheit werden die Fotos aufs Band beschrieben.
Rosamanundes Nichte Gill, die auch Teilerbin wird, bekommt durch ihre verstorbene Tante in schriftlicher Form die Aufgabe zugetragen, Imogen aufzusuchen, und ihr die Erbschaft zu überbringen. Imogen  ist wie verschollen. Gill gibt mehrere Suchanzeigen auf. Erst zum Ende des Romans erfährt man zu Imogens Verbleib... . Wo lebt die mittlerweile junge erwachsene Imogen? Was ist mit ihr passiert? Dies erfährt man eigentlich erst am Schluss der Geschichte. Mit Imogens eingetretem Ausgang hatte ich allerdings nicht gerechnet und kam für mich total überraschend.

Die Protagonistinnen der Romanhandlungen sind Rosamunde, Beatrice, Batrices Tochter Thea, und später Theas Tochter Imogen.

Beatrice und Rosamunde sind Cousinnen. Beatrice ist drei Jahre älter. Rosamunde ist von ihrer Familie für eine bestimmte Zeit an Beatrices Familie abgegeben worden. Rosamunde war zu der Zeit acht Jahre alt. Zwischen Rosamunde und Beatrice entsteht eine außergewöhnliche Freundschaft, beide gingen eine Blutsweihe ein und bezeichneten sich dadurch als Blutsschwestern, wobei Beatrice eher Mitleid mit Rosamunde hatte, als sie von den Eltern für kurze Zeit verlassen wurde. Es sind die späten Jahre des zweiten Weltkriegs und die Jahre danach. Beatrice hatte kein wirkliches Interesse zu dem Mädchen Rosamunde. Hauptsächlich ihr Mitleid verband sie mit ihrer Cousine.
Die beiden Mädchen erleben einige Abenteuer in ihrer gemeinsamen Kinderzeit und bleiben auch im erwachsenen Alter auf merkwürdige Art und Weise verbunden.

Beatrice wird im Alter von achtzehn Jahren schwanger und ist durch die gesellschaftlichen Konventionen gezwungen, den Erzeuger zu heiraten, ohne dass echte Liebe zwischen dem jungen Paar bestand. Zur Welt kommt Thea und Thea ist kein Wunschkind. Das bekommt Thea ziemlich schnell von ihrer Mutter zu spüren. Beatrice verliebt sich in einen Kanadier, und beschließt, die Ehe zu brechen und mit ihrem neuen Liebhaber nach Kanada auszuwandern. Thea, mittlerweile drei Jahre alt, steht im Weg, sie bekommt keinen Platz in dieser neuen Beziehung zugewiesen. Rosamunde, die zusammen mit ihrer Freundin Rebecca lebt, wird von Beatrice gebeten, Thea bei sich aufzunehmen, bis sich ihre Verhältnisse geglättet haben.

Beatrice wird nie richtig erwachsen, schiebt unbewusst die Verantwortung ihrer Tochter zu, dass ihre Geburt ein Fehler sei.

