Ich bin von dem Buch total angetan.
Man hört ja viel über die Inflation, aber Remarque bringt das richtig lebendig
rüber. Sich die Zigarette mit einem Hundertmarkschein anzuzünden, das ist schon
grotesk. Oder ein Laib Brot, das 1000 Mark kostet ... . Was ich an Remarque besonders schätze und liebe, ist,
er ergreift Partei für Menschen, denen es an Gerechtigkeit mangelt, denen es an
materiellen Gütern fehlt. Menschen, die durch eine Regierung in existentielle
Nöte geraten sind. Menschen, die politisch und gesellschaftlich benachteiligt
sind. Ich mag Menschen, die parteiisch sind. ... . Ziemlich schlecht schneidet
in dem Buch die katholische Kirche ab. Während die Menschen hungern und nicht
wissen, wie sie um den nächsten Tag kommen, sieht bei ihr die Tafel recht
prunkvoll aus, wie reichlich deren Tisch gedeckt ist... . Die Rede ist von
einer Klinik, die von Ordensschwestern geleitet wird, und der Protagonist,
Orgelspieler, dort an der Tafel gemeinsam mit dem Vikar teilnehmen darf als
Ausgleich für das geringe Gehalt für sein musisches Engagement.
Remarque schreibt allgemein
recht gesellschaftskritisch und nimmt auch das kleine Volk unter seine Lupe...
.
Der Protagonist ist der
Ich-Erzähler und heißt Ludwig Bodmer, und macht es dem Leser möglich, in
Institutionen hinter die Kulissen zu schauen.
Ludwig Bodmer ist
fünfundzwanzig Jahre jung und hat schon allerhand erlebt aber er bezeichnet
sich für zu jung auf manchem Gebiet. Seine Freunde widersprechen ihm, und
betrachten ihn als ein Kriegsprodukt - emotional zu unreif, aber
erfahren im Morden ... :D.
Eine Straßenbahnfahrt, hin und
zurück, kostet 1000 Mark. Der Eintritt ins Museum 250 Mark, die Tapeten an den
Wänden kann man mit Geldscheinen zukleistern... .
Die wirklichen Verlierer sind
die kleinen Leute, die Sparer, die durch die Inflation von heute auf morgen
ihre gesamten Ersparnisse verloren haben. Gewinner sind die Aktionäre und die
Börsianer... . Also, die Reichen, die wussten, wie man Geld anlegt... .
Folgende Szene hat mich
besonders betroffen gemacht. Es geht um einen Suizidanten, der aufgrund seiner
Tat auf dem Kirchhof nicht begraben werden darf. Bodmer kann das gar nicht
verstehen und nimmt sich mitfühlend der verzweifelnden, trauernden,
hinterbliebenen Ehefrau an:
" Sie meinen, dass er
deshalb nicht auf dem Kirchhof beerdigt werden darf?", fragte ich.
" Ja. Nicht auf dem
katholischen. Nicht in geweihter Erde."
" Aber das ist doch
Unsinn!", sagte ich ärgerlich." er sollte in doppelter
geweihter Erde begraben werden. Niemand nimmt sich ohne Not das Leben. Sind Sie
ganz sicher, dass das stimmt?"
" Ja. Der Pastor hat es
gesagt."
" Pastoren reden viel,
das ist ihr Geschäft. Wo soll er denn sonst beerdigt werden?"
"Außerhalb des
Friedhofs. Auf der anderen Seite der Mauer. Nicht auf der geweihten Erde. (…)
Und das geht nicht. Er war fromm. Er muss-", Ihre Augen sind plötzlich
voll Tränen."Er hat es sicher nicht überlegt, dass er nicht in geweihter
Erde liegen darf."
" Er hat wahrscheinlich
überhaupt nicht daran gedacht. Aber grämen Sie sich nicht wegen Ihres Pastors.
Ich kenne Tausende von sehr frommen Katholiken, die nicht in geweihter Erde
liegen."
Sie wendet sich mir rasch zu.
"Wo?"
