Montag, 16. Mai 2022

Andrej Kurkow / Die Welt des Herrn Bickford (1)

In Gedenken an die Kriegsopfer; an alle Menschen und Tiere.
Ich fordere eine ganzheitliche Bildung für Herz und Verstand!
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Teil I - Buchbesprechung

Teil II - Brief an Andrej Kurkow

Teil I

Was für ein wunderbares Buch!!! Man muss es langsam lesen
, aber Geduld zahlt sich am Ende aus. Kurkow hat vier Jahre benötigt, es zu schreiben, und ich vier Wochen, es zu lesen. Jede Menge Tiefgang und jede Menge unterschiedlicher märchenhafter Geschichten kommen auf einen zu. Mich hat fast jede Zeile 
berührt, fast jede Zeile hat mich regelrecht festhalten wollen
, dass ich innerlich das Gefühl bekam, überschwemmt zu werden von den vielen, vielen Eindrücken, und ich Kommentare schreiben musste, um etwas davon loszuwerden, ohne diese ins Nirvana verschwinden zu lassen. 

Es gibt hier einen Zweiteiler: Im ersten Teil befindet sich die Buchbesprechung, im zweiten Teil ein Brief an den Autor. Es hat lange in mir geschlummert und so konnte ich nun die richtigen Worte finden, um diesen Brief zu schreiben.

Hier geht es zum Klappentext, Autorenporträt, zu den Buchdaten, zu den ersten Leseeindrücken und zu den vielen Kommentaren. 

Die Handlung
Die Geschichte beginnt auf einem mit Sprengstoff beladenen Frachtschiff, das von einem Ober- und einem Untermatrosen gesteuert wird. Sie sind noch auf den Krieg gestimmt und gedrillt. Sie sind allein und weit und breit keine Feinde zu sehen. Trotzdem herrschen auf dem Schiff zwischen den beiden Matrosen strenge Regeln nach militärischer Art, die der Untermatrose Wassili Charitonow anfängt zu hinterfragen 
und versucht sich dadurch sanft seinem Obermatrosen Fjodor Grizak zu widersetzen ... , indem er ihm stille, naive Fragen stellt. 

Das Schiff erleidet Schiffbruch und landet an der Ostküste der Sowjetunion. Der Obermatrose begibt sich alleine auf die Ortserkundung und kommt nicht zurück. Welch ein Glück, dachte ich mir, den sind wir los.
Mit einem Tornister und einer Bickford Zündschnur auf dem Rücken macht sich Charitonow auf den Weg, seinen Kommandeur zu suchen. Das Ende der Schnur verbindet er mit dem Sprengstoff des Schiffes. Dieses Bild hat etwas Surreales für mich. Denn die Schnur scheint unendlich lang zu sein. Sie begleitet ihn ziehend allein über viele Jahre querbeet durch die Sowjetunion. Und so wandert Charitonow Richtung Moskau über die Taiga. Die Wanderschaft zieht sich über mehrere Epochen der Geschichte. 

Charitonow ist nicht der Einzige, der wandert und der ohne Kommandeur orientierungslos wirkt.

Es wandern zudem auf Rädern eines LKWs ein Fahrer und ein Beifahrer durch die ewige Dunkelheit und sind auf der Suche nach Licht. 

Über ihnen wandert ein Luftschiff mit einem alten Luftschiffer und seinem jungen Lehrling an Bord, die von oben auf das triste Land Russlands herabschauen ... 

Weitere bedeutsame Protagonisten und Ereignisse sind dem Buch zu entnehmen. 

Welche Szene hat mir besonders gut gefallen?
Ich fand es wahnsinnig interessant, an der Entwicklung Charitonows teilhaben zu dürfen. Eigentlich wäre er ohne seinen Kommandeur nicht überlebensfähig gewesen, da er außer seiner Kindheit nichts anderes als Krieg kannte, selbst dann noch, als der Krieg längst schon vorbei war. Er durchwandert mehrere Stationen seines Lebens und begegnet Menschen, die ihm ihr widersinniges Handeln widergespiegelt hatten. Den Schluss fand ich zudem wunderschön und hoffungsreich.

