Montag, 25. Februar 2019

Han Kang / Deine kalten Hände (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre  

Ein Roman über einsame, ernste und traurige Menschen

Leider hat mir das Buch nicht durchgehend gefallen, obwohl die Autorin schon gut schreiben kann, aber hier hat sie mich auf den letzten 150 Seiten nicht mehr überzeugen können. Ich habe mich schwergetan, da die Spannung und das Interesse, das mich anfangs gepackt hat, nicht zu halten war. Viel zu viel wurde über Gibpsabdrücke gesprochen, dass ich am Ende gar nicht mehr wusste, was ich zu Beginn alles gelesen hatte.

Hier geht es zum Klappentext, zum Autorinnenporträt, zu meinen ersten Leseeindrücken und zu den Buchdaten.

Die Handlung
Die Handlung müsste schnell erzählt sein.

Eine Schriftstellerin bekommt ein Tagebuch eines Bildhauers namens Jang Unhyong zugetragen, mit der Bitte, es schriftstellerisch zu bearbeiten. Das Tagebuch besitzt den Titel Ihre kalten Hände.
Jang Unhyong fertigt von seinen Probandinnen verschiedene Abdrücke des menschlichen Körpers ab. Es ist nicht irgendein Körper. Je unästhetischer der Leib eines Menschen für Jang ist, desto mehr fühlt er sich von der Person angezogen. Obwohl sich die Schriftstellerin überhaupt nicht für Bildhauerei interessiert, bleiben ihre Blicke vor den Abdrücken hängen, als sie diese im Theater zum ersten Mal zu sehen bekommt.

Das Ziel seiner Arbeit ist, hinter die menschliche Fassade zu schauen. Was verbirgt sich symbolisch gesehen unter der Haut eines Menschen? Yang arbeitet an dem menschlichen Körper, als habe er eine Zwiebel vor sich. Wie eine Zwiebel häutet er den Körper Schicht für Schicht. 

Obwohl sich die Schriftstellerin erst verweigert hat, das Tagebuch zu bearbeiten, konnte sie schließlich doch nicht anders, als es sich zur Brust zu nehmen, vermehrt auch, da der Künstler zusammen mit einer anderen Person verschollen ist.

Das Buch ist sehr symbolträchtig, aber die Autorin verrät ganz viel, was diese Bilder bedeuten könnten. Aber es bleibt trotzdem noch viel Raum für eigene Interpretationen.

Welche Szene hat mir gar nicht gefallen?
Ich fand es ganz schrecklich, als der kleine Jang  beschuldigt wurde, das Geld seiner größeren Schwester gestohlen zu haben, da angeblich nur er hätte wissen können, wo die Schwester das Geld aufbewahrt habe. Jang wurde von dem Vater mit dem Gürtel solange ausgepeitscht, bis er zugegeben hatte, dass er das Geld entwendet habe …

Welche Szene hat mir besonders gut gefallen?
Mir hat gut gefallen, dass Jang L. ein wenig innere Heimat hat zukommen lassen, auch wenn der Ausgang mit ihr desaströse Züge bekam.

Welche Figur war für mich ein Sympathieträger?
Keine

Welche Figur war mir antipathisch?
Mir hat E. überhaupt nicht gefallen. Sie schien mit elf Fingern geboren zu sein, und macht daraus ein großes Drama, da sie angibt, in ihrer Schulzeit von den Mitschüler*innen deswegen mit einem Spitznamen, der wie ein Stigma gewirkt haben muss, gemobbt worden zu sein.

Meine Identfikationsfigur
Keine

Cover und Buchtitel
Mir hat das Cover von Anfang an nicht gefallen. Aber da mich asiatische Schriftsteller*innen faszinieren, wollte ich das Buch trotzdem lesen  ... Der Buchtitel hält, was er verspricht.

Zum Schreibkonzept
Der Prolog war schon gewöhnungsbedürftig. Selten habe ich einen zu lesen bekommen, der sich über mehrere Kapitel hinzog. Insgesamt sind es hier elf. Anschließend geht es mit einem Vorwort weiter, bevor der erste Teil des Buches beginnt. Zusammengenommen umfasst das Buch auf den 313 Seiten drei Teile und endet mit einem mehrteiligen Epilog. Auf der allerletzten Seite ist ein Nachwort zu entnehmen. Ich fand das alles ein wenig zu geballt.  

Im Prolog spricht die Schriftstellerin in der Ichperspektive, im Vorwort gibt die Autorin das Wort an Jang weiter, der bis zum Ende des dritten Teils die Geschichte aus seiner Sicht wiedergibt.

Im ersten Teil geht es erst mal autobiografisch mit Jang Unhyong weiter. Jang gibt Einblicke in seine Herkunft und Kindheit. Hier wird deutlich, weshalb er den Beruf zu einem Bildhauer seiner Art ergriffen hat.

Im zweiten Teil ist Jang bereits erwachsen, und macht Bekanntschaft mit der jungen L., die über 90 Kilo wiegt. Die vielen Kilos hat L. sich schon in der Jugend angefressen gehabt, um sich vor ihrem Stiefvater zu schützen, der sie sexuell missbraucht hatte. In dem Körperabdruck von L. möchte Yang für sich einen Sarg daraus machen, in dem er sich bestatten lassen möchte, wenn für ihn eines Tages die letzte schlagen wird.

Im dritten Teil lernt Jang E. kennen, eine Frau, die mit elf Fingern geboren wird. E. ist auch eine Figur, zu der sich Yang hingezogen fühlt.

Den Schluss fand ich gut, denn hier wurden wieder alle Fäden zusammengeführt. Die Schriftstellerin kommt an dieser Stelle erneut zu Wort, sodass sich der Anfang mit dem Ende fügt.

Meine Meinung
Bis zum Ende des zweiten Teils fand ich das Buch psychologisch fundiert erzählt. Im dritten Teil flachte es zunehmend ab. Die Figur E. hat aus meiner Sicht nicht mehr reingepasst, sodass ich mich gefragt hatte, ob die Autorin sich die Zusammenhänge hier aus den Fingern gesaugt hat? Die Thematik plätscherte so vor sich hin. Außerdem haben mich die viel zu vielen Gespräche über die Gipsabdrückte vom Wesentlichen abgelenkt. Viele Details gingen mir verloren, die ich mir gedanklich in den ersten beiden Teilen erworben hatte.

Mein Fazit
Ein Roman über einsame Figuren, ein Roman, in dem der Künstler Jang sich mit seinen Probandinnen symbiotisch zu verbinden versucht. Die Ursache dazu ist in der Kindheit zu suchen.

Auch wenn ich dem Roman keine volle Punktzahl erteilen möchte, besitzt die Autorin auf jeden Fall großes Potenzial zu schreiben. Vielleicht hätte sie sich mit dieser Geschichte noch etwas Zeit lassen sollen, oder es wäre gut gewesen, wenn sie ihr Buch nach dem zweiten Teil mit einem runden Abschluss beendet hätte.

Deshalb nur acht von zwölf Punkten.

Meine Bewertung
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
1 Punkte: Differenzierte Charaktere
1 Punkte: Authentizität der Geschichte
0 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein
Acht von zwölf Punkten.

Weitere Information zu dem Buch
Hier geht es zur Leserunde von Whatchareadin.

Vielen herzlichen Dank für das Leseexemplar vom Aufbau-Verlag. Auch ein großes Dankeschön an das Bücherforum Whatchareadin.

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Vertraue auf dein Herz.
Denn dann gehst du niemals allein.
(Temple Grandin)

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