Mit dem Buch hatte ich letzten Donnerstag begonnen zu lesen und es
hat mir recht gut gefallen, von der ersten bis zur letzten Seite und habe mir
daraufhin heute die Verfilmung mit Gregory Peck bestellt, die in den 1960er
Jahren gedreht wurde und einen Filmpreis erhielt. Ich habe das immer ganz gerne
nach dem Buch den Film zu sehen, soweit es eine Verfilmung gibt und dann
vergleiche ich den Inhalt miteinander. Scout, die Protagonistin des Buches, ist
die Ich-Erzählerin und spricht aus der Kind-Ich-Perspektive... .
Atticus Fink,
Rechtsanwalt von Beruf, und alleinerziehender Vater zweier Kinder, Jem
und Scout, vertritt einen Schwarzen. Er wird dadurch in der Stadt, im tiefsten
Süden der Vereinigten Staaten, als Nigger-Freund verhasst, selbst seine
Herkunftsfamilie verteufelt ihn. Scout, acht Jahre alt, hat damit besondere
Probleme, als sie in der Schule wg. ihres Vaters gehänselt wird. Die Kinder
gehen durch eine harte Schule... .
Atticus Fink, der von
den Kindern auch mit dem Vornamen gerufen wird, ist ein richtiger Idealist und
zeigt für alle menschlichen Schwächen Verständnis, auch dann, wenn ihm daraus
Nachteile entstehen, was besonders für die kleine viel nachdenkende Scout
unverständlich ist, die sich über das abfällige Verhalten des Nachbarn
Cunningingham gegenüber ihren Vaters beschwert, erwidert er daraufhin:
Mr. Cunningham ist im Grunde ein guter Mann.
Er hat lediglich seine schwachen Seiten, und die haben wir alle.
Als Scout dagegen
Einwände äußert, versucht der Vater sie bildlich zu überzeugen:
Man kann einen anderen nur richtig
verstehen, wenn man die Dinge von seinem Gesichtspunkt aus betrachtet. (…) Ich
meine, wenn man in seiner Haut steigt und darin herumläuft.
Der um vier Jahre ältere
Bruder Jem verbringt viel Zeit mit seiner Schwester Scout und beide machen sich
viele Gedanken über die Menschen in ihrem Umfeld. Besonders Arthur Radley beschäftigt
sie, über den sie durch andere Leute jede Menge Schauermärchen zu hören
bekommen haben, da die Radleys keine "gewöhnliche" Familie darstellen
und sehr zurückgezogen von der Gesellschaft leben. Scout entwickelt eine
besondere Beziehung zu der älteren Dame Miss Maudie, und sie durch Miss Maudie
Informationen erhält zu Arthur Radley, dessen Spitzname Bobo ist.
"Glauben Sie, dass
er verrückt ist?"
Miss Maudie schüttelte den Kopf. "Ich
würde mich aber nicht wundern, wenn er´s mittlerweile geworden wäre. Wir wissen
ja nie genau, was mit den Menschen passiert. Was in den Häusern hinter
verschlossenen Türen vorgeht, was für Geheimnisse…"
Die Kinder spielten viel
um Radleys Haus, immer in der Hoffnung, Arthur zu begegnen. Aber sie kamen mit
ihren Erkundungen nicht sehr weit. Jem wurde sehr schweigsam, und seine
Schwester versuchte ihn zu verstehen, indem sie den Rat ihres Vaters befolgte:
Ich versuchte, wie mein Vater Atticus mir
einmal geraten hatte, in Jemes Haut zu steigen :D und darin herumzulaufen: Wenn
ich um zwei Uhr nachts allein zum Raleys - Grundstück gegangen wäre, so hätte
am nächsten Tag meine Beerdigung stattgefunden. So ließ ich ihn denn in Ruhe
und stellte keine Fragen.
Arthur bleibt unsichtbar
und doch scheint er die spielenden Kinder vor seinem Haus sehr wohl
wahrzunehmen und tut im versteckten auch Gutes für sie. In dem Hohlraum eines
Baumes verbirgt er Geschenke für die Kinder, bis der Hohlraum eines Tages
zugemacht wird... .
