Freitag, 8. Juni 2012

Elias Canetti / Die Blendung (3)

  Dritte Buchbesprechung zur o. g. Lektüre


ISBN-10: 3596512255
Der Verlauf des Romans geht in immer weitere abstruse Etappen über, mit denen ich absolut nicht gerechnet habe, ich es aber auch liebe, wenn Autorinnen es schaffen, ihre Leserinnen zu überraschen. Die Kälte, die ich zu Beginn des Romans gegenüber des Protagonisten empfunden hatte, wandelte sich in mir schlagartig, so dass ich derzeit eher mehr Mitgefühl empfinde, wobei es in mir gerade emotional genauso chaotisch zugeht, wie den Figuren in dem Buch. Eine große, innere Unruhe schleicht sich in mir ein, aber ich leite jetzt erst mal über zu den Fakten, wobei ich es auch für interessant halte, zu beobachten, was ein Buch in der Leserin verursacht und was es mit ihr macht.

Eine große Veränderung geht bei der Frau des Professors hervor, die es nun ganz und gar auf das Vermögen und dessen gesamten Besitz abgesehen hat. Wenn Sie von ihm schon nicht geliebt werden kann, wie sie sich das als Ehefrau wünscht, und sie auch ein Recht darauf hat, denn immerhin hat er um ihre Hand angehalten, so möchte sie nun seinen gesamten Besitzstand an sich reißen. Es artet in eine richtige Gier aus, mit dezent wahnhaften Zügen besetzt. Mit ihrer List versucht sie den Namen seiner Bank herauszubekommen, und die Höhe seines Vermögens, denn
"was nützt ihr der Mann, wenn sie die Bank nicht hat? Der Mann sagt die Bank nicht. Ist das ein Mann, der die Bank nicht sagt? Es ist ja kein Mann. Ein Mann sagt die Bank!"
 Therese ist siebzehn Jahre älter als Kien,  siebenundfünfzig also, und bildet sich ein, in ihrer Erscheinung so jung wie dreißig zu wirken.  Das melden ihr ein paar Männer zurück, die sie ein wenig auf die Schippe nehmen, sie aber so naiv ist, und diese nicht durchschaut.
 Auf der Straße schauen mir alle Männer nach. Bei einer Frau kommt es auf die prachtvollen Hüften an.
Dass sie von ihrem Mann nicht wie seine Frau behandelt wird, eher noch wie seine Haushälterin, erträgt sie erst mit Wut, dann mit Reue und schließlich mit Vergeltung, und sich dies wie ein Prozess über viele, viele Seiten hinzieht. Diese vielen Widersprüche, die in der Frau verankert sind, kann ich so gar nicht wiedergeben, sie würden mich eher verr... machen... . Als Kien von der Leiter fiel, pflegte sie ihn sechs Wochen lang und nun erwartet sie so etwas wie eine Gegenleistung von ihm. Das folgende Zitat hat mich ein wenig amüsiert, weil es ihre Naivität authentisch zum Ausdruck bringt:
"Erst rettet die Frau dem Mann das Leben, dann darf sie hinaus. Der Mann war tot. Wer hat den Hausbesorger geholt? Der Mann vielleicht? Der lag unter der Leiter. Bitte, warum hat er den Hausbesorger nicht selbst geholt? Er hat sich nicht rühren können. Erst war er tot, dann hat er der Frau nichts gegönnt. (…) Die Bank muss sich melden. Eine Frau will wieder heiraten. Hab ich vielleicht vom Mann was gehabt? Auf einmal bin ich vierzig :D, und die Männer schauen mir nicht mehr nach. Die Frau ist auch ein Mensch. Bitte, die Frau hat ein Herz!"
An diesem Zitat wird deutlich, wie sehr Therese sich in eine Traumwelt, noch sei sie eine junge Frau, flüchtet... .
Therese ist heiß auf Kiens Testament und durchwühlt während seiner  Rekonvaleszenzphase seine gesamten Schubladen... Als sich das Testament nicht auffinden ließ, beharrte sie schließlich vehement darauf, endlich ein Testament zu schreiben und beim Notar zu hinterlassen... . Als sie den Erbbetrag auf dem Testament schließlich entnimmt, ist sie enttäuscht von der aus ihrer Sicht geringen Summe und begibt sich in eine Fälschung, indem sie dem Testament noch zwei Nullen hinzufügt. Die Nullen hatte sie ausreichend eingeübt... . Aus der Zahl 12.650 wird die Zahl 1.265.000.
Kien fielen die hässlichen Testamentschuppen von den Augen. Er sah sie sehr arm, um Liebe bettelnd, sie wollte ihn verführen, so hatte er sie noch nie gesehen. Für die Bücher hatte er sie geheiratet, ihn liebte sie. Ihr schluchzen macht ihm Angst.
Diese plötzliche Veränderung ihres Charakters ist zurückzuführen auf die menschliche Leere, die sie im Hause des Professors erfährt und für sie schwer aushaltbar ist.
Sie darf seine Luft atmen. Mehr will er mit ihr nichts zu tun haben. Sie gibt  sich mit seiner Luft zufrieden. Er vergisst, sich zu fragen, ob die Bank, wo sein Geld liegt, auch sicher ist. Sie zittert, er könnte sein Geld verlieren. Ihre eigenen Ersparnisse sind so geringfügig, um ihn längere Zeit über Wasser zu halten.
Als der Professor sich auf einen Spaziergang begibt, gesteht er sich ein, dass er von seiner Frau geliebt wird. Er sucht nach einem Mittelweg aber er weiß auch, dass er niemals ein "Lebemann" werden würde. Wirkliche Liebe würde sich nie beruhigen und würde ihm nur neue Sorgen bereiten, "bevor die alten tot sind".
Während des gemeinsamen Mittagessens wagt sich Therese nicht zu rühren, nicht einmal ihren Mund wagte sie aufzumachen, um die Mahlzeit einzunehmen, denn es könnten aus dem Mund Worte herausfallen :).

Ich bin so begeistert von dem bildhaften Ausdruck des Autors. Worte aus dem Munde herausfallen, einfach toll.

Hier erscheint Therese recht gefügig und anpassungswillig aber das scheint nur so.

