Lesen mit Sabine St.
Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre
Ein Buch über die inneren Abgründe der Männer; über
deren Schwächen, Hemmungen und Nöte ... Ein Buch über Mobbing ...
Gestern Nacht habe ich endlich das Buch ausgelesen.
Leider hat es nicht gehalten, was es in den ersten Abschnitten versprochen hat. Und das sehe nicht nur ich so. Da ich das Buch zusammen mit Sabine gelesen habe, habe ich unten ein paar unserer gemeinsamen Eindrücke festgehalten. Sabine besitzt keinen Blog. Schade, denn Sabine kann sich wahnsinnig gut über ein gelesenes Buch ausdrücken, ähnlich wie auch meine Freundin Christina Sauer. Aber ich kann von Monerl, eine Lesefreundin aus meiner Heimatregion, die Rezension schon mal verlinken. Monerl hat das Buch letzte Woche gelesen, und sie hat mich gebeten, ihre Rezi noch nicht zu lesen, solange ich mit dem Buch zugange bin, damit ich nicht beeinflusst werde. Sie sei neugierig auf unsere Meinung. Am Ende dieser Besprechung kann man durch einen Klick auf Monerls Buchbesprechung zugreifen, die ich mittlerweile gelesen habe.
Die Handlung
Der Held dieser Geschichte ist Nelson Clouthy. Er
feiert im Sommer 1962 seinen 13. Geburtstag. Die Geschichte beginnt recht
dramatisch. Nelson hat viele Jungs zu seinem Geburtstag eingeladen, die mit
einer Ausnahme alle nicht erschienen sind. Sie wollen nichts mit Nelson zu tun
haben. Nelson hat nicht genug Selbstvertrauen und dadurch auch keine Freunde,
obwohl er in der Schule und bei den Pfadfindern erfolgreich ist. Er weint ganz
entsetzlich. Die Mutter, Dorothy, nimmt seinen Jungen in den Arm, spricht
tröstend auf den Jungen ein, während der Vater erst verbalaggressiv wird und anschließend
den Jungen mit dem Gürtel schlägt, weil er die Tränen seines Sohnes nicht
auszuhalten weiß. Gefühle werden hier vonseiten der Männer als Schwäche
angeprangert. Nelson ist eine gutmütige Figur, die sensibel ist und keiner
Fliege etwas zuleide tut. Nelson befindet sich während der Sommermonate im Lager der Pfadfinder und muss auch dort
viele Hürden überwinden. Hier sind nur Jungens unterwegs, aus denen richtige
Männer herangezogen werden sollen, die z. B. fähig sein wollen, später in den
Krieg zu ziehen ...
Im weiteren Ablauf bekommt man es mit weiteren
männlichen Figuren zu tun, die ebenfalls grausam sind. Bis zum Schluss lernt
man Männer kennen, die gewaltträchtig sind. In den letzten Episoden
vergewaltigt ein Arzt eine Frau, nachdem er sie erst mit Schlaftabletten im
Getränk narkotisiert hat … Dieser Arzt wurde schließlich wegen Vergewaltigung
und wegen versuchten Mordes eingebuchtet …
Das Schreibkonzept
Der Ablauf der Geschichte besteht aus vier Teilen
und aus 48 Kapiteln. Er beginnt historisch, Sommer 1962, und endet in der
Gegenwart, Herbst 2019. Manchmal gibt es zwischen den unterschiedlichen Epochen
Sprünge. Das heißt, wenn man sich in der Gegenwart befindet, wird man im nächsten
Absatz plötzlich wieder in die Geschichte zurückversetzt. Der Schreibstil ist
leicht und flüssig. Man kommt schnell in die Handlung rein. Man hat es hier
mit drei Generationen zu tun.
Für mich drei besondere aber fragwürdige Szenen
Vorsicht Spoiler
Erste Szene: Der Wettkampf
Die Pfadfinder entwickelten für einen Wettkampf zwei Mannschaften. Die Mannschaft, die den Wettkampf verloren hat, soll
einen Nickel in die Latrine werfen. Ein Junge dieser Crew wird
herausgepickt, der in die Latrine klettern soll, und in den Fäkalien nach dem
Nickel suchen muss. Der Junge darf erst aus der Latrine herauskommen, wenn er den Nickel gefunden
hat ... Mir war sofort klar, welche Mannschaft das Wettspiel verlieren,
und welcher Junge auserkoren wird, in die Latrine zu steigen. Wollte der Autor uns mit dieser Szene schocken?
