Sonntag, 17. September 2017

Rachel Urquhart / Das zweite Gesicht (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre



Das Buch hat mir recht gut gefallen. Es beinhaltet eine recht traurige Familiendramatik. Die Handlung spielt sich 1842 in Massachusetts statt.

Ich habe das Buch als einen historischen Roman aufgefasst, nachdem ich etwas in der Suchmaschine gegoogelt habe, da ich zuvor noch gar nichts über die Shaker-Klostergemeinschaft gehört habe. Das Kloster an sich wird als Die Stadt der Hoffnung bezeichnet.

Schwestern und Brüder gehen getrennte Lebensformen nach, sie zelebrieren aber gemeinsam die klösterlichen Regeln und Festivitäten. Inhaltlich unterscheidet sich diese Klostergemeinschaft nicht sonderlich von den Klöstern hierzulande, abgesehen von ein paar wenigen Merkmalen wie z.B. den praktizierenden göttlichen Ehrentanz ...

Sie verfolgen asketische und zölibatäre Lebensformen, d. h. sie leben streng religiös und fern von weltlichen Verlockungen. Die Shaker bezeichnet man als eine amerikanische Freikirche aus dem Jahre 1736. Der Name Shaker ist abgeleitet von dem rituellen Schütteltanz. Im Tanz verehren die Klostermitglieder Gott.



  Schütteltanz der Shaker, Radierung, ca. 1840


Gegenstand dieses Romans ist die Darstellung der Familie Kimbell, die aus vier Familienmitgliedern zusammengesetzt ist und auf einer recht heruntergekommenen Farm lebt. Das Familienoberhaupt Silas Kimbell erlebe ich hier als eine Bestie, das nicht nur die Farm heruntergewirtschaftet hat, das auch seine Tochter Polly schon im Alter von zehn Jahren angefangen hat sexuell zu missbrauchen und seinen kleinen Sohn Ben immer wieder versucht im Wasser zu ertränken. Ein Mensch, der besessen ist von blanker und roher Gewalt. Dass Ben noch lebt, ist Polly zu verdanken, die ihn immer wieder von dem Vater weggezerrt hat. Die Mutter ist selbst Opfer, und sehr eingeschränkt in ihrer Handlungsfähigkeit. Auch sie wird von Silas körperlich massiv misshandelt. Polly sieht nur noch einen Weg, die Familie von dieser Gewalt zu befreien. Sie zündet eines Nachts, als der Vater schon schläft, das Haus an. Der Brand wurde zusammen mit der Mutter gut geplant und erfolgreich durchgeführt. Die Mutter und der kleine Ben warteten in der Kutsche auf Polly.

Nach dieser Tat brennt das Haus lichterloh und die Familie reist mit den letzten Habseligkeiten davon. Die Kinder ahnen noch gar nicht, wohin die Reise geht. Die Mutter behält das für sich, bis sie mitten in der Nacht das Kloster aufsucht, mit der Bitte, die Kinder bei ihnen aufzunehmen, ohne die Gründe zu benennen … Nun beginnt ein neues Leben für Polly und Ben im Kloster und für die Mutter außerhalb dieser Einrichtung. Da das Kloster keine engen Banden duldet, werden gleich zu Beginn die Kinder voneinander getrennt. Das habe ich als recht furchtbar und lieblos erlebt. 

Im Kloster versucht Polly ihre Fassade zu wahren. Sie gibt sich erfolgreich als Seherin, doch die Klostermutter versucht hinter diese Fassade zu blicken. Sie mahnt Polly immer wieder zur Beichte. Da Polly darauf nicht eingeht, wird die Klostermutter Polly gegenüber immer misstrauischer …

Und Polly weiß noch gar nicht, dass sie schwanger ist. Das bekommt eine Mitschwester raus, die mit Naturheilverfahren arbeitet. Erst entwickelte sich zwischen der Schwester Charity und Polly eine Freundschaft, bis Charity eines Tages bemerkt, dass Polly schwanger ist. Ab diesem Zeitpunkt wendet sich Charity von Polly ab und bezichtigt sie als eine Hure, die ihre Fleischeslust nicht zu beherrschen wusste. Charity ahnte nicht, dass Polly das Kind ihres Vaters in sich trägt.

Aus Kimbals Nachbarschaft wird ein Branddetektiv eingeschaltet, der die Ursache dieses Brandes analysieren soll. Er begibt sich auf die Suche nach den Familienmitgliedern …

Mehr möchte ich nun inhaltlich nicht verraten. Nur noch ein paar Sätze zum Konzept der Autorin. Der Roman wird in verschiedenen abwechselnden Perspektiven erzählt. Mal aus der Sicht von Polly, dann wiederum aus der Sicht des Branddedektivs, aus der Sicht verschiedener Schwestern … Das hat den Roman noch zusätzlich lebendig gemacht. 


Buchbewertung:

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein

Zwölf von zwölf Punkten.


Weitere Informationen zu dem Buch

Ich möchte mich recht herzlich für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar beim btb-Verlag bedanken. 

·         Taschenbuch: 416 Seiten
·         Verlag: btb Verlag (10. April 2017)
·         Sprache: Deutsch
·         ISBN-10: 3442714826
·         ISBN-13: 978-3442714827
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Gelesene Bücher 2017: 38
Gelesene Bücher 2016: 72
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