Welche Szene hat mir nicht gefallen?
Das waren jede Menge. Aber hauptsächlich die Szene, als Grigorijs Friedensdenkmal zerstört, das zuvor mit viel Mühe und Hoffnung aufgebaut wurde, stimmte mich mehr als betroffen.

Welche Figuren waren meine Sympathieträgerinnen?
Wassili Charitonow, der Friedensstifter Grigorij, der Luftschiffer, der Schriftsteller und Philosoph W. Bickford. 

Welche Figur war mir antipathisch?
Eigentlich nur der Obermatrose, während ich die meisten anderen Figuren eher als bemitleidenswerte Kreaturen erlebt habe, wobei der Obermatrose davon nicht ausgeschlossen ist. Abstoßend war, dass er auf mich wie ein peinlicher Zampano gewirkt hat.  

Meine Identifikationsfigur
W. Bickford.

Cover und Buchtitel 
Alles beide passt wunderbar zusammen. Sowohl die Figur auf dem Cover als auch der Buchtitel, wobei der
Buchtitel mir bis 

zum Schluss fast den Atem geraubt hat. Die Bedeutung der Figur, die wie eine niedliche Spielzeugpuppe aussieht, hatte ich ziemlich schnell raus, dagegen tat ich mir mit dem Buchtitel schwer, denn erst sehr viel später konnte dieses Rätsel gelöst werden, was Charitonow mit dieser Bickfordschnur auf sich hatte und wer sich hinter der Identität des Mister Bickfords verbarg??? Ein Bär? Charitonow als Bär? Tja, dann schaut mal selbst, welche symbolisches Ansehen ein Bär besitzt und welche Eigenschaften ihm zugeschrieben werden. Ich finde, sie passen alle zu Charitonows Charakter. 

Aber bis ich das heraus hatte, konnte ich ihn also nicht wirklich genießen, diesen sogenannten Buchtitel. Ständig befand ich mich lesend auf der Suche nach diesem ominösen Herrn Bickford. Was hatte Charitonow mit Bickford zu tun?  ... Ach je, ich war schier am Verzweifeln, immerzu musste ich zurückblättern und nachlesen, ob ich etwas durch meine Zeitnot verpasst hatte? Zu schnell und zu oberflächlich gelesen? Nein, nein, nein. Die Aufklärung kam erst sehr viel später, und so konnte ich aufatmen. Und jetzt muss ich aufhören zu erzählen, denn sonst nehme ich anderen die Auflösung weg. Sollen sich die Leser*innen doch bitte genauso wie ich mit dem Lesestoff "abrackern" 🙊, obwohl ich sooo Lust hätte, darüber zu schreiben. Ich könnte einen Spoiler setzen, möchte aber nicht riskieren, dass dieser durch die Neugier "geknackt" wird. Nein, soll jeder seinen Stoff selbst erarbeiten, ist sehr gesund für Kopf und Seele, lol. 

Zum Schreibkonzept
Das Buch beginnt mit einem Vorwort, das man besser nicht aus den Augen bzw. aus den Gedanken verlieren sollte. Es ist ein Vorwort anderer Art, sehr informativ und hilft, die Zusammenhänge der kommenden surrealen epochaler Geschichten besser zu verstehen und einzuordnen. 

Auf den 404 Seiten ist das Buch in zusätzlich 39 Kapiteln gegliedert, mit einem Glossar am Ende. 

Der Schreibstil ist sehr kreativ und fantasievoll. Man stolpert über jede Menge Symbole und Metaphern. Vor allem die Aprikose und sein Kern wurde von bestimmten Figuren immer wieder auf die Bildfläche gebracht. Alles wirkte literarisch technisch mental gut durchlebt und durchdacht, versiert und intelligent instruiert. 

