Montag, 19. November 2018

Karsten Brensing / Die Sprache der Tiere - Wie wir einander besser verstehen (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre    

Ich bin nun mit dem Buch durch. So viele verschiedene Forschungsergebnisse zur Kommunikation von Tieren liegen hier vor, die zu neuen Erkenntnissen führen. Erkenntnisse, die deutlich bejahen, dass Tiere reden, denken und fühlen können. Ein Leben lang hat man uns eingebläut, dass Tiere nicht denken und fühlen können. Aber stimmt das denn? Vor einem Jahr noch musste ich wegen dieser Thematik durch den Verlust meines Katers Momo auf esoterische Bücher zurückgreifen. Es war mir ein großes Bedürfnis über die Kommunikation, die sich zwischen mir und meinem Kater zu Lebzeiten zugetragen hatte, öffentlich darüber zu schreiben. Vielleicht hat mich die Eine oder Andere noch belächelt, weil ich esoterische Bücher dazu gelesen habe. Die meisten Menschen sagen ja nicht immer ehrlich, was sie in Wirklichkeit denken, wenn man sie mit bestimmten Themen wie diese konfrontiert. Doch nun bin ich mit meinem Wissen nicht mehr allein und habe mittlerweile sogar die Naturwissenschaft im Rücken, ohne die esoterische Literatur zu verteufeln. Denn auch unter dieser gibt es Juwelen. Man muss bei diesem Genre nur die Spreu vom Weizen trennen können, was tatsächlich nicht immer einfach ist.

Hier geht es zum Klappentext, zum Autorenporträt und zu den Buchdaten.

Weiter geht es mit einem Zitat aus Brensings Buch:
Eigentlich ist es ein bisschen absurd: Wir halten uns für die Krönung der Schöpfung, und doch sind wir nicht in der Lage, die Sprache der Tiere zu verstehen. Im Gegenzug verlangen wir von diesen unterentwickelten Kreaturen, dass sie unsere Sprache lernen. Der Hund soll „Sitz“, „Platz“, „Bring mir die Zeitung“ (…) verstehen, aber wir sind nicht bereit, auch nur einmal zu bellen. (2018, 38)

Das fühlt sich gut an. Auch Karsten Brensing tat sich erst schwer mit dieser Thematik, und geht trotzdem mutig seinen Weg und veröffentlicht sein Buch und bricht damit ein großes Tabu.

Ich möchte gar nicht die vielen Theorien wiederkauen, die kann jeder im Buch selber nachlesen, denn es ist unmöglich, die vielen Theorien in kurzen Zeilen wiederzugeben. Ich möchte aber diverse Gedanken aus dem Buch aufgreifen, die mich in meinem Wissen und Denken  weitergebracht haben. Durch dieses Buch habe ich die Art der Tierkommunikation verstanden, die in Bildern stattfinden würde. Tiere würden in Bildern denken, und das nicht nur unsere Haustiere wie z. B. Hunde, Katzen etc. Völlig unbewusst habe ich dies mit meinen tierischen Freunden praktiziert. Nun endlich gelingt es mir, diese Art von Kommunikation mithilfe dieses Buches in Worte zu fassen. Ich habe meinen tierischen Freunden, wenn ich Fragen zu ihrer Gesundheit hatte, mental Bilder geschickt und habe immer mental Antworten in Bildern zurückerhalten …

Karsten Brensing ist Meeresbiologe und Verhaltensforscher. Anhand seiner vielen Beispielen zeigt er uns, dass Tiere und Menschen vom kognitiven und vom emotionalen Verhalten her sich sehr ähneln. Deutlich wird dies anhand von verschiedenen kognitiven Forschungsergebnissen. Dabei wurde ersichtlich, dass Tiere genauso logisch denken können wie wir Menschen. Auch die Hormone und Neurotransmitter spielen eine Rolle, die sowohl beim Tier als auch beim Menschen die gleichen Gefühle entwickeln, die für das Fühlen bedeutsam sind.

Während viele Menschen die Tiere auf ihre Instinkte reduzieren, wird das Verhalten von Tieren sehr wohl durch Denken und Fühlen dominiert. Nur in der Auseinandersetzung mit dem Tier auf gleicher Höhe ist zwischen den beiden Lebewesen Mensch und Tier eine Kommunikation möglich. Brensing spricht von der Vermenschlichung von Tieren, allerdings nicht in der Form, indem wir Tiere auf die Standards von Menschen heben. Man kann Tieren nicht das verbale Sprechen beibringen, und man kann auch von Tieren nicht verlangen, sich moralisch an den Erwartungen und an den Maßstäben seiner Menschen anzupassen. Kommunikation zwischen Mensch und Tier findet nur auf Augenhöhe statt. Der Mensch muss lernen, die Signale seiner Tiere zu verstehen, die in der Mimik, in der Körpersprache und im Verhalten verankert sind.
Wir dürfen nicht vermenschlichen, indem wir unsere moralischen Maßstäbe auf Tiere übertragen oder etwas in sie hineininterpretieren, das uns gerade in den Kram passt. (83)

