Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre
Das Schöne an der sehr feinfühligen Autorin ist, dass sie ihre Tierliebe nicht auf die üblichen Tiere wie Hunde und Katzen, etc. begrenzt, sondern sie sogar auf viele Exoten ausweitet. Ich konnte viel von ihr lernen, speziell was ihre Liebe auch zu Spinnen und Insekten betrifft.
Ein Buch über den respektvollen Umgang mit anderen Lebewesen, die uns, wenn wir es zulassen, so auch die Autorin, vom inneren Wesen her recht ähnlich sind.
An einem einzigen Beispiel habe ich durch die Autorin das Bedürfnis verspürt, auch über meine eigene Erfahrung mit meinen Vierbeinern zu schreiben. Seelenverwandte? Finde ich draußen in der realen Welt unter den Menschen sehr wenige. Und dabei gibt es sie sehr wohl. Das hinterlässt für mich einen tröstlichen Charakter.
Hier geht es zum Klappentext, zum Autorenporträt, zu den ersten Leseeindrücken und zu den Buchdaten.
Die Handlung
Sy Montgomery erzählt in einem narrativen Schreibstil
von ihrem Leben mit Tieren, dessen Weichen schon recht früh entgegen der Mutter
in ihrer Kindheit gelegt wurden. Während ihre Mutter aus ihr ein adrettes
Mädchen zu formen versucht hatte, geht sie dennoch ihren eigenen
Weg. Sie fühlt sich zu Tieren dermaßen hingezogen, dass sie diese zu ihren einzigen
Spielgefährten machte. Begonnen hatte alles mit einer Scotchterrier – Hündin
namens Molly. In dieser Kindheit träumte sie schon ihren Traum, aus ihrem
Umfeld auszuziehen, um mit den Tieren in der Wildnis leben zu können. Obwohl
ihre gut situierten Eltern mit ihr andere Pläne hatten, begannen ihre Träume mit
26 Jahren Gestalt anzunehmen, indem sie beschloss, ihren eigentlichen Beruf als Journalistin aufzugeben und in die Tierforschung zu
gehen, um das Verhalten verschiedener Tierarten zu ergründen.
Vorbilder fand sie schon in ihren Kinderbüchern. Sie las Jane Goodall, die berühmte Primatologin und Verhaltensforscherin. Weg von den verborgenen Beobachtungen, und rein in die Sukzessive, um auf die Tiere zuzugehen und deren Verhalten aus der Nähe zu beobachten. Der Terminus wäre hierzu Empirie bzw. Feldforschung. Dies waren Goodalls Methoden, die Montgomery übernommen und in ihre Arbeit integriert hatte.
Sy Montgomery bereiste dadurch mehrere Kontinente, um ihre Forschungsprojekte anzugehen. Doch sie führte als Tierforscherin auch ein Privatleben mit eigenen Tieren wie Hühner, Border – Colly, ein Schwein etc. und auch alle ihre Tiere bekamen einen Namen ... Doch selbst die Goliath – Wolfsspinne aus der Forschung erhielt den Namen Clarabelle und der Oktopus hieß Octavia.
Ihre eigenen Tiere nahm sie bei sich auf, die gehandicapt waren …
Welche Szene hat mir nicht gefallen?
Mir hat nicht gefallen, dass Sy Montgomery von den
Eltern enterbt wurde, nachdem sie einen Mann ihrer eigenen Wahl geheiratet hat.
Ihr Mann ist Schriftsteller von Beruf und in den Augen ihrer Eltern nicht
angesehen genug. Weitere Beispiele hierzu siehe unten.
Welche Szene hat mir besonders gut gefallen?
Es waren jede Menge Szenen, doch bei einer Szene
musste ich an Goethe denken, der das Buch über die Wahlverwandtschaft
geschrieben hat, weshalb ich diese Szene unbedingt aufschreiben möchte, denn
man kann durchaus auch Tiere zu Wahlverwandten machen, wenn man erkennt, dass
diese Geschöpfe wie man selbst auch beseelte Wesen sind.