Thea wächst zu einem sehr sensiblen Mädchen heran. Der Regen, bevor er fällt, stammt aus ihrem Kindermund. Sie liebt nämlich den Regen, noch bevor er gefallen ist. Rosamund klärt sie auf:
"Weißt du, so etwas wie einen Regen, bevor er fällt, gibt es nicht. Er muss erst fallen, sonst ist es kein Regen." Es war reichlich blödsinnig, einem kleinen Mädchen so etwas erklären zu wollen. Ich bereute schon, überhaupt damit angefangen zu haben. Doch Thea schien überhaupt keine Schwierigkeiten zu haben, diesen Gedanken zu begreifen, im Gegenteil - denn nach einigen Augenblicken sah sie mich an und schüttelte mitleidig den Kopf, als stellte es Ihre Geduld auf eine harte Probe, über so etwas mit einem Dummkopf zu diskutieren."Natürlich gibt es so etwas nicht", sagte sie."Gerade deshalb ist es ja mein Lieblingsregen. Es kann einen doch auch etwas glücklich machen, das es gar nicht wirklich gibt, oder etwa nicht?" Und damit rannte sie grinsend weg, hinunter zum Wasser, hochzufrieden, dass ihre Logik einen so dreisten Sieg davongetragen hatte. (178)
Etwas zu lieben, was es gar nicht gibt, habe ich mir so erklärt, dass es die Mutterliebe ist, die Thea vermisst. Sie weiß unbewusst, dass sie von ihrer Mutter nicht geliebt wird. Beatrice war zu jung für ein Kind, zu jung für eine Ehe. Mit achtzehn Jahren ist man lebenshungrig, und man muss oftmals einige Partnerschaften erst ausprobieren, bevor man eine Ehe eingeht. Diese Zeit hat Beatrice allerdings nicht gehabt, die Konventionen waren zu sehr vorgegeben. Beatrice war auch in den folgenden Jahren nicht reflektiert genug, um die Verantwortung für die Geburt Theas zu übernehmen. Sie behandelte ihr Kind weiterhin schlecht, machte ihr immer wieder Vorwürfe, dass es besser gewesen sei, sie wäre nie geboren worden. Thea fühlt sich der Mutter ohnmächtig ausgeliefert, wächst mit einer inneren Leere auf, und ihre Gefühle erstarren immer mehr zu Eis. Thea begreift sich als ein Defekt, als ein Fehler, der nie hätte begangen werden sollen. Sie ist selbst davon überzeugt, dass sie nie hätte geboren werden sollen. Doch wie kann ein Kind die Geburt verhindern? Erwachsene Menschen, die sich in ihrer Sexualität nicht beherrschen können, um ein Kind zu verhüten, sind nicht in der Lage, Verantwortung zu übernehmen. Thea hat nie wirklich ihren inneren Frieden finden können:

Ich war ein Fehler, und das bin ich zu einem gewissen Grad auch in meinen eigenen Augen bis heute geblieben. Dieses Wissen lässt einen niemals los, kann nie rückgängig gemacht werden. Es bleibt nichts anderes übrig, als sich damit abzufinden und damit zu leben. (294)

Über die Generationen hinweg entsteht ein gewisses emotionales Muster, das in die nächste Generation psychogenetisch weiter vererbt wird. Doch wer trägt die Schuld? Geht es überhaupt um Schuld? Manchmal müssen Dinge geschehen, weil sie gelebt werden müssen, und die Erfahrung bewertet nicht in gut und schlecht. Sie will gelebt werden in all ihren Facetten. Deutlich wird das auch ganz besonders anhand des Hundes Bonaparte. Bonaparte war der vielgeliebte Hund von Beatirces Mutter und der Hund durch Beatrices Verhalten auf Nimmerwiedersehen ausreißt. Wer mehr dazu wissen möchte, verweise ich auf das Buch.
Nichts war zufällig. Es gab ein Muster, irgendwo musste in all dem ein Muster zu finden sein ... (297).
Als Thea schließlich schwanger wird, und Imogen zur Welt bringt, werden die Probleme nicht kleiner, sie werden eher noch weiter fortgesetzt und das Drama erreicht mit Imogens Existenz den Höhepunkt. Rosamunde wollte gerne Imogen bei sich aufnehmen, wie sie damals Thea bei sich aufgenommen hatte. Sie ist eigentlich die einzige aus der Familie, die dieses emotionale System durchschaut. Sie hatte das Bedürfnis, Imogen bei sich aufzunehmen, um ihr die Liebe zu geben, die ihre Mutter ihr nicht hat geben können:
Und auf diese Weise könnte vielleicht, über die Generationen hinweg, die Ungerechtigkeiten ein bisschen zurechtgerückt werden. So sahen jedenfalls die Möglichkeiten für die Zukunft aus, die ich mir in dieser Situation zusammen fantasiert hatte. (253)
Doch dem Wohlfahrtsamt sagte Rosamundes Lebensweise nicht zu, und verweigert ihr das Kind. Jeglicher Bezug zur Familie wurde dem Kind dadurch genommen. Rosamunde war durchaus ein Mensch, der Liebe geben konnte. Ihre Lebensweise befanden sich auch nicht im Sinne der gesellschaftlichen Regeln.