Der Prozess mit dem
schwarzen Angeklagten Tom Robinson spitzt sich immer weiter zu, so dass auch
die Kinder immer mehr in die Konflikte hineingezogen werden, die an Gewalt
grenzten. Dazu der Vater zu Scout:
"Du wirst vielleicht in der Schule
heftig darüber reden hören, aber ich bitte dich um eines: Halte immer den Kopf
hoch und lege die Fäuste auf den Rücken. Ganz gleich, was man dir sagt, lass
dich nicht in Wut bringen. Versuche zur Abwechslung einmal mit dem Kopf zu
kämpfen… er ist ganz gut beieinander, auch wenn er nicht lernen will."
Scout zeigt sich besorgt
zu der Verteidigung Tom Robinsons und sowohl sie als auch ihr Bruder
beschäftigen sich recht intensiv mit dem Strafgefangenen... .
Weshalb Tom vor Gericht
sitzt lasse ich absichtlich offen... .
Jem und Scout wachsen
ohne Mutter auf und damit aus Scout eine Dame wird, wird die spießige Tante
Alexandra, väterlicherseits, zu ihnen ziehen, um sich der Erziehung des
Mädchens anzunehmen. Scout zieht lieber Latzhosen statt Mädchenkleider an. Das
ist das Schöne an dem Buch, dass so viele unterschiedliche Themen darin
behandelt werden und so wird auch deutlich, wie sehr Jungen und Mädchen zu
ihren Rollen hingeführt und erzogen werden... .
Tante Alexandra war, dass meine Kleidung
betraf, eine Fanatikerin. Ihr zufolge bestand für mich keine Hoffnung, eine
Dame zu werden, solange ich Hosen trug. Auf meinen Einwand, in einem Kleid
könne ich nichts unternehmen, antwortete sie, ich solle auch nichts unternehmen,
wozu man Hosen brauche. Wäre es nach Ihren Wünschen gegangen, so hätte ich
artig mit Puppenöfchen und niedlichen Teegeschirr gespielt und das
Perlenkettchen getragen, das sie mir bei meiner Geburt geschenkt hatte und das
jedes Jahr um eine Perle verlängert wurde. Außerdem forderte sie, dass ich
Sonne in meines Vaters einsames Leben brächte. Meiner Meinung nach ließe sich
das genauso gut in Hosen bewerkstelligen, doch Tantchen sagte, man müsse sich
auch wie ein Sonnenscheinchen benehmen.
Obwohl Rechtsanwalt
Atticus Fink einem schwierigen Beruf nachgeht, sind die Kinder noch zu jung, um
zu begreifen, welch hohe Verantwortung seine juristische Tätigkeit nach sich
zieht. Die Kinder schätzen eher praktische Fertigkeiten:
Unser Vater tat gar nichts. Er arbeitet in
einem Büro, nicht in einem Druckstore. Er fuhr keinen städtischen Müllwagen, er
war weder Sheriff noch Bauer, noch Autoschlosser, kurzum, er tat nichts, was
irgendwie Bewunderung hätte erregen können.
Erst durch Miss Maudie
erfahren sie die besonderen Fähigkeiten ihres Vaters, der kein
Durchschnittsmensch sei, und über vielerlei Talente verfügen würde wie zum
Beispiel Mundharmonika und Dame spielen und in jungen Jahren war er Mister im
Jagen und Schießen ... Doch schießen tut er als Gegner der Gewalt nicht mehr,
sondern nur noch, wenn es unbedingt nötig ist.
Des weiteren ist euer Vater ein Mensch,
der sich durch seine Herzensgüte auszeichnet. eigentlich sollte er doch stolz
darauf sein, doch vernünftige Leute sieht nie stolz auf ihre Talente.
Es wird hierbei
die Metapher Nachtigall gebraucht und macht daran deutlich, wie sinnlos es ist,
auf Menschen zu schießen, die in Wirklich keine Bedrohung sind... .
Es ist Sünde, auf eine Nachtigall zu
schießen. Denn Nachtigallen erfreuen uns Menschen mit ihrem Gesang. Sie tun
nichts Böses, sie picken weder die Saat auf dem Boden, noch nisten sie in
Maisschuppen, sie singen sich nur für uns das Herz aus der Brust. Darum ist es
Sünde, auf eine Nachtigall zuschießen...