Meine Meinung
Es ist keine leichte Lektüre, man benötigt ein wenig Zeit, bis man herausgefunden hat, was die einzelnen Figuren symbolisieren sollen und wohin uns der Autor führen und haben will. Vor allem Charitonow wirkte anfangs auf mich recht naiv und zusammen mit den anderen ProtagonistInnen sogar seltsam und verschroben. W
ie die meisten anderen besaß er keine eigene Persönlichkeit. Sie alle hatten ihr Selbst, ihr Ich verloren, wurden zu Dienern und Sklaven von Kriegsparteien und von autoritären Regimes gemacht. Diener und Sklave eines politischen Machtapparats, der die Menschen unterworfen hatte. Sie kamen mir alle wie Marionetten vor. Sie funktionierten, ohne das System zu hinterfragen wie Maschinen, seelenlos.

Erst später begriff ich, dass Charitonow mit seiner Zündschnur durch die russische Geschichte gestreift ist. Man muss sehr aufmerksam lesen, damit einem die wichtigen Schlagwörter wie z. B. rotes Kreuz, Symbol für den Kommunismus, Oktoberrevolution durch Lenin, bzw. Gründung der Sowjetunion, zu der auch die Ukraine, Belarus und zwölf weitere Staaten zählten ... Lenin wurde von Stalin abgelöst ... all diese versteckten Schlagwörter dürfen während des Lesens nicht untergehen, sonst geht man leer aus.

Bis Ende der 1950er Jahre wandert Charitonow durch die historischen Epochen der Sowjetunion und irgendwann wurden am Ende sämtliche Jahreszahlen vermischt, hatte den Sinn, dass manche es geschafft haben, sich in einem neuen System zurechtzufinden, während andere sich seelisch und geistig noch in alten befanden ... Manche konnten sich durch ein neues System wieder eine gewisse Normalität und Freiheit aufbauen, während andere noch in der Normalität der Unterdrückung lebten und sich nach Leben, Freiheit und nach Ordnung sehnten und regelrecht danach hungerten.

Aber alles bleibt im Buch nur angedeutet ...

Wer waren die Feinde? Wer waren die Feinde von Charitonow? Welcher politischen Gesinnung gehörte er selbst an? Auch das stellte sich sehr spät erst heraus. Die Übergänge von einem Zeitabschnitt in die nächsten waren fließend. Kriege - Bürgerkriege, Weltkriege ... , man merkte kaum Unterschiede, wenn man sich nicht die Mühe macht, mit einem Lupenblick die Feinheiten lesend aus dem Text herauszupicken

Man wusste oftmals nicht, ob noch Krieg oder kein Krieg mehr war. Jahreszahlen wurden wie gesagt erst am Schluss erwähnt und Namen aus den unterschiedlichen Zeitabständen der Politiker sind auch nicht gefallen. Es waren hauptsächlich die Schlagwörter, die mich zu den verschiedenen Politkern geführt haben. Lediglich aus einem Brief an den Friedenstifter Grigorij ließ sich eine Jahreszahl ableiten, dass Stalin z. B. ... nicht mehr leben würde. 

Man spürte in dem Buch, dass Russlands Volk viel Leid und Gewalt erfahren hat. Für mich ist Russland ein Land der Diktatoren. Durch sie ist viel Blut geflossen durch Kriege, durch Hinrichtungen ...  durch Repressionen an den eigenen Landsleuten. Obwohl Lenin einst gute politische Ambitionen mitbrachte, gewappnet mit marxistischen Idealen, stand er zumindest auf der Seite der Armen und der Arbeiter, vollzog er als Führer eine politische Veränderung, die recht gewaltvoll war. Wie viele Politiker missbrauchte auch Lenin seine Macht, mit der er anderen geschadet hat. Dadurch kamen durch ihn viele Menschen um z. B. durch Massenexekutionen. 

Lenin sollte nur ein Beispiel sein. Nach ihm kam mit Stalin schon der nächste Diktator ...