Manchmal reicht auch ein Blickkontakt, und schon weiß man, was das Tier einem sagen möchte.
Ein Dialog funktioniert nur so lange, wie beide Seiten motiviert sind, ihn zu führen. (79)

Richtig interessant fand ich auch die Rechtspraxis Tieren gegenüber. Zwischen dem 13. und dem 18. Jahrhundert war es in manchen europäischen Ländern üblich, auch Tiere vor Gericht zu bringen und Prozesse gegen sie zu führen und sie zu bestrafen, wenn ihnen ein Delikt angelastet wurde. Brensing hat auf der Seite 134 eine Zeichnung aus dem Jahre 1457 abgedruckt, als einer Sau zusammen mit ihren Ferkeln ein Prozess angehängt wurde, weil die Sau ein Kind getötet habe. Die Ferkel wurden freigesprochen, die Sau nicht. Erst im 18. Jahrhundert wurde diese Rechtspraxis wieder abgeschafft, da man erkannte, dass Tiere schuldunfähig sind. Hier hat man tatsächlich versucht, in Tieren eine Persönlichkeit zu sehen, aber leider in einer völlig falschen Form.
Da konnte ein Schwein gehängt, eine Kuh gesteinigt, und eine Population von Mäusen des Landes verwiesen werden. (134)

Es gibt tatsächlich Wissenschaftler, die versucht haben, Tieren das verbale Sprechen beizubringen. (Delfinen und Pferden). Schon allein durch den Körperbau ist das bei Tieren gar nicht möglich, da sie anatomisch dazu nicht ausgelegt sind.

Vögel würden grammatikalisch ganze Sätze sprechen. Dabei fällt mir der aus dem Mittelalter lebende Mönch Franz von Assisi ein, der mit Vögeln gesprochen haben soll. Als ich das erste Mal von Assisi gelesen hatte, fragte ich mich, wie das möglich ist? Auch Brensing erwähnt in seinem Buch diesen Mönch. Nun konnte mithilfe der vorliegenden Literatur meine Fragen dazu beantwortet werden. Franz von Assisi ist es gelungen, sich in die Vögel hineinzuversetzen, und war in der Lage, die Laute der Vögel zu dechiffrieren. Tatsächlich können Vögel in komplexen Sätzen miteinander sprechen, denn die Lauterzeugung würde bei den Vögeln im Stimmkopf erfolgen. Auf der Seite 35 wird aufgezeigt, wie dies möglich ist, dass die Vögel sogar in ganzen Sätzen sprechen können. Hier sind verschiedene Grafiken dazu abgebildet, die aus einer japanischen Studie stammen … Auch wenn für unsere Ohren die Sprache der Tiere immer gleich klingt, sind die Rufe und die Laute der Tiere je nach Kontext recht unterschiedlich.

Selbst Honigbienen kommunizieren untereinander durch verschiedene Tänze und Vibrationen, die dadurch in der Lage sind, wichtige Signale zu übermitteln.  

Auch Bakterien würden mithilfe verschiedener chemischer Prozesse mit ihren Artgenossen kommunizieren. 

Papageien haben neben der Sprache sogar noch rhythmische Gefühle und können tanzen, wenn sie Musik hören.

Es besteht zwischen Mensch und Tier ein Universalcode, der 370 Millionen von Jahren zurückreicht.
Die Tatsache, dass wir Menschen sowohl tierische als auch menschliche Rufe emotional einschätzen können, und wir genauso dazu in der Lage sind, Musik emotional einzuordnen, lässt den Schluss zu, dass wir ähnlich fühlen, Gefühle vergleichbar zum Ausdruck bringen und uns sogar auf einer emotionalen Ebene verstehen können. Wir alle teilen die gleichen evolutionären Wurzeln. (13)

Die gleichen evolutionären Wurzeln, wow, das gefällt mir, das leuchtet mir ein, das habe ich schon immer gewusst.Trifft nämlich auch auf Menschen zu, die aus anderen Ländern kommen.  

Zum Schluss möchte ich kurz eine Tierkommunikatorin namens Temple Grandin vorstellen, die ich durch Karsten Brensings Buch kennenlernen durfte. Auf YouTube konnte ich den biografischen Film zu ihr, Du gehst nicht alleinder sehr sehenswert ist, hochladen und mir anschauen. Ich musste mir diesen Film zwei Mal in Folge ansehen, sosehr war ich von dem Film beeindruckt. Allerdings ist der Film in HD – Qualität. Aber man kann ihn sich auch auf Amazon gegen eine Gebühr herunterladen. Ich selbst werde ihn mir ein drittes Mal anschauen, weil es darin so viel zu beobachten und zu sehen gibt.