Mit dem Vermögen des Professors plant sie in Zusammenkunft mit Geschäftspartnern ein Möbelgeschäft zu gründen, aber die Pläne wandeln sich auch wieder und so denkt sie über eine Übernahme einer Fremdbibliothek neben des Wohnhauses des Professors nach. In der Wohnung einfach die Wände runter reißen und eine Verbindung zu der Fremdbibliothek schaffen... .
Auf den weiteren Seiten dreht Therese immer mehr ab, sie ist kaum wieder zu erkennen, so dass auch der Professor glaubt, in einer Psychiatrie zu sein.
"Ich erlaube nicht, dass der Mann den Rock anrührt! Der Rock gehört mir! Hat der Mann den Rock gekauft? Ich habe den Rock gekauft! Hat der Mann den Rock gestärkt,  gebügelt? Ich hab den Rock gestärkt und gebügelt. Sind denn die Schlüssel im Rock? Ach wo, die denken nicht daran. Ich geb die Schlüssel nicht her. Und wenn der Mann den Rock zerbeißt, ich geb die Schlüssel nicht hier, weil die nicht drin sind! Eine Frau tut alles für ihren Mann. Den Rock und sie nicht! Den Rock tut sie nicht!"
Kien fuhr sich über die Stirn. "Ich bin in einer Irrenanstalt", sagte er, so leise, dass sie es nicht hörte.
Therese ist so abgedreht, dass sie ihrem Mann verbietet, mit Ausnahme seiner  Bibliothek, die Räume zu betreten, auch Küche und Bad sind tabu. Die Schlüssel verwahrt sie in ihrem Rock. Es folgen weitere, makabere Szenen, die Frau wird gegenüber ihrem Mann gewalttätig, so massiv gewalttätig, dass er sein Bewusstsein verliert und er erneut über einen längeren Zeitraum das Bett hüten und gepflegt werden musste. Kien wehrte sich nicht, obwohl er viel größer ist als sie. Er lässt sich schlagen, verprügeln, als wäre er ein kleiner Junge... . Ich habe mich selbst gefragt, wie ich mich verhalten würde, wenn ich einen solchen Mann geheiratet hätte, und der mich nur enttäuschen würde und ich diese Einsamkeit in dieser Zweisamkeit nicht ertragen wurde? Dann würde ich meine Koffer packen und wäre gegangen, statt ihn so zu betrügen, statt die Leere mit seinen Gütern ausfüllen zu wollen. Aber das wäre ja dann zu einfach und der Roman schon abgeschlossen :D.
Sein Verbrechen, für das sie ihn so grausam bestraft hatte, war mehr als gesühnt, aber nicht vergessen.
Als er sich von den vielen Prügeln erholt hatte, flüchtete der Professor nun auch in seine Gedankenwelt. Eigentlich würde er sich nur mit der Zukunft befassen wollen aber auf keinen Fall mit der Gegenwart:
Die Zukunft, die Zukunft, wie kommt er in die Zukunft hinüber? Lassen wir die Gegenwart vorüber sein, dann kann sie ihm nichts mehr tun. Ach, wenn sich die Gegenwart ausstreichen ließe! Das Unglück der Welt rührt daher, dass sie zu wenig in der Zukunft leben. Was hat das in hundert Jahren zu bedeuten, wenn er heute Schläge bekommt? Lassen wir die Gegenwart vergangen sein, und die Beulen merken wir nicht. An allen Schmerzen ist die Gegenwart schuld. Er sehnt sich nach der Zukunft, weil dann mehr Vergangenheit auf der Welt sein wird. Die Vergangenheit ist gut, sie tut niemand was zu leide, zwanzig Jahre hatte er sich frei in ihr bewegt, er war glücklich.  
Dieses Spektakel weitet sich soweit aus, bis Kien von seiner Frau ganz aus der Wohnung hinausgeschmissen wird. 
"Hinaus aus meiner Wohnung!" Sie speit, sie speit in sein Gesicht. Er spürt alles. Es tut weh. Er ist kein Stein. Dass sie nicht zerbricht, zerbricht seine Kunst. Alles ist Lüge, es gibt keinen Glauben. Es gibt keinen Gott. Er weicht aus. Er wehrt sich. Er schlägt zurück. Er trifft sie, er hat spitze Knochen." Ich mache die Anzeige! Diebe werden eingesperrt! Die Polizei wird es finden! Diebe  werden eingespart! Hinaus aus meiner Wohnung!" schrie sie ihn an. Sie zerrt auf seinen Beinen, um ihn zu Fall zu bringen. Am Boden wird sie sich gütlich tun, wie damals, es gelingt ihr nicht, er ist stark. Da packte sie ihn am Kragen und schleift ihn zur Wohnung hinaus. Die Tür wirft sie krachend hinter ihm zu. Auf dem Boden lässt er sich zu Boden fallen. Müde ist er doch. Die Tür öffnet sich wieder. Therese schleudert Mantel, Hut und Aktentasche hinaus. "Unterstehe dich nicht, wieder zu betteln!" schreit sie und verschwindet. Die Aktentasche gibt sie her, weil nichts drin ist. Alle Bücher behält sie in der Wohnung. 
Wie sehr der Professor vor seiner Frau nun geschrumpft ist... .
Bis auf sein Sparbuch hat der Professor nun alles verloren. Nichts gehört ihm mehr, weder seine Wohnung, noch seine Bibliothek, die als seine eigentliche und wichtige Wohnstätte galt.
Das Bankbuch hat er in der Tasche. Er presst es glücklich an sich, obwohl es ein Bankbuch ist. Therese ahnt nicht, was ihr mit dem Bettler entgeht. Bitte, wo gibt es einen Dieb, der sein Verbrechen immer bei sich hat?
Das ist eine sehr traurige Szenen, auch wenn der Professor sehr knauserig mit seinem äußeren Leben umging, gewünscht war es ihm nicht. Nun wandelt er durch die Gassen, mit einem Stadtplan, auf dem er alle Buchhandlungen und Bibliotheken rot eingekreist hat. Er verbringt dort seinen Tag, sammelt im Geiste neue Bücher und baut sich eine neue Bibliothek auf. Aber jede Buchhandlung in der Stadt besuchte er nur ein einziges Mal, da er auch dort nicht gerade erwünscht ist, aufgrund seiner äußerlichen Erscheinung und aufgrund seiner Art,wie er sich sprachlich gibt. 
Täglich übernachtete er in einem anderen Hotel. Wie sollte er die zunehmende Last fortschleppen? Da er ein unzerstörbares Gedächtnis besaß, trug er die gesamte neue Bibliothek im Kopf. Die Aktentasche blieb leer.
Das liest sicher so, als gäbe es kein Zurück mehr, kein Zurück in seine alte Bibliothek, kein Zurück mehr zu seiner Frau. Er hätte ja auch die Wahl gehabt, sich von ihr scheiden zu lassen und umgedreht auch. Da ich aber jetzt nun noch mehr als fünfhundert Seiten vor mir habe, gehe ich davon aus, dass der Professor nicht ganz zu einem Landstreicher wird. Jedenfalls bin ich neugierig, wie er überleben wird.

(Anm. die fettgedruckten Zeilen sind von mir hervorgehoben worden.) 
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"Die rechte Vernunft liegt im Herzen" (Theodor Fontane)

 UB:

Dickens: Schwere Zeiten
Kuan: Die Langnasen
Lenz: Die Masken
Leroux: Das Phantom der Oper
Lueken: New-York
Manguel: Die Bibliothek bei Nacht
Mann. T. Erzählungen (1)
Miin: Madame Mao
Muawad: Verbrennungen
Osorio: Mein Name ist Luz
Remarque: Der schwarze Obelisk
Rahom: Stein der Geduld
Senger: Kaiserhofstr. 12
Thackeray: Das Buch der Snobs
Zweig: Brennendes Geheimnis

Gelesene Bücher 2012: 40


 





Donnerstag, 7. Juni 2012

Elias Canetti / Die Blendung (2)



Es folgt nun die zweite Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

ISBN-10: 3596512255
Auf den weiteren Buchseiten zieht gemeinsam mit der frisch vermählten Frau Therese viel Chaos in das Leben des Professors ein... . Mit dem Sex nach der ersten Nacht hat es gar nicht geklappt, obwohl seine Gattin es ihm so einfach wie möglich gemacht hat ... . Eine Muschel, der Erzähler gebraucht diese Metapher, die man nicht erst öffnen muss, und trotzdem ergriff Kien die Flucht in den Toilettenraum, zog sich seine Hose aus und schluchzte wie ein Kind.