Das ist nicht verwunderlich, dass die Menschen nicht mehr sich selbst sein konnten. Sie wirkten auf mich innerlich alle wie paralysiert. Denken und Fühlen waren Verbote und nur den Mächtigen vorbehalten. Durch Überwachungssysteme standen sie alle unter staatlicher Kontrolle. Als der Krieg vorbei war, wussten sie mit ihrer zurückgewonnen Freiheit und dem Leben nicht mehr umzugehen und sehnten sich nach einem Führer, der ihnen sagen sollte, was zu tun war in der Welt. So ungefähr hat sich das für mich angefühlt.  

Mich erinnerte dies an unsere eigene Regierung, die einen Touch von Diktatur spüren lässt für Menschen, die das System hinterfragen. Mit rigiden, manipulativen, autoritären und angstschürenden Umgangsformen versuchen diverse Politiker ihre Ziele durchzusetzen, und bei einem Scheitern wird dies immer an bestimmten Personengruppen unserer Gesellschaft festgemacht. Dadurch wurden und werden Menschen gegeneinander ausgespielt. Auch dies ist eine Form von Krieg. Die Presse wird schon seit Jahren zensiert, Diskussionen differenzierter Art sind nicht mehr möglich und wer dem nicht zustimmt, wird sanktioniert und ausgegrenzt. Und das in Deutschland. Hat man eine Regierung abgewählt, kommt eine neue, die wie die letzte auch von oben herab auf die Menschen schaut und wer sich nicht an Bestimmungen hält, wird mit Sanktionen gestraft ... Ähnlich wie in Russland, dass eine neue Regierung keine Entlastung für die Menschen gebracht hat. Andersdenkende und Minderheiten sind auch in unserem Staat mittlerweile nicht mehr erwünscht.

Wir brauchen keinen Krieg! Krieg brauchen diejenigen, denen Gerechtigkeit fremd ist und die die Völker versklaven wollen. (191)

Aber auch das Volk gibt gerne Verantwortung ab. Die meisten wünschen sich, dass die Regierung ihnen das Denken abnimmt, und sollen gefälligst die Probleme des Landes lösen, um das mal platt auszudrücken und zur Not mit Autorität.

Ähnliche Machtstrukturen wie die in Russland sind in Ansätzen auch bei uns vermehrt zu beobachten und für Hochsensible sogar deutlich zu spüren.

Russland ist für mich eine Warnung, sich nicht zu sehr auf Politiker*innen zu verlassen, stattdessen sensibel und (selbst)kritisch die Umgangsformen vor allem in der Presse zu verfolgen... etc. Was den Russen passiert, kann sich politisch auch bei uns zutragen, auch wenn wir uns als westlich und demokratisch bezeichnen. Man fragt sich sowieso, was bei uns noch demokratisch ist. Das Kreuz setzen auf dem Wahlzettel alle vier Jahre? Demokratisch ist bei uns, dass sich eine Minderheit einer Mehrheit fügt? Nein, ich verstehe unter einer Demokratie etwas völlig anderes, aber das gehört jetzt nicht hierhin. 

Mein Fazit
Für russophile Historiker ist dieses Buch eine absolute Fundgrube. Andere müssen sich ein wenig durch die russische Geschichte durcharbeiten, wenn man das Buch verstehen möchte. 

Wie ist das Buch zu mir gekommen?
Diesen Kurkow und noch weitere andere hatte ich mir vor mehreren Jahren angeschafft, aber aus Zeitmangel nur noch nicht gelesen. Ich fühle mich durch den Kriegsausbruch zwischen Russland und der Ukraine in der Schuld, die Bücher nun aufzuholen ... Kurkow verfügt mit
 einer überaus sensiblen Sprache über Kompetenzen, politische und gesellschaftliche Themen menschlich und feinfühlig literarisch aufzugreifen. Er muss einfach mit seinen Büchern weiter in meinen Blog einziehen. Und dafür sorge ich mit einem neuen zeitnahen Kurkow-Buch. Monatlich schaffe ich wohl nicht, aber alle zwei bis drei Monate müsste zu bewältigen sein.

