Eine von zwei Buchbesprechungen zur o. g. Lektüre
Das Buch von
der Autorin Herta Müller mit dem Titel Atemschaukel
zählt zu den heftigsten Büchern, die ich bisher gelesen habe. Große
fantastische Wortspielerei macht das Buch aber noch lange nicht zart und nicht gefügig. Es erstarrte manchmal vor meinen Augen. Hat mich betroffener gestimmt, als einst alle Werke von Kafka. Ich konnte das Buch nicht durchweg
lesen, immer wieder waren größere Pausen nötig, ich fühlte mich geistig
gefoltert. Habe mir demnach Zeit mit dem Buch gelassen.
Das Cover passt
aus meiner Sicht gar nicht zu dem Inhalt. Ich hätte es eher kafkaesk gestaltet.
Die Kriegs- und die Nachkriegszeit des Zweiten Weltkriegs, Anfang 1945 bis
1950, war eine dunkle Zeit der deutschen
Rumänen, und die Sprache ist auch
dunkel, dunkel wie die Nacht. Wer diese Zeit im russischen Lager überlebt hat, der gehörte zu den Starken.
Die oder der Ich –
Erzähler/in gestaltete sich vor meinen Augen als eine Frau und so wurde ich
überrascht, als ich erfuhr, dass sie ein Er ist, ein Mann namens Leopold
Auberg, abgekürzt Leo, obwohl auf der Seite 13 männliche Utensilien mit in den
Koffer gepackt wurden. Trotzdem setzte sich der männliche Ich-Erzähler nicht durch.
Liegt es an der Sprache, dass sich mir eine erzählende Frau auftat? Ich weiß es
nicht genau. Doch selbst die männliche Person auf dem Cover konnte mich scheinbar nicht inspirieren. Die erzählende Frau kehrte immer weider zu mir zurück.
Die Sprache ist sehr fantasievoll, viele Dinge wurden personifiziert, manchmal seitenlang, das war mir an einigen Stellen zu viel:
Der Sommer quält sein Laub, der Herbst seine Farben, der Winter uns. (206)
Dass der Winter Menschen quälen kann, ... eher der Mensch kann sich selber schaden, wenn er sich der Beschaffenheit des Schnees nicht anzupassen weiß. Und der Sommer quält sein Laub … hm.
Eine andere Figur spricht von ihrer Angst, sich im Tod zu langweilen.
Eine andere Figur spricht von ihrer Angst, sich im Tod zu langweilen.
Der
Ich-Erzähler spricht durchweg monologisch und zeigt sich in seinen Handlungen stets selbstreflektiv.
Die Autorin
behandelt ihr Thema so, als habe sie es selbst erlebt. Als ich den Anhang
gelesen habe, bestätigte sich mein Verdacht, dass die politische Epoche und deren Ereignisse
aus den Erzählungen ihres Familienkreises stammen würden. Die Autorin scheint diese Informationen wie ein Schwamm in sich aufgenommen zu haben. Man spürt die hohe Sensibilität hinter jedem geschriebenen Satz.
Es gibt
Theorien, die besagen, dass die Kriegserlebnisse sich bis in die dritte Generation
hineinwirken können. Herta Müller war ein Nachkriegskind, 1953 geboren, demnach
haben ihre Eltern und Großeltern den oder die Kriege erlebt.
Leider kenne
ich mich mit der Geschichte Rumäniens gar nicht aus, auch literarisch bin ich
mit dem Land nicht verwachsen, und ich war überrascht, dass die Befreiung der Inhaftierten
mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges trotzdem kein Ende nahm. Ich zitiere die
Autorin aus dem Anhang:
Als im Sommer 1944 die Rote Armee nach Rumänien vorgerückt war, wurde der faschistische Diktator Antonescue verhaftet und hingerichtet. Rumänien kapitulierte und erklärte dem bis dahin verbündeten Nazideutschland völlig überraschend den Krieg. Im Januar 1945 forderte der sowjetische General Vinogradov im Namen Stalins von der rumänischen Regierung alle in Rumänen lebenden Deutschen für den >>Wiederaufbau<< der im Krieg zerstörten Sowjetunion. Alle Männer und Frauen im Alter zwischen 17 und 45 Jahren wurden zur Zwangsarbeit in sowjetische Arbeitslager deportiert.Auch meine Mutter war fünf Jahre im Arbeitslager.Weil es an die faschistische Vergangenheit Rumäniens erinnerte, war das Thema Deportation tabu. Nur in der Familie und mit engen Vertrauten, die selbst deportiert waren, wurde über die Lagerjahre gesprochen. Und auch dann nur in Andeutungen. Diese verstohlenen Gespräche haben meine Kindheit begleitet. Ihre Inhalte habe ich nicht verstanden, die Angst aber gespürt. (299)
Auch in dem Roman wurde kaum über die Lagererfahrungen
gesprochen, als Leo nun nach fünf Lagerjahren endlich wieder nach Hause zurückkehren
konnte. Er war für die Familie ein Fremder, niemand fragte seine Erfahrungen
ab, Gefühle waren das Letzte, was zu äußern gewünscht war, weil das Leid
einfach zu groß war. Leo ging mit 17 Jahren aus dem Haus und kam mit 22 Jahren wieder
zurück. In der Zwischenzeit seiner Abwesenheit bekamen seine Eltern einen
weiteren Jungen, der von Leo als der Ersatzbruder bezeichnet wird. Traurig
darüber, dass sein Platz nun ein anderes Kind eingenommen hat.
Ich widme nun dem Buch eine zweite Buchbesprechung, weil es
so vieles gibt, was ich noch mit in meinen Aufzeichnungen aufnehmen möchte.
Ich gehe nun in meine zweite Buchbesprechung über, zu finden
auf ein separates Posting innerhalb dieses Blogs.
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Wie können die Toten wirklich tot sein, solange sie noch
durch unser Herz wandern?
(C. McCullers zitiert aus einer alten Indianerlegende).
Gelesene Bücher 2014: 27
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
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