Zweite Szene: Die Ehefrau in der
Selbstverteidigung
Nelsons Vater verliert seinen Job, angeblich, weil
Nelson im Pfadfinderlager seine Kameraden wegen des gesetzeswidrigen Verhaltens an den Leiter des Lagers ausgeliefert hat. Als der Vater versucht,
sich an seinen Sohn zu rächen und erneut gewalttätig wird, greift die Mutter ein, und sticht mit einer
Gabel überall auf den Körper des Vaters ein und schmeißt ihn hochkant aus dem Haus. Dies
war eine Szene, die mir eigentlich gut gefallen hat. Endlich wehrt sich mal
eine Frau/Mutter gegen den fiesen Mann/Vater.
Dritte Szene: Das Versprechen
Nachdem Dorothy ihren Mann Glete aus dem Haus geworfen hat,
muss sie schauen, wie sie alleine klarkommt. Nelson macht eine Ausbildung an der St. John Militärakademie ... Nach der Ausbildung kommt er wieder nach Hause. Als Nelson sich erneut aufmachen möchte, von zu Hause auszuziehen, um seinen
eigenen Weg gehen zu können, muss er der Mutter
zwei Versprechen abnehmen. Regelmäßig eine Karte schreiben, damit sie weiß, dass ihr Sohn am Leben ist … Das zweite Versprechen bestand daraus, jedes Jahr zu Weihnachten nach Hause zu kommen. Da Nelson die Mutter als sein
bester Freund bezeichnet hat, geht man davon aus, dass er seine Versprechen
halten wird. Tut er aber nicht. Nach seinem Auszug sieht er seine Mutter nicht
mehr lebendig. Über ein Telegramm erfährt er viele Jahre später, dass die
Mutter an einem Schlaganfall gestorben ist. Daraufhin fährt er zurück nach
Hause, nimmt an der Beerdigung teil und macht eine Haushaltsauflösung, damit
das Haus verkauft werden kann. In dem Kleiderschrank seiner Mutter findet Nelson alle
Weihnachtsgeschenke, die sich im Laufe der Jahre angesammelt haben, die die Mutter für ihn gekauft hatte.
Spätestens hier müsste Nelson vor dem schlechten Gewissen in den Boden
versinken. Tat er aber nicht, es waren keine ausreichenden Gewissensbisse, und
deshalb war uns diese Szene nicht glaubwürdig genug. Etwas von der guten
Erziehung der Mutter hätte in Nelsons Herzen einen liebevollen Anklang finden müssen. Erstrecht, weil sie nach dem
Rauswurf des Vaters alleine zu Hause war. Selbst von Nelson, der eigentlich ein
guter und sensibler Junge war, entwickelte man als Leserin ihm gegenüber spätestens hier ein
negatives Herzensbild. Wie lieblos muss
man sein, um eine so gute Mutter, die sich schmerzlichst nach ihrem Sohn sehnt,
für ihre restliche Lebenszeit alleine zu lassen?
Natürlich sind das nicht die einzigen Szenen, die Fragen aufwerfen und nachdenklich stimmen. Weitere sind dem Buch zu entnehmen.
Natürlich sind das nicht die einzigen Szenen, die Fragen aufwerfen und nachdenklich stimmen. Weitere sind dem Buch zu entnehmen.
Welches Weltbild versucht der Autor uns LeserInnen aufzuzwingen?
Die Antwort hätte ich eigentlich lieber von dem Autor selbst gehört. Und weil ich den Autor nicht fragen kann, kann ich sie mir nur aus meiner Sicht versuchen zu geben ...
Die Antwort hätte ich eigentlich lieber von dem Autor selbst gehört. Und weil ich den Autor nicht fragen kann, kann ich sie mir nur aus meiner Sicht versuchen zu geben ...
Ich habe echt ein Problem anzunehmen, dass es in den
Herzen der Männer reihum, über Generationen hinweg, so grauenvoll ausschaut, wie
der Autor uns mit seinem Buch weiszumachen versucht. Ich kenne viele gutmütige Männer und viele anstengende Männer, andersherum aber kenne ich auch Frauen,
die in ihrem Herzen ähnlich hart sind wie die Männer in der hiesigen Männerwelt. Sie
greifen sicher nicht nach einem Gürtel, tun aber andere Dinge, die nicht
weniger harmlos sind. Frauen, die nicht das Herz am rechten Fleck haben. Doch hier im Buch werden die Frauen eher idealisiert, während der Mann global in seiner
gesamten Rohheit dargestellt wird.
