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Dienstag, 27. November 2012

Henning Klüver / Gebrauchsanweisung Italien (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Eigentlich wollte ich mir abgewöhnen, Ratgeber zu Reiseländer dieser Art zu lesen. Denn sie fallen für mich oft recht enttäuschend aus und manchmal denke ich, die AutorInnen schreiben das, was andere nur hören möchten. Das vorletzte Reisebuch hatte ich zu China gelesen, das musste ich ebenso abbrechen, weil die Menschen sowohl hier in Deutschland als dort in China alle in Schubladen gesteckt wurden. Jede Menge Klischees... Das Buch hieß: Wie die Chinesen uns Deutschen sehen.
So auch in diesem Buch. Der Italiener, der wieder als Macho beschrieben wird, die Italiener, die nicht ehrgeizig genug ihrer Arbeit nachgehen, der Italiener als Betrüger und Ganove... . Manchmal ziemlich direkt und oft auch nur angedeutet.  Wenn mal in einem Satz etwas Positives erwähnt wurde, so wurde es im Nebensatz wieder relativiert. Zitate spare ich mir...  Kann man selber nachlesen und sich nach dem Lesen selbst fragen kann, welches Italienbild man nun durch das Buch erhalten habe? Ich habe jedenfalls nicht sehr viel Neues erfahren. Die Grundstruktur des Italieners ist zumindest erhalten geblieben.

Ich denke, dass gerade solche Berichte für Vorurteile sorgen und sie diese in die Gesellschaft weiterverbreiten und festigen.

Als Kind sind wir mit meinen Eltern jeden Sommer nach Italien gereist, in deren Heimatort, in einem Bauerndorf, immer sechs Wochen lang, und ich in Erinnerung behalten habe, dass die Menschen dort sehr schwer auf dem Feld gearbeitet haben, selbst meine Großeltern gehörten dazu. Ähnlich wie bei den isländischen Frauen aus der letzten Lektüre, s. Kristin Marja Baldörstritt Die Eismalerin. 
Kinder, die im zweiten Weltkrieg geboren wurden, wurden frühzeitig aus der Schule rausgenommen, weil sie den Eltern auf dem Gutshof helfen mussten. Sie wurden nicht zum Stehlen geschickt, sondern zum Arbeiten aus den Schulen gerufen. Viele begabte Kinder befanden sich darunter, die ihre Schulzeit wegen der Armut nicht beenden konnten.

Niemand schreibt darüber, über ehrliche ItalienerInnen,  die sich aus eigener Kraft aus der Not gehoben haben. Ohne finanzielle Unterstützung vom Amt... Und ohne Betrügereien. Und weil niemand darüber geschrieben hat, tue ich es jetzt.

Auch sind wir nie bestohlen worden und wurden immer herzlich und großzügig empfangen von den dort lebenden und hart arbeitenden Nachbarn. Nochmals gefragt,, warum niemand über diese hart arbeitenden Italienischen Menschen schreibt? Warum tauchen sie in keine Bücher auf, die von anderen Nationen über das Land schreiben? Ich würde es gerne tun, nur leider fehlt es mir an schriftstellerischem Talent, versuche mich hier im Blog auszulassen...

Der Autor schreibt über die Pünktlichkeit der öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Züge wären recht pünktlich angefahren, wenn er auf den Zug angewiesen war, doch im Nebensatz relativiert er es wieder, dass die Pünktlichkeit auch Zufall hätte sein können, und er einfach nur Glück hatte..
Wie sieht es denn bei uns aus? Hochmoderne Züge, regelmäßige Verspätungen der DB und der öffentlichen Verkehrsmitteln im Stadtverkehr.

Ich selbst möchte in solch einem Land wie Italien niemals leben, auch wenn die Menschen uns gegenüber sehr wohlwollend eingestellt waren. Trotzdem möchte ich nicht dort leben, zum Teil auch, weil ich eine deutsche Identität entwickelt habe und auch Deutsche bin, und auch, weil die Regierung größtenteils schmutzig, korrupt und kriminell ist. Man muss in solch einem System wie Italien reinwachsen, wer das nicht ist, bekommt größenteils Probleme, sich dort heimisch zu fühlen. Eine Regierung, die schon seit der Gründung Italiens mafiose Strukturen entwickelt hat, eine Regierung, die sich keineswegs um seine Landsleute kümmert, weder im sozialen Bereich noch was die Arbeitsplatzbeschaffung betrifft. Eine Regierung, obwohl Italien ein recht reiches Land ist, treibt ihre Landsleute in die Nöte, in die Armut, in die Kriminalität, während sie in die eigene Tasche wirtschaftet- Was bleibt einem Menschen, der nichts zum Essen hat, als kriminell zu werden, wenn dieser zu den ärmsten von den Armen zählt und nirgends im Land Arbeit findet? Ich habe noch nie gehört, dass ein vermögender Mensch stehlen geht, mit Ausnahme der Kleptomanen, die sind aber hier nicht gemeint. Das Volk ist schon so oft von der Regierung  enttäuscht worden, dass es ihr gegenüber ein großes Misstrauen entwickelt hat, und die Menschen sich über die Familie einen Zusammenhalt schaffen und sie sich aus der Not heraus zu Anarchisten entwickelt haben. Sie sorgen für sich selbst, und missachten auf ihre Weise die Gesetze, da die Gesetze auch die Menschen missachtet...