Hat mir große Freude bereitet, diesen Band zu lesen.

Meine Bewertung - 14 Punkte

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Empathisch, fantasievoll) 2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichten
2 Punkte: Anregung zur Vertiefung, zum weiteren Erforschen und zur Erkundung
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein
2 Sonderpunkte wegen des Lesehighlights.


Teil II

Brief an Herrn Andrej Kurkow

Ein Roman ist wie der Bogen einer Geige
 und ihr Resonanzkörper wie die Seele des Lesers
(Stendhal)

Lieber Herr Andrej Kurkow,

mehr Lobworte muss ich für Ihr obiges Werk nicht aussprechen, wie ich sie schon hier in den Kommentaren der Buchvorstellung habe verlauten lassen. Danke, danke, danke.

Aber vorab noch kurz gesagt: Vier Wochen habe ich für Ihr Buch benötigt, und ich benötige noch viel mehr Zeit, es zu verarbeiten. Ich bin damit noch lange nicht fertig.

Es war wunderbar trotz einzelner Durststrecken wegen meiner Ungeduld.
Die Geschichten hätten es verdient, ein zweites und ein drittes Mal gelesen zu werden, um auch die letzten Nuancen darin noch stärker aufgreifen zu können, die evtl. durch mein angespanntes Lesen untergegangen sein könnten. Oder was man beim ersten Lesen nicht geschafft hat, wahrzunehmen wegen der zahlreichen Eindrücke und der versteckten Informationen.

Schade, dass man Bickfords Welt nicht auch noch auditiv erwerben kann. Noch nicht. Ich gehe mal davon aus, dass dies nun endlich nachgeholt wird und es sich in Arbeit befindet, so hoffe ich es aufgrund der aktuellen politischen Lage ... Ich wäre die Erste, die sich die Ohrstöpsel für dieses Buch aufsetzen würde, um die ganze Wanderschaft noch einmal mit Wassili Charitonow, seinem Tornister und der Bickfordschnur auf sich zu nehmen, und dieses Mal sogar mit vokaler Geräuschkulisse, um durch die Geschichte Russlands zu ziehen. Daher warte ich noch gespannt auf die Hörbuchfassung.


Gerne möchte ich noch ein paar Worte an den niedergedrückten Schriftsteller W. Bickford richten, der erkennen musste, dass er die Welt mit seinen Büchern nicht zum Besseren hat verändern können, weshalb er aufgehört hat zu schreiben. Er moniert, dass die Leser*innen seine Bücher falsch verstanden hätten. Herr Kurkow, denken Sie dies tatsächlich von Ihren Leser*innen? Vielleicht stimmt das auch partiell...  , denn niemand ist in der Lage, die vielen seelischen Abgründe eines anderen Menschen vollständig zu erfassen. Aber ich glaube, es hat noch andere Gründe, da ich mir selbst diesbezüglich hadernd die letzten zwei Jahre viele Gedanken habe machen müssen, als mir die vielen intellektuellen Konversationen nicht mehr genügt haben und mich auch nicht mehr ausfüllen konnten und ich die Gründe nur vage kannte. Warum, fragte ich mich? Warum geht das plötzlich nicht mehr an diesen Konversationen teilzunehmen?

Die meisten von uns haben studiert, mussten dadurch viele Bücher lesen, haben die Universität am Ende mit einem Abschluss verlassen. Und dass der Abschluss gelingen konnte, musste durch verschiedene Vor- und Nachprüfungen bewiesen werden, dass die Bücher auch wirklich verstanden wurden. Am mangelnden Verständnis kann es also nicht liegen. 

Auf der Suche nach Antworten erinnere ich mich an meine lang zurückliegende Schulzeit, als mein damaliger Deutschlehrer aus dem Leistungskurs zu uns sprach:

Wer Dinge weiß, sein Wissen aber nicht umsetzt, 
das sind die wahrlich dummen Menschen. 