Nationalsozialismus,
in Deutschland herrscht Hitler und die Amerikaner wundern sich über die
Judenverfolgung im Land. Für sie zählen die Juden zum eines der edelsten Völker
der Welt... . In den Schulen lernen die amerikanischen Kinder, dass in
Deutschland die Diktatur und in Amerika die Demokratie herrsche. Demokratie,
eine Regierungsform, in der alle Menschen gleiche Rechte haben und so machen
sie sich über die Deutschen her, die Juden, und geistig kranke Menschen
verfolgen, einsperren und töten. Nun ist den Amerikanern zu dieser Zeit aber
nicht bewusst, dass Schwarze von der Demokratie ausgeschlossen sind, da sie
nicht wirklich als Menschenrasse bezeichnet werden. Der Rassismus und der
Sklavenhandel in Amerika ist ebenso ein großes Verbrechen an die Menschheit,
und da muss der Amerikaner nicht mit dem Zeigefinger auf die Deutschen zeigen,
was viele ja heute nach wie vor noch gerne tun, und sie die Deutschen noch
immer mit Hitler assoziieren, der die Juden von der menschlichen Rasse
ausgeschlossen hat... .
Die Kinder nehmen
heimlich an dem Prozess teil und entwickeln dadurch Gerechtigkeitssinn
gegenüber Tom Robinson. Sie begreifen schließlich den Rassismus, wozu selbst
die Erwachsenen dazu nicht mal in der Lage sind. Die Lehrerin, die sich für
Menschenrechte einsetzt, ihr aber nicht bewusst ist, dass sie die Schwarzen
davon ausschließt... . Besonders Jem konnte schwer mit dieser Diskrepanz
umgehen und versucht die Erfahrung mit seiner Lehrerin, die er sehr schätzte,
zu verdrängen... . Das war seine Art, mit dieser Diskrepanz umzugehen... .
Zum Schluss noch etwas
zu Radley, der die Kinder aus einer schweren Gefahr herausholte... . Danach
haben die Kinder Arthur Radley nicht wieder gesehen. Dazu Scout:
"Atticus hatte recht. Er hatte einmal
gesagt, man kenne einen anderen Menschen erst dann, wenn man in seine Haut
steige und eine Weile darin herumgehe. Es genügte auch schon, auf Ragleys
Veranda zu stehen."
Dem Buch gebe ich neun
von zehn Punkten. Neun und nicht zehn, weil wenige Szenen noch etwas stärker
hätten ausgebaut werden können. Neun und nicht weniger, weil der sprachliche,
literarische Ausdruck anspruchsvoll war, und das Buch besaß viel kindlichen
Humor und ist recht fantasievoll geschrieben.
Als ich heute in der
Buchhandlung war, sah ich das Buch im Regal stehen. Ich wurde recht traurig,
dass ich es zu Ende gelesen habe und freute mich gleichzeitig, dass ich in dem
Buch drin gewesen war... . An dem ganzen Geschehen teilgenommen und
Bekanntschaft mit den dortigen Menschen gemacht zu haben. Besonders von Atticus
Fink war ich sehr angetan, der mir mit seiner menschlichen Art als
Vorbild diente. Doch auch Scott fand ich interessant, wie sie gegen die
gesellschaftlichen Konventionen angeht und diese schon recht früh hinterfragt,
speziell was der Versuch einer geschlechtlichen Erziehung zu einer Dame über ihre
Tante betrifft. Jem war nicht weniger interesaant, der es seinem Vater
gleichtun wollte, und bestrebt war, ein Gentleman zu werden. Dass auch er
einmal Rechtsanwalt werden wird, ganz nach dem Vorbild seines Vaters, geht aus
seinem starken Interesse hervor, Unverständnis gegenüber dem System zu
entwickeln und gegen gesellschaftliche und juristische Ungleichbehandlung
mancher Menschen.
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„Die rechte Vernunft
liegt im Herzen“ (Theodor Fontane)
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