Eine Kindheit in Berlin
Eine
Buchbesprechung zur o. g. Lektüre
Auch dieses Buch
von Michael Degen hat mir recht gut gefallen. Der Erfahrungsbericht war sehr
glaubwürdig und authentisch geschrieben. Eine wirklich sehr spannende
Lebensgeschichte, die schön zu lesen ist, die Mut macht und hoffnungsvoll ist,
trotz der sehr traurigen Verluste wichtiger Bezugspersonen. Tut gut zu wissen,
dass es viele Deutsche gab, die die Juden nicht ausgeliefert haben, sondern sie
zeitlich bei sich aufnahmen, obwohl ihnen bewusst war, dass sie ihr Leben
dadurch in Gefahr brachten. Es ist nicht nur ein historisches Buch über den
Nationalsozialismus, nein, es ist auch ein Buch über Freundschaften ...
Es ist ein sehr
wichtiges Buch, das nie sterben darf …
Zur Erinnerung gebe
ich erneut den Klappentext rein.
Mit elf Jahren musste Michael Degen zusammen mit seiner Mutter vor den Nationalsozialisten fliehen. Es folgte ein Leben im Untergrund, mit der ständigen Angst entdeckt und deportiert zu werden. Aber in dieser Welt, die aus den Angeln gehoben war, gab es Menschen, die sie versteckten, bis der Krieg vorbei war. Freunde und Fremde, Menschen, die nicht fragten, sondern wortlos halfen.
Die vierköpfige
Degenfamilie bestand nur noch aus zwei Personen. Der vier Jahre ältere Bruder,
namens Adolf, flüchtete nach Israel, der Vater starb an den Folgen des KZ´.
Warum hat der Vater
seinem älteren Sohn den Namen Adolf gegeben, fragt sich Michael.
Als mein Bruder zur Welt kam, hatte es ja schon viel Geschrei um Hitler gegeben. Ich hätte ihn auch so gerne fragen wollen, weshalb er eine Zeit lang so eine kleine Bartbürste unter der Nase trug. Sollte das eine Art Anpassung oder Tarnung bedeuten? (List 2015, 126)
Schwierig, darauf
eine Antwort zu bekommen, wenn man den Vater nicht mehr fragen kann. Adolf
Degen legte den Namen in Israel ab, und eignete sich einen anderen Namen an.
Aber das wusste Michael zu der Zeit noch nicht. Michael assoziiert mit Adolf
den Führer und gleichzeitig seinen Bruder. Welch eine diskrepante Vorstellung.
Michael ist gerade
mal elf Jahre alt, als er mit seiner Mutter über mehrere Jahre im Untergrund
lebt. Beide waren schwerem, seelischem Druck ausgesetzt, rappelten sich aber
immer wieder hoch ...
Auch Michael und
seine Mutter mussten eine neue Identität einstudieren und schlüpften in den
Namen Gemeberg. Aus Michael wurde Max Gemeberg. Neue Namen, neue
Wohnadresse, neue Herkunft, neuer Beruf, etc. Sie mussten diese Personenbeschreibung auswendig lernen und tief
verinnerlichen. Jede Veränderung, wie z. B. den Wohnraumwechsel, musste neu
angepasst werden.
Sehr oft begaben
sie sich in die Höhle des Löwen, mussten immer wieder persönliche Fragen
beantworten und hatten jedes Mal Glück, da sie glaubwürdig erschienen.
Deutsche, die mit
ihnen ihren Lebensraum teilten, stellten ihnen politische Fragen, weshalb die Juden sich so
unpolitisch verhalten würden, und sich aus allem heraushalten?
Was für eine
Kindheit hatte die Jugend im Nationalsozialismus? Michael sammelte mit seinem
Freund Granatsplitter, etc. Selbst im Spiel blieb den Kindern permanent der
Krieg vor Augen.
Dazu hat mir noch
besonders die Freundschaft gefallen, die Michael mit seinem arischen Kameraden
Rolf geknüpft hat. Natürlich mussten die beiden erstmal eine Kraftprobe bestehen,
die sie über ihre Fäuste austrugen ...
Als Rolf Michael
nach Hause einlud, stellte er ihn seinem Vater vor. Doch dieser durchschaute
Michael recht schnell, spürte, dass er nicht arisch war, aber er lieferte
Michael und dessen Mutter nicht aus ... Im Gegenteil, er nahm die beiden für
eine bestimmte Zeit bei sich zu Hause auf. Die Freundschaft der beiden Kinder
schweißte sie immer mehr zusammen, doch leider erlitt Rolf beim
Granatsplittersuchen einen tödlichen Unfall … Der Tod war allgegenwärtig,
er konnte jeden treffen, und machte auch vor Kindern nicht Halt.
Als kurz vor Ende
des Krieges die Russen einmarschierten, mussten Michael und seine Mutter die
erlernte arische Identität wieder aufgeben. Nun waren sie gezwungen, wieder auf
ihre alte Identität zurückzugreifen, wollten sie nicht von den Russen ermordet
werden. Russische Soldaten hatten Mühe, Juden, die nicht in die Fänge Hitlers
geraten sind, als Juden anzuerkennen. Sie glaubten, dass alle Juden ermordet
wurden. Schließlich nahm ein Soldat ihnen die jüdische Herkunft ab. Die Degens
machten die Bekanntschaft mit einem weinenden, russischen Soldaten, selber auch
Jude, der die Morde an den Juden schwer fassen konnte. Der Soldat war Pianist,
der sich mit deutschen Komponisten auskannte:
>>Wie kann ein solches Volk so gute Komponisten haben<<, pflegte er immer zu sagen. Er spielte wie ein Gott, und am liebsten hatte ich, wenn er Bach oder Händel spielte und es fertigbrachte, auf dem Klavier ein Cembalo zu imitieren. (2015, 287)
Mein
Fazit?
Ich
kann das Buch jedem empfehlen, der sich mit dem Nationalsozialismus
beschäftigt. Man kennt viele Bücher, in denen die Juden von den Deutschen
verraten wurden. Aber dieses Buch ist anders, zeigt die andere Seite der
Realität, dass nicht alle Menschen gleich sind. Nicht alle sind böse, nicht alle waren Fieslinge, nicht
alle waren Mörder, wie schon der Buchtitel sagt …
Und
hier meine neuste Art, ein Buch zu bewerten:
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Kreativ, fantasievoll, humoristisch
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und/oder Rassismus
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Kreativ, fantasievoll, humoristisch
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und/oder Rassismus
Das
Buch erhält von mir zehn von zehn Punkten.
Weitere Informationen zu dem Buch
Weitere Informationen zu dem Buch
- Taschenbuch: 336 Seiten
- Verlag: List Taschenbuch (2015)
- Sprache: Deutsch
- ISBN-10: 3548609104
- ISBN-13: 978-3548609102
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