Ich möchte mich erneut recht herzlich für dieses tolle Rezensionsexemplar beim DVA-Buchverlag bedanken.
Lesen mit Anne ...
Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre
Ich bin von dieser Biografie von Jens Andersen sehr angetan
gewesen. Sie hat mich so tief berührt, dass ich über mehrere Nächte von
Schweden geträumt habe.
Einen Traum habe ich noch deutlich in Erinnerung. Es war ein
Landschaftstraum, umgeben von einem wunderschönen See, an dem ich mich allein
befand. Nun, was hat dieser Traum denn mit Astrid Lindgren zu tun? Auf dem
zweiten Blick wurde er mir schließlich verständlich. Mich hat das Thema
Einsamkeit sehr beschäftigt, denn die Einsamkeit ist ein Thema, das in dieser
Biografie recht häufig behandelt wird, und ich dem so gut nachfühlen konnte.
Ich bin schon als Kind immer sehr gerne alleine gewesen. Und wie oft macht man
die Erfahrung, dass man sich gerade unter Menschen recht einsam fühlen kann.
Viele Menschen haben mit dem Alleinsein ein Problem, es macht ihnen Angst,
sodass die Einsamkeit in einer Industrienation doch recht negativ besetzt ist.
Doch nicht bei Astrid Lindgren. Selbst aus ihrem eigenen Erleben heraus und in
ihren Kinderbüchern ist die Einsamkeit ein großes Thema, denn die jungen
ProtagonistInnen sind fast alles einsame Wesen, die daraus aber Potenziale
schlagen und keineswegs daran verzweifeln ...
Vieles war mir in dem Buch nicht neu, da ich schon andere
Bücher von Astrid Lindgren und über sie gelesen habe. Aber die vorliegende
Biografie ist aus meinem Leseerlebnis heraus, wie ein anderer Mensch Astrid
Lindgren beschreibt, eine der authentischsten überhaupt. Die Texte waren gut
durchstrukturiert und die vielen Fotos, darunter auch jede Menge
Familienporträts, hat Andersen miteinfließen lassen. Dieser ganze Mix zwischen
Text und Bildmaterial hat das Buch so richtig aufleben lassen.
Einige Gedanken, mit denen sich Astrid Lindgren beschäftigt
hatte, fand ich auch in meinen eigenen Gedanken wieder, wie z. B. die kritische
Nutztierhaltung in Form von Tierfabriken; doch auch die politische
Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus Hitlers über
Tagebucheintragungen fand ich höchst interessant; und die fatale
Steuerpolitik Schwedens hat mich beschäftigt. A.L. hatte von ihrem Einkommen
als Schriftstellerin 102% Steuern an den Staat entrichten müssen. Literarisch
versiert sagt sie den Kampf gegen diese absurde Steuerpolitik an ... Und das
Allerwichtigste waren noch jede Menge reformpädagogische Gedanken und Aktivitäten. Astrid
Lindgren setzte sich mit ihrer ganzen Persönlichkeit für die Rechte der Kinder
ein … Sie hatte sich auch mit den Büchern von Ellen Key vertraut gemacht, eine
schwedische Reformpädagogin, die von 1849 bis 1926 gelebt hat, die Astrid
Lindgren als großes Vorbild diente. Key schrieb Über das Recht des Kindes, seine Eltern selbst auszusuchen. Natürlich ist das symbolisch gemeint. Doch
diese Thematik findet sich auch in einem der Kinderbücher von Astrid Lindgren wieder,
wie z.B. in Rasmus und der Landstreicher.
Und was ich zusätzlich ganz interessant fand, Key schrieb auch über die Seelenmorde in den Schulen.
Seelenmorde, ein harter Begriff, doch er drückt genau das aus, was manche Kinder
auch heute noch an Schulen durchmachen müssen, wenn sie nicht den Vorstellungen
jener Bildungseinrichtung entsprechen …
Ein paar Sätze zu ihrer Herkunft möchte ich noch schreiben.
Astrid Lindgren wuchs in Näs, bei
Vimmerby, auf. Sie wurde 1907 als zweites von vier Kindern vom Pfarrhofpächter
Samuel August Ericsson und seiner Ehefrau Hanna Ericsson geboren. Die Eltern
lebten streng religiös, was für die damalige Zeit normal war. Astrid Lindgren
verlebte hier eine recht glückliche Kindheit. Sie beschreibt ihre Kindheit als
die glücklichste Zeit ihres Lebens. Sie war ein sehr verspieltes Kind, und das
blieb sie noch bis ins hohe Alter. Mit siebzig Jahren kletterte sie z.B. noch
auf Bäumen. Sie starb 2002 mit 95 Jahren in Stockholm. Drei Jahre vor ihrem Tod
erlitt sie einen Schlaganfall und wurde zu einem Pflegefall. Ihre Tochter Karin
Nyman kümmerte sich bis zum Tod um ihre Mutter.