Therese will die Wohnung nun mit anständigen Möbeln bestücken und schafft ohne die Zustimmung seines Gemahls Bett, Kommode und Nachttopf in die Bibliothek an, die sie durch eine Möbelfirma zukommen lässt. Kien rebelliert:

"Und der Nachttopf?"
" Der Nachttopf?" Die Vorstellung eines Nachttopfs in der Bibliothek verblüffte ihn.
" Der kommt vielleicht so unters Bett?"
" Was fällt dir ein!"
Die Wohnung besaß vier Zimmer und es wurde ein Vertrag aufgesetzt, und darin wurden die jeweiligen Zimmer auf das Paar verteilt schriftlich fixiert. Doch Therese schaffte es, drei Zimmer zu erhalten, da das eine Zimmer neben der Küche mehr einer Kammer gleicht, worin sie auch selbst wohnte, als sie noch die Haushaltsdame des Professors war. Ebenfalls wurden in dem Vertrag die Redezeiten festgehalten, da dem Professor überhaupt nicht danach ist, selbst wenn er nun verheiratet ist, sich auf ein Geschwätz einzulassen und so hat er sich über den Vertrag absichern wollen.

Das Problem mit den Möbeln weitete sich später noch aus:
 Die Möbel existieren für ihn so wenig, wie das Heer von Atomen in ihm und um ihn. >Esse percipi<, Sein ist wahrgenommen werden, was ich nicht wahrnehmen, existiert nicht.
 Auch dies fand ich ein schönes Zitat, weil es doch auch der Wahrheit entspricht, ein Kern von Wahrheit.

Therese wird immer unbequemer, stellt Forderungen und weigert sich, weiterhin wie eine Dienstbotin zu schaffen. Sie beklagte ihm die mangelnde Zeit, die besser dafür eingesetzt wäre, um weitere Möbel anzuschaffen.
"Mit dem Kochen morgen ist es nichts. Ich habe keine Zeit. Ich kann nicht alles auf einmal machen." Neugierig auf die Wirkung ihrer Worte hielt sie inne. Sie rächt sich für seine Schlechtigkeit. Sie brach den Vertrag und redete bei Tisch. " Soll ich mir was Schlechtes anhängen lassen wegen einem Mittagessen? Mittagessen isst man jeden Tag. Das Schlafzimmer kauft man nur einmal. Eile mit Weile. Ich koche morgen nicht. Nein!"
Therese ist wütend, weil es mit dem Sex nicht klappt  und überhaupt wenig mit ihrem Mann gemeinsam unterhält, außer, dass  sie gemeinsam aber getrennt in der Wohnung des Professors leben. Das macht sie wütend, und fragt sich, ob ihr Mann ein Mann sei. Auf der Seite 174 findet Therese ihren Mann auf dem Boden seiner Bibliothek regungslos liegen, als er von der Leiter seines Regales gestürzt ist und glaubt ihn für tot. Sie ist wütend, dass er den Boden mit seinem Blut beschmutzt:
Das ist ja kein Blut. Oder hat der Mann ein richtiges Blut? Flecken machen kann er mit dem Blut, das ist alles.
Blut steht für den Lebenssaft, den Therese nicht nur in der ausbleibenden Sexualität bei ihm vermisst. Und man bekommt den Eindruck, des Professors Blut zirkuliere in eine seiner Gehirnhälfte.


Des Professors Geliebte ist eigentlich gar nicht Therese, sondern seine Bibliothek und die Bücher seine und deren Kinder. In großer Bitterkeit wendet er sich sprechend seiner Bibliothek zu und beklagt ihr sein Leid:
 "Seit einiger Zeit, genauer gesagt, seit dem Einbruch einer fremden Macht in unser Leben, trage ich mich mit dem Gedanken, unsere Beziehung auf eine starke Basis zu stellen. Eure Existenz ist vertraglich gesichert; doch sind wir, glaube ich, klug genug, um uns über die Gefahr nicht zu täuschen, in der ihr, einem rechtsgültigen Vertrages zum trotz, schwebt."
Der Professor identifiziert sich mit dem Leid seiner Bücher, vielmehr mit deren Vorfahren. Einst galten die Chinesen, 213 vor Christi, als die ersten Bücherverbrenner der Welt durch Kaiser Shi-Hong-Ti und durch seinen Minister Li-Si. Kien spricht mit den Büchern in tiefer Trauer wie andere zu leidgeplagten Menschen:
An eure noch alte und stolze Leidensgeschichte brauche ich euch im einzelnen nicht erinnern. Ich greife bloß einen Fall heraus, um ausschlaggebend vor Augen zu führen, wie nahe Liebe und Hass beieinander wohnen. In der Geschichte eines Landes, das wir alle gleicherweise verehren, eines Landes, wo man euch Aufmerksamkeit über Aufmerksamkeit, Liebe über Liebe und selbst den euch gebührenden göttlichen Kult erwies, gibt es ein furchtbares Ereignis, ein Verbrechen von mythischer Größe, das ein Machtteufel auf Einflüsterungen eines noch weit käuflicheren Beraters an euch verübt hat. (…) Dieser rohe und abergläubische Verbrecher, (s. oben, Anm. d. Verf.) war selbst viel zu ungebildet, um die Bedeutung von Büchern, aufgrund deren sein Gewaltsregiment bestritten wurde, richtig einzuschätzen. Aber sein erster Minister, selbst ein Kind seiner Bücher, ein festlicher Renegat also, wusste ihn in einer geschickten Eingabe zu dieser nie unerhörten Maßnahme zu veranlassen. (…) Die mündliche Tradition sollte zugleich mit der schriftlichen ausgerottet werden. (…) Werke über Medizin, Pharmakopöe, Wahrsagekunst, Ackerbau und Baumzucht - durchaus praktisches Gesindel also.
Ich gestehe, dass der Brandgeruch jener Tage mir heute noch in die Nase sticht. Was half es, dass drei Jahre später den barbarischen Kaiser sein wohlverdientes Schicksal ereilte? Er starb zwar, aber den toten Büchern war damit nicht geholfen. Sie waren und blieben verbrannt. 
 Diese Trauer um die verbrannten Bücher kann ich auch selbst gut nachvollziehen, wenn mir auch der Brandgeruch nicht in der Nase sticht :D. Dass der Professor die verbrannten Bücher als tote Bücher tituliert, ist für mich auch nachvollziehbar. Ich finde die Gedankenwelt des Professors eigentlich recht sympathisch, schade ist nur, dass er das geistige Leben nicht mit dem gesellschaftlichen und reellen Leben verbinden konnte. Da mir dieses Problem aus meiner Berufspraxis nicht gerade unbekannt erscheint, so stellt sich mir doch auch die Frage, was denn in seinem Leben widerfahren ist, dass er sich vor dem wirklichen Leben so sehr scheut, seine ganze Kraft und Lebenselixier in die Wissenschaften steckt?