Was ist mit den vielen italienischen Auswanderen, die in der Schweiz beim Tunnelbau hart arbeitend ihr Leben gelassen haben? Sie haben die Arbeit getan, zu denen sich die Schweizer zu fein waren... . Ähnlich in anderen europäischen Ländern, die Arbeitsmigranten geworben hatten.

Der Durchschnitt der Menschen sind ganz gewöhnliche Ottonormalverbraucher wie in jedem anderen Land auch. Sie laufen nicht mit Messer und Pistolen herum. Wie schon gesagt, hart arbeitende und ehrliche Menschen gibt es auch in Italien und es ist schade, dass Autoren, die über Italien schreiben, das Land mit ihrer Brille sehen, mit ihren Maßstäben und mit ihren Vergleichen... .  ItalienerInnen sind LebenskünstlerInnen, die auch ohne eine Regierung zu leben fähig sind... . Man kann ein Land nur mit sich selbst vergleichen, niemals mit einem anderen Land, sonst wird man dem Land niemals gerecht werden können.

Es gibt auch dort Dichter und Denker. Es gibt auch dort Wissenschaftler, wie überall auf der Welt auch, es sind ja nicht alle nur Pizzabäcker... .

Was mich noch stutzig gestimmt hat, ist, dass, als etwas über die Geschichte geschrieben wurde, Mittelalter, Renaissance und später, dass die Gelehrten überwiegend männlich wären, es gab wohl auch Frauen, aber der Autor erwähnte nur eine, diese aber in der Minderzahl seien.

 Andere europäische Länder waren und sind es auch noch, patriarchalisch geprägt, und der Autor soll nicht so tun, als hätten es die Frauen in anderen Ländern leichter gehabt. Bis in den 1970er Jahren hatte die Frau in Deutschland  z.B. gar nichts zu melden, die Gesetze wurden den Männern zugeschrieben. Die Frau musste sich z.B. die Erlaubnis bei ihrem Ehegatten einholen, wenn sie berufstätig sein wollte. Der Mann hatte auch das Recht, über seine Frau nach Belieben sexuell zu verfügen. Vergewaltigung in der Ehe wurde nicht als ein sexuelles Vergehen angesehen.

In meiner Geburtsurkunde steht, dass meine Mutter bei ihrem Gatten wohnhaft sei. Bin 1963 in Darmstadt geboren.

Tun wir doch nicht so, als würden die Männer hier bei uns in Deutschland Hausarbeiten verrichten; Putzen und Kochen, Kindererziehung, noch immer bleiben diese Beschäftigungen im Durchschnitt an den Frauen hängen... . Frauen, die berufstätig sind, sind durch Familie doppelt belastet. Nicht anders ist es in Italien auch.

Das Wahlrecht für Frauen in Italien ist sicher später als in Deutschland eingeführt worden, erst 1946, in Deutschland 1918, aber 1946 erwarben, wie in Italien auch, Frauen in Frankreich und in Belgien das Wahlrecht.
In der Schweiz erhielten die Frauen erst 1971 das Wahlrecht. Der Autor soll also nicht so tun, als wären die Italiener alleine so rückständig, wenn man überhaupt von Rückständigkeit sprechen kann.

Eine Kollegin von mir erzählte erst kürzlich von ihren Urlaubserlebnissen in Italien. Sie wäre sehr positiv überrascht gewesen über die ItalinerInnen. Sie hatte vom Hören und Sagen bisher ein recht destruktives Bild gehabt, das sie nun revidiert hat. Aber sobald sie eine schlechte Erfahrung mit einem Menschen dieses Landes machen wird, so werden wieder alle als "böse" deklariert.