Die Amerikanerin Temple Grandin, Jahrgang 1947, ist eine faszinierende Persönlichkeit. Sie ist Autistin und bringt durch ihre "Erkrankung" eine außergewöhnliche Begabung mit sich. Sie kann Dinge, die "normale" Menschen nicht können. Grandin fühlt sich stark zu Tieren hingezogen, besonders zu Rindern hat sie ein starkes Faible und setzt sich mit ihrer ganzen Kraft in der harten, rauen Männerwelt (Rancher) für eine Verbesserung der Massentierhaltung ein. Ihre Gedankenwelt besteht ausschließlich aus Bildern und schafft es dadurch, in die Gedankenwelt der Rinder einzudringen, da auch Tiere, wie ich oben schon geschrieben habe, in Bildern denken. Temple Grandin ist überzeugt davon, dass Tiere Persönlichkeiten, Individuen sind ...

Ich zitiere aus dem Film:
Wir züchten Tiere in Massen, wir ziehen sie für uns auf, also müssen wir sie auch human behandeln. (...) Hätten wir Rinder, wenn die Leute sie nicht essen würden jeden Tag? (...) Daher schulden wir ihnen ein anständiges, ein lebenswertes Leben und am Ende ein schneller Tod. Die Natur ist grausam, wir müssen das aber nicht sein. Wir schulden den Tieren ein bisschen Respekt. Ich berührte die erste Kuh, bevor sie getötet wurde. In nur wenigen Sekunden würde sie nichts als ein Stück Fleisch sein aber vor diesem Moment war sie noch ein Individuum.

Bisher dachte ich über ein humanes Töten immer kritisch nach, weil kein Tier getötet werden möchte, auch nicht human. Auch Tiere hängen am Leben wie wir Menschen. Aber würde es kein Fleisch mehr geben, dann würde keiner mehr Tiere züchten. Das wäre für mich sowieso die bessere Alternative, weil Töten einfach grausam ist und weltweit viel zu viel Blut vergossen wird. Auch der Autor äußerte sich zu der ambivalenten und schizophrenen Haltung der Fleischkonsumenten. Die einen Tiere sind Freunde, während die anderen Feinde sind. Wieso???? Diese Frage stellte sich auch Brensing in seinem Buch. Vielen Menschen fehlt es an Bewusstsein, denn eine Kuh, ein Schwein ist nicht weniger wert als ein Haustier ... 

Gleichzeitig erfährt man in diesem Film noch Manches von Grandins Leben als Autistin und wie sie es durch den Einsatz ihrer Mutter geschafft hat, in der Gesellschaft, in der sie von klein auf nicht gerade wohlwollend aufgenommen wurde, dennoch einen Platz finden konnte. Immerhin wollten Ärzte das kleine Kind lebenslang in ein Heim sperren, wenn nicht die Mutter gewesen wäre, die sich dagegen sträubte und es zum Glück zu verhindern wusste. Welch ein Verlust für die Gesellschaft, wenn man diesen Menschen weggesperrt hätte. Niemals wären ihre Fähigkeiten und ihre Erkenntnisse ans Licht gekommen.

Hier geht es zu dem biografischen Film.

Ganz klar, meine nächsten Bücher zu meinem Tier-Leseprojekt werden sein:
     1.    Karsten Brensing: Das Mysterium der Tiere und 
2.    Persönlichkeitsrechte für Tiere
3.    Temple Grandin: Ich sehe die Welt wie ein frohes Tier: Eine Autistin entdeckt die Sprache der Tiere.      
Das Cover finde ich sehr interessant, dass keine Haustiere abgebildet  sind, sondern Wildtiere, Erdhörnchen und Erdmännchen. In seinem Buch unterscheidet der Autor diese beiden Wesensarten, die oft zu Verwechslungen führen.

Mein Fazit
Nochmals kurz zusammengefasst: Tiere kommunizieren nicht nur mit uns Menschen, sondern auch mit ihren Artgenossen. Dadurch, dass es denkende und fühlende Wesen sind, haben Tiere auch eine Persönlichkeit. Sie sind wie wir Menschen Individuen.
Kein einfaches Thema für Menschen, die die Kommunikation mit Tieren nicht kennen. Wenn es schon heutzutage zwischen Mensch und Mensch aus der Zeitnot heraus nicht möglich ist, eine gesunde Sprachkultur zu pflegen, wie soll dann diese erst in der Praxis mit Tieren gelingen? Ein Tipp: Empathischer Umgang im Miteinander, dies funktioniert nicht nur mit den Mitmenschen, sondern auch mit den Mit-Tieren. 

Wer sich für die Forschungsexperimente interessiert, der sollte unbedingt das Buch lesen. Ich freue mich auf weitere Bücher von Karsten Brensing. Obwohl dies ein Fachbuch ist, schwingt seine Liebe zu den Tieren auf jeder Buchseite mit. Und das gefällt mir sehr gut.

Meine Bewertung
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Narturwissenschaftliches, gut recherchiertes Buch
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein
12 von 12 Punkten.
________________
Vertraue auf dein Herz,
denn dann gehst du niemals allein.
(Temple Grandin)

Gelesene Bücher 2018: 50
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86