Kien Sucht in der chinesischen Philosophie eine Erklärung für dieses Verbrechen, wobei die Erklärung, die er dort findet, könnte auch aus der Bibel stammen:
Sie handeln und wissen nicht, was sie tun; sie haben ihre Gewohnheiten und wissen nicht, warum; sie wandeln ihr ganzes Leben und kennen doch nicht ihren Weg: so sind sie, die Leute der Masse.
Auch in diesem Zitat steckt ein großer Kern Wahrheit. An anderer Textstelle geht es weiter:
Immer und ausnahmslos nehme man sich vor den Leuten der Masse in acht, ruft uns der Meister Mong mit diesen Worten zu. Sie sind gefährlich, weil sie keine Bildung, also kein Verstand haben. Einmal ist es nun geschehen, dass ich die Sorge um eure leibliche Pflege und menschenfreundliche Behandlung über die Ratschläge des Meisters Mong stellte. Diese meine Kurzsichtigkeit hat sich schwer gerächt.
Auch diese Textstelle stimmt mich ein wenig traurig bis nachdenklich, da ich auch derselben Meinung bin, dass die Masse einfach nur ein angepasster Laufträger ist... . Und doch ist es nicht nur die Masse, denn, wenn ich an den Nationalsozialismus denke, so befanden sich sehr viele kluge Köpfe darunter, Ärzte, Juristin, Chemiker ... die alle geschlossen mit ihrer Wissenschaft die Ausrottung von Juden beschleunigten. Aber letztlich war es die Masse, die diesen Menschen jene Macht übergaben und sich ihnen anvertrauten. Weshalb haben die klugen Köpfe keinen Widerstand geleistet, und deren hohe Intelligenz die Massentötung nicht verhindern konnten, statt Giftgas...  zum Töten zu erfinden. Weshalb haben Sie Ihre Intelligenz nicht eingesetzt, um diese Menschen zu retten? 
Hierbei habe ich schon ein wenig Mitgefühl für den Professor und vielleicht ist es die pure Enttäuschung über das viele Elend seit Menschengedenken und er sich aus diesem Grunde von den leiblichen Menschen zurückgezogen hat aber nicht nur. Man erfährt auch ein wenig von seiner Kindheit, auf die ich in der nächsten Buchbesprechung eingehen werde, sollten sich noch weitere Informationen zusammentragen, so dass es sich lohnt, sich darüber auszutauschen.
 Der Charakter und nicht das Staubtuch macht den Menschen.
Oder: der Charakter und nicht der Gebildete macht den Menschen, verehrter Herr Professor aber sicher haben Sie dasselbe gemeint.
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"Die rechte Vernunft kommt aus dem Herzen ." (T. Fontane)

UB:

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Gelesene Bücher 2012: 40
 


Mittwoch, 6. Juni 2012

Elias Canetti / Die Blendung (1)



Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

ISBN-10: 3596512255
Das Buch fesselt mich von der ersten Seite bis zu hundertsten und es mir schwer fällt, eine Lesepause einzulegen. Aber es wird jetzt auch Zeit, ein paar Gedanken festzuhalten. Es sind so viele schöne Textstellen und ich mir jetzt viel Zeit nehmen möchte, diese hier aufzuschreiben. 

Kurz möchte ich nur sagen, dass ich den Protagonisten Kien, vierzig Jahre alt, total für interessant halte, aber es stellt sich sehr schnell heraus, dass er menschlich ein absoluter Versager ist. Interessant ist auch, dass sein Bruder Peter in Paris Gynokologe ist, dann aber zum Psychiater sich weiterfortbildete. Ich glaube, Kien benötigt einen Psychiater, *grins*. Aber nicht einen, der so weit weg ist, sondern am besten einen in seiner absoluten Nähe... . 

So, und nun zum Buch:

Schmunzeln musste ich schon auf der ersten Seite, als ich die Bekanntschaft eines neunjährigen Schuljungen namens Franz Metzger machen durfte, der, wenn er die Wahl hätte, sich lieber für das Buch als für die Schokolade entscheiden würde. Der Junge liest so viel, dass sein Vater ihm schließlich die Bücher verbot. Das habe ich auch in meiner Grundschulzeit erlebt. Man hat mir die Bücher weggenommen, weil ich zu viel las und ich mir dadurch die Augen verderben würde. (Meine Augen waren ja schon verdorben, bevor ich überhaupt lesen konnte, und Ich glaube, dass es manchen Eltern regelrecht erschreckt, wenn sie Bücherwürmer aufziehen, könnten ja gescheiter werden als sie selbst :D. )

Zurück zum Buch: 

Prof. Kien ist völlig begeistert von dem Jungen und lädt ihn bei sich zu Hause ein, um ihm ein paar Bildbände zu China und Indien zu zeigen, da der Junge große Begeisterung und Vorwissen zu diesen, und anderen Ländern zeigte. Der Junge nahm die Einladung des Professors sehr ernst und persönlich. Nun, was aus der Einladung allerdings geworden ist ... . Besser selbst nachlesen, eine Szene, die mich betroffen gemacht hat, wenn diese für mich auch nicht unerwartet kam.

Auf Seite 15 denkt Kien durch den Jungen an seine eigene Kindheit zurück, als er so süchtig nach Buchhandlungen und Bibliotheken wurde. Und mir gefiel dabei folgendes Zitat:

Ein Buchhändler ist ein König, ein König kein Buchhändler.
Kien verbascheut den Alltag anderer Menschen, er lebt völlig in seiner Bücherwelt, noch besser in seiner eigenen Bibliothek umgeben von zweihundertfünfzigtausend Büchern, in der er seinen wissenschaftlichen Forschungen nachgeht.  Kien  spricht als Sinologe, China und Japankenner, viele östliche Sprachen und doch ist er wie stumm. Er drückt sich lieber schriftlich aus, und belegt das schriftlich Ausgedrückte am liebsten noch mit vielen Zitaten.

Später erfährt man, dass Kien von Studenten gar nichts halten würde, und man müsse sie in den Prüfungen bis zum Alter von dreißig Jahren durchfallen lassen, um somit eine ausgiebige Selektion zu bewirken, denn


an mittelmäßigen Köpfen sei ohnehin kein Mangel. Vorlesungen, die er abhalten, könnten, da er an seine Hörer die höchsten Forderungen stellen müsste, nur auf wenig Zulauf rechnen. Bei Prüfungen käme voraussichtlich kein einziger Kandidat durch :D. Er würde seinen Ehrgeiz darin setzen, die jungen, unreifen Menschen so lange durchfallen zu lassen, bis ihr dreißigstes Jahr erreicht und sei es aus Langeweile, sei's aus beginnendem Ernst, einiges, wenn auch vorläufig nur weniges gelernt hätten. ( Oh, der Fachkräftemangel lässt rufen, Anm. der Verf.)... Schon die Aufnahme von Menschen, deren Gedächtnis man nicht sorgfältig geprüft habe, in die Hörsäle der Fakultät, käme ihm bedenklich und zumindest nutzlos vor. Zehn nach schwersten Vorprüfung ausgewählte Studenten würden, blieben sie unter sich, unzweifelhaft mehr leisten, als wenn sie sich unter hundert träger Biernaturen :D, die üblichen an den Universitäten, mischten.
Wenn Kien seinen täglichen Spaziergängen nachgeht, so führt er ständig ein Notizheft mit Bleistift mit sich, um sich die Dummheiten, die sich auf der Straße, außerhalb seiner Bibliothek, zutragen, zu notieren.


Es folgte die Begebenheit, welche wieder die Dummheit der Menschen illustrieren sollte. Ein angewandtes Zitat, immer ein neues, bildete den Beschluss. Die gesammelten Dummheiten las er nie; ein Blick auf das Titelblatt genügte. In späteren Jahren dachte er sie herauszugeben, als Spaziergänge eines >Sinologen< .
Interessant finde ich auch die Wohnstätte des Protagonisten. seine Wände sind alle mit Büchern tapeziert, und besitzt in den Wohnräumen außer seines alten Diwans und seinem Schreibtisch keine weiteren Möbelstücke, da er Möbelstücke als pure Verschwendung betrachtet, die den Büchern nur den Platz rauben würden.