Also nicht die Studierten, die sich mit Wissen schmücken, seien die Klugen, sondern die, die mit ihrem Wissen sich, ihre Mitmenschen, und die gesamte Welt unseres Planeten damit bunter und reicher machen können. 

Dieser Spruch hat mich seitdem durch mein weiteres Leben begleitet.

Ich war viele Jahre Teilnehmerin an Leserunden, die ich aus seelischer und aus der Zeitnot heraus verlassen musste. Nicht, weil wir alle die Bücher nicht verstanden haben. Nein, alle haben sie die Bücher rational gut aufgenommen und haben reichlich gut darüber diskutiert. Mir aber hat darin etwas ganz Essenzielles gefehlt. Und zwar das Verstehen aus der tiefsten Seele heraus. Dieses starke rationale Denken störte mich. Woran könnte es liegen, dass darauf so viel Gewicht gelegt wird?

Schon in der Schule wird uns wissenschaftliches Lesen beigebracht. Sinnbildlich gedacht: Lesen mit Stift, Lineal, lesen mit Struktur und am besten noch ohne Emotionen, als könne man menschliches Leben und deren Probleme alle mit der gleichen mathematischen Formel mithilfe von Algorithmen und Gleichungen lösen. Nein, menschliche Nöte sind weitaus komplizierter als die Mathematik. In der Auseinandersetzung mit Mensch und Tier, im Verständnis, ergibt Zwei plus Zwei selten eine Vier.

Der zweite Punkt: Distanz. Mit Distanz lesen, dafür sorgt das strukturierte Lesen. Dazu noch, sich groß mit Fremdwörtern und Fachausdrücken einzudecken und damit zu protzen, dazwischen diese seelische Kälte ... 

Wir haben nicht gelernt, mit allen Sinnen zu lesen, sondern hauptsächlich nur mit unserer Ratio. Aber wir haben gelernt, so distanziert zu lesen, dass uns die Probleme der anderen wenig angehen, sie lassen uns kalt, weil wir bewusst oder unbewusst im Glauben sind, besser und fortschrittlicher als andere (Menschen, Länder und Kulturen) zu sein. Beweise? Man schaue sich zum Vergleich die deutschen Presseartikel an, wie abwertend über andere Länder berichtet wird. Es gibt ausländische Autor*innen, die so sehr unter dem schlechten Ruf ihres Landes leiden, der vor allem von westlichen Ländern forciert und verbreitet wird. Ich denke z. B. an den türkischen Autor Orhan Pamuk.
Dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn Kriege ausbrechen. Und mit den Kriegen sind nicht nur die heißen Kriege gemeint, sondern auch innerliche sog. stille Kriege zwischenmenschlicher Art.

Kriege entstehen aus dem Scheitern, 
das Menschsein der Anderen zu verstehen!
(Dalai Lama)

Kurzum: Was uns fehlt, ist empathisches Verständnis für andere Mitgeschöpfe. Es ist die Unfähigkeit, sich in andere Lebensweisen vom Mensch und Tier hineinzuversetzen. Vor allem in diejenigen, die anders sind als die, die wir durch unsere Geburt schon kennen. Vor allem die abwertende Haltung zu den Problemlagen anderer Nationen, behaftet mit den eigenen Maßstäben lässt häufig in uns einen überheblichen Blick entstehen. Wir lesen häufig ein Buch mit den Bildern, die die Presse uns bietet und die sind gefüllt mit Wertungen, Stereotypen und Klischees, die aus unseren Köpfen nicht mehr wegzudenken sind. Doch dazu habe ich hier auf meinem Blog schon viel geschrieben und mag mich nicht wiederholen. Mit diesen Bildern in unseren Köpfen lässt sich eine Welt nicht besser machen. Sie stiften eher Unfrieden. Nicht selten lassen sich diese Bilder sogar in Schulbüchern finden.