Meine Meinung
Wie schon gesagt, waren die ersten 150 bis 200 Seiten
vielversprechend. Doch nach und nach flauten meine Konzentration und mein Interesse immer mehr ab. Und die letzten 150 Seiten haben sich für mich lesetechnisch
als schleppend erwiesen. Am liebsten hätte ich das Buch abgebrochen. Vom Niveau
her hat mich dies an Elena Ferrantes Buch erinnert, das ich im ersten Band auch
als recht einseitig und sehr klischeehaft erlebt hatte, wenn es darum ging, die Gesellschaft eines
Landes literarisch widerzuspiegeln. Ferrantes Folgebände musste ich wegen
dieser Einseitigkeit auslassen. Es hat sich an der Aggressivität dieser
Gesellschaft nichts verändert ... Zurück zum Buch; mich hat außerdem gewundert, wie der sensible Jason es geschafft hat, sich zu einem Soldaten ausbilden zu lassen, um anschließend für den Vietnamkrieg eingezogen zu werden.
Lesen mit Sabine St.
Dieses Buch hat für Sabine und für mich für viele Diskussionen gesorgt. Wir waren einer Meinung, dass das Buch wenig anspruchsvoll
ist, die Handlungen nicht ausreichend glaubwürdig, und die ProtagonistInnen nicht
wirklich authentisch, wenn man von den ersten Abschnitten absieht. Insgesamt
psychologisch wenig fundiert. Enttäuscht waren wir auch von dem Verlag
Klett-Cotta, der sonst recht anspruchsvolle Bücher auf den Markt bringt. Das
Buch Die Herzen der Männer wäre
besser in einem Verlag aufgehoben, der ausschließlich einfache Unterhaltungsliteratur
produziert. Es hätte die LeserInnen erreicht, die sich von diesem Inhalt
leichter beeindrucken lassen. Für anspruchsvolle Leserinnen, wie wir es sind, stellte
sich diese Literatur als eine glatte Enttäuschung heraus. Dies ist aber nicht
überheblich gemeint.
Buchtitel und Cover
Schon der Titel Die Herzen der Männer hätte mich nicht angesprochen, wenn das Buch von einem weniger anspruchsvollen Literaturverlag aufgesetzt worden wäre. Ich habe so meine Probleme mit Stereotypen. Sind denn wirklich alle Herzen der Männer gleich? Sicher gibt es in der Erziehung zwischen den Geschlechtern Unterschiede, auch heute noch, aber jedes Kind, das Gewalt in der Kindheit erfährt, wächst mit einer Störung auf, Mädchen sind davon nicht ausgenommen.
Schon der Titel Die Herzen der Männer hätte mich nicht angesprochen, wenn das Buch von einem weniger anspruchsvollen Literaturverlag aufgesetzt worden wäre. Ich habe so meine Probleme mit Stereotypen. Sind denn wirklich alle Herzen der Männer gleich? Sicher gibt es in der Erziehung zwischen den Geschlechtern Unterschiede, auch heute noch, aber jedes Kind, das Gewalt in der Kindheit erfährt, wächst mit einer Störung auf, Mädchen sind davon nicht ausgenommen.
Das Cover war ansprechend aber leicht austauschbar, wie man hier das Buch von Tilman Röhrig, Thoms Bericht, sehen kann.
Sabine hat noch folgendes Buch gefunden:
Sabine hat noch folgendes Buch gefunden:
Mein Fazit?
Das Buch war mir viel zu trivial, zu leicht
durchschaubar, zu facettenarm.
Ungeklärte Fragen
Ein Buch über Männer, ein Buch über Mobbing unter
Männern, aber wer sind die LeserInnen? Welche Zielgruppe will man mit diesem
Buch erreichen? Lesen auch Männer dieses Buch, oder sind es wieder mal hauptsächlich
nur die Frauen die Interessentinnen? Dies würde mich wirklich interessieren.
Was hat mich zum Kauf dieses Buches veranlasst?
Aus persönlichen Gründen hat mich die Thematik
gereizt.
Weitere Rezensionen:
Hier geht es zu Monerls Buchbesprechung.
Weitere Informationen zu dem Buch
Weitere Rezensionen:
Hier geht es zu Monerls Buchbesprechung.
Weitere Informationen zu dem Buch
· Gebundene Ausgabe: 477 Seiten
· Verlag: Klett-Cotta; Auflage: 2.
Druckaufl. (11. Februar 2018)
· Sprache: Deutsch
· ISBN-10: 3608983139
Meine Bewertung?
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe
Schreibweise)
1 Punkte: Differenzierte Charaktere 0 Punkte: Authentizität der Geschichte 2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt 0 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
1 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein
|
Schs von zwölf Punkten
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Gelesene Bücher 2018: 23
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86