Nirgends ein Tisch, ein Schrank, ein Ofen, der das bunte Einerlei der Regale unterbrochen hätte. Den Besitz einer reichhaltigen, geordneten und nach allen Seiten hin abgeschlossenen Bibliothek, in der ihn kein überflüssiges Möbelstück, kein überflüssiger Mensch von ernsten Gedanken ablenkte.
Kien beschäftigt auch eine Haushälterin, die für ihn kocht und seine Bibliothek von dem Staub befreit. Mit ihrer Arbeit zeigte er sich sehr zufrieden, sprach aber nie seine Wertschätzung ihr gegenüber aus, er dachte sie nur im Stillen für sich. Wenn er seine Mahlzeiten auf seinem Schreibtisch zu sich nahm, wo er mit vielen Gedanken beschäftigt ist und von ihnen sich nicht zu trennen beabsichtigte, so war er gar nicht in der Lage zu beurteilen, ob ihm das Essen schmeckt, auch wusste er nicht, was er gerade für eine Mahlzeit zu sich nahm, denn,


das Bewusstsein bewahre man für mögliche Gedanken; sie nähren sich von ihm, sie brauchen es; ohne Bewusstsein sind sie nicht denkbar. Kauen und verdauen versteht sich von selbst.

Ich bin sehr angetan von diesem Zitat, weil es doch auch eine gewisse Wahrheit beinhaltet. und ich selbst finde es auch gut, wenn man auf solche Banalitäten nicht so viel an Bedeutung abgewinnt, allerdings nicht in dieser so scharfen Ernsthaftigkeit wie dies bei unserem Professor der Fall ist.

Viel Verständnis hat unser Krösus auch nicht für behinderte Menschen, dann wäre er von einer Behinderung betroffen, so würde er sich auf jeden Fall das Leben nehmen und dasselbe würde er auch diesen Menschen raten. 
Mich macht Kien recht neugierig, aber mit ihm zu tun möchte ich im realen Leben nicht wirklich.

er lebt sehr intensiv in seiner Bücherwelt, dass er quasi gar nicht mehr zu unterscheiden weiß, was Wirklichkeit und was Fiktion ist.


Plötzlich, er weiß nicht, wie ihm geschieht, verwandeln sich die Menschen in Bücher. Er schreit laut auf und stürzt besinnungslos in die Richtung des Feuers. Er rennt, keucht, beschimpft sich, springt hinein und sucht und wird von fliehenden Leibern gefressen. Die alte Angst ergreift ihn, Gottes Stimme befreit ihn, er entkommt und betrachtet vom gleichen Fleck das gleiche Schauspiel. Vier Mal lässt er sich zum Narren halten. Die Geschwindigkeiten der Geschehnisse nimmt von mal zu mal zu. Er weiß, dass er in Schweiß gebadet ist.
Diese Textstelle verdeutlicht nochmal, wie intensiv der Professor in seiner Welt lebt.

Seine Bedienstete interessiert sich eigentlich zu seinem Erstaunen auch für Literatur, und so leiht er ihr ein Buch, aber ein Buch, das er in der Jugendzeit schon gelesen und an vielen Klassenkameraden weiter verliehen hatte und dadurch reichlich abgenutzt ist. Die gute Haushaltsdame bekam nur aus dem Grunde dieses Buch ausgeliehen, weil sie viel zu dicke Finger habe und aus seiner Sicht recht ungebildet sei, so dass er ihr mit gutem Gewissen dieses abgenutzte Buch auszuleihen in der Lage ist, ohne zu befürchten, dass dem Buch noch mehr Schaden zugefügt werden könnte.
Romanen steht Kien eher abfällig gegenüber, da von ihnen kein Geist fett werden könne :D. 

Den letzten Satz, der Geist könne von Romanen nicht fett werden, finde ich so toll im Ausdruck ausgewählt, wenn ich die Meinung mit ihm allerdings auch nicht teile, obwohl ich selbst diese Erfahrung einst einmal machte, als ich ab dem Beginn meines Studiums die Romane alle ablegte und ich erst seit August 2010, wo mein Studium schon längst abgeschlossen war, wieder mit Romanen zu lesen begonnen habe. 

Auf der siebzigsten Seite macht unser Freund eine fragliche Entdeckung, was die Behandlung des abgegriffenen Buches durch die Haushaltsdame betrifft, die das Buch von dem vielen Schmutz zu reinigen versuchte und es in Schutzpapier kleidete, weil sie den Wert des Buches erkannte, was dem Professor in Erstaunen versetzte:


Sie sagte nicht > kostet < , sie sagte > Wert < hat. Sie meinte den inneren Wert, nicht den Preis. Und er hatte ihr immer vom Kapital vorgeschwärzt, das in seiner Bibliothek steckte. Diese Frau musste ihn verachten. Sie war eine großartige Seele. Da saß sie nächtelang über alten Flecken und plagte sich mit ihnen ab, statt zu schlafen. Er gab ihr sein lumpigstes, abgegriffenstes, schmierigste Buch, aus Gehässigkeit, sie nahm es in liebevolle Pflege. Sie hatte Erbarmen, nicht mit Menschen, da war es keine Kunst, sondern mit Büchern. Sie ließ die Schwachen und Betrübten zu sich kommen. Des letzten, verlassenen, verlorenen Wesens auf Gottes Erdboden nahm sie sich an.
 Mit diesem Zitat wird auch noch einmal deutlich, dass die Bücher für den Professor Menschen sind, einige davon lädiert, schwach, betrübt und verlassen... .

Durch diese Erkenntnis mit seiner Haushälterin gerät er ins Hadern, flüchtet somit zurück in seine Bibliothek und greift seinen Konfuzius an, den er duzt, er spricht wohl regelmäßig mit ihm, auch mit den anderen längst verstorbenen Autoren, während er mit den lebenden Menschen absolut auf Distanz steht:


"Ich glaube einige Bildung zu haben!" schrie er Konfuzius von fünf Schritt Entfernung an, "ich glaube auch einigen Takt zu haben. Man wollte mir einreden, dass Bildung und Takt zusammengehören, dass eines ohne das andere unmöglich ist. Wer mir das einreden wollte? Du!" Er scheute sich nicht, Konfuzius zu duzen. "Da kommt plötzlich ein Mensch ohne einen Funken von Bildung daher und hat mehr Takt, mehr Herz, mehr würde, mehr Menschlichkeit als ich und du und deine ganze Schule der Gelehrten zusammengenommen!"
Nun kommt es zu der großen Wende, und Kien nimmt seine Haushälterin zur Frau. Vor dem Altar war er recht hilflos, ich spare mir aber die Details und vor der ersten Nacht erst recht, indem er die Frau mit einer Muschel verglich, die durch ihre langen Kleider schwer an sie heranzukommen sei, wobei ich glaube, dass die erste Nacht gar nicht stattgefunden hat. Weitere, und zwar lustige aber gleichzeitig ernste Abläufe sind dem Buch zu entnehmen und so mache jetzt hier erst mal Schluss. Die zweite Buchbesprechung ist für morgen geplant... .
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 "Die rechte Vernunft kommt aus dem Herzen ." (T. Fontane)


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Elias Canetti / Die Blendung

 


Achtung: Es gibt hier ein Problem mit dem Schreibprogramm, wie z.B. Unterschiedliche Schriftgröße und Schriftart. Obwohl die Einstellungen korrekt sind, zeigt es nicht das Layout an, das ich gewählt habe.


ISBN: 978-3-596-51225

 

 Klappentext

Kien, ein bedeutender Sinologe, führt in seiner 25.000 Bände umfassenden Bibliothek ein groteskes Höhlenleben. Seine Welt ist im Kopf, aber sein Kopf ist ohne Sinn für die Welt. Als er, von seiner Haushälterin zur Ehe verführt, mit dem ganz »normalen« Leben konfrontiert wird, kann er sich nur noch in den Wahnsinn »retten«. Dieser Roman, 1935 in Wien zum ersten Mal veröffentlicht, nimmt in der Literatur des 20. Jahrhunderts einen zentralen Platz ein. Wie Joyce’ ›Ulysses‹ ist ›Die Blendung‹ eine mächtige Metapher für die Auseinandersetzung des einsam reflektierenden Geistes mit der Wirklichkeit.


