Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre
Gleich vorneweg gesagt;
was für ein schönes Buch. Ich habe es soeben beendet. Ich liebe Abläufe,
die nicht vorhersehbar sind. Davon gibt es in diesem Buch jede Menge. Auch das
Ende ist für mich nicht vorhersehbar gewesen. Den Anfang und das Ende hat der
Autor sehr ideenreich und gekonnt zusammengefädelt. Viele AutorInnen bemühen
sich um diesen Stil, ihre LeserInnen zu überraschen, doch bei den meisten ist
der Stil leicht zu durchschauen, sodass das Unvorhersehbare doch vorhersehbar wird. Ganz anders bei McEwan …
Damit diese Überraschungseffekte
auch für andere LeserInnen erlebbar bleiben, möchte ich aufpassen, dass ich
meine Besprechung so gestalte, dass ich nicht zu viel verraten muss. Leider kann ich nicht alles bedeckt halten ...
Zur Erinnerung gebe
ich erneut den Klappentext rein:
Die Abgründe und die Macht der Leidenschaft und der Phantasie: An einem heißen Tag im Sommer 1935 spielt die dreizehnjährige Briony Tallis Schicksal und verändert dadurch für immer das Leben dreier Menschen.
Briony Tallis ist eine
kleine Künstlerin, eine Dichterin, die schon mit zehn Jahren angefangen hat, erste fiktive Texte
zu schreiben. Mit 13 Jahren verfasste sie ihr erstes Theaterstück, das den
Titel Die Heimsuchung Arabellas bekam.
Sogar Brionys Mutter Emily war von dem Theaterstück angetan gewesen …
Die Familie Tallis
hatte Besuch. Für eine unbestimmte Zeit lebten drei Cousinen von Briony bei ihnen. Mit ihnen zusammen wollte sie das Theaterstück zu Hause vorführen, um
damit den älteren und schon erwachsenen Bruder Leon, der nicht mehr zu Hause
wohnt, für willkommen heißen. Leon sollte mit seinem Freund zu Besuch kommen ...
Die drei Cousinen,
zwei zehnjährige Zwillinge namens Jackson und Pierrot und die fünfzehnjährige Lola, sollten mit dem Theaterstück
vertraut gemacht werden. Dabei gab es Rollenkonflikte, sodass Briony das
Theaterstück wieder abblasen ließ, und es somit nicht mehr aufgeführt werden
konnte.
Im Klappentext steht,
dass Briony das Schicksal dreier Menschen beeinflusst. Eine ganze Weile dachte
ich, dass es das Schicksal ihrer Cousinen sei, das sie durch bestimmte
Ereignisse in andere Bahnen lenken würde. Diese drei Cousinen hatten derzeit durch
die Trennung ihrer Eltern eine seelische Erschütterung zu verwinden. Vor allem
für die Zehnjährigen verlief der Aufenthalt bei der Verwandtschaft als recht
schwierig, da sie sich nach dem Heim und nach ihren Eltern zurücksehnten.
Emily konnte
sich auch nicht wirklich um ihre kleinen Neffen kümmern, da sie eigene Probleme
psychosomatischer Art zu bewältigen hatte, denn auch ihr Mann Jack war mehr
abwesend als anwesend. Es schien mir, dass selbst sie beiden in einer
Ehekrise schwelgen, die allerdings verdrängt wird. Jack scheint sich in
Arbeit zu stürzen, man aber auch den Verdacht hegt, dass er eine Affäre mit einer
anderen Frau hat. Emily ahnt zwar etwas, aber sie möchte eigentlich die
Wahrheit gar nicht wissen und entwickelt eben psychosomatische Symptome wie die
Migräne und zieht sich dadurch auch ins Schlafzimmer zurück, um mit damit
fertig zu werden.
Diese Szenen haben
mich schon sehr tief berührt. Und auch welchen Umgang die Kinder ohne die
Erwachsenen untereinander pflegen. Manches an Fragen hat aber der Autor auch
offengelassen; hatte nun Jack eine Affäre oder nicht?, wenn ja, wie lange wollte Emily noch wegschauen
und ihre Migränenanfälle noch weiter ertragen? … Dies waren alles nur Nebenrollen, trotzdem
spannend …
Die fantasiebegabte
Briony lebt manchmal in ihrer Fantasiewelt, sodass sie oftmals nicht merkt, wie
sie das eine vom anderen nicht auseinanderzuhalten weiß …
Die eigentlichen
Protagonisten waren Cecilia, Brionys ältere Schwester, die Cousinen Lola und
Robbie Turner, der Sohn der Haushälterin der Tallis. Robbie war in Cecilias Alter.
Sie besuchten gemeinsam dieselbe Schule und machten danach an der Uni denselben
Abschluss in Literaturwissenschaft. Allerdings bestand der viel begabte Robbie
mit Auszeichnung. Cecilia mochte Robbie nicht besonders. Vielleicht deshalb nicht, weil Robbie so erfolgreich war. Er hegte noch weitere ehrgeizige Pläne. Er hatte vor, im Anschluss seines Literaturstudiums unbedingt noch Medizin zu studieren. Das Medizinstudium wollte Brionys Vater finanzieren,
da seine alleinerziehende Mutter als Hauswirtschafterin dafür das Geld nicht zur
Verfügung hatte. Es kann sein, dass Cecilia darauf neidisch war, weshalb sie
auf Robbie nicht gut zu sprechen war. Trotzdem ließ sie sich in der Bibliothek
ihres Vaters mit Robbie auf eine sexuelle Bindung ein. Briony wird in der
dunklen Bibliothek heimliche Zeugin dieses sexuellen Aktes, reimt sich dazu
ihre eigene Wahrheit, was fatale Folgen für drei Personen dieses Romans haben
wird, über die ich leider nicht sprechen kann.
Mein Fazit?
Es gab schon auch
Szenen, die ich hinterfragt habe, speziell was die juristischen Vorfälle betreffen,
dass ein kriminalistischer Fall nicht ausreichend untersucht wurde, was zur Folge
hat, einen unschuldigen Menschen einzusperren. Es gab nur einen Zeugen, und
dieser Zeuge war ein Kind. Die Zeugenaussage dieses Kindes wurde nicht auf die Richtigkeit hin überprüft.
Das war für mich nicht
wirklich glaubwürdig … Oder hat es vielleicht etwas mit dem sozialen Rassismus
zu tun, weshalb weder ein Verteidiger noch ein Richter gewillt war, das
Verbrechen ausreichend zu untersuchen, selbst dann nicht, als nach fünf Jahren
die Zeugin ihre Aussage wieder rückgängig machen wollte?
Auf diese Frage werde ich wohl keine Antwort erhalten.
Meine Bewertung?
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe
Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere 2 Punkte: Authentizität der Geschichte 2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt 2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein
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Zwölf von zwölf Punkten.
Weitere Informationen zu dem Buch
Diogenes Taschenbuch
544 Seiten
erschienen am 26. März 2004
978-3-257-23380-3
€ (D) 13.00 / sFr 17.00* / € (A) 13.40
544 Seiten
erschienen am 26. März 2004
978-3-257-23380-3
€ (D) 13.00 / sFr 17.00* / € (A) 13.40
Und hier geht es auf die Verlagsseite von Diogenes.
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