Herr Kurkow, schön, dass es Sie gibt. Sie haben eine sooo schöne, weiche, bunte, menschliche Sprache, das ist das, was unsere Welt in Wirklichkeit humaner werden lässt. Nicht diese einseitige Intellektualität, sondern mit ihr zusammen, gepaart mit Empathie, würde zu mehr Verständnis und zu einer respektvollen, achtungsvollen und zu einer wertfreien Haltung vor unser Gegenüber führen. Dies erst verändert die Welt, und wenn es erstmal diese Welt, unsere eigene Welt im Kleinen ist. Jeder kann nur bei sich selbst damit beginnen, den eigenen Kopf von Vorurteilen ... zu entrümpeln und aufzuräumen. Es dürstet nach mehr Menschlichkeit, nach mehr Empathie bei so viel seelischer Dürre, und Sie, Herr Kurkow, nähren die Welt mit jedem einzelnen Wort die Seelen der Menschen, Worte, die Sie wie kleine Samen in Ihre Geschichten hineinlegen. Ich habe Ihre Worte aufgesaugt, mir war, als hätte ich sie getrunken, und manchmal fühlte ich mich innerlich sogar betrunken und geradezu high!!! Ihre Gedanken, humoristisch gedacht, blubberten in meinem Kopf. Meine Buchbesprechung kann das alles gar nicht ausdrücken, was ich innerlich durch Sie empfunden habe. Ich musste mich beim Schreiben stark zurücknehmen, weil ich sonst keinen Punkt hätte finden können. Es hätte mich überflutet, weshalb ich mich oben in der Besprechung kurz halten musste. 

Bitte nicht verzweifeln, Herr Kurkow, und schön weiter schreiben! Vielleicht müssen vor allem die Politiker*innen wieder lernen, Bücher mit ganzer Seele zu lesen, um Respekt und Achtung vor dem Gegenüber zu gewinnen. Respekt und Achtung vor ihren Wähler*innen. Senden Sie ihnen doch mal ein paar Ihrer Exemplare zu, aber bitte mit Rechnung, lol. Mit Ihren Büchern könnten sie von ihrem hohen Ross endlich wieder runterkommen ... Sie übertragen häufig diese Kälte von oben nach unten. Aber es gibt Politker*innen, die wollen keine bessere Welt, es genügt ihnen, dass es ihnen mit ihren Reichtümern mehr als gut geht, und nicht aufhören können, weitere anzuhäufen, unabhängig davon, wie viele Menschen währenddessen dabei untergehen!!!! Somit sind das auch für mich, um bei den Worten meines ehemaligen Deutschlehrers zu bleiben, die wahrlich dummen und armen Menschen, trotz der vielen Besitztümer. 

Dies sollte nur ein Versuch sein, an einem Beispiel zu erklären, weshalb Bücher die Welt nicht verbessern. Gründe gibt es noch andere ... . Verändert wird die Welt allerdings von Minderheiten und nicht von der Masse, die damit beschäftigt ist, sich an widersinnige Gesetze zu halten ... . Die Coronapolitik hat mich stark gebeutelt, mit welchen miesen Tricks eine Impfpflicht durch die Hintertür hier in Deutschland eingeführt wurde. Durch Sanktionen und Ausgrenzung hat man Menschen gestraft, die sich bewusst gegen eine Impfung ausgesprochen haben. Man hat diese Menschen noch  mit Terroristen in einen Topf geworfen, sie für die Corona Tote verantwortlich gemacht. Das ist auch eine Art durch die Medien getragenen und noch nicht ausgestandener Propaganda gewesen, und die Mehrheit darauf gesprungen ist.

Das soll nun genügen, Herr Kurkow. Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit meiner Art, Ihr Buch zu lesen, gerecht werden. Wenn nicht, trotzdem haben Sie mir damit wahnsinnig viel gegeben. Sie haben mich noch stärker sensibilisiert, sodass ich durch Sie einige Schreib- und Leseprojekte auf meinem Blog Lesen und Schreiben gegen den Krieg habe aufmachen können. Danke!

Zeit? Was ist Zeit? Mein Zeitproblem relativiert sich seit dem Ausbruch des Krieges.
Mittlerweile habe ich keine Zeit mehr, keine Zeit zu haben!!!
Es gibt viel zu tun! Aber in meinem ureigenen Tempo! 