Autorenportrait im Klappentext

Elias Canetti, 1905 in Rousse (Rustschuk)/Bulgarien geboren, studierte nach Aufenthalten in England und Frankfurt Naturwissenschaften in Wien und schrieb seinen großen Roman »Die Blendung«. 1938 musste er Österreich verlassen und emigrierte mit seiner Frau Veza nach England, wo sein soziologisches Hauptwerk »Masse und Macht« entstand. Seit den späten 60er Jahren lebte er in London und Zürich, wo er 1994 starb. Elias Canetti erhielt 1981 den Nobelpreis für Literatur.

 

Wie ich zu dem Buch kam

Ich befand mich gestern auf Entdeckungsreise in der Bahnhofsbuchhandlung in Frankfurt Main. Canetti ist mir zwar als ein recht anspruchsvoller Autor ein Begriff, aber gelesen habe ich bisher von ihm noch nichts. Das Buch hat mich nicht nur wegen der Liebe zu den Büchern durch den Protagonisten angesprochen, sondern weil es auch ein  psychiatrisches Thema mitbringt, und ich mir parallel zu meiner Berufspraxis großes Interesse erhoffe. Ich habe aber auch gehört, dass der Inhalt nicht ganz so einfach zu verstehen ist. 

 Ich werde es bald selbst erfahren. 

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 "Die rechte Vernunft kommt aus dem Herzen ." (T. Fontane)


Luca Di Fulvio / Der Junge, der Träume schenkte (1)



Erste und unvollendete Buchbesprechung zu diesem Werk

Ich werde das Buch nicht weiter lesen, auch werde ich das Buch nicht weiter verschenken, stattdessen es in den Müll werfen. In dem Buch geht es hauptsächlich um Vergewaltigungen in Übermaß. Es besitzt ein hohes Potential an Gewalt. Ich glaube nicht an eine so schwarze und einseitige Welt.
Das Buch erfüllt meinen literarischen Ansprüchen ganz und gar nicht und so möchte ich meine Zeit nicht weiter mit solchen BASTEI LÜBBE Büchern vergeuden, wo so viele andere und wirklich gute Bücher noch auf mich warten.
Des weiteren tauchen Begriffe wie "Rasse" auf. Für einen Gegenwartsautoren echt enttäuschend, wobei mir bewusst ist, dass viele, viele ItalienerInnen sehr rassistisch eingestellt sind. Nicht anders als bei uns hier in -D-.

Ich möchte den DUDEN zitieren, damit ihr mir glaubt, dass der Begriff Rasse tatsächlich disputabel ist:

Sprachtipp:
Ob der biologische Begriff der Rasse auch auf Menschen Anwendung findet, ist inzwischen wissenschaftlich höchst umstritten. Wenn auf entsprechende Unterschiede Bezug genommen werden muss, sollten deshalb Ausweichformen wie Menschen anderer Hautfarbe gewählt werden.
© Duden - Das Synonymwörterbuch, 5. Aufl. Mannheim 2010 [CD-ROM]


Das war das erste und letzte Buch von BASTEI LÜBBE.

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  "Die rechte Vernunft kommt aus dem Herzen ." (T. Fontane)

UB:

Dickens: Schwere Zeiten
Kuan: Die Langnasen
Lenz: Die Masken
Leroux: Das Phantom der Oper
Lueken: New-York
Manguel: Die Bibliothek bei Nacht
Mann. T. Erzählungen (1)
Miin: Madame Mao
Muawad: Verbrennungen
Osorio: Mein Name ist Luz
Rahimi: Stein der Geduld
Remarque: Der schwarze Obelisk
Senger: Kaiserhofstr. 12
Thackeray: Das Buch der Snobs
Zweig: Brennendes Geheimnis

Gelesene Bücher 2012: 40

 


Montag, 4. Juni 2012

Luca Di Fulvio / Der Junge, der Träume schenkte



ISBN-10: 3404160614
Klappentext
New York, 1909. Aus einem transatlantischen Frachter steigt eine junge Frau mit ihrem Sohn Natale. Sie kommen aus dem tiefsten Süden Italiens - mit dem Traum von einem besseren Leben in Amerika. Doch in der von Armut, Elend und Kriminalität gezeichneten Lower East Side gelten die gnadenlosen Gesetze der Gangs. Nur wer über ausreichend Robustheit und Durchsetzungskraft verfügt, kann sich hier behaupten. So wie der junge Natale, dem überdies ein besonderes Charisma zu eigen ist, mit dem er die Menschen zu verzaubern vermag ...



Autorenportrait
Luca Di Fulvio, geb. 1957, lebt und arbeitet als freier Schriftsteller in Rom. Sein vielseitiges Talent ermöglicht es ihm, mit derselben Leichtigkeit sowohl packende Thriller für Erwachsene als auch fröhliche Geschichten für Kinder zu schreiben (letztere veröffentlicht er unter Psyeudonym). Einer seiner vorherigen Thriller, "L'Impagliatore", wurde unter dem Titel "Occhi di cristallo" für das italienische Kino verfilmt. Bevor Di Fulvio zum Schreiben kam, hat er in Rom Dramaturgie studiert, und sein Lehrmeister war kein Geringerer als Andrea Camilleri.

Das Buch klingt zwar interessant, aber das einzige, was mir nicht behagt, ist der Verlag. Bastei-Lübbe ist eigentlich bekannt für Groschenromane. Sprachlich erwarte ich keinen Krösus :D. Aber da ich in letzter Zeit viele Klassiker gelesen habe auf einem hohen Niveau, so darf es jetzt auch mal etwas Seichtes sein. Mein erstes Buch von Bastei-Lübbe.

Mich interessiert jetzt das Buch nicht, weil Kind und Mutter aus Sizilien kommen, sondern wie Amerika, das Land der Freiheit, mit ImmigrantInnen damals umging, da Amerika hier bei uns als ein Vorzeigestaat deklariert wurde. Ich glaube nicht, dass Amerika damals fremde Leute mit offenen Armen ins Land einreisen ließ.

Das Buch habe ich wieder abgebrochen, es konnte meinen Ansprüchen alles andere als gerecht werden. 
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 "Die rechte Vernunft kommt aus dem Herzen ." (T. Fontane)

SuB:

Di Luca: Der Junge, der Träume schenkte
Dickens: Schwere Zeiten
Kuan: Die Langnasen
Lenz: Die Masken
Leroux: Das Phantom der Oper
Lueken: New-York
Manguel: Die Bibliothek bei Nacht
Mann. T. Erzählungen (1)
Miin: Madame Mao
Muawad: Verbrennungen
Osorio: Mein Name ist Luz
Remarque: Der schwarze Obelisk
Senger: Kaiserhofstr. 12
Thackeray: Das Buch der Snobs
Zweig: Brennendes Geheimnis

Gelesene Bücher 2012: 40






Marcel Proust / Sodom und Gomorrha (3)