" Auf den
Schlachtfeldern in Russland und Frankreich. Sie liegen da beieinander in
Massengräbern, Katholiken, Juden und Protestanten, und ich glaube nicht, dass
das Gott etwas ausmacht." :D
" Das ist etwas anderes.
Sie sind gefallen. Aber mein Mann-" (…) der Pastor behauptet, die
Todsünde-".
" Liebe Frau",
unterbreche ich sie. Gott ist viel barmherziger als die Priester, das können
Sie mir glauben."
Er sollte in doppelter
geweihter Erde begraben werden, damit will der Autor zu verstehen geben,
dass diese Menschen, die so viel Leid erfahren, es besonders verdienen,
geachtet und respektiert zu werden.
Und der letzte Satz könnte von
mir sein. Denn auch ich bin der Meinung, dass Menschen viel härter im Urteil
sind, was die menschliche Schwäche betrifft, sollte es einen Gott geben. Es ist
der Mensch, der sich nach Rache und nach Sühne sehnt, nach einer Hölle für seine
Feinde. Es ist der Mensch, der sich nach einem strafenden Gott sich sehnt, aber
mein Gottesbild ist davon geprägt, dass Gott nur vergeben will. Es ist ja
schließlich nicht so einfach, verglichen mit anderen Lebewesen.
Weiter geht es im Dialog. Die Frau geniert sich,
dass sie ihre Trauer einem wildfremden Menschen anvertraut. Doch Bodmer
versucht sie zu trösten, dass es für diese kritische Zeiten normal sei, so viel
mit Toten zu tun zu haben:
"Ja -aber nicht
so-"
" doch", erkläre ich. Das passiert in
dieser traurigen Zeit viel häufiger als Sie denken. Sieben allein im letzten
Monat. Es sind immer Menschen, die nicht mehr ein noch aus wissen. Anständige
Menschen also. Die unanständigen kommen durch."
Es folgt noch ein anderes Zitat,
das mir sehr imponiert hat und mir auch aus der Seele spricht. Es geht um die
Grabreden, um Todesanzeigen, die immer so positiv und menschenliebend
ausfallen. Dieses Zitat möchte ich gerne festhalten, weil es so schön und
treffend ausgedrückt ist und auch heute noch aktuell ist:
"Wenn es nach den
Todesanzeigen ginge, wäre der Mensch absolut vollkommen. Es gibt nur perfekte
Väter, makellose Ehemänner, vorbildliche Kinder, uneigennützige, sich
aufopfernde Mütter, allerseits bedauerte Eltern, Geschäftsleute, gegen die
Franziskus von Assisi ein hemmungsloser Egoist gewesen sein muss :D,
gütetriefende Generäle, menschliche Staatsanwälte, fast heilige
Munitionsfabriken :D - kurz, die Erde scheint, wenn man den Todesanzeigen
glaubt, von einer Horde Engel ohne Flügel bewohnt
gewesen sein, von denen man
nichts gewusst hat. Liebe, die im Leben wahrhaftig nur selten rein kommt,
leuchtet im Tode von allen Seiten und ist das häufigste, was es gibt. Es
wimmelt nur so von erstklassigen Tugenden, von treuer Sorge, von tiefer
Frömmigkeit, von selbstloser Hingabe, und auch die Hinterbliebenen wissen, was
sich gehört - sie sind von Kummer gebeugt, der Verlust ist unersetzlich, sie
werden den Verstorbenen nie vergessen - es ist erhebend, das zu lesen, und man
könnte stolz sein, zu einer Rasse zu gehören, die so noble Gefühle hat.
Szenenwechsel:
Bodmer befindet sich wieder bei einem seiner
Freund, als sie zum gemeinsamen Essen verabredet sind:
" Was gibt es heute bei
Eduard?"
" Deutsches Beefsteak."
" Gehacktes Fleisch also. Warum ist
gehacktes Fleisch deutsch?"
" Weil wir ein kriegerisches Volk sind und
sogar im Frieden unsere Gesichter in Duellen zerhacken."
zu dem Fettdruck, von mir
erhoben, muss ich nichts mehr sagen, die Textstelle versteht sich von selbst.