Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre
Ich habe mich gefragt,
zu welchem Genre dieses Buch passen könnte? Ist es ein Historischer Roman? Eine
Biografie? Eine Romanbiografie? Ein fiktionales Buch? Wenn man dem Klappentext glauben möchte, dann
wird der Inhalt des Buches als eine wahre Geschichte deklariert. Und so habe
ich mich zum Schluss gefragt, ob der Verlag überhaupt das Nachwort gelesen hat, denn im Nachwort steht explizit, dass der Roman
erfunden sei.
Ich würde sagen, der
Roman hat durchaus auch biografische Züge. Die beiden Protagonisten René
Descartes und Helena Jans van der Strom hat es wirklich gegeben. René Descartes
ist als französischer Philosoph bekannt, aber wer war Helena van der Strom? Die
Antwort darauf liefert ja schon der Klappentext. Allerdings lebten sie Mitte des
17. Jahrhunderts. Descartes wurde 1596 geboren, in einer Zeit, aus der es
schwierig sein muss, Material zu diesem Thema zusammenzustellen.
Deshalb besteht das
Buch aus einem Mix von allem. Dort, wo der Autorin Fakten gefehlt haben, füllte
sie die Lücken in einer recht kreativen fabulierfreudigen Form.
Zur Erinnerung gebe
ich erneut den Klappentext rein:
Amsterdam, 1630er Jahre. Helena Jans van der Strom arbeitet als Magd bei einem Buchhändler. Ein großes Glück für sie, denn sie kann lesen und schreiben und geht mit offenen Augen durch die Welt. Der neue Hausgast ihres Herrn fasziniert sie: Er arbeitet ununterbrochen, und Helena ist angewiesen, ihn „Monsieur“ zu nennen. Der Fremde zieht viele Besucher an, und sie erfährt seinen echten Namen: René Descartes. Sie ist zu neugierig, um Distanz zu wahren. Und auch Descartes ist schon bald von ihrem Charme und Wissensdurst eingenommen. Sie verlieben sich, was unmöglich ist: Sie ist Calvinistin, er Katholik. Sie ist nur eine einfache Magd, er Europas aufstrebender Philosoph. Die beiden sind zwei kühne, mitreißende Geister, die sich von dem Standesdünkel des Goldenen Zeitalters in Holland nicht aufhalten lassen.
Mir
hat das Buch gut gefallen. Es liest sich recht flüssig und man kommt schnell
und leicht in die Handlung rein.
Helena war eine sehr mutige Frau, wie
sie mit Kind ihr Leben hat einrichten wollen … Mutig, sich überhaupt auf eine
Beziehung einzulassen, sich hingezogen fühlen zu einem Mann mit einem großen Standesunterschied, in der diese Art von Bindung perspektivisch wenig zu bieten hat …
Außerdem war sie sehr
begabt, konnte sich das Schreiben und Lesen selbst beibringen, sie war darin
nur noch nicht geübt.
Sie war gerade mal 18 Jahre alt, als sie als Magd in
Amsterdam gelebt hat, in einem Haus eines Engländers namens Mr. Sergeant, dessen
Frau verstorben war. Helena wollte in diesem Haus gerne ihre Schreibfertigkeit
vervollständigen. Sie fühlte sich hier geradezu berufen, da Mr. Sergeant über eine Bibliothek verfügte, und er darin viel Zeit schreibend zubringt. Mr. Seargent stellte Helena auf die Probe, wollte wissen, ob sie tatsächlich schreiben konnte. Aber Helena wusste nicht mal, wie eine Schreibfeder zu halten
war, und so fiel sie durch diesen Test. Im Geheimen macht sie Trockenübungen, da Papier rar war. Papier besaßen nur die Gebildeten. Mister Seargent schenkte ihr eine Tafel und Kreide, sodass sie auf der Tafel ihre zu tätigen Einkäufe festhalten sollte …
In dem Haus des
Engländers lernt sie den viel älteren Descartes kennen, der für eine bestimmte Zeit zusammen mit
seinem Diener namens Limousin hier logieren sollte.
Helena und Descartes
fühlen sich sexuell zueinander hingezogen, und zwischen ihnen beiden entwickelt
sich eine heimliche Bindung. Descartes erkennt recht schnell, dass Helena
nicht irgendeine Magd war, sondern eine junge Frau, die hungrig nach Bildung ist.
Er ist es, der ihr zeigt, wie man eine Schreibfeder zu bedienen hat, und lässt
ihr reichlich viel Schreibpapier, Tinte und Schreibfedern zum Üben zukommen … Wenn
alles verbraucht war, sorgte er immer wieder für Nachschub.
Die sexuelle Beziehung
mit Descartes wird immer komplizierter, denn schon bald erwartet Helena ein
Kind von ihm. Es ist Limousin, der zwischen dieser heimlichen Liebe Verdacht
schöpft, auch ist er es, der als Erster merkt, dass Helena schwanger ist …
Sie verlässt das Haus
des Engländers und zieht bei einer Hebamme ein, um bei ihr ihr Kind zur Welt zu bringen. Sie sollte dort auch wohnen, Descartes hatte
alles arrangiert, damit seine junge Liebe nicht auf der Straße mit dem Kind leben
musste. Mit einem kleinen Kind ist die Arbeit als Magd nicht mehr durchzuführen.