Was wird aus Beatrice und Rosamundes Freundschaft? Gelingt es Gill, Imogen aufzufinden und ihr das Erbe zu überreichen? Was ist aus Thea geworden? Wie gestaltet Thea die Beziehung zu Rosamunde, die einst ihre Ersatzmutter war? Wird das Band zwischen Thea und Rosamunde gebrochen? Warum lebt Imogen in einer Pflegefamilie bzw.bei  Adoptiveltern? Was ist mit Thea passiert, die nicht in der Lage war, für ihr Kind zu sorgen? Das waren alles Fragen, die mich schon auf den ersten Seiten beschäftigt hatten.

Mein Fazit
Ich habe vieles unerwähnt gelassen, weil ich die Spannung nicht nehmen möchte. Wobei es hier nicht um die Spannung geht, die man aus Krimis kennt. Es ist eher das Interesse, das zu der Lebensweise der vielen unterschiedlichen Frauen  immerzu steigt und man wächst als Leserin so richtig in die Geschichte(n) rein. Das ist dem Autor sehr gut gelungen... .
Einen Aspekt habe ich noch weggelassen und möchte ihn doch noch einbringen... .
Man fragt sich beim Lesen immer wieder, wo der Mann in seiner Verantwortung geblieben ist? Ist es die Absicht des Autors, dass die Männer hier eine so geringe Rolle spielen? Sowohl die Frauen, als auch die Kinder, bleiben mit ihrem Schicksal allein. Die Männer tragen oft keinerlei Konsequenzen davon. Beatrices erster Mann freute sich, als er eines Tages nach Hause kam, und eine leere Wohnung vorfand. Kind und Mutter waren fort. Wo bleiben die Vatergefühle? Warum hat er wenigstens nicht um sein Kind getrauert?  Entweder kamen die Männer in dem Buch zu kurz, oder aber die Einstellung der Männer war eben so, wie sie im Buch beschrieben wurden. Ein Abbild der Realität zu der damaligen Zeit? Für mich waren sie eher wie Schattenfiguren anzusehen.
Aber mir ist auch durchaus bewusst, dass es Frauen gibt, die sich immer wieder einer bestimmten Sorte von Männern unterziehen, mit denen sie im Laufe ihres Lebens zu tun haben. Das hat nichts mit der Zeit zu tun, das Problem ist eher zeitlos.

Und trotzdem bleibt mir die Frage noch offen, wie ein männlicher Autor dazu kommt, nur Frauenschicksale zu erfinden? Kennt er sich mit dem anderen Geschlecht wirklich besser aus als mit dem eigenen? Es geht hier hauptsächlich um Frauenschicksale. Es ist kein Mix der beiden Geschlechter. Da ich keine Literaturwissenschaftlerin bin, gelingt es mir nicht, diese Frage zu beleuchten und lasse sie unbeantwortet stehen. Vielleicht muss ich ein paar Bücher mehr von dem Autor lesen, um ihn besser begreifen zu können.

Das Buch ist keineswegs sentimental geschrieben, und auch nicht von übertriebenen Emotionen beladen, dennoch sind mir zum Schluss die Tränen gekommen.
Das Buch erhält von mir zehn von zehn Punkten. Zu den zu Beginn der Buchbesprechung schon erwähnten positiven Punkten fühlte ich mich zudem auch von der literarischen Sprache des Autors recht angezogen.
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Es kann auch etwas glücklich machen, was es gar nicht wirklich gibt
(Jonathan Coe)

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