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit BD 4


Dritte von sieben Buchbesprechungen zur o. g. Lektüre

Proust langweilt mich zurzeit wieder mal und macht mich müde. Er hat die Wirkung einer Schlaftablette :D. Momentan, auf den folgenden Seiten, ist Swann, der im BD 1 die Hauptrolle spielte, die Gesprächsnummer eins, über den geklatscht wird, aber nicht, weil Swann Männerorientiert, Transvestit oder ein Zwitter ist, nein, weil er der Dreyfuss-Affäre angehört. Swann ist selbst Jude und jetzt wird über ihn geklatscht. In Frankreich galten Juden, ähnlich wie in Russland, nicht als Franzosen, sondern als Ausländer. Unmöglich die Vorstellung, ein Franzose könnte Jude sein... . Und Franzosen, die Anhänger der Dreyfuss-Affäre waren, galten als Landesverräter und wurden aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Es wird also mal wieder im Hause Guermantes viel geklatscht, sowohl Männer als auch Frauen.  Desweiteren wird Swann hintenrum vorgeworfen, eine falsche Ehe eingegangen zu haben, *gähn*, Leut, das Leben ist kurz, was interessieren mich solche privaten Belange anderer Leute? 
Ehrlich gesagt interessiert mich die ganze Homo-Thematik überhaupt nicht, da ich keinerlei Vorurteile gegen diese Leute hege und ich meine Meinung dazu schon lange gebildet habe... . Ich kann mich nur wiederholen, es ist gut, dass nicht jeder Mensch zur Fortpflanzung beiträgt, sonst würde der Planet Erde aus allen Nähten platzen. Und wenn die Natur nicht wollte, dass es solche Wesen gibt, dann hätte sie sie auch nicht erschaffen :).
Ich möchte Proust nicht abwerten, ich habe nach wie vor Achtung vor ihm und ich bin sicher, dass in dem Buch noch vieles passieren wird, wobei Proust eher handlungsarm schreibt, und mehr über die Gespräche der feinen Leute spircht, auch recht kritisch, aber ab und zu passiert auch mal etwas :D.

Ich habe beschlossen, Proust zu vertagen und krame ihn wieder hervor, wenn ich vieeeel Zeit zur Verfügung habe. 

 

 "Die rechte Vernunft kommt aus dem Herzen ." (T. Fontane)

SuB:


Di Luca: Der Junge, der Träume schenkte

Dickens: Schwere Zeiten
Kuan: Die Langnasen
Lenz: Die Masken
Leroux: Das Phantom der Oper
Lueken: New-York
Manguel: Die Bibliothek bei Nacht
Mann. T. Erzählungen (1)
Miin: Madame Mao
Muawad: Verbrennungen
Osorio: Mein Name ist Luz
Remarque: Der schwarze Obelisk
Senger: Kaiserhofstr. 12
Thackeray: Das Buch der Snobs
Zweig: Brennendes Geheimnis

Gelesene Bücher 2012: 40

Sonntag, 3. Juni 2012

Marcel Proust / Sodom und Gomorrha (2)

  Auf der Suche nach der verlorenen Zeit Bd 4


 Zweite von sieben Buchbesprechungen zur o.g. Lektüre 


Oh, Marcel Proust scheint ein riesen Problem zu haben. Er hegt genaue Vorstellungen davon, wie Frau und Mann sich zu geben haben, ebenso das Verhalten von Menschen aus anderen Nationen, liest sich recht etiketten- und klischeehaft. Würde Proust heute leben, so würde er alle Frauen für Zwitterwesen halten, weil wir mittlerweile nicht nur Hosen tragen... :D. Und trotzdem sind wir fortpflanzungsfähig... . 


ItaliernInnen hält Proust durchweg für raffiniert und Deutsche durchweg für grob. Eine Paarung von beidem ergibt ein Gemisch der Charaktere, eine sog. Anpassung :D. Der Deutsche wird raffiniert, die Italienerin wird grob. Oh, wie gut, dass unsere Natur viel intelligenter ist, die uns eine Welt schenkt, in der  Pflanzen, Tiere, Gesteine, und Menschen in Wirklichkeit vielfältig und bunt ist. Und wie arm wir doch wären, würden die Menschen tatsächlich nur in schwarz- weiß Kategorien existieren. Dann wären alle ItalierInnen gleich und alle Deutschen ebenso... . Aber wer will das schon? Wer will gleich sein wie der Andere, gleich sein wie z.B. der Nachbar? Irgendwo bestehen wir unbewusst auf unsere ureigene Individualität. Ja, und wir haben ein Recht darauf. Weg mit diesen Stereotypen und Klischees :-).


Wer hat nicht schon (…) bemerkt, wie sehr die normalsten Paare sich schließlich einander angleichen, ja zuweilen sogar ihre Eigenschaften vertauschen? Ein ehemaliger deutscher Kanzler, Fürst Bülow, hatte eine Italienerin geheiratet. Auf die Dauer konnte man auf dem Pincio feststellen, wie viele italienische Raffinertheit hat der germanische Gatte und wie viele deutsche Grobheit die italienische Fürstin angenommen hatte.


Aber weshalb Proust diesen Vergleich zieht , damit möchte er auch beweisen, die obige Theorie lasse sich auch auf die  Homosexualität schließen, als müsse diese sich ebenso abfärben :D.


Ich möchte nicht zu hart zu Proust sein, aber emanzipierte Frauen, die es zu dieser Zeit durchaus auch gab, gehen bei ihm mit  Sicherheit mit schlechtem Urteil durch. Frauen, die Bücher gelesen und Zigaretten konsumiert haben, auf Pferden breitbeinig mit Reiterhosen und Stiefeln ritten, die Bücher schrieben und versuchten in die Politik zu gehen, u.v.a.m. damit hatte er sicher seine Probleme:


Im Ministerium sagt man, ohne dass man damit irgendetwas speziell Boshaftes äußern wollte, dass in dieser Ehe der Mann die Weiberröcke, die Frauen die Hosen anhaben. Doch lag darin mehr Wahrheit, als man meinen mochte. Madame de Vaugobert war ein Mann.


Und das nur, weil sie Hosen trug. Solche Frauen verweichlichen ihre Männer, somit bezeichnet er dies als ein Abfärben der Homosexualität bzw. von Zwitterwesen.


Es gibt noch viele, viele Textstellen, gepaart mit Naturbetrachtungen ... . Bitte selber lesen.






 

Marcel Proust / Sodom und Gomorrha (1)

 Auf der Suche nach der verlorenen Zeit Bd 4


 Eine von sieben Buchbesprechungen zur o.g. Lektüre


Ich habe nun die ersten fünfzig Seiten gelesen und schon auf den ersten Seiten wird recht schnell deutlich, welche Themen mich in diesem Band begleiten werden. Doch manche Handlungen sind mir schon bekannt aus den letzten drei Bänden. In der aristokratischen Gesellschaft, besonders die der Damen, finden Plaudereien schon morgens um 10:00 Uhr statt. Die Männer beginnen erst abends zu plaudern, indem sie gewisse Soirees bilden :D. So kann man ein wenig neidisch werden, dass diese Damen morgens nicht aufstehen um arbeiten zu gehen, oder um ihre Familie zu versorgen, denn auch darum kümmern sich die Hausangestellte, nein, eigentlich müssten sie gar nicht aufstehen :D aber sie stehen auf, um Gesellschaften zu geben und zu halten. Diese täglichen Mattinées :D  enden gegen 12:00 Uhr Mittag.

Wenn ich nur diese viele Zeit zur Verfügung hätte und das viele Geld, was würde ich da nicht alles mit meiner Zeit nur anstellen?