Als Erwachsene hatte Astrid Lindgren kein so einfaches Leben
mehr. Sie gebär im Dezember 1926 als neunzehnjähriges Mädchen ihr erstes Kind, ein
uneheliches Kind, das sie vor der schwedischen Gesellschaft zu verbergen
versuchte. Sie brachte das Kind, Lasse, die ersten Jahre schweren Herzens
heimlich und anonym bei einer Pflegemutter unter. Sie liebte ihr Kind über
alles, und nach jedem Besuch fiel ihr die Trennung sehr schwer ... Dessen
ungeachtet, dass ihre Eltern streng religiös lebten, lernten sie schließlich
ihren unehelichen Enkel doch noch zu akzeptieren, sodass A. L. Lasse zu den
Eltern bringen konnte, nachdem die Pflegemutter ernsthaft erkrankte. Die
Großeltern lernten Lasse zu lieben wie ihr eigenes Kind ... Das ist doch eine
immense Entwicklung vonseiten der Eltern/Großeltern, die mir imponiert hat.
Über Verhütungsmittel war Astrid Lindgren nicht richtig
aufgeklärt. Obwohl der Kindsvater deutlich älter war als sie, da er sich schon
in den reiferen Jahren befand, kümmerte er sich auch nicht um die Verhütung.
Astrid Lindgren warf ihm Verantwortungslosigkeit vor …
Nicht nur das Paar-Beziehungsleben von Astrid Lindgren
zu zwei wichtigen Männern wird hier sehr
eindrucksvoll beschrieben, sondern auch die freundschaftlichen und beruflichen Kontakte
greift Andersen auf. Es existieren dazu jede Menge Briefe zu FreundInnen und zu
ihren Fans jeden Alters. Dadurch wird deutlich, wie Astrid Lindgren in ihrem
Leben in der Beziehung zu anderen Menschen, bedeutsamen und weniger
bedeutsamen, gewirkt hat. Sie blieb in der Öffentlichkeit immer menschlich und
immer souverän.
Beruflich war Astrid Lindgren auf vielen Gebieten
erfolgreich. In den ersten Jahren arbeitete sie als Sekretärin und als
Stenotypistin und arbeite sich hoch als Lektorin in einem Verlag, doch
hauptsächlich war sie als Schriftstellerin tätig. In dem Verlag lektorierte sie
ihre eigenen Manuskripte ...
In den jungen Jahren hatte sich Astrid Lindgren vehement
gesträubt, Schriftstellerin zu werden, obwohl ihre LehrerInnen zu ihrer
Schulzeit dazu geraten haben.
Mein Fazit?
Das Buch ist sehr, sehr spannend geschrieben, man möchte gar
nicht mehr mit dem Lesen aufhören. Viele Punkte habe ich hier nicht erwähnt. Es
gibt noch Vieles zu entdecken.
Es werden in der Biografie zusätzlich jede Menge
Werkproträts zu den Kinder- und Jugendbüchern Astrid Lindgrens vorgestellt und
kurz behandelt. Im Anhang hat uns der Biograf Andersen eine Liste erstellt, auf
der alle ihre Kinderbücher abgebildet
sind. Es gab ein paar Bücher, die mir zuvor unbekannt waren. Nun bin ich so
neugierig geworden, dass ich mir die Trilogie zu Kati in Amerika, Italien und Paris bestellt habe. Ich habe aber
noch vor, mir Rasmus und der
Landstreicher auch noch zuzulegen. Rasmus macht sich als Waisenkind auf die
Suche nach neuen Eltern, die er sich selbst aussuchen möchte …
Die Biografie von Andersen, die ich als sehr lebendig und
als recht empathisch erlebt habe, werde ich zu gegebener Zeit ein weiteres Mal
lesen.
Das Buch erhält von mir zehn von zehn Punkten.
Nachtrag zum Telefongespräch mit Anne, 8.4.2016
Nachtrag zum Telefongespräch mit Anne, 8.4.2016
Anne hat das Buch auch schon durch, und es hat ihr auch sehr gut gefallen. Dies war zu Astrid Lindgren ihre erste Biografie, und für sie war alles neu. Wir haben heute Abend telefoniert und über viele Szenen gesprochen, die wir nicht schriftlich festgehalten haben, wie z.B. der sensible Umgang mit ihren Kindern Lasse und Karin. Man wünscht jedem Kind eine Mutter wie Astrid Lindgren. Auch wenn sich heute in der Erziehungsmethode so manches verändert hat, gibt es noch immer sehr viele Kinder, die von ihren Eltern in jeder Form wie z.B. psychisch, sexuell oder körperlich missbraucht werden.
Das Buch ist in München in der Deutschen Verlags-Anstalt erschienen und ist unter
der ISBN-Nummer 978-3-421-04703-8 erhältlich.
___________
Will man glücklich sein, muss es aus einem selbst kommen
und nicht von einem anderen Menschen.
(Astrid Lindgren)
Gelesene Bücher 2016: 15
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86