Nachtrag, 09.06.2022: Herr Kurkow, 
mittlerweile glaube ich nicht mehr, Ihr Buch falsch verstanden zu haben. Warum? Lesen Sie hier.


Pixabay

Alles Liebe Ihnen, Ihrer Familie, Ihren Angehörigen, Freund*innen und Bekannten!
Und ich hoffe, der Krieg findet in Ihrer Heimat und anderswo ein zügiges Ende!

Mit besten Grüßen 
Mirella Pagnozzi 

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Ich hamstere kein Speiseöl, keine Hefe, kein Mehl und sonstige Lebensmittel!
Ich hamstere stattdessen:
Bücher
Musiknoten
Notizhefte
leere Tagebücher
Stifte
Musik;
obwohl ich weiß,
dass man Papier nicht essen und nicht trinken kann.
Aber die Buchstaben und die Musiknoten beruhigen mich nun mal 🙈
sie nähren meine Seele und meinen Geist von innen!

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Stoppt die Milliarden für die Aufrüstung!
Investiert  die Milliarden in Bildung und Menschlichkeit!
Für einen Wohlfühlort für alle!
Soldaten! Hört auf Bomben zu werfen! 
Werft Weizensamen! (A. Kurkow)

Soldaten; nieder mit den Waffen! (M. Gandhi)
Alle!
Nie wieder Krieg! (Käthe Kollwitz)
Kriegswillige Politiker an die Front!
Empathische Frauen und Männer an die Macht!
Solidarität mit Ukrainer*innen und allen friedliebenden
Menschen dieser Erde!
Solidarität mit russischen Kriegsgegner*innen!
Schluss mit Diskriminierungen!
Liebe für alle! Hass für keinen! (Ahmadiyya-Muslime)
Kriege entstehen aus dem Scheitern,
das Menschsein der Anderen zu verstehen.
(Dalai Lama)
Wir brauchen keinen Krieg! Krieg brauchen diejenigen, 
denen Gerechtigkeit fremd ist und die die Völker versklaven wollen.
(Andrej Kurkow)

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Gelesene Bücher 2022: 05
Gelesene Bücher 2021: 17
Gelesene Bücher 2020: 24
Gelesene Bücher 2019: 29
Gelesene Bücher 2018: 60
Gelesene Bücher 2017: 60
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86

Ich höre:
Neale Donald Walsch: Gespräche mit Gott, Teil 3
Ovid - Metamorphosen
Fjodor F. Dostojewski: Der Idiot
Helene Schucmann u. William Thetford: Ein Kurs in Wundern
Gabriele Krone-Schmalz: Respekt geht anders
(Diese Autorin spricht mir auch aufgrund der aktuellen polit. Lage aus der Seele, ich werde sie noch besprechen)
Spencer Wise: Im Reich der Schuhe

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Ein Wettrennen mit der Zeit
Fazit: Je schneller man das Leben lebt,
desto weniger Zeit kommt dabei heraus.

Ich habe keine Zeit mehr, keine Zeit zu haben.
Es gibt zu viel zu tun! In meinem
 Tempo!

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Imprecht für alle!
Impfzwang für keinen!


Partnerschaft zwischen
Wissenschaft und Intuition!

Lesen mit Herz und Verstand!
Um die Welt, Menschen und Tiere
besser zu verstehen.

Mitgefühl für alle Mitseelen / Mitgeschöpfe
Deine Probleme könnten meine Probleme sein,
und meine Probleme könnten Deine Probleme sein.
Mein Schmerz, Dein Schmerz
Dein Schmerz, mein Schmerz.
Wir sind alle fühlende Wesen.
(Den Tieren eine Stimme geben)

Klopf an dein Herz, denn dort sitzt 
das Genie!
(Alfred de Musset)

Auch Expertenwissen ist subjektiv!
(Tom Andersen / Psychiater und Syst. Therapeut)