Das Hauptthema in diesem Buch ist die Homosexualität. Proust versucht anhand von Naturbetrachtungen diese den Figuren in seinem Buch zu begreifen, wobei an vielen Stellen deutlich wird, dass für ihn Homosexualität eher etwas Krankhaftes, als etwas Abnormales, in der Natur spricht man von einer Unart, die nicht überlebenswert ist, da Liebende mit demselben Geschlecht nicht fortpflanzungsfähig sind. Der junge Marcel scheint auf der Suche nach der sexuellen Orientierung zu sein. Es ist bekannt, dass der reale Marcel männerorientiert lebte. 

Und getrennt voneinander werden die beiden Geschlechter Zugrunde gehen;
Wobei sich mir die Frage stellt, ob es natürlich ist, wenn alle Menschen der Erde sich fortpflanzen würden? Da ist es doch klug von der Natur geregelt, wenn es auch solche Menschen gibt, die nicht fortpflanzungsfähig sind. Bei sieben Milliarden Erdbewohnern ist der Planet sowieso schon überbevölkert.

Marcel beobachtet allerdings noch, doch manchmal bekomme ich sogar den Eindruck, dass die Homosexualität eher etwas Kriminelles, als ein Verbrechen an die Natur aufgefasst werden könnte. Festgelegt hat sich Marcel noch nicht. 

Um näher bei der Natur zu bleiben - und die Vielzahl dieser Vergleiche ist in sich selbst umso natürlicher, als ein und derselbe Mensch, wenn man ihn ein paar Minuten lang beobachtet, sukzessive ein Mensch, ein Vogelmensch, ein Insektenmensch usw. zu sein scheint-, hätte man auch sagen können, es handele sich um zwei Vögel, ein Männchen und ein Weibchen, von denen das Männchen seine Avancen macht, das Weibchen aber (…) mit keinem Zeichen auf dieses Treiben antwortet, sondern ohne Verwunderung sein Freund anschaut, mit einer achtlosen Lässigkeit, dies bestimmt für verführerischer und, nachdem das Männchen den ersten Schritt getan hat, für das einzig zweckmäßige hält, derweil es sich auf das Glätten seiner Flüge beschränkt.

Marcel spricht hier von einer Romanfigur namens Monsieur de Charlus, ein zwittriges Wesen, körperlich eher Mann als Frau, der sich allerdings damenhaft kleidet und sich mit rotem Lippenstift die Lippen färbt.
Proust teilt die Menschen auch in verschiedene Rassen ein. Unter den verschiedenen Rassen fallen Frauen, Männer, Homosexuelle, Zwitter… .

(…) Er sähe aus wie eine Frau: Er war eine! Er gehörte zu der Rasse jener Menschen (…) deren Ideal männlich ist, gerade weil sie von weiblichem Temperament sind, und die im Leben nur scheinbar den anderen Männern gleichen; da, wo jeder in seinen Augen, durch die er alle Dinge der Welt betrachtet, eine bestimmte Silhouette hätte auf seiner Iris eingezeichnet trägt, schwebt diesen nicht eine Nymphe, sondern ein Ephebe vor.  (Lt. DUDEN - EPHEBEN ein wehrfähiger junger Mann im alten Griechenland, Anm. d. Verf.) 

Wobei er die Homosexuellen als Zwitterwesen bezeichnet. Für mich sind Zwitter eigentlich jene Menschen, die beide Geschlechter besitzen. bei Marcel ist es eher so, dass Monsieur de Charlus wie ein Mann zwar aussehen, sich aber wie eine Frau geben würde. Allerdings ist mir in den letzten drei Bänden gar nicht aufgefallen, dass dieser Monsieur eine Neigung in diese Richtung haben könnte. Ich kann mir vorstellen, dass dieser Anblick für die damalige Zeit recht schockierend war, das ist es ja heute noch, und ganz besonders in den katholischen Ländern.

Die Homosexualität zu begreifen stellt für den Erzähler Marcel eine große Hürde dar. Homosexualität sei schwerer zu verstehen und zu begreifen, und es sei auch schwerer diese zu verzeihen, als es bei Kriminellen der Fall sei:
Eine Rasse, auf der ein Fluch liegt und die im Glück und Meineid leben muss, dass sie weiß, dass ihr Verlangen, das, was für jedes Geschöpf die höchste Befähigung im Dasein ausmacht, für sträflich und schmachvoll (...) ist.
Dieses Zitat zieht sich noch arg in die Länge, da ich aber niemanden erschlagen möchte mit meinen vielen Textpassagen, so habe ich es einfach abgekürzt, aber das Wesentliche kommt auch abgekürzt gut herüber.

Ich freue mich, dass heute der Begriff Rasse überholt und veraltet ist, auch wenn dies noch nicht bei allen Menschen angekommen ist. Aber was bekümmern mich andere Menschen, solange ich mich um meine Entwicklung schere.

Für den Erzähler erweist sich die Homosexualität als nicht heilbar.

Das Buch ist noch seeeeehr dick und bin recht neugierig, was sich diesbezüglich noch tun wird.





Marcel Proust / Sodom und Gomorrha

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit 4




Verlag: Suhrkamp
Frankfurter Ausgabe 2004
TB, Seitenzahl: 886
19,00 €
ISBN-10: 351845644X

Klappentext

"Sodom und Gomorrha" beginnt mit einer spektakulären Szene, der Begegnung zweier Männer, die von der Natur füreinander geschaffen sind: Baron von Charlus und der Westenmacher Jupien. Endlich öffnet Proust seinem Romanhelden die Augen; Marcel erhält Antwort auf die bisher unverstandenen Zeichen der Homosexualität. Nach der mondänen Welt der "Guermantes" tun sich nun neue Welten auf: Sodom, die Welt der männlichen, und Gomorrha, die Welt der weiblichen Homosexualität. Bei der Soiree der Fürstin von "Guermantes" erlebt Marcel einen Höhepunkt seiner gesellschaftlichen Karriere und erkennt, wie die Welt von Sodom jene der Gesellschaft überlagert und unterläuft. Die Ambivalenzen in seiner Beziehung zu Albertine und sein Verlangen nach neuen Liebesabenteuern begleiten ihn von Paris nach Balbec, wo auch der zwielichtige Geiger Morel wieder in Erscheinung tritt.

Autorenportrait

Marcel Proust, geb. am 10. Juli 1871 in Auteuil, starb am 18. November 1922 in Paris. Sein siebenbändiges Romanwerk 'Auf der Suche nach der verlorenen Zeit' ist zu einem Mythos der Moderne geworden. Eine Asthmaerkrankung beeinträchtigte schon früh Prousts Gesundheit. Noch während des Studiums und einer kurzen Tätigkeit an der Bibliothek Mazarine widmete er sich seinen schriftstellerischen Arbeiten und einem nur vermeintlich müßigen Salonleben. Es erschienen Beiträge für Zeitschriften und die Übersetzungen zweier Bücher von John Ruskin. Nach dem Tod der über alles geliebten Mutter 1905, der ihn in eine tiefe Krise stürzte, machte Proust die Arbeit an seinem Roman zum einzigen Inhalt seiner Existenz. Sein hermetisch abgeschlossenes, mit Korkplatten ausgelegtes Arbeits- und Schlafzimmer ist legendär. 'In Swanns Welt', der erste Band von Prousts opus magnum, erschien 1913 auf Kosten des Autors im Verlag Grasset. Für den zweiten Band 'Im Schatten junger Mädchenblüte' wurde Proust 1919mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet. Die letzten Bände der Suche nach der verlorenen Zeit wurden nach dem Tod des Autors von seinem Bruder herausgegeben.

Gelesen habe  ich von Proust BD 1 - BD 3 und zwei Biografien. Proust kann ich nur lesen, wenn ich Urlaub habe ... .