Kein Mensch kommt als Deutscher, Grieche, Italiener etc. zur Welt, der Mensch wird zum Deutschen, Griechen, Italiener etc. einfach gemacht, durch Erziehung und durch Kultur der jeweiligen Länder. LeserInnen, die sich ausschließlich an solche Ratgeber halten und sie diese nicht kritisch lesen, sondern nur bestätigt bekommen, was sie eh schon denken, gehen mit einer gewissen Erwartungshaltung, wenn sie einen Menschen einer anderen Nation begegnen, heran. Man wird in eine Schublade gepresst, und kommt nie wieder  heraus... . Z. B. viele italienische Männer, die keine Machos sind, werden wie Machos behandelt... . Man nimmt sich nicht die Zeit, Menschen kennenzulernen, sondern verfügen über Schubladen... .Niemand interessiert sich nach der wahren Identität des anderen. Und dabei wissen wir durch Hitler, der versucht hatte, den Arier anhand des Blutes zu beweisen aber daran gescheitert ist, dass eine Nationalität nicht genetisch vorbestimmt und festgelegt ist. Ein schwarzer Säugling, der von einer österreichischen Familie adoptiert wird, lernt nicht automatisch die Sprache seiner leiblichen Eltern. Es lernt österreichisch,  während die Sprache der leiblichen Eltern ihm fremd bleibt, solange er damit nicht in Berührung kommt.
Es gibt ja nur vier Blutgruppen, aber mehr als vier Nationalitäten... .

Tun wir also nicht so, als käme ein italienischer Mensch als ItalienerIn auf die Welt, und ein deutscher Mensch als Deutscher...

So, und ab sofort lese ich keine Ratgeber dieser Art mehr! Lieber trete ich ins Fettnäpfchen und mache selbst die Erfahrung mit den Leuten aus den Ländern, die ich bereise!

Nachtrag vom 29.11.2012 Mir ist gestern meine Geldbörse gestohlen worden. Das zweite Mal innerhalb von 1,5 Jahren. Lt. Polizeiangaben wären die Taschendiebe richtige Profis, und bezeichnete diesen Diebstahl nicht als einen Einzelfall. Insgesamt wurden mir in Darmstadt  mehrere Fahrräder gestohlen, trotz teurer Fahrradschlösser.

Reifen von geparkten Autos wurden schon gestohlen und in vielen Villen und in Eigentumswohnungen sogar eingebrochen.

Und nun stellt sich mir die Frage, warum diese Delikte nicht in dem Reiseführer zu Darmstadt und zu anderen großen Städten Deutschlands stehen?

__________________
„Musik ist eine Weltsprache“
         (Isabel Allende)

Gelesene Bücher 2012: 85
Gelesene Bücher 2011: 86







Sonntag, 25. November 2012

Henning Klüver / Gebrauchsanweisung Italien



Erschienen: 17.09.12

Piper Verlag 256 Seiten

Flexcover mit Klappen, 14,99 €

ISBN: 9783492276269


Klappentext
Maccheronibäume, aromatischer Espresso und pure Lebenslust: Henning Klüver lädt ein ins Paradies jenseits des Brenners, wo man zarte Schinken und gute Weine genießt, es nach Zitronen duftet und die Kulturdenkmäler zahlreicher sind als in jedem anderen Land.Wissen Sie, warum die Sonne hier wärmer strahlt? Was die Italiener essen, wenn die Mamma keine Lust auf Pasta hat? Und warum alle unsere Schuhe das Gütesiegel »Made in Italy« tragen? Mit leichter Hand widmet Henning Klüver sich den ureigensten Domänen seiner Wahlheimat: der Familie und der Mafia, der Mode und der Pizza, der Kirche und dem guten Essen. Er kennt den Unterschied zwischen Pandoro und Panettone, weiß um die Bedeutung der Bar als Institution, die man mehrmals täglich aufsucht. Berichtet, warum die Innenpolitik eher einer Daily Soap gleicht und wie ein Landesvater für reichlich Furore sorgte; und findet Antworten auf die Frage, warum die Deutschen dieses Land so sehr ins Herz geschlossen haben – sich manchmal aber auch darüber ärgern.

Autorenportrait

Henning Klüver, 1949 in Hamburg geboren, studierte in Deutschland und Italien. Er schreibt als Kulturkorrespondent für die »Süddeutsche Zeitung« und berichtet als freier Mitarbeiter für deutsche Rundfunkanstalten aus Italien. Neben Biografien und einem politischen Sachbuch erschien von ihm die »Gebrauchsanweisung für Sardinien«. Er lebt mit seiner sardischen Frau, mit der er zwei Töchter hat, in Mailand.
Entdeckt habe ich das Buch auf der diesjährigen Buchmesse, und bin neugierig auf die Beschreibungen von Klüver. Ich lese eigentlich ganz gerne Reiseführer,  aber die wenigsten befriedigen mich. Den letzten Reiseführer, den musste ich auch wieder zuschlagen. Es war ein Buch zu China und mich doch die Menschen sowohl hier als auch dort verwundert haben, was sie für Bilder zu anderen Völker haben. Ich glaube hier im Blog dazu auch schon etwas gepostet zu haben. Ich muss mal suchen.