Nach der Geburt des Kindes, nach ca. einem Jahr, zieht es sie allerdings wieder zurück nach Hause.
Sie ist enttäuscht, dass Descartes sie nicht besuchen kommt, nicht mal um nach
seinem Kind zu sehen. Descartes ist viel beschäftigt, seine intellektuelle
Arbeit steht immer an vorderster Stelle. Das nimmt ihm Helena übel …
Und so verlässt
Helena mit ihrer Tochter heimlich das Haus der Hebamme und macht sich auf nach
Leiden, wo ihr Elternhaus steht. Mit Descartes wollte sie nichts mehr zu tun
haben, und beschließt, das Kind alleine großzuziehen ...
Man sieht ihr die
gesellschaftliche Stellung an, eine Waschfrau auf der Straße geigt ihr
unverblümt die Meinung, als Helena diese bei ihrer Tätigkeit beobachtet und sie
sich an die schwere Arbeit als Magd beim Engländer zurückerinnert:
>>Weißt du, was ich denke, wenn ich sehe, wie du mit deinem kleinen Mädchen spazieren gehst, das Haar lose, wenn alle anderen hier schwer arbeiten, um grauen Stoff weiß zu bekommen? Zu fein, um eine Magd zu sein, nicht fein genug, um die Ehefrau zu sein, das denke ich. Was bist du, wenn du weder das eine noch das andere bist?<< (2015, 342)
Sie verheimlicht der
Mutter den Namen des Vaters ...
Zu Hause kann sie aber
nicht auf Dauer bleiben. Irgendwann setzt die Mutter ihr eine gewisse Frist,
wann sie das Haus wieder verlassen soll, um woanders einen Neuanfang zu starten.
Es gäbe genug alleinstehende Männer, Witwer, die Helena trotz des Kindes heiraten
würden ...
Helena versucht, über
Jobs für sich und für ihre Tochter Francine zu sorgen. Sie schreibt ein
Lehrbuch, aus dem Kinder das Alphabet lernen könnten. Sie stellt ihr Manuskript
einem Buchhändler vor, aber er lehnt es ab, da niemand Bücher von einer Frau
kaufen würde. Sie versucht es mit Zeichnungen …
Irgendwann taucht Descartes
auf, der in Leiden überall nach ihr gesucht hat, und sie auch im Elternhaus findet.
Die Mutter befand sich für mehrere Wochen auf Reisen bei der Schwester. Obwohl
sie ein gemeinsames Kind haben, ist Descartes für sie noch immer nur der
Monsieur und redet ihn auch mit Monsieur an ...
Descartes lernt sein
kleines Töchterchen kennen und liebt es auch abgöttisch. Aber
aufgrund gesellschaftlicher Konventionen schafft er es nicht, sich seiner Familie zu
stellen und versteckt sie stattdessen. Francine nennt den Vater Onkel, sie wird
nie erfahren, dass der Onkel der Vater ist. Als das Mädchen größer wird, stellt
sie Fragen, weshalb Descartes der Onkel sei, und für die Mutter nur der
Monsieur …
Mehr möchte ich nun
nicht verraten. Wer mehr wissen möchte, so verweise ich Weiteres auf das Buch. Es gibt in dem Buch noch Vieles zu entdecken.
Mein Fazit?
Es war für mich nochmals
interessant, daran erinnert zu werden, wie schwer es eine Frau vor unserer Zeit hatte. Noch
schwerer allerdings hatten es die Frauen, die aus der unteren Schicht kommen und es
nicht üblich war, sie zu bilden und sie gezwungen waren, ihre bescheidene Existenz mit schwerer Arbeit zu sichern. Gerade die Arbeit als Magd war ein Rund-um-die-Uhr-Job. Niemand käme auf die Idee, dass eine einfache Frau wie Helena schreiben und lesen konnte. Descartes war anders eingestellt, er hatte sogar
dafür gesorgt, dass seine Tochter alphabetisiert wird. Aber alles
versteckt, niemand sollte dahinterkommen. Helena war eine begabte junge Frau,
die es intellektuell hätte weit bringen können, wenn man sie nur gelassen
hätte. Wie fest diese gesellschaftlichen Banden sind, wird in diesem Buch
deutlich. Selbst die Gebildeten hatten es nicht geschafft, diese Schwellen zu
überschreiten. Sie hatten ihren guten Ruf zu wahren. Niemand würde sich mehr
für die intellektuelle Arbeit Descartes interessieren, wenn herausgekommen wäre,
mit welcher Frau er zusammen war, von welcher Frau er eine Tochter besaß.
Obwohl es so schwer war, hoffte Helena insgeheim, er würde zu ihr und zu dem
Kind stehen, und sich als Familie zeigen.
Meine Bewertung?
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe
Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere 2 Punkte: Authentizität der Geschichte 2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt 2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein
|
12 von zwölf Punkten.
Weitere Informationen zu dem Buch
· Historischer Roman
· Hardcover
· Hardcover mit Schutzumschlag
· 432 Seiten
· The Words in my Hand
· Aus dem Englischen übersetzt von Marion Balkenhol.
· ISBN-13 9783471351239
· Erschienen: 07.08.2015
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Gelesene Bücher 2017: 50
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