Die Autorin selbst hat sich mehr zu Tieren als zu Menschen hingezogen gefühlt. Wie ich oben schon geschrieben habe, war ihre Zuneigung zu Tieren schon mit der Geburt mitgegeben. Ihren damaligen ersten Hund erhielt sie im Alter von drei Jahren. Diese Hündin bezeichnete sie als ihre Schwester. Deshalb die Bezeichnung Wahlverwandtschaft, die mich an Goethe zurückdenken ließ, in der die Seelentiefe bei der Wahlverwandtschaft stärker ausgeprägt sein kann als bei der Blutsverwandtschaft. An diesem Beispiel wird deutlich, dass die innere Entwicklung eines Menschen nicht unbedingt von der Erbmasse abhängig gemacht werden muss. Natürlich ist die physische Anatomie davon ausgenommen. Obwohl man die Gene der Eltern in sich trägt, ist man dennoch mit völlig anderen Vorlieben und Bedürfnissen ausgestattet.
Nach einem bewegten Leben voller Umzüge erdete er mich. Und nachdem meine Eltern mich verstoßen hatten, war es Christopher, der aus einem bunten Gemisch von Wahlverwandten eine richtige Familie entstehen ließ, die nicht den Genen zu verdanken ist, sondern allein auf Zuneigung beruht. (77)
Welches Einzelkind kommt schon auf die Idee, sein Haustier als ein Geschwister zu betrachten?
Viele kleine Mädchen vergöttern ihre älteren Schwestern. Mir ging es nicht anders. Nur dass meine ältere Schwester eine Hündin war. Hilflos stand ich da, in dem Rüschenkleidchen und den Spitzensöckchen, in die meine Mutter mich gesteckt hatte. Ich wollte sein wie Molly: wild. Unerschrocken. Nicht zu halten. (15)
Probleme bereitete es der Mutter, da ihr sog. Prinzessinnenkind sich zu einem Wildfang entpuppte.
Dass andere Menschen meine Vorstellung von unserer Beziehung nicht teilten, merkte ich erst, als meine Mutter anfing, uns beide zu zähmen. (27)
Die Autorin hat schon recht früh begriffen, dass Tiere eine Persönlichkeit besitzen, Individuen sind, auf ihre Lebensweise bezogen sogar denken können und auch Gefühle haben. Was sie als Kind unbewusst schon wusste, schärfte sich in ihr durch die Tierforschung noch verstärkt ein. Sie schaffte es sogar mit Spinnen, Quallen … eine Beziehung aufzubauen.
Nähere Bekanntschaft mit jemand aus einer anderen Spezies zu machen, bereichert einen Menschen auf erstaunliche Weise. Alle Tiere, denen ich - und sei es nur flüchtig - begegnet bin, haben mein Leben verändert. (...) Ich (kann) davon erzählen, dass es immer und überall Lehrmeister gibt, mit vier, zwei, acht oder auch gar keinen Beinen, einige mit Skelett, andere ohne. Alles, was wir tun müssen, ist, sie als Lehrer zu erkennen und uns zu öffnen für ihre Wahrheiten. (10f)
Sehr anschaulich fand ich auch das Exempel mit den Emus, die Montgomerys erstes Forschungsprojekt in Australien abgaben. Ich fand es phänomenal, wie diese Tiere mit ihr auf einer nonverbalen und telepathischen Art kommuniziert haben. In Hawaii und Kalifornien untersuchte Montgomery sogar die Tiersprachen. Und hier, bei den Emus, erschien es mir so, als hätten diese Tiere in ihren Gedanken gelesen, ihre Fragen aufgeschnappt und sie die Tierforscherin in eine Richtung gelenkt haben, die Montgomery zu Antworten verhalfen. Außerdem erinnerten mich ein paar Szenen dazu an den italienischen Biologen Stefano Mancuso, der über die außergewöhnliche Reise der Pflanzen geschrieben hat.
Sind Emus möglicherweise Samenverbreiter? Welche Pflanzen fressen sie? Können die Samen aus den Emus-Ausscheidungen besser keimen? (2019, 42)
Die Antwort darauf findet man auch bei Mancuso, welchen Einfluss Tiere bei der Migration von Pflanzen haben. Fand ich genial, sie hier nochmals zu finden.
Hier im Nebelwald hatte ich jene Urkraft wiederentdeckt, die uns geistig und körperlich gesund erhält: ungebrochenen, köstlichen Lebenshunger. (140)
Welche Figur war für mich eine Sympathieträgerin?
Sy Montgomery und ihr Gatte Howard.
Welche Figur war mir antipathisch?
Das war mir die Mutter, die ich aber nicht verurteilen möchte. Sie konnte eben nicht aus ihrer Haut und versuchte nur ihr
Prestigeverhalten an ihre Tochter weiterzugeben, damit diese ein bestmögliches
Leben mit allen Privilegien führen könne. Irgendwie tun doch die meisten
Menschen in allen Kulturkreisen dasselbe. Gesellschaftliche Normen und Regeln einhalten,
um dazuzugehören, um von der Gesellschaft nicht ausgestoßen zu werden. Den Maßstab an Werten an die nächste Generation weiterzuvererben, sehen viele in
der Erziehung als ihre Hauptaufgabe an. Glücklicherweise gibt es aber Menschen,
die man nicht einfach in eine vorgegebene Richtung erziehen kann. Still oder
rebellisch, egal wie, gehen sie doch ihren ureigenen Weg, der von ihrer Anlage her für sie bestimmt
ist. Wem es nicht sofort gelingt, erreicht sein eigenes Leben über Umwege. Aber besser Umwege gehen, als kein eigenes Leben zu haben.
Meine Identifikationsfigur
Sy Montgomery. Sie hat alles für ihre Tiere getan.
Hat mich an meinen Momo erinnert, den ich als einen heimatlosen Kater zu mir
genommen habe. Er war traumatisiert und litt unter Verlustängsten. Dadurch bin
ich nicht mehr in den Urlaub gefahren. Zehn Jahre lang. Und viele konnten nicht
verstehen, dass ich wegen eines Tieres auf meine Reisen verzichtet habe. Immerzu
haben sie mich bezichtigt, dass das nur eine Ausrede sei, und meinten, dass
mein Kater nur vorgeschoben wäre, dass mir die Reisen in Wirklichkeit nicht
wichtig genug seien. Das waren aber alles Menschen, die selbst keine Haustiere
hatten. Nun lese ich Montgomery und mir fällt es wie Schuppen vor den Augen.
Nein, das waren keine Ausreden, mein Kater war nicht vorgeschoben. Bekanntlich
hätte die Autorin in meiner Lage dasselbe getan, da auch sie für ihre
Tiere Bürden auf sich genommen hat. Und sie hätte mir geglaubt, dass ich aus
Liebe zu meinem Kater gerne auf meine Reisen verzichtet habe. Warum müssen
Menschen andere Lebensweisen immer so kritisch hinterfragen und zerreden? Im Grunde genommen verstehen sie es nicht. Alle Jahre diese störenden wiederkehrenden Fragen in saisonalen Urlaubszeiten wie z. B. Bist du weggefahren? (…) Und jedes Jahr
kam dieselbe peinliche absagende Antwort. Und schon war ich abgeschrieben. Man hat sich
lieber mit anderen ausgetauscht, die große Reiseerlebnisse aus ihren
Urlaubsorten mitbrachten. Wegen der Tiere auf etwas zu verzichten? Uns werden
häufig anthropomorphe Verhaltensweisen vorgeworfen in der Form, dass wir Tiere
vermenschlichen würden. Das mag bei einigen Menschen wohl der Fall sein, die
mit ihren Haustieren irgendeine innere Lücke kompensieren. Aber echte Tierliebe
hat nichts damit zu tun. Denn in der Tierliebe geht es ausschließlich darum,
den Tieren ein glückliches und erfülltes Leben zu ermöglichen. Dass Tiere den
Menschen bei guter Behandlung mit einer tiefen, freundschaftlichen Geste bereichern, ist außer Zweifel. Selbst mit einem Oktopus erlebte die Autorin
eine besondere Beziehung, weil sie fähig war, sich ganz auf dieses Tier
einzulassen.
Wer Tiere nur als Lückenfüller benutzt, ist zu solch einer Fähigkeit schon gar nicht in der Lage.
Cover und Buchtitel
Auf dem gebundenen Cover sind die Hühner abgebildet, die Montgomery von einer Freundin geschenkt bekam. Es waren acht Hühner, die sie als Die Ladys bezeichnet hatte. Das Cover auf dem Taschenbuch trägt einen Hund, der Tess darstellen müsste.Der Buchtitel hält auch, was er verspricht.
Bald erkannte ich, dass ich in meinem Bemühen, einfach Mensch zu sein, noch viele Lektionen zu lernen hatte. (192)
Ihre Lehrmeisterinnen waren die Tiere. Selbst von dem kleinen Ferkelchen namens Christopher Hogwood, das bei ihr und ihrem Mann bis zu seinem Lebensende glücklich leben durfte, konnte Montgomery Weisheiten entlocken:
Er war ein großer dicker Buddha, der uns lehrte zu lieben, was das Leben uns gibt. (66)
Sich innerlich öffnen können ist dabei eine Kunst, denn …
(U)nsere Welt bietet eine unermessliche Vielfalt, welche die menschlichen Sinne kaum zu erfassen vermögen. Das hat mir (auch) die Freundschaft mit einem Oktopus gezeigt. (173)
Zum Schreibkonzept
Eine Kurzwidmung zu Beginn des Buches ist enthalten.
Anschließend folgt ein Inhaltsverzeichnis. Weiter geht es mit einer recht
interessanten Einleitung, die sehr vielversprechend ist. Daraufhin folgen elf weitere
Kapitel. Das Buch endet mit einem Nachwort und einer Danksagung. Mit jedem
neuen Kapitel ist eine Illustration mit dem betreffenden Tier und einem Spruch
abgebildet. Weitere Illustrationen findet man auch mitten in den Geschichten.
Sehr schön gemacht. Der Schreibstil ist ein empathischer. Hier bestätigt mir
die Autorin, dass die emotionale Intelligenz genauso wichtig ist wie die
kognitive. Sy Montgomery ist nicht einseitig gebildet, Kognition
oder Emotion, sondern als Wissenschaftlerin auf beiden Ebenen, sowohl Kognition als auch Emotion. Welch
ein enormer Reichtum.
Das Nachwort ist von Donna Leon, die das ganze Buch nochmals zusammengefasst hat. Warum eigentlich?
Meine Meinung
Ich habe dieses Buch sehr genossen
zu lesen. Nicht nur was das Zwischenmenschliche im Zusammenleben mit den Tieren
betrifft, spannend fand ich auch das Fachwissen, an dem uns die Autorin ebenso teilhaben lässt. Gerade was die Berichte zu anderen Tierarten betreffen, habe ich
viel Neues dazulernen können.
Mein Fazit
Mein Fazit schließe ich mit einem Zitat:
Um das Leben jeglicher Tiere zu verstehen, braucht man nicht nur ein gehörig Maß an Neugier, Wissen und Verstand. (...) Ich würde nicht nur mein Gehirn öffnen müssen, sondern auch mein Herz. (57)
Wer also Tiere verstehen will, muss es mit Herz und Verstand tun. Gilt aber auch im Umgang mit Menschen im eigenen Land und in anderen Ländern.
Wie ist das Buch zu mir gekommen?
Nun, eigentlich war es Tina, die mir dieses Buch
empfohlen hat. Sie selbst besitzt die Taschenbuchausgabe. Ich kannte die
Autorin Sy Montgomery bisher überhaupt noch nicht. Und bin der Tina unsagbar
dankbar für diesen Wink, denn durch die Autorin verstehe ich mein Verhalten zu
meinen Tieren nun viel besser, sodass ich mir vorgenommen habe, die Autorin mit
zu meinen Lesefavoriten anzureihen und habe vor, alle Bücher von ihr nach und
nach zu lesen. Eine wunderbare Möglichkeit, mein Leseprojekt Den Tieren eine Stimme geben mit dieser
Autorin weiter zu füllen.
Mit der Autorin setze ich in den nächsten Monaten mit zwei weiteren Werken fort. Ich habe mich für die Bücher entschieden, die die Exoten behandeln, weil ich so gerne mehr dazulernen möchte. Später schaffe ich mir noch die Bücher zu dem Schwein Chris, zu ihren Hunden und zu den Katzen an.
Meine Bewertung / 14 Punkte
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Empathisch
und sachlich)
2 Punkte: Differenzierte, facettenreiche Charaktere in Mensch und Tier
2 Punkte: Authentizität der Geschichte; autobiographische Erzählweise
2 Punkte: Anregung zur Vertiefung, zum weiteren Erforschen und zur Erkundung
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit
dem Inhalt überein
2 Sonderpunkte wegen des Lesehighlights.
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Gelesene Bücher 2017: 60
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Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
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Gelesene Bücher 2011: 86
Lesen mit Herz und Verstand!
Um die Welt, Menschen und Tiere
besser zu verstehen.