Sonntag, 23. Juni 2013

Pierre Péju / Die kleine Kartäuserin (1)

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Eine Buchbesprechung der o. g. Lektüre


Zu Beginn des Buches hatte ich noch gar keine Vorstellung davon, was der Autor mit dem Titel mir sagen möchte. Was war mit Der kleinen Kartäuserin gemeint?  Was hat ein Kind mit einer Katzenrasse zu tun? Doch am Ende der Lektüre fand ich die Auflösung, die ich natürlich nicht verraten werde. Das Buch habe ich mir schließlich nur des Titels wegen gekauft, der mich total neugierig gestimmt hatte.

Es ist ein kleines Büchlein von gerade mal 184 Seiten. Werde mich demnach sehr kurz halten.

Irritiert war ich erst, dass sich der Buchhändler Etienne Vollard als der eigentliche Protagonist der Geschichte herausstellte und nicht die neunjährige Eva... . Der Erzähler ist ein ehemaliger gymnasialer Klassenkamerad Vollards, obwohl die beiden Klassenkameraden im erwachsenen Leben keinerlei Kontakt zueinander pflegen und im jugendlichen Alter stand dieser Klassenkamerad auf der Seite der Schlägerbanden. Doch wie der Erzähler zu Vollards Geschichte kommt, ist dem Buch zu entnehmen.
 Ein schweres gemeinsames Schicksal bringt Eva und Vollard zusammen. Evas Mutter holt die Tochter nicht rechtzeitig von der neuen Schule ab. Sie waren dort zugezogen. Die Mutter kam mit zweistündiger Verspätung. Eva ist völlig verängstigt auf die Straße gerannt, nachdem alle Kinder von ihren Müttern abgeholt wurden, und ihre nicht kam und rannte auf ein Auto zu, und das Autor das Mädchen erfasste. Eva kommt mit Blaulicht schwer verletzt ins Krankenhaus, wird mehrfach notoperiert und liegt über mehrere Wochen im Koma... .

Zwischendrin macht man eine Zeitreise in Vollards Kindheit. Er war schon damals ein Büchernarr, hatte immer jede Menge Bücher in seinen Manteltaschen versteckt. Aber er war auch ein Außenseiter. Auch Vollard zieht um und kommt als Quereinsteiger in eine neue gymnasiale Klasse und wurde von seinen Klassenkameraden arg verspottet und verprügelt, obwohl Vollard viel größer und kräftiger als seine Kameraden wirkte. Doch sehr bald zog Vollard erneut um, und kam in ein neues Heim... .

Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, was das mit dem Kartäuserkind zu tun hat. Ein ähnliches Schicksal der beiden? Vollard war Vollwaise und lebte in einem Heim. Eva wuchs ohne Vater auf und die noch sehr junge Mutter wusste ihrer Tochter nicht zu geben, was es zum Aufwachsen benötigte. Beide recht einsame Menschen. Die Mutter war zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Aber auch sie scheint irgendwo am Rande der Gesellschaft zu stehen. Wahrscheinlich immer auf der Suche nach einem geeigneten Job. Das kam aber anfangs nicht gut rüber, denn auf den ersten Seiten bekommt man mit, wie sie von einer Stadt in die nächste irrt, von einem Bahnhof zum nächste, doch der Autor verrät nicht, was diese Irrfahrten sollten.

Es ist Vollard, der sich verantwortlich und schuldbewusst fühlt, dass er fast das Kind überfahren hätte, obwohl ihm keine Schuld zugewiesen werden konnte. Dass die Mutter Schuldgefühle hat, davon wurde nicht berichtet, im Gegenteil, die Mutter änderte nichts an ihrem Verhalten. Sie ist es, die Vollard bittet, sich weiter um das Kind zu kümmern, während sie unaufhörlich die Flucht vor dem Kind ergreift. Und das hat für das Kind böse Folgen, wie man am Schluss sehen kann. Das Krankenhauspersönal hält Vollmard schon für den Vater des Kindes.

Und Vollard ist es, der die Krankenbesuche macht und ihm ist es zu verdanken, dass Eva aus dem Koma erwacht. Er erzählte dem Kind viele Geschichten aus seinen Büchern. Doch Eva trägt eine schwere Behinderung von sich und wird in eine Reha-Klinik überwiesen. Auch hier ist es Vollard, der das Kind besucht, da die Mutter eine neue Stelle gefunden habe, mit einer ordentlichen Entfernung zur Rehe-Klinik.  Gelingt Vollard es, die Mutter zu ersetzen? Den Ausgang der Geschichte fand ich in einem Fall passend, im anderen Fall eher fraglich.

So richtig ergriffen hat mich das Buch nicht. Stehe dem eher mit gemischten Gefühlen gegenüber.

Da das Buch aber recht dünn ist, lohnt es sich alle mal, es zu lesen, vor allem von Leser/innen, die sich von dem Titel oder dem Inhalt angesprochen fühlen. Man wird immer mit einer neuen Leseerfahrung belohnt, die jeder subjaktiv macht.

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Es kann auch etwas glücklich machen, was es gar nicht wirklich gibt
(